Roadburn Redux - Was war das? - Weltweit

03.05.2021 | 18:39

01.01.1970, https://roadburn.com/

Eines der spannendsten, aber auch exklusivsten Festivals entwirft einen Ablauf, der (Musik)-Schule machen sollte. In den Zeiten von Pandemien ist der Ansatz des Roadburn einer, der unumwunden als Blaupause oder auch als gelungener Feldversuch bezeichnet werden darf, Künstler und Künstlerinnen und das Publikum zusammenzubringen. Oder kurz: die neue Art, Musik zu vermitteln. Die folgenden Festivaltage sind in Paketen zusammengefasst: Donnerstag & Freitag werden zuerst für gut befunden, bevor der Samstag & der Sonntag folgen. Die genannten Bands bzw. begutachteten Künstler werden im Text verlinkt, bei so ziemlich allen lohnt es sich, sich näher mit ihnen zu beschäftigen. Einen Eindruck nämlich wird vom Roadburn Redux 2021 sehr verstärkt: Es gibt musikalische Kreativität und sie sucht sich ihren Weg zu ihren Hörern. Jetzt, wo Zeit dafür das ist.

Jaja, die alten Zeiten, neeneenee! Zu denen - genauer geschrieben - zu einem "normalen“ Rockmetaljahr gehörte bis 2019 auch das Roadburn Festival im niederländischen Tilburg. Immer Mitte April, immer in den ersten zwanzig Minuten ausverkauft, die Nachfrage aber nicht künstlich aufgebläht, sondern szenisch stilistisch sicher begrenzt und stoisch immer im Fokus: die Beibehaltung der Qualität. Hier lümmeln und tummeln sich Musiker, Expertinnen und Kundige und feiern sich selbst, parallel dazu viele Neuheiten und Experimente, neue Kollaborationen und Kunstformen, die am Rande irgendwetwas mit Doom, Psychedelic, Ambient, Noise, Grind und Krachkunst im allgemeinen zu tun haben.
Hatte man auch noch Tickets ergattert, froh man war, wer allein auftauchte, fand innerhalb kürzester Zeit Anschluss, denn das alles ist von einer sehr freundlichen, interessierten, fast familiären Atmosphäre durchwabert. Wer leer ausging, der durfte mit Schmackes traurig sein.
Dann 2020, nichts ist mit Kampf um Tickets. Traurigkeit allerorten. 2021, nun mit den Monaten gereift und unverzagt, haben sich viele Modellversuche, die Musikkunst an Frau und Mann zu bringen als Erfolgreiche, erreichend oder eben als Luftnummer herausgestellt, die Gier des Publikums aber ist ungebrochen.
Ihre sehr gute Szenevernetzung nutzend, haben sich die Macher des Roadburn, darunter vor allem Walter Hoijmakers und Bookerin Becky Laverty, aufgemacht, ein sehr spannendes Viertageexperiment zu starten: Roadburn Redux begann am 16.04.2021 um kurz nach 19 Uhr, um dann am Sonntag darauf mit dem Auftritt der Lokalmates DEWOLFF zu enden. Dazwischen: Musik, Musik, Musik, Gekreisch, ausweitende Psychedeliken, berserkende Exklusivsets, professionellst ausgefilmte und ausgetonte Livestreams, das alles wirkt wie eine Aufeinanderfolge von Lustbarkeiten, denen die Musiker endlich wieder Leben einhauchen können. Stilistisch gibt es hie eigentlich kaum Grenzen: Instrumentalstoner aus Leipzig, Grindattacken aus Tennessee, Krautrock aus Berlin, Industrialfolk aus Amsterdam, Doomduos aus Hannover, kerzigen Death Metal aus Washington - die Liste liest sich so international, wie es nur geht. „Weil es nur online so geht!“, speit der sludgige Teufel, Schulter links, und es beschleicht einen dieses Gefühl zu Hause, im filzenen Schalensitz. „Bloss nicht!“, barmt der tätowierte Engel, Schulter links.
Roadburn Redux ist ein Beispiel dafür, wie ein Konzept durchdacht, strukturiert und für das globale Publikum bestens und spannend aufgelegt werden kann. In wilder, zeitlich exakt getakteter Folge gibt es neben den Liveauftritten in hervorragender Qualität exklusive Studio- oder Dachboden- oder Kirchen-Sets, Videopremieren, Talkrunden, Podcasts, aktuelle Playlists, Bilderstrecken der Livesets undundund. Als Partner sind die Clubbetreiber in Tilburg und die vor allem technischen Experten des niederländischen Kulturnetzwerks 3voor12 erhalten geblieben, die sich an der Spitze des Anspruchs befinden. Als Partnerlabel sind hier Pelagic Records und Exile On Mainstream, Svart Records und Relapse Records zu nennen, die sich eigene kleine Veranstaltungsreihen haben einfallen lassen, um das ganze neben all der Schwermut in Gedanken und Gefühl auch abwechslungsreich zu halten.
Und so kann man sich gar nicht sattsehen, satthören und erhält sich diese Spannung, die es nur auf wohlfeilen Festivals geben kann und wieder geben wird.
Online zwar, aber das Roadburn Redux ist ein Beispiel dafür, worum es geht. Egal, ob man nun im Vordunkel der Bühne steht (unersetzbares Gefühl) oder den Weißwein im heimischen Heimkino schlürft und sich der technischen Möglichkeiten neuesten Standes bedient: es geht um Musik, formidable, beherzte, exaltierende und provokative, überraschende und unvorhersehrbare Momente. Dass dies ein Festival dieser neuen Art ist, das Geliebte einfangen und transportieren kann, hätte ich, skeptisch und auch dauerhaft pandemieangefressen, nicht für möglich gehalten. Wer sich dabei auf und durch die begleitende Webseite bewegt, wird oben in einem aktualisierten Header jeweils neu informiert, was ansteht, rechts die Kommentarleiste steht nie still, und draußen“ in der Kategorie „The Pit Stop“ können registrierte Teilnehmer herumwandern, um virtuell andere Besucher auch ein Streamschwätzchen treffen und fachsimpeln. Links sind in den Kategorien die Vorlieben des Hörers oder der Zuschauerin einfach anklickbereit, kreuzt man „Livestreams“, so erscheinen genau diese in der nächsten Sekunde, fein aufgereiht. Ja, das ist krass, alles an Kunst hier ist eigentlich gratis, steht bis zur Dienstagnacht danach noch im Internet zur Verfügung und es gibt die Möglichkeit, mit einem selbstgewählten Betrag einen Beitrag zu leisten, dass das alles zumindest in Teilen etwas gegenfinanziert wird.
Wobei mir im weiteren Verlauf auch ein Vorteil immer klarer wird: verpasst man an in dieser Online-Struktur einen Gig oder ein Ereignis, so ist es gar kein Problem, in der Zeit zurückzuswitchen und dem Ganzen im Nachhinein beizuwohnen. Oder die Begeisterung für eine Band auch gleich noch ein zwei Mal zu wiederholen. Das ist eine neue Art des Kunstkonsums, ja, der Gedanke, es im Moment erleben zu dürfen, ist natürlich durch nichts zu ersetzen, auch nicht durch die 34.Wiederholung. Ich, der es bisher nie vor allem beruflich zeitlich ausgebremst, nie direkt in die „Muziekstadt Tilburg“ schaffte, bin über diese Chance einer Teilnahme sehr froh. Sehr froh. Fernfan sozusagen. Hier sollen aus der Ausgabe 2021 ein paar, nein eigentlich fast alle der Glanzlichter folgen, deren es hier so viele gibt. Es gilt, Neue Bands genauso kennenzulernen wie auch Altbekannte in neuen Gewändern zu besehen und zu belauschen. Eigentlich alles ist ästhetisch hochgradig aufgearbeitet, inszeniert und ausgeleuchtet. Die Musikszene hat dazu gelernt, weil sie es musste.

Jaja, die alten Zeiten, neeneenee! Zu denen - genauer geschrieben - zu einem "normalen" Rockmetaljahr gehörte bis 2019 auch das Roadburn Festival im niederländischen Tilburg. Immer Mitte April, immer in den ersten zwanzig Minuten ausverkauft, die Nachfrage aber nicht künstlich aufgebläht, sondern szenisch stilistisch sicher begrenzt und stoisch immer im Fokus: die Beibehaltung der Qualität. Hier lümmeln und tummeln sich Musiker, Expertinnen und Kundige und feiern sich selbst, parallel dazu viele Neuheiten und Experimente, neue Kollaborationen und Kunstformen, die am Rande irgendwetwas mit Doom, Psychedelic, Ambient, Noise, Grind und Krachkunst im allgemeinen zu tun haben.

RR Fest

Hatte man auch noch Tickets ergattert, froh man war, wer allein auftauchte, fand innerhalb kürzester Zeit Anschluss, denn das alles ist von einer sehr freundlichen, interessierten, fast familiären Atmosphäre durchwabert. Wer leer ausging, der durfte mit Schmackes traurig sein.

Dann 2020, nichts ist mit Kampf um Tickets. Traurigkeit allerorten. 2021, nun mit den Monaten gereift und unverzagt, haben sich viele Modellversuche, die Musikkunst an Frau und Mann zu bringen als Erfolgreiche, erreichend oder eben als Luftnummer herausgestellt, die Gier des Publikums aber ist ungebrochen.

Ihre sehr gute Szenevernetzung nutzend, haben sich die Macher des Roadburn, darunter vor allem Walter Hoijmakers und Bookerin Becky Laverty, aufgemacht, ein sehr spannendes Viertageexperiment zu starten: Roadburn Redux begann am 16.04.2021 um kurz nach 19 Uhr, um dann am Sonntag darauf mit dem Auftritt der Lokalmates DEWOLFF zu enden. Dazwischen: Musik, Musik, Musik, Gekreisch, ausweitende Psychedeliken, berserkende Exklusivsets, professionellst ausgefilmte und ausgetonte Livestreams, das alles wirkt wie eine Aufeinanderfolge von Lustbarkeiten, denen die Musiker endlich wieder Leben einhauchen können. Stilistisch gibt es hie eigentlich kaum Grenzen: Instrumentalstoner aus Leipzig, Grindattacken aus Tennessee, Krautrock aus Berlin, Industrialfolk aus Amsterdam, Doomduos aus Hannover, kerzigen Death Metal aus Washington - die Liste liest sich so international, wie es nur geht. „Weil es nur online so geht!“, speit der sludgige Teufel, Schulter links, und es beschleicht einen dieses Gefühl zu Hause, im filzenen Schalensitz. „Bloss nicht!“, barmt der tätowierte Engel, Schulter links.

Lineup

Roadburn Redux ist ein Beispiel dafür, wie ein Konzept durchdacht, strukturiert und für das globale Publikum bestens und spannend aufgelegt werden kann. In wilder, zeitlich exakt getakteter Folge gibt es neben den Liveauftritten in hervorragender Qualität exklusive Studio- oder Dachboden- oder Kirchen-Sets, Videopremieren, Talkrunden, Podcasts, aktuelle Playlists, Bilderstrecken der Livesets undundund. Als Partner sind die Clubbetreiber in Tilburg und die vor allem technischen Experten des niederländischen Kulturnetzwerks 3voor12 erhalten geblieben, die sich an der Spitze des Anspruchs befinden. Als Partnerlabel sind hier Pelagic Records und Exile On Mainstream, Svart Records und Relapse Records zu nennen, die sich eigene kleine Veranstaltungsreihen haben einfallen lassen, um das ganze neben all der Schwermut in Gedanken und Gefühl auch abwechslungsreich zu halten.

Und so kann man sich gar nicht sattsehen, satthören und erhält sich diese Spannung, die es nur auf wohlfeilen Festivals geben kann und wieder geben wird.

Online zwar, aber das Roadburn Redux ist ein Beispiel dafür, worum es geht. Egal, ob man nun im Vordunkel der Bühne steht (unersetzbares Gefühl) oder den Weißwein im heimischen Heimkino schlürft und sich der technischen Möglichkeiten neuesten Standes bedient: es geht um Musik, formidable, beherzte, exaltierende und provokative, überraschende und unvorhersehrbare Momente. Dass dies ein Festival dieser neuen Art ist, das Geliebte einfangen und transportieren kann, hätte ich, skeptisch und auch dauerhaft pandemieangefressen, nicht für möglich gehalten. Wer sich dabei auf und durch die begleitende Webseite bewegt, wird oben in einem aktualisierten Header jeweils neu informiert, was ansteht, rechts die Kommentarleiste steht nie still, und draußen“ in der Kategorie „The Pit Stop“ können registrierte Teilnehmer herumwandern, um virtuell andere Besucher auch ein Streamschwätzchen treffen und fachsimpeln. Links sind in den Kategorien die Vorlieben des Hörers oder der Zuschauerin einfach anklickbereit, kreuzt man „Livestreams“, so erscheinen genau diese in der nächsten Sekunde, fein aufgereiht. Ja, das ist krass, alles an Kunst hier ist eigentlich gratis, steht bis zur Dienstagnacht danach noch im Internet zur Verfügung und es gibt die Möglichkeit, mit einem selbstgewählten Betrag einen Beitrag zu leisten, dass das alles zumindest in Teilen etwas gegenfinanziert wird.

van Till

Wobei mir im weiteren Verlauf auch ein Vorteil immer klarer wird: verpasst man an in dieser Online-Struktur einen Gig oder ein Ereignis, so ist es gar kein Problem, in der Zeit zurückzuswitchen und dem Ganzen im Nachhinein beizuwohnen. Oder die Begeisterung für eine Band auch gleich noch ein zwei Mal zu wiederholen. Das ist eine neue Art des Kunstkonsums, ja, der Gedanke, es im Moment erleben zu dürfen, ist natürlich durch nichts zu ersetzen, auch nicht durch die 34. Wiederholung. Ich, der es bisher nie vor allem beruflich zeitlich ausgebremst, nie direkt in die "Muziekstadt Tilburg" schaffte, bin über diese Chance einer Teilnahme sehr froh. Sehr froh. Fernfan sozusagen. Hier sollen aus der Ausgabe 2021 ein paar, nein eigentlich fast alle der Glanzlichter folgen, deren es hier so viele gibt. Es gilt, neue Bands genauso kennenzulernen wie auch Altbekannte in neuen Gewändern zu besehen und zu belauschen. Eigentlich alles ist ästhetisch hochgradig aufgearbeitet, inszeniert und ausgeleuchtet. Die Musikszene hat dazu gelernt, weil sie es musste.

Redakteur:
Mathias Freiesleben
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