Rage, Nightwish - Ludwigsburg

28.10.2000 | 08:28

12.12.1999, Rockfabrik

Montagabend 19:10, Kulturetage in Oldenburg: Gerade mal 20 Leute (davon etliche mit Cowboyhüten!) \\\"drängen\\\" sich vor dem Eingang des kleinen Mehrzweck-Verantstaltungs-Schuppens meines Wohnortes und schon beginne ich an der Richtigkeit meines Vorhabens zu Zweifeln. Da das nordwestliche Niedersachsen nicht immer ein gutes Pflaster für Touren größerer Bands ist, machen viele etablierte Acts mittlerweile einen Bogen um die Region. Etwa zu recht? Wie bekannt THE BOSSHOSS wirklich sind, weiß hier eigentlich keiner so genau. Einerseits konnte man bei den beiden ersten Platten mit 1-2 Singles als Video bei den Musiksendern landen, andererseits gehen die Freizeit-Amerikaner den lokalen Radiosender noch völlig am Hinterteil vorbei.
In der Halle angekommen verkriecht sich ein Großteil der älteren Anwesenden sofort auf die Ränge um einen Sitzplatz zu ergattern, der Innenraum füllt sich nur sehr schleppend. Das Bier schlägt mit 2,30,- € ganz moderat zu Buche, also erstmal ran an die Theke und weiter beobachten. Schon interessant, wie sich das Publikum zusammensetz und vor allem wie viele ältere Semester den Weg in die Kulturetage gefunden haben. Womöglich fällt es diesen auch einfach leichter, den stattlichen Ticketpreis von 26,- € im VVK abzustottern.

Die Ehre den Abend zu eröffnen gebührt während der ersten sechs Shows der Tour THE BLUE SINNERS. Hätten sich die Jungs nicht nach einigen Songs als Einwohner der Lüneburger Heide geoutet, würde ich sie wohl immer noch für Engländer halten.
Mit ihrem Mix aus QTSA, Beatles, modernen Rockelementen und einer Portion Elvis-Rock\\\'n\\\'Roll legt der Vierer eine energiegeladene Show auf\\\'s Parkett. Dass die ehrlich ackernden Jungspunde vom Publikum nicht ganz den Zuspruch bekommen, den sie in meinen Augen verdient hätten, liegt wohl am Alterdurchschnitt oder an der nicht eben grundsoliden Rockausrichtung der meisten Anwesenden. Mit einer GUNS\\\'N ROSES-Coverversion beenden die Jungs einen guten Auftritt und witzeln in Richtung des Headliners \\\"Wir sind die Shettlandponys, ihr seid die Hengste. - Noch!\\\"

THE BOSSHOSS gehören zu den Bands, die keine Aufwärmphase brauchen. Schon bei den Klängen des Intros \\\"It\\\'s a real Bosshoss\\\" singen viele Anwesende mit - als die Band dann mit \\\'Stallion Batalion\\\', dem Titeltrack und Opener des neuen Longplayers die Bühne enert, tobt der Saal. Zu diesem Zeitpunkt muss ich feststellen, dass sich die Kulturetage, während meine Aufmerksamkeit dem Opener galt, bis auf den hinterletzten Winkel mit Menschen und Cowboyhüten gefüllt hat. Darunter sind Jugendliche und Kinder, ebenso wie mittlere und ältere Semester, die allesamt textsicher mitgehen.

Die Herren aus Berlin ziehen auf der Bühne über die komplette Spielzeit die Ami-Nummer durch und gestalten ihre Ansagen in bestem texanischem Slang-Englisch. Die neuen Songs knallen live noch deutlich mehr als auf Platte und versprühen tonnenweise Rock\\\'n\\\'Roll. Einzelne Bandmitglieder brillieren durch Soli an zahlreichen Intrumenten von E-Gitarre über Mundharmonika bis zum Kontrabass und diversen Percussion-Instrumenten, wie beispielsweise einem Regenstab(!). Die zwei Fronter Hoss Power und Boss Burns geben hervorragende Counterparts ab. Während Boss optisch und in Sachen Coolness dem MONSTER MAGNET Fronter Dave Wyndorf sehr nahe kommt, gibt Hoss den grinsenden Sunnyboy. Dieser beginnt \\\'Polk Salad Annie\\\' bedeutungsschwer mit einer Hommage sein Idol Tony Joe White und was für ein großartiger Musiker dieser doch gewesen sei. Schließlich klärt man das Publikum auch über die Bedeutung des folgenden Cover-Stückes auf: \\\"Do you know what Polk Salad is? It\\\'s Salad.\\\" Ah, danke Hoss!
Die erste Hälfte des Sets rekrutiert sich also vornehmlich aus neuen und mittelalten Nummern und zeigt sehr schön, wie gut die Band langsam den Schwerpunkt vom Covern auf ausgereifte eigene Songs verschiebt und dabei längst nicht mehr nur nach Country Music tönt, sondern eine schwere tighte Rock-Schlagseite bekommt, die den Herren sehr gut steht. Auf den furiosen Beginn folgt ein Akkustik-Doppelschlag in Form von \\\'High\\\' und \\\'I Say A Little Prayer\\\' das von Hoss grinsend als \\\'I Say A Little Slayer\\\' angkündigt wird.

Als im Anschluss das Gaspedal mit dem Single-Hit \\\'Rodeo Radio\\\' wieder durchgetreten wird, strebt die Stimmung ihrem Höhepunkt entgegen. Das brandneue \\\'Jumpin\\\' Around\\\' punktet mit einer unkonventionellen Melodielinie, die vom kleinen Hank Williamson (\\\"The Frodo of Rock\\\'n\\\'Roll) auf einem extrem kultigen, geschätzte 25 Jahre alten Stylofon gespielt wird - wofür er laut Hoss \\\"echt viel geübt\\\" hat. Irgendwie erinnert das ganze an eine aufgemotzte Version der Titelmelodie von \\\"Raumpatrollie Orion\\\". Die hervorragende Stimmung wird dann doch nochmal getoppt als mit dem OUTCAST-Cover \\\'Hey Ya!\\\" die Band ihren wohl größten kommerziellen Hit anstimmt.
Dann folgt der Comedy-Part des Auftrittes. Hoss\\\' Erzählungen über den Tag als die Band Snoop Dog traf (inklusive Imitation) und angeblich mit ihm gemeinsam \\\'Drop It Like It\\\'s Hot\\\' schrieb sind einfach zum brüllen komisch, der Song selbst rockt schwerstens. Zu \\\'Yeehaw\\\' angelt sich Boss zwei junge Mädchen aus dem Publikum, die ausgestattet mit \\\"Yee\\\"- und \\\"Haw\\\"-Schildern die Meute zum Mitmachen anfeuern sollen. Danach steht erneut ein Cover auf den Programmund wir hören eine galoppierende Version von \\\'Ca Plane Pour Moi\\\' (auf der Setlist als \\\'Sams Plams\\\' vermerkt!).
\\\'Shake And Shout\\\' markiert anschließend das Ende des regulären Sets. Als Boss alle Anwesenden animiert, sich auf den Boden zu knien und auf \\\"drei\\\" in die Höhe zu springen gehorcht fast der ganze Saal und die Band schießt feixend Fotos.

Natürlich gibt es auch eine nicht ganz spontane Zugabe (die Zugabentitel stehen bereits auf der Setlist, die man vom Bühnenrand problemlos lesen kann), bei der zunächst Hoss alleine an der Gitarre ein Schmachtfetzen-Medley aus \\\'Mary\\\' und \\\'Goodbye Mary\\\' vorträgt, bevor mit \\\'Sabotage\\\' und dem neuen \\\'Gay Bar\\\' nochmal so richtig die Kuh fliegt. Nach gut zwei Stunden feinster Unterhaltung verabschiedet sich die Band und kündigt sogleich an, alle Fans noch in der Bar nebenan wiedertreffen zu wollen. Wer dazu keine Zeit hat und lieber eines der zahlreichen coolen Shirts mitnehmen möchte, dürfte überrascht gewesen sein, dass diese schon für moderate 15,- € zu haben sind.

Einziger Wehrmutstropfen an diesem überaus netten Konzertabend ist der etwas nervöse Security-Mitarbeiter, der mir auch nach wiederholtem Beteuern nicht glauben möchte, dass ich auch ganz bestimmt keine Videos mache, sondern lediglich Bilderfolgen schieße, um die erschwerten Bedingungen (kein Blitz und trotz Bitte um Fotoakkreditierung kein Zugang zum Graben) zu kompensieren.

Fazit: Sollte es THE BOSSHOSS mit diesem Album gelingen, mehr Rockfans anzusprechen als bisher, könnte der Band mit einer derart breit aufgestellten Fanbasis noch eine große Zukunft bevorstehen. An diesem Abend gab\\\'s jedenfalls eine Siegeszug. Yeeeeehaw!


Setlist THE BOSSHOSS

Intro: It\\\'s a real Bosshoss

1.Stallion Batalion
2.Omniscient Lover
3.I\\\'m On A High
4.Monkey Business
5.Hey Joe
6.Rodeo Queen
7.Polk Salad Annie
8.I Say A Litte Prayer (Accoustic Version)
9.High (Accoustic Version)
10.Rodeo Radio
11.Jumpin\\\' Around
12.Hey Ya!
13.Drop It Like It\\\'s Hot
14.Yee Haw
15.Ca Plane Pour Moi
16.Shake And Shout

Zugaben:

17.Mary Me / Goodbye Mary Medley
18.Sabotage
19.Gay Bar

Redakteur:
Thomas van der Laan

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