PENDRAGON und ROG PATTERSON - Hamburg

24.05.2024 | 13:27

21.05.2024, Logo

English Neo Prog Rock at its very best!

Aktuelle, gute Neo Prog-Musik ist dieser Tage eher die Ausnahme als die Regel. Vielleicht liegt es ja aber einfach auch nur an meinen komischen oder mittlerweile auch konservativen Ohren, aber auch trotz der regelmäßigen Lektüre eines für diese Art Musik zuständigen Fachmagazins lande ich doch immer wieder bei denselben Bands bzw. den guten, alten Originalen. Sprich: MARILLION, IQ, ARENA oder PENDRAGON sind die Bands, die ich immer wieder gerne auflege, wenn mich die Lust auf Neo Prog wieder einmal packt. Letztgenannte Band ist es dann auch, die nach ziemlich punktgenau dreißig Jahren wieder einmal meine Wahlheimat livehaftig beehrt. Seinerzeit, 1994, noch im altehrwürdigen alten Knust aufspielend, wo ich ebenfalls zugegen sein durfte, geht es heute ins Logo.

Praktisch, liegt auch dieser legendäre und historische Veranstaltungsort doch nur einige Busstationen von meinem Wohndomizil entfernt. Dort angekommen überrascht mich als allererstes das überaus stattliche Merch-Angebot. Unter anderem verschiedene Shirts, Caps, DVD's, diverser Kleinkram und fast der komplette Backkatalog, sowohl auf Silberling als auch Vinyl wird hier feilgeboten. Ein wahrlich visuelles Fest für jeden Sammler und Liebhaber darf man diese überaus exquisite Tischauslage nennen. Bei relativ fairen Preisen wäre hier eine gute Möglichkeit gegeben, die vorhandenen großen Sammlungslücken endlich einmal vernünftig zu schließen. Das Problem: Beim zurückliegenden Rock Hard Festival am Pfingst-Wochenende habe ich nicht nur das komplette Haushaltsbudget für Mai, sondern sicherheitshalber auch gleich noch für die folgenden zwei Monate verprasst. Ich muss daher also wohl oder übel passen und mit leeren Händen nach Hause gehen. Das tut zwar ziemlich weh, gehört aber wohl einfach zu den Dingen, die fast ein jeder von uns Musikverrückten kennen dürfte. In einem von zehn Fällen siegt dann halt gelegentlich doch einmal die Vernunft über den siegesverwöhnten Kaufrausch. Dumm für mich: Eben genau heute tritt dieser eine von zehn Fällen für mich ein. Sei's drum. Lassen wir für heute also einfach die Musik für sich sprechen.

Im nun immerhin zu guten zwei Dritteln gefüllten Logo eröffnet pünktlich um 20 Uhr der britische Folk- und Prog-Gitarrist ROG PATTERSON den Konzertabend. Lediglich mit einer Akustikgitarre bewaffnet, spielt sich der kopfkahlrasierte Gentleman mit flinken und geschmeidigen Fingern durch ein halbstündiges Set, welches mit ruhigen und seichten Folksongs aufwartet und hier und da ein wenig an alte JETHRO TULL-Sachen erinnert, halt eben nur ohne Querflöte, Schlagzeug und elektrische Instrumente. Zwischen der Handvoll Songs brilliert der sympathische Herr mit allerhand waschechtem britischen Humor, der sich unter anderem darin offenbart, dass er intime Einblicke in das Tourleben on the road gewährt. Hierbei geht es ausführlich um all die Geräusche, die der menschliche Körper des nachts so von sich gibt und dass das auf Dauer im Bus mit fünfzehn Personen auf einer dreiwöchigen Tour doch schon ein wenig an den (Geruchs-)Nerven zerren kann. Ich denke an das bereits erwähnte Rock Hard Festival und meine vier Nächte in einem Schlafzimmer mit drei weiteren Personen und denke mir nur so irgendwie halbwegs erleichtert: Schlimmer geht also immer. Nach vier Songs ist dann auch schon wieder Schluss und Patterson, der seine Sporen unter anderem auch als Toningenieur und Tourmanager verdient, wünscht viel Spaß mit PENDRAGON und entschuldigt sich dafür, dass er leider keine Tonträger zum Verkauf dabei hat, was ihm allerdings erst aufgefallen ist, als er bereits im Flieger Richtung fester europäischer Kontinent saß. Shit happens!

Gute zwanzig Minuten Umbaupause später steht die britische Prog-Institution PENDRAGON dann endlich auf den Brettern, wobei es nun merklich enger auf der grundsätzlich schon kleinen Logo-Bühne wird. Neben den vier festen Bandmitgliedern Nick Barrett (Gesang, Gitarre), Peter Gee (Bass), Clive Nolan (Keyboards) und Jan-Vincent Velazco (Schlagzeug, darüber hinaus auch für STEVEN WILSON trommelnd) stehen auch noch zwei Backgroundvocal-Damen, sowie bei einigen Liedern der bereits im Vorprogramm aufgetretene Rog Patterson als Unterstützung an der zwölfsaitigen Gitarre, mitunter also sieben Personen gleichzeitig auf der Bühne. Zudem greift auch Bassist Peter Gee gelegentlich noch an einem zweiten Keyboard mit in die Tasten, so dass man sagen kann: Jeder Quadratzentimeter Bühnenraum wird hier konsequent ausgenutzt.

Das schwelgerische, vom Spätwerk PINK FLOYDS beeinflusste 'If I Were The Wind' ist dann der Opener des Abends. Bereits hier wird klar (und das liegt nicht nur daran, dass ich mittlerweile natürlich genau weiß, wo man hier soundtechnisch am besten zu stehen hat), das Klangbild könnte wärmer und glasklarer nicht sein. Jedes Instrument könnte man mit verbundenen Augen herauszupfen, wenn diese Instrumente kleinen Kleeblättern auf einer riesengroßen Graswiese gleichkämen. Das mag vielleicht dem Umstand geschuldet sein, dass sich das Sound- und Mischpult hier und heute im Zuschauerraum befindet und nicht wie gewöhnlich seitlich nebem der Bühne. Das ist und bleibt aber letzten Endes nur windige Laien-Spekulation.

Es folgen 'Eternal Light', 'Starfish And The Moon' und das sehr wohlig mittelalterlich bardenhafte '360 Degrees' vom aktuellen beziehungsweise letzten Album "Love Over Fear", welches nun allerdings auch schon wieder vier Jahre auf dem Buckel hat und mit welchem ich persönlich bisher leider noch nicht so wirklich warm geworden bin. Von daher bin ich ganz froh, dass der kleine aktuelle Liederzyklus noch vom grandiosen 'This Green And Pleasant Land' von meinem persönlichen Lieblingsalbum "Passion" unterbrochen wird. Auf dieser wunderschönen Nummer befinden sich einfach mal einige der schönsten Melody Lines, die das Genre bis heute bisher so hervorgebracht hat. Nick Barrett erfreut sich im übrigen allerbester Laune und liebt es sichtlich, mit dem Publikum zu interagieren. Er fragt ins Rund des Logos, wie denn der Laden hieß, in dem man zum letzten Mal hier in Hamburg vor dreißig Jahren gespielt hat. Ich bin einigermaßen erleichtert, dass ich offensichtlich nicht der einzige hier bin, der sich an dieses Konzert leider überhaupt nicht mehr erinnern kann. Auch Barrett kratzt sich diesbezüglich fragend am Kopf. Es folgt nun ein kleines aus drei Songs bestehendes Akustikgitarren-Set, welches aus dem ruhigen und verträumten 'Fall Away' und dem dritten Teil der gleichnamigen "North Star"-EP 'Phoenician Skies' (gesanglich kongenial begleitet von Sally Minnear und Johanna Stroud, die hier zudem noch die Geige bedient) besteht, sowie 'King Of The Castle', welches von Rog Patterson an der 12String-Gitarre begleitet wird. Dafür, dass es sich hier heute um Prog Rock dreht und wir uns in Norddeutschland befinden, ist das Publikum überraschend euphorisch unterwegs und quittiert selbst diese kleine musikalische Verschnaufpause mit tosendem und lang anhaltenden Applaus.

Wobei Barrett in einem weiteren Plausch mit der anwesenden Meute in Erfahrung bringt, dass hier heute extra für diesen Gig selbst Menschen aus dem Süden der Republik und aus anderen Teilen des Landes angereist sind. So verhält sich das halt bei einer Band, die insgesamt nur drei Konzerte in Deutschland gibt und auch sonst nicht wirklich zu den tourfreudigsten Musikgruppen der Welt zählt. Mit 'Schizo', einem Bonus-Song der 1996 erschienenen Platte "The Masquerade Overture" wird eine weitere PINK FLOYD-Verneigung dargeboten. Herrlich, genau so liebe ich meinen Prog Rock. Überhaupt, es ist stark davon auszugehen, dass Barrett David Gilmours Gitarrenspiel alles andere als geringschätzen dürfte. Weiter geht's mit dem wunderbar melancholischen 'Afraid Of Everything' und 'Paintbox', wo Clive Nolan einmal mehr zeigen kann, dass er im Grunde genommen eigentlich doch der bessere Tony Banks ist. Nach dem percussionlastigen, aber etwas langatmigen 'A Man Of Nomadic Traits' wird dann mit "Pure" auch ein weiteres etwas moderner ausgelegtes und artrockigeres Album aus dem Backkatolog gewürdigt, und zwar mit 'It's Only Me'. Naja, auch nicht gerade meine persönliche Lieblingsplatte der Band. Vorher lässt es sich Barrett allerdings nicht nehmen, sich im Namen der gesamten Band allerherzlichst und gebührend beim Publikum fürs Kommen und Erscheinen zu bedanken.

Es ist der letzte Song des regulären Sets, und leider auch der letzte Song für den Verfasser dieser Zeilen, der bereits in den Stunden vor dem Gig mit mittelschweren Kreislaufproblemen und etwas Magengrummeln zu kämpfen hatte. Ob es nun mit den steigenden Temperaturen und der immer stickiger werdenden Luft im Logo zu tun hat, dass nun auch noch ekliger Schwindel dazu kommt, weiß man letzten Endes nicht genau. Ich entscheide mich aber schweren Herzens, im Sinne meiner Gesundheit zusammen mit der besseren Hälfte und meinem Freund und Fotografen dringend frischen Sauerstoff vor der Tür zu tanken. Aus dem Inneren klingt als Zugabe das fantastische, gitarrenlastige und sphärische 'Breaking The Spell' vom 93er Meisterwerk "The Window Of Life".

Obwohl kurz mit einer Rückkehr liebäugelnd, entscheiden wir uns im Verbund, den Abend hier und jetzt doch final zu beenden. Ist aber auch ok so, denn auch die kleinen gesundheitlichen Schwankungen am Ende des Abends konnten nichts an der Tatsache ändern, hier einem ganz tollen musikalischen Abend beigewohnt haben zu dürfen. Es bleibt die Erkenntnis, dass gute Neo Prog-Bands noch immer viel zu selten auf Tour gehen, sowie die große Hoffnung, dass es nicht noch einmal weitere dreißig Jahre dauern wird, bis ich diese grandiose Band wiedersehen darf. Danke für einen ganz ganz tollen Abend, PENDRAGON! Auf ganz bald wieder...

Setliste: If I Were The Wind; Eternal Light; This Green And Pleasant Land; Starfish And The Moon; 360 Degrees; Fall Away; King Of The Castle; North Star, Part III: Phoenician Skies; Schizo; Afraid Of Everything; Paintbox; A Man Of Nomadic Traits; It's Only Me; Zugabe: Breaking The Spell


Photo Credit: Haye Graf

Redakteur:
Stephan Lenze

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