No Mercy Festival - Offenbach

28.10.2000 | 09:37

22.04.2000, Hafenbahn

Eher zufällig hatte es den Kollegen Christian und meine Wenigkeit am 22.04.00 auf das No Mercy Festival in Offenbach verschlagen. Gleich 8 (!) Bands aus dem Bereich des extremen Death (5) bzw. Black Metal (3) gaben sich in der restlos ausverkauften Hafenbahn (unzählige Fans ohne Karte mussten sich wieder auf den Heimweg machen) ein Stelldichein und bliesen zu einer insgesamt fast sechsstündigen Attacke auf die Gehörgänge.

Den Anfang machten mir bis dato völlig unbekannten Schweden VOMITORY. Diese mühten sich eine halbe Stunde lang redlich, das zu diesem Zeitpunkt eher spärlich anwesende Publikum ein wenig anzuheizen. Leider liess es der schlechte Sound nicht zu, sich ein Urteil über den dezent modern angehauchten, klassischen Elchtodsound der Band zu bilden, doch zumindest der flotte, timingsichere Schlagzeuger und der recht jung aussehende, mit einem mächtigen Grunzorgan gesegnete Aushilfssänger Henrik Ivarsson (DISPIRITED) wussten zu gefallen.

Die danach folgenden HATE ETERNAL wiederum konnten -glücklicherweise als einzige Band des Abends- in keinster Weise zu überzeugen. Trotz des Mitwirkens von MORBID ANGEL-Gitarrist Eric Rutan, der auch für die Vocals verantwortlich war, produzierten die Herren Musikanten im Bemühen, ein möglichst hohes Tempo zu gehen, einen einzigen Soundbrei. Insbesondere der zweifellos talentierte Drummer Eric Yeung fuhrwerkte wie ein Wahnsinniger, erwies sich dabei allerdings als wenig timingsicher. Lediglich der dezent an einen Würgereiz erinnernde Gesang von Bandleader Rutan (kontrapunktiert von schönen Schreien des Bassisten) konnte gewisse Pluspunkte sammeln. Auch bei dieser Band war der Sound insgesamt zu schlecht, weshalb die Band insgesamt die Chance versäumte, ihr passables Debüt angemessen zu präsentieren.

Als nächstes waren DARK FUNERAL an der Reihe, auf die ich mich im Vorfeld am meisten gefreut hatte. Und die schwedischen Satansbraten überzeugten trotz leichter spielerischer Mängel auf der ganzen Linie. Mit wahrer Urgewalt hämmerten sie einen repräsentativen Querschnitt durch ihre bisherigen Veröffentlichungen in die mittlerweile brechend volle Hafenbahn. Mit dem Songmaterial solch exzellenter Alben wie z.B. \"Secrets Of The Black Arts\" oder \"Vobiscum Satanas\" in der Hinterhand war es den skandinavischen Black Metallern ein leichtes, die Menge für sich zu vereinnahmen. Als krönenden Abschluß kredenzte die Band auch noch das SLAYER-Cover \"Dead Skin Mask\" von der aktuellen \"Teach Children To Worship Satan\"- Mini CD. Mit dieser zwar etwas schräg gespielten, aber dennoch absolut schmissigen und dank des typisch schwedischen Gekreisches von Frontmann Emperor Magus Caligula durchaus ansprechend dargebotenen Nummer brachten die bösen Buben die Hafenbahn erstmals an diesem Tag richtig zum Rasen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die Temperatur in der Halle ausgesprochen unangenehm, weswegen ich mir den Auftritt der ohnehin fast omnipräsenten VADER sparte und stattdessen eine kleine Pause im Freien einlegte. Den Leuten, die ich hinterher befragte, hatten die Polen allerdings durchwegs gut gefallen.

Nun standen die schwedischen Panzerfahrer MARDUK auf dem Programm. Entgegen meiner Befürchtungen verlegten sich die Verteidiger des wahren True Black Metal nicht auf ununterbrochenes Überschallgebolze im Stile ihres \"Panzerdivison Marduk\"-Albums, sondern liessen auch langsamere Nummern (z.B. aus glorreichen \"Those Of The Unlight\"-Zeiten) zu ihrem Recht kommen und machten ihrem Ruf als starke Liveband alle Ehre.
Zwar war Frontkreischer Legion stimmlich etwas angeschlagen, machte dies aber durch eine höchst unsatanische gute Laune (der Mann hat teilweise gegrinst! Unglaublich! *g*) und eine zünftige Stagediving-Einlage am Ende des sets mehr als wett.
Die Stimmung in der Hafenbahn jedenfalls erreichte einen neuen Höhepunkt, obwohl auch MARDUK (wie fast alle Bands) mit einem mässigen Sound zu kämpfen hatten. Wenngleich, das muß man anmerken, die Black Metal Truppen insgesamt etwas weniger matschig klangen als die DM Bands.

Das Wechselspiel zwischen BM und DM setzte nun das derzeitige Flaggschiff des US amerikanischen Extrem-Death Metal fort. CANNIBAL CORPSE enterten die Bühne und prügelten sich mit einer beispiellosen Intensität durch einen mit sehr viel Fingerspitzenverlust... öhmmm... Fingerspitzengefühl zusammengestellten Set (u.a. \"Fucked With A Knife\", \"I Will Kill You\", \"Pounded Into Dust\"), bei dem das Fehlen der indizierten Gassenhauer (wie z.B. \"Edible Autopsy\" oder \"Hammer Smashed Face\") aus den Anfangstagen der New Yorker überhaupt nicht ins Gewicht fiel.
Beeindruckend, wie tight die Instrumentalisten klangen, obwohl das Songmaterial ihnen sowohl vom Tempo als auch vom technischen Niveau her Alles abverlangte. Das jahrelange Zusammenspiel insbesondere der Rhythmus-Fraktion und die enorme Live-Erfahrung der Amis machte sich hier deutlich bemerkbar. Da auch Fronter George \"Corpsegrinder\" mittlerweile aus dem Schatten seines Vorgängers Chris Barnes (SIX FEET UNDER) herausgetreten ist und sowohl mit abgrundtiefen growls als auch mit mörderischen Schreien überzeugte, avancierte dieser Gig zum wohl besten, den ich bis dato von den Herren Kannibalen gesehen habe.
Innerhalb der ihnen zustehenden Spielzeit von einer Dreiviertelstunde verwandelten CC die Hafenbahn in ein wahres Tollhaus, wo sich trotz saunaähnlicher Temperaturen und Luftfeuchtigkeit nahezu jeder Anwesende vor Begeisterung kaum noch halten konnte.

Nach einer derartigen Demonstration höchster Death Metal-Kunst aufzutreten, wäre für die meisten Bands wohl verhängnisvoll gewesen. Nicht so für IMMORTAL. Die Black Metaller aus Norwegen fanden mit \"Withstand The Fall Of Time\" vom genialen `99er \"At The Heart Of The Winter\"-Output den denkbar besten Einstieg für ihren gig und konnten den eminent hohen Stimmungspegel halten, obwohl der machtvolle Auftritt von CANNIBAL CORPSE ein ziemlich ausgepowertes Publikum zurückgelassen hatte.
Das Trio aus dem Land der Fjorde profitierte enorm vom mit Abstand besten Sound des Abends und hämmerte sich, angetrieben vom computerpräzisen Powerdrumming Horghs (der zeitweise mit seinem Drum Monitor zu kämpfen hatte) durch diverse neuere Stücke -darunter mit \"Wrath From Above\" nur eines vom aktuellen \"Damned In Black\"-Output- wobei Frontmann Abbath einmal mehr die schärfsten Röchelvocals seit der Erfindung der Halsentzündung von sich gab. Leider jedoch mussten die Norweger ihren gig bereits nach mageren 35 Minuten mit ihrer klassischen \"Unholy Forces Of Evil\"-Feuerspuckeinlage beenden, da sich gewisse Probleme mit dem Zeitplan abzeichneten. Das Publikum reagierte erst mit Erstaunen, dann mit sichtlicher Enttäuschung, als IMMORTAL die Bühne verlassen mussten und höchst angefressen zu ihrem Bus stürmten.

Für mich persönlich war die Sache damit gelaufen, denn der pro forma-Headliner DEICIDE hat m.E. nicht mehr als soliden, aber unspektakulären Florida-DM der Handelsklasse B zubieten. Daß die Amis sich aber auch noch 25 Minuten Zeit für Umbaupause und Soundcheck liessen, war das Tüpfelchen auf dem i. Erst IMMORTAL von der Bühne jagen zu lassen und dann mit der eigenen Spielzeit (vorgesehen waren 55 Minuten) solchen Schindluder zu treiben, ist ein ziemlich starkes Stück. Die zweitklassige Prügelband um den am Rockstar-Syndrom leidenden Glen Benton machte ihrem Ruf als Könige der Unsympathen damit mal wieder alle Ehre.
So war es denn auch nicht weiter verwunderlich, daß DEICIDE eine nur noch zur Hälfte gefüllte Halle vorfanden, als sie sich nach halb 12 dazu bequemten, ihre Show endlich zu beginnen. Erstaunlicherweise bildete sich sogar ein ansehnlicher Moshpit, wenngleich die Publikumsreaktionen deutlich hinter einigen der vorangegangenen Bands zurückblieben. Nebenbei bemerkt war der Sound trotz der vorangegangenen ausufernden Check-Aktivitäten äusserst breiig. Nach 3 Songs hatte auch ich genug vom 08/15-Gebretter der Gruppe aus Florida und schloß mich mit meinen Begleitern der allgemeinen Aufbruchstimmung an.

Fazit: ein trotz des überwiegend mässigen Sounds (vielleicht für Hafenbahn-Verhältnisse ganz okay, aber insgesamt trotzdem mager) und des ärgerlich kurzen IMMORTAL-Auftritts gelungener Abend mit einer Reihe guter bis erstklassiger Bands und einem lahmen Pseudo-Headliner.

Redakteur:
Rainer Raithel

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