NIGHTWISH/SONATA ARCTICA - Köln

11.11.2004 | 07:28

19.10.2004, Palladium

Lange haben die Fans auf diesen Tag warten müssen, denn schon seit fast einem halben Jahr ist die gemeinsame Tour von NIGHTWISH und SONATA ARCTICA angekündigt und somit alle Spekulationen über das Ende der Band endgültig vom Tisch geräumt worden. Doch auch diejenigen, welche der Band aufgrund der kürzlich gefeierten Erfolge mittlerweile äußerst skeptisch gegenüberstehen, haben diesen Moment herbeigesehnt, in dem sie die Band endlich in der Luft zerreißen können – wofür es aber, soviel sei vorweggenommen, absolut keinen Grund geben sollte.
Nun ja, als wir am Dienstagabend nach einigen Staus endlich in Köln-Dellbrück abbogen und auf die völlig ausgebuchten Parkflächen schauten, ist meinem Kumpel klargeworden, dass NIGHTWISH anno 2004 einen Status haben, der schon fast in einer Größenordnung mit IRON MAIDEN rangiert. Ich habe jedenfalls fast zwei Kilometer vom Konzertgelände weg fahren müssen, bis ich mein Auto endlich parken konnte.
Was jedoch noch viel schlimmer erschien, waren die Warteschlangen vorm Palladium: Ungelogen, die Leute standen sich hier in mehr als 700m langen Zweierreihen die Füße wund, während am Einlass lediglich drei Leute die Besucher durchcheckten. Leute, das ist nicht zum ersten Mal, dass so was in dieser Halle passiert, warum werden also nicht einfach alle Türen aufgerissen und Zusatzpersonal eingestellt, so dass auch alle rechtzeitig zum Konzertbeginn drinnen sind? Die Leute haben doch mal wieder eine ganze Menge Kohle für dieses Konzert gelatzt (auf dem Schwarzmarkt wurden die Karten zwischen 40 und 120(!)€ gehandelt) , da ist es doch nur rechtens, dass sie die entsprechende Gegenleistung erfahren.

TIMO RAUTIANIEN & TRIO NISKALAUKAUS
So kam es jedenfalls, dass bei der ersten Vorgruppe TIMO RAUTIANIEN & TRIO NISKALAUKAUS noch nicht alle drinnen waren, und das ist eigentlich bedauerlich, zeigte sich das finnische Quintett doch von seiner besten Seite und hatte das Publikum direkt vom ersten Song an im Griff. Dabei passte der Mix aus verdammt harten Stakkatos, einigen folkigen Melodien und dezenten modernen Elementen eigentlich gar nicht zum Restprogramm, doch überraschenderweise schlossen die Kölner Fans die auf deutsch singenden finnischen Musiker von Anfang an in ihr Herz. So hagelte es beim ersten Stück 'Kalter Zustand’ bereits heftigsten Applaus und spätestens beim Titelsong des neuen Albums "Hartes Land“ brachen dann alle Dämme und die Hände der Zuschauer gingen gar nicht mehr nach unten.
Leider hatten TIMO RAUTIANIEN und seine Jungs nur eine knappe halbe Stunde Zeit, doch diese nutzten sie, um eine ganze Schar neuer Fans zu gewinnen, wie der nachfolgende Run Richtung Merchandise-Stand nachhaltig belegte.

Setlist:
Kalter Zustand
Elegia
Hartes Land
Nyt On Mies
Zeit der steigenden Säfte
Schneewanderer

SONATA ARCTICA
Wann kommen diese Finnen endlich mal auf Headliner-Tour? Aus dem Schatten der allmächtigen STRATOVARIUS ist man ja schon lange herausgetreten, ja, mittlerweile hat man Timo Tolkki und seine zerstrittene Bande sogar schon überholt. Und dennoch: Bis auf einige Festivalauftritte und diverse Tourneen als Support ist SONATA ARCTICA in Deutschland noch nicht viel gelungen.
Eine gute Dreiviertelstunde später ist man daher noch umso verdutzter, denn was diese Band hier aufs Parkett gezaubert hat, ist fast schon genauso souverän wie GAMMA RAY, musikalisch weitaus besser als das, was HELLOWEEN uns seit Jahren als "Rückbesinnung auf alte Zeiten" verkaufen wollen, und im Hinblick auf den hier gewonnen Zuspruch etwas, wovon viele deutsche Bands nur träumen können. Ob es nun am Sänger und Frauenschwarm in Personalunion oder doch an der erstklassigen Musik gelegen hat, braucht also nicht mehr diskutiert werden, und so dauerte es nur wenige Sekunden, bis SONATA ARCTICA die gesamte Halle zum Beben brachten.
Geboten wurde ein ordentlicher Querschnitt des bisherigen Schaffens, wobei der Schwerpunkt ganz klar auf den Songs von "Ecliptica“ und "Reckoning Day“. Und die Highlights reihten sich pausenlos aneinander. Den lautesten Zuspruch bekam die Misting-Hymne 'Fullmoon’, welche als letzte Zugabe dargeboten wurde, doch auch die Nummern vom aktuellen Album wurden reichlich beklatscht und stellenweise sogar Wort für Wort mitgesungen. Um 21.30Uhr Ortszeit gab es schließlich auch nur noch zwei Fragen zu klären: Wo waren 'Unopened, 'Wolf And Raven’ und 'Weballergy’? Und wer zum Henker sind eigentlich STRATOVARIUS?

Setlist:
Misplaced
Blinded No More
Kingdom For A Heart
Broken
Replica
Victoria’s Secret
My Land
Black Sheep
The Cage
Don’t Say A Word
Fullmoon

NIGHTWISH
Dann wurde es ernst. Eine halbe Stunde hatten die Fans in der bereits jetzt kochenden Halle Zeit, sich auf das vorzubereiten, was schlussendlich zu meinem persönlichen Konzert des Jahres avancieren sollte. Dann fiel endlich der Vorhang und hinter einem mächtigen Backdrop des aktuellen Albums "Once“ tauchten die Musiker von NIGHTWISH reihum auf. Als Letztes erschien Frontdame Tarja Turunen auf der Bühne und stimmte mit ihre maskulinen Begleitung in die beiden neuen Songs 'Dark Chest Of Wonders’ und 'Planet Hell’ ein. Man merkte schon schnell, dass die Band bestens aufeinander eingespielt und die Sängerin wirklich prima bei Stimme war, so dass sie sich im Verlauf des knapp 100-minütigen Gigs nicht eine einzige Schwäche leistete, nicht einmal beim herzzerreißenden Duett mit Bassist Marco ('Phantom Of The Opera’), den die Fans übrigens endlich in ihr Herz geschlossen und akzeptiert haben.
Wie nicht anders zu erwarten wurden vornehmlich Kompositionen der neuen Platte und von "Wishmaster“ gespielt, dass man jedoch komplett auf Stücke des quasi-Debüts "Oceanborn“ verzichtete, missfiel so manchem Fan der ersten Stunde schon ein wenig. Aber warum meckern, wenn einem NIGHTWISH Hymnen wie 'Deep Silent Complete’ mit lautem Mitsing-Part, 'Sleeping Sun’ und 'She Is My Sin’ um die Ohren knallten. Mitten im Geschehen zeigte sich Tarja viel aufgeschlossner als noch bei vergangenen Gastspielreisen. Der Kontakt zum Publikum war noch intensiver, Tarja blieb außerdem nicht die ganze Zeit auf einem Fleck stehen und ab und zu erwischte man die ansonsten recht schüchterne Finnin sogar beim Headbangen. Trotzdem brauchte sie in der Mitte des Sets mal eine kurze Pause, welche die übrigen Musiker für eine gewöhnungsbedürftige Version des MEGADETH-Gassenhauers 'Symphony Of Destruction’ verwendeten, welche am Original aber auf keinen Fall kratzen konnte. Das war dann auch der einzige Schwachpunkt einer ansonsten in jeglicher Hinsicht makellosen und genialen Show, die mit 'Bless The Child’ und 'Everdream’ standesgemäß fortgesetzt wurde.
Dann erklangen plötzlich die ersten Noten von 'Wishmaster’ und nicht wenige vermuteten, dass die Show sich langsam dem Ende zuneigte, ist dies doch in den meisten Fällen der letzte Song eines jeden NIGHTWISH-Konzertes gewesen.
Doch die Sorge hielt nur eine kurze Zeit an, denn mit dem alles wegblasenden 'Dead Boy’s Poem’ (mit der besten Tarja-Performance, die ich bei immerhin schon acht NIGHTWISH-Gigs bestaunen durfte), dem aggressiven 'Slaying The Dreamer’ und dem letzten Single-Hit ‚Nemo’ hatten die Finnen noch einige Sachen in petto, bevor sie sich dann zunächst von der Bühne verabschiedeten.
Eigentlich hatte man zu diesem Zeitpunkt ja schon mehr als gewonnen, doch als dann in der Lichttraverse eines riesigen Wasserfalls (ja, auch mit Effekten und Pyros geizte man an diesem Band nicht) auch noch die Klänge des neuen Übersongs 'Ghost Love Score’ (leider zum größten Teil vom Band) ertönten, übertraf man sich dann letzten Endes noch einmal selber, bis dann die aktuelle Single 'I Wish I Had An Angel’ ein sagenhaftes Erlebnis beendete.

Wer soll diese Band nur noch aufhalten? Und wie soll man ein solches Konzert überhaupt noch übertreffen? Ich jedenfalls kann mir eine Steigerung kaum noch vorstellen und halte den 19.Oktober 2004 als einen der musikalisch schönsten und wichtigsten Tage meines bisherigen Daseins als Heavy-Metal-Fan fest. In dieser Form blasen die Finnen einfach alles von der Bühne, das bestätigten mir selbst die Leute, die keinen Cent ihrer völlig überteuerten Schwarzmarkt-Karte mehr bereuten – und das will bei tatsächlich bezahlten 120€ schon etwas heißen.

Setlist:
Dark Chest Of Wonders
Planet Hell
Deep Silent Complete
Phantom Of The Opera
She Is My Sin
Sleeping Sun
Symphony Of Destruction
Bless The Child
Everdream
Wishmaster
Dead Boys Poem
Slaying The Dreamer
Nemo
---
Ghost Love Score
Wish I Had An Angel

Redakteur:
Björn Backes

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