M'era Luna 2009 - Hildesheim
29.08.2009 | 12:1208.08.2009, Flugplatz Drispenstedt
Wie jedes Jahr zogen auch 2009 schwarze Massen in Richtung des Flugplatzes, um das M'era-Luna-Festival zu zelebrieren. Und wie immer ging es hier nicht nur um großartige Musik, sondern auch darum, zu sehen und gesehen zu werden.
Sonntag, 09.08.2009
Raus aus den Federn und ab in den Hangar. Warum eigentlich nur? An MINA HARKER kann es eigentlich nicht liegen, denn der Plaste-Goth-Pop ist hier und heute noch fast unerträglicher als bei den Support-Gigs von OOMPH! Die Band rund um Sängerin Mina und Gitarrist Alexander spielt belanglosen Radio-Pop-Rock und zieht sich dazu schwarz an. Das reicht heute offenbar, um als waschechte Gothic-Band durchzukommen. Dabei erinnern ihre Songs eher an CHRISTINA STÜRMER oder SILBERMOND und haben mit alternativer Musikkultur so viel zu tun wie ich mit Blumengießen. Songs wie 'Letzter Kuss' oder 'Wie im Traum' lassen mich fragen, warum ich nicht etwas länger geschlafen habe. Sinnvoller wäre es gewesen.
[Enrico Ahlig]
Die Berliner von SCREAM SILENCE sind nicht nur alte Bekannte in der Gothic-Szene, sondern auch auf der M'era-Luna-Bühne. Schon einige Male zuvor durften sie die Hauptbühne beehren, und ebenso wie damals ist auch ihre diesjährige Spielzeit sehr früh – und leider auch sehr kurz. Doch die Band macht das Beste daraus und präsentiert ihre atmosphärischen Songs mit Spaß und Können. Sänger Hardy zeigt wieder einmal, dass er eine echte Ausnahmestimme besitzt und schafft es trotz des Sonnenscheins, bei der wachsenden Publikumsschar eine wohlige Gänsehaut zu erzeugen.
Für eine Band, die bereits auf sieben Alben zurückblicken kann, ist eine Spielzeit von zwanzig Minuten natürlich viel zu kurz, und so müssen viele tolle Lieder ungespielt bleiben, zumal SCREAM SILENCE den Fokus des Sets auch eher auf ihre letzten beiden Alben legen.
[Ricarda Schwoebel]
Setlist SCREAM SILENCE
The Vitriol
The Harvest
Apathy
Kerosene
Creed
Above And Within
My Eyes
Auch der Hangar ist trotz der relativ frühen Zeit schon stattlich gefüllt, als das Electro-Duo FROZEN PLASMA für ihren Set antritt. Der sympathische Sänger Felix und sein Knöpfchendreher Vasi liefern eine solide Show ab, in der sie Lieder ihres aktuellen Albums "Monumentum" zum Besten geben. Besonders die Singleauskopplungen 'Earthling' und 'Tanz die Revolution' animieren die Leute, sich aus der Morgenstarre zu schütteln und sich von den elektronischen Klängen mitreißen zu lassen. FROZEN PLASMA mögen zwar noch eine relativ unbekannte Band sein, aber Electro-Fans sollten hier zukünftig auf alle Fälle Augen und Ohren offen halten.
[Ricarda Schwoebel]
Setlist FROZEN PLASMA
The End-Deliverance
Phoenix
Earthling
Speed Of Life
Murderous Trap
Tanz die Revolution
ZEROMANCER hingegen müssen wohl niemandem mehr vorgestellt werden, und so ist auch die Anzahl der Leute vor der Hauptbühne bereits beachtlich gewachsen, als die Norweger mit 'Sinners International' ihren erstaunlich früh angesiedelten Auftritt beginnen. Auch die Spielzeit ist natürlich viel zu kurz, doch strotzt das Set dafür nur so vor Hits, bei denen es unmöglich ist, still zu stehen. Neben alten Favourites wie 'Doppelgänger I Love You' und 'Clone Your Lover' kommen auch die neueren Stücke wie 'It Sounds Like Love (But It Looks Like Sex)' gut beim Publikum an. Auch das DEPECHE-MODE-Cover 'Photographic' wird gefeiert, bevor 'Dr.Online' zu Besuch kommt und dem Spektakel ein Ende bereitet. Eine Super-Show, bei der viel Wert auf den Rockanteil der Musik gelegt wird. Ein defintives Highlight des Festivals!
[Ricarda Schwoebel]
Setlist ZEROMANCER
Sinners International
Doppelgänger, I Love You
Need You Like A Drug
Clone Your Lover
It Sounds Like Love (But It Looks Like Sex)
Ammonite
Photographic (Depeche Mode Cover)
Dr. Online
Thomas Rainer, die Zweite. Und ab dafür! Mit L'AME IMMORTELLE geht es nun temperamentvoll weiter, und mit dem Opener '1000 Voices' wird es auch gleich ziemlich elektronisch. Thomas ist sichtlich in seinem Element und lässt die Bühne erbeben, bevor die rote Zora, Sonja Kraushofer, und Gitarrist Ashley Dayour sich zu dem Rest der Musikerrunde gesellen. Zuerst stimmlich noch mit ein paar Schieflagen lässt Sonja sich davon aber nicht beirren, brüllt wie eine Furie in das Mikro, tanzt ihren Totentanz und wankt wie ein gestörtes Kind daher. Das Leid soll ein Ende haben. Thomas Rainer, der sich bei seinen gesanglichen Pausen hinter den Keys verschanzt, verbindet ihr die Augen und schubst die torkelnde Sonja weiter durch die Gegend. So ein Frechdachs!
Zugegeben, die ersten Momente der Show sind noch leicht gewöhnungsbedürftig, und auch die Stimmung im Publikum hält sich in Grenzen. Doch dank Thomas' Animationskünsten gehört dieser Zustand bereits nach wenigen Songs der Vergangenheit an. Stimmlich ist nun alles in Butter und auch das Publikum zunehmend begeistert!
Bei dem dynamischen 'Requiem' hält es mich schließlich nicht mehr länger auf dem Boden, ich hebe ab, mache es mir auf den Schultern von Fotodame Tine bequem und beobachte die Party aus einer höher gelegenen Perspektive. Astrein!
Mit der heute verdammt rockig ausgewählten Setlist hat das Wiener Duo zweifellos alles richtig gemacht. Vor der Bühne entstehen plötzlich wilde Veitstänze, auf der Bühne wird gebangt, und Sonja dreht sich wie ein lebloses Püppchen hin und her, bevor sie sich wieder dem Totentanz hingibt. Sauberer Mix aus Synthies und Rockeinlagen, feiner Wechsel zwischen Thomas und Sonjas gesanglichen Parts, die kombiniert für ordentlich Gänsehaut sorgen können.
Die vierzig Minuten Spielzeit vergehen leider wie im Flug, so dass Thomas nun andächtig das letzte Stück, 'Bitterkeit', ankündigt. Ihr wisst, was jetzt kommt! Der Tanzdiktator nimmt seine Brille ab, um den Tanzbär rauszulassen, das Publikum gibt Vollgas, jede Textzeile wird aus vollem Hals mitgeröhrt. Mit den Worten "Ohne euch wären wir nichts" verlassen L'AME IMMORTELLE ein begeistertes Publikum. Respektable Show, auch wenn sie zu Beginn an leichter Volksunterkühlung zu leiden hatte. Ich ziehe meinen Hut!
[Nadine Ahlig]
Setlist L'AME IMMORTELLE:
1000 Voices
Suffocating Endlessly
Voiceless
Stumme Schreie
Fallen Angel
Requiem
Aus den Ruinen
5 Jahre
Bitterkeit
Der Preis für den am besten gekleideten Herren des M'era Luna geht ohne große Konkurrenz an ALEXANDER VELJANOV, der sich dieses Jahr nicht mit DEINE LAKAIEN, sondern als Solokünstler angekündigt hat. Wie immer mit Anzug und Sonnenbrille ausgestattet betritt der Sänger mit der hypnotischen Stimme und der mysteriösen Aura die Hauptbühne und präsentiert nicht nur ältere Stücke, sondern vor allem auch Lieder seines neuen Solowerks "Porta Macedonia". Allerdings geht es vielen Festivalbesuchern ebenso wie mir: Man kennt sich einfach nicht so richtig mit den Solopfaden des Herrn Veljanovs aus. Und so schön die Stimme auch sein mag, nach einigen Liedern ist man von den ruhigeren Klängen derart eingelullt, dass das Ganze nicht mehr als wahrer Wachzustand bezeichnet werden kann. Keine Frage, ALEXANDER VELJANOV hat Talent sowohl als Sänger als auch als Songwriter, doch mein Ding ist sein Auftritt defintiv nicht.
[Ricarda Schwoebel]
SETLIST VELJANOV
His Vita
We Can't Turn Back
Black Girl
The Man With The Silver Gun
Mein Weg
The Sweet Life
Fly Away
Nie mehr
Dirt
Meine Erwartungen waren riesig, vor allem weil der Sonntag bisher eher mau war. Doch nun sollen TIAMAT alles zum Guten wenden. Und ich werde nicht enttäuscht, Mit 'Vote For Love' und 'Brighter Than The Sun' werden gleich zu Beginn zwei Songs gewählt, die auch der Normalo-Grufti aus seinem heimatlichen Club kennen sollte. Dennoch ist die Stimmung nicht wirklich feierlich, was angesichts der musikalischen Leistung eine herbe Enttäuschung ist. Aber Schläuche im Haar, kombiniert mit Dark-Techno, sind eben in der tiefgründigen Gothic-Szene angesagter als atmosphärische Goth-Rock-Hymnen.
So präsentieren uns die Schweden ein wahres Best-of-Programm, das von alten Klassikern bis hin zu neuen Depri-Walzen reicht. Man kommt sich vor, als würde die Zeit stehen bleiben. Auch wenn auf der Bühne nicht viel passiert, können TIAMAT alle Fans restlos begeistern. Massig Gitarrensoli treffen auf Johans hypnotisierende Stimme und machen dieses Konzert zum absoluten Highlight des Sonntags. Ein fettes Cheers für diese Pracht!
[Enrico Ahlig]
Mit IAMX hatten sich ein weiteres elektronisches Highlight angekündigt. Frontmann Chris Corner (im Programm fälschlicherweise als Chris Cornell bezeichnet!) und seine Mitstreiter eröffnen ihr Set mit 'Bring Me Back A Dog' und rocken dann bis zum Ende durch. Mit 'Nature Of Inviting', 'An I For An I', 'Tear Garden' und 'My Secret Friend' ist das aktuelle Album "Kingdom Of Welcome Addiction" gut vertreten, auch wenn der Knaller 'Think Of England' unverständlicherweise fehlt. Auch der Überhit 'After Every Party I Die' ist nicht auf der Setlist zu finden, dafür können sich die Fans allerdings über 'Sailor', 'Nightlife' und natürlich 'Kiss & Swallow' freuen.
Nach einer kurzen Pause gibt es sogar noch zwei Zugaben, doch mit 'President' im Walzertakt ist dann endgültig Schluss. Musikalisch gesehen ein absolut gelungener Auftritt, doch warum muss das Licht so schlecht sein? Zwar kann man das ganze Konzert über kleine Filmchen auf der Videoleinwand mitverfolgen, doch von einer sichtbaren Performance hätte man wahrscheinlich mehr gehabt.
[Ricarda Schwoebel]
Setlist IAMX
Bring Me Back A Dog
Nature Of Inviting
The Alternative
Sailor
An I For An I
Tear Garden
My Secret Friend
Spit It Out
Nightlife
Kiss & Swallow
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Skin Vision
President
Würden SUBWAY TO SALLY zu meinen Lieblingsbands gehören, würde ich aus dem Jubeln wohl gar nicht mehr herauskommen. Denn wer diesen Sommer ein paar Festivals miterleben durfte, ist um die Potsdamer Metal-Folklore-Combo wohl nicht herumgekommen. Dennoch können Eric Fish und Gefolge erst heute weder als letzte Band des Festivals im Dunkeln musizieren. Von daher bleibt wenigstens eine kleine Veränderung. Unter wildem Applaus stürmt Eric mit einer Fackel in der Hand auf die Bühne, die dummerweise allerdings viel zu schnell erlischt und den gewohnt einheizenden Opener 'Meine Seele brennt' einleitet. Mit knallenden Pyros wird das ganze Spiel untermalt, das allerdings in Abwesenheit der Sonne auf vergangenen Gigs wesentlich schöner zur Geltung kam.
Eric begrüßt das Publikum mit den Worten "Hier zu sein, fühlt sich an, wie nach Hause zu kommen". Ich erinnere mich, ähnlichen Sinngehalt auch in Dresden schon gehört zu haben. Während einige Besucher den Leuten, die gerade für einen netten Klogang an den mobilen Toilettenkabinen anstehen, ihre Poi-Künste präsentieren, überzeugen die Potsdamer mit ihrem aktuellen Stück 'Besser du rennst', das sofort ins Blut geht und dort für ordentlich Radau sorgt.
Sorgfältig ausgewählte Songs des umfangreichen Repertoires verzaubern auch auf diesem SUBWAY-Gig die Anwesenden, die sich ausgelassenen Tänzen, Gotenschwüren und Hüpfeinlagen hingeben – unendliche Leidenschaft bricht wieder mal im Volke aus.
Während bei 'Eisblumen' lieblich geschunkelt wird, packen 'Falscher Heiland', 'Sieben' und 'Tanz auf dem Vulkan' das Tanzbein aus und transformieren die Mainstage in einen Tanzpalast. Doch nachdem Eric ankündigt (oder droht?), dass man sich spätestens bis Weihnachten wiedersieht, gibt es noch einen kleinen Zusatz in Form von 'Auf Kiel' und dem Trunkenboldsong 'Julia und die Räuber', bei welchem ich mich jedoch heute zum ersten Mal in den Hangar verziehe, wo nun - im absoluten Kontrast zum restlichen Programm des Tages - die DEATHSTARS auf dem Programm stehen, in deren Fänge ich mich nun freiwillig begeben möchte!
[Nadine Ahlig]
Im Hangar darf noch einmal ordentlich gepost warden, denn das können die DEATHSTARS schließlich wie fast keine anderen. Die schwedischen Glam-Rocker läuten ihren Auftritt mit 'Night Electric Night' vom aktuellen Album ein, dem mit 'Motherzone' und 'Semi-Automatic' sofort zwei Stücke der ersten beiden Alben hinterhergeschoben werden.
Das Publikum feiert jeden Song wie eine kleine Hymne, und irgendwie haben sie ja auch Recht, denn keine andere Combo vermag es Glam, Electro und Metal so gekonnt und mitreißend zu verbinden.
Viel geredet wird hier nicht, man konzentriert sich lieber darauf, die kostbare Spielzeit so gut wie möglich auszunutzen. Ganze vierzehn Songs bekommen die Fans zu hören, klar, dass 'Cyanide', 'Blitzkrieg Boom' und 'The Last Ammunition' nicht fehlen. Überhaupt präsentieren Whiplasher, Nightmare und Co. eine fanfreundliche Setlist, die einen appetitlichen Querschnitt der Karriere der Band repräsentiert. Mit der Weisheit 'Death Dies Hard' verabschiedet man sich schließlich unter tosendem Applaus, und das Programm im Hangar ist für dieses Jahr beendet.
[Ricarda Schwoebel]
Setlist DEATHSTARS
Night Electric Night
Motherzone
Semi-Automatic
Mark Of The Gun
Tongues
Last Ammunition
The Fuel Ignites
New Dead Nation
Trinity Fields
Chertograd
Blitzkrieg Boom
Blood Stains Blondes
Cyanide
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Death Dies Hard
Love Parade auf dem M'era Luna. Zehn Minuten zu spät entern THE PRODIGY die Bühne und bringen das Festival zum Kochen. Mit 'World's On Fire' vom aktuellen Album beginnen die Briten ein Konzert, bei dem ich überraschenderweise fast alle Songs kenne. Was ist denn mit mir los? Die dunkle Meute feiert und tanzt, während ich mich frage, wo ich hier gelandet bin.
Die 90er Jahre greifen mit 'Breathe' und 'Poison' um sich, während mit 'Omen' und 'Invaders Must Die' auch die neuen Songs kräftig abgefeiert werden. Auch wenn man die Musik nicht unbedingt mag, kann man sich dieser Party nicht entziehen. Selbst die China-Buden-Köche tanzen auf ihren Dächern. Meine Herren, das sollte man einfach nicht verpassen.
75 Minuten lang wirbeln die Briten über die Bühne, dass man sich schon fragt, was die Herren da genommen haben. Na gut, die Jungs haben ja auch nicht zwei harte Festivaltage hinter sich. Alle Hits von 'Diesel Power' bis 'Smack My Bitch Up' werden aus den Boxen geblasen. Hier wackeln einfach alle Wände. Verrückt. Natürlich darf 'Out Of Space' am Ende nicht fehlen, und so endet das zehnte M'era Luna mit der wohl größten Party der Festivalhistorie.
[Enrico Ahlig]
- Redakteur:
- Enrico Ahlig