Keep It True XXV - Lauda Königshofen

14.05.2025 | 21:40

01.01.1970, Tauberfrankenhalle

25 Auflagen und kein bisschen leise!

Warm-Up-Show, 24.04.2025, Dittigheim, Sporthalle.

Nachdem  ein schickes himmelblaues Papierband und sogar schon das Festival-Armband mein Handgelenk zieren, betrete ich die bereits aus allen Nähten platzende Halle. Zuvor absolviere ich einige fordernde Real-Life-Quests: geduldiges Aussitzen von Staus in Folge von Unfällen, Baustellen und (insbesondere in Lauda), verursacht durch Polizeikontrollen; das ortsfremden Finden von nicht ausgeschriebenen Umfahrungen von Baustellen - ach ja, meisterhaftes Parkens in der gegen 18:00 Uhr völlig überfüllten Dittigheimer Ortseinfahrt gegenüber der Sporthalle. Immerhin gelingt schlussendlich noch der erfolgreichen Erwerb einer Karte für die nächstjährige Warm-Up-Show mit u.a. MORBID und CRUEL FORCE (... war ungefähr um 18:30 bereits ausverkauft). Die heutige Warm-Up-Show kann also losgehen!


Dort schlägt sich der diesjährige Opener MUSTANG, aus Kolkata im fernen Indien, bereits recht tapfer auf der kleinen Bühne. Genau während der Ansage zum dritten Lied, dem offenbar neuen Song 'You Cannot Kill The Steel', stehe ich neben dem Mischpult. Der fett tönende Heavy-Metal läuft mir gut rein, Laut und voll ist es hier in der Halle bereits. Man merkt der durchweg schick und recht bunt auf metallische 80er getrimmten fünfköpfigen Schar an, dass sie etwas aufgeregt ist. Die Folge bei drei von fünf Musikern: etwas steife "Standmusik" mit sehr konzentrierten Blicken auf die Griffbretter!

Sie müssten gar nicht nervös sein, denn die Stimmung ist von Beginn an famos. Es wird im Publikum vielfach gebangt, geklatscht und manchmal sogar mitgesungen. Zumeist singt der stylish mit Sonnenbrille, Stirnband und Knochenmann-Handschuhen ausgestattete Sänger clean mit teils schrillen Screams, manchmal übernimmt der linke Gitarrist für etwas rauhere Vocals. Ein Nachhören im ersten und aktuellen Album "Beyond Raging Thunder" von 2023 ergibt, dass die JUDAS PRIEST-Fans aus Bengalen auf Songs mit gewöhnungsbedürftigen Stimmlagen, wie 'Realm Of Madness' oder 'Electric Ecstasy' verzichtet haben. Es fällt gar nicht ins Gewicht, dass manches Riff etwas hölzern klingt oder der Schlagzeuger manchen Groove etwas verschleppt. Der fünfundvierzigminütige Einstand der jungen Männer aus Asien in einer der heiligen Hallen des KIT darf durchaus als gelungen bezeichnet werden, behaupte ich für meinen Teil.

Setliste: Terror Striker; Cosmic Rage; Queen Of Red Light; You Cannot Kill The Steel; El Dorado; Children Of Thunder; Jawbreaker/Tyrant

[Timo Reiser]

Als ich zur nächsten Band wieder in der Halle stehe, fällt mir ein, dass es sich da doch um die Band von der Insel Zypern handeln muss. Prompt betreten vier südländisch aussehende Männer und eine Frau die Bühne und beginnen mit einem Intro-tauglichen, instrumentalen Stück namens 'Wilderness'. Noch kann ich nicht wissen, dass ich an diesem Wochenende nichts hören werde, das mir besser gefällt als RECEIVER. Mit dem flotten, sich heavy metallisch in die Gehörgänge fräsenden 'Trespasser' zeigt sich, wass die kleine Frau mit dem krassen Undercut stimmlich kann. Bevor sie einsetzt ist das Publikum schon voll dabei, wippende Körper und bangende Köpfe allerorten. Die klare und kräftige Stimme überzeugt mich, passt sie doch zur unterschwellig folkigen Atmosphäre der Musik.

Was für melodische Bretter die Zyprioten auszupacken imstande sind, zeichnet sich dann bereits mit 'Starchaser' ab, bei dem erstmals Riffs (!) im Publikum mitgesungen werden. Überhaupt wird das "OhOhOh" im Refrain von der metallischen Meute dankend angenommen und mitgegrölt. Es folgt der etwas ruhigere Titelsong des ersten und noch aktuellen Albums "Whispers Of Lore". Die Hörerschaft lauscht in Bewegung, die Stimmung wächst auch mit dem offenbar neuen Lied 'Ashem skies'. Doch jetzt erzeugt die Band Magie, denn nun wird mit 'Raiders Of The Night' die Stimmung fiebrig, gar punkig. Die Gitarristen lassen sich mit geschlossenen Augen und schweissnassen Stirnen in ihre Musik fallen, die Band ist vollständig in anderen Sphären unterwegs und tut mit Inbrunst was sie tun muss: gnadenlos vorantreibenden Metal zocken, punkig verziert mit Gang-Shouts, die Sporthalle hebt ab.

'Arrow' mit seinem die Gehörgänge umkrempelnden Melodie-Riff zieht mich endgültig ins Nirvana der metallischen Glückseligkeit! So geil kann Musik sein! Als wieder das Riff mitgesungen wird, sieht man Nicoletta Kyprianou ihre Ergriffenheit an. Der Cover-Song 'The Golden Bell', im Original von den Epic-Rock-Urgesteinen LEGEND, passt zu RECEIVER, und das Publikum gibt im Chorus stimmlich wieder alles. Zum Schluss wird mit 'Unite' noch der flotte Opener des Debüt-Albums gespielt. Auch dieser ist mit einer suchterzeugenden Melodie ausgestattet. Die Band wird anschließend völlig zu Recht vom Publikum abgefeiert. Als Nicoletta relativ kurz danach im Eingangsbereich neben mir steht, sage ich ihr, dass der Gig saugeil war und ich ihre Stimme toll finde. Es sieht sicher skurril aus, wie die zierliche 1,50m-Person dem 1,90m Kuttenheinz mit einem verschworenen Gesichtsausdruck den verbrüdernden Handschlag gibt...

Setliste: Wilderness; Trespasser; Starchaser; Whispers Of Lore; Ashem Skies; Raiders Of The Night; Arrow; The Golden Bell (LEGEND-Cover); Unite

[Timo Reiser]

Die gute Nachricht zuerst: IRON GRIFFIN ist heute besser als in Athen. Grummelige Menschen könnten nun anmerken, dass das keine große Leistung ist und hätten völlig Recht. Jedenfalls kann ich heute mit dem finnischen Ein-Mann-Projekt mehr anfangen als vor ein paar Wochen. Dennoch ist auch dieser Auftritt nicht in der Lage, mich völlig mitzureißen, was teilweise an der immer noch hölzernen und leicht rumpeligen Performance liegt. Nun könnte man argumentieren, dass IRON GRIFFIN auch auf Platte hölzern, rumpelig und kauzig ist, Bandleader Oskari Räsänen und Livemusiker also perfekt den Albensound auf die Bühne transportieren. Aber während ich eigentlich kauzige Musik liebe und auch schon die eine oder andere wacklige Performance abgefeiert habe, will hier der Funke einfach nicht überspringen.

Songs wie 'Lord Inquisitor' oder das abschließende 'Curse From The Sky' sind zwar gefällig, entpuppen sich jedoch live auch als relativ gehaltlos, was dann eben dazu führt, dass mir die spielerischen Hakler deutlich mehr auffallen. Das wird noch klarer, wenn mit 'War Of The Ring' von ARC ein Cover eingestreut wird. Wie gesagt, heute nicke ich deutlich gefälliger mit, während sich der Eisengreif durch sein Set schleppt. Als die Show zu Ende ist, bin ich allerdings deutlich euphorischer, dass BROCAS HELM bald spielt als dass ich dem gerade Verklungenen nachtrauere. Größere Teile des Publikums scheinen es allerdings anders zu sehen und so könnte dies auch eine Ausnahmeerfahrung eines grummeligen Menschen sein.

Setliste: Message From Beyond, Metal Conquest, Lady Of Space And Time, Unholy Epistle, Dawn Of Struggle, War Of The Ring (ARC Cover), Lord Inquisitor, Reign Of Thunder, Curse Of The Sky

[Raphael Paebst]

Dittigheim fühlt sich heute beinahe wie Athen an, denn neben den Zyprioten von RECEIVER und dem in Griechenland gottgleich verehrten Headliner sind mit dem Doppelpack aus AMETHYST und IRON GRIFFIN nun direkt zwei Bands am Start, die ich wenige Wochen zuvor noch beim Up The Hammers Festival erlebt habe. Die Schweizer Edelsteinkapelle bestätigt auch heute ihre generell exzellente Liveform. Die Truppe spielt seit Jahren konstant auf allen einschlägigen Festivals und das zahlt sich immer mehr aus. Denn auch wenn ich die Musik auf Platte nur selten höre, da sie mich zu selten überrascht, ist genau diese Qualität live ein klarer Bonus. Von einer so gut eingespielten Truppe mit extrem viel Energie rausgehauen, reißt das Material immer mit und das ist auch heute der Fall.

Bereits seit RECEIVER im erhöhten Metalmodus fällt es mir extrem leicht, einfach weiter Heavy Metal zu machen. Also wird die Faust gereckt, der Kopf geschüttelt, Bier getrunken, lautstark und nicht ganz textsicher mitgesungen und die Welt ist in Ordnung. Spätestens mit dem Doppelschlag 'Chasing Shadows' und 'Rock Knights' ist sie dann sogar sehr in Ordnung, die Textsicherheit bei mir auch wieder da und danach kann dann wirklich nichts mehr schief gehen. Also machen die Band, das Publikum und ich einfach weiter im Programm, feiern gemeinsam höchst unoriginellen, geilen Heavy Metal, der genau so am besten in Hallen wie der Sporthalle Dittigheim und mit Freunden funktioniert. Auf diese Weise verfliegt die Zeit und als die letzten Noten von 'Stormchild' verklungen sind, kann ich es kaum glauben, dass es das schon gewesen sein soll. Doch zum Glück ist es ja nicht lang bis zum Rock Hard Festival und dem nächsten Wiedersehen mit AMETHYST.

Setliste: Embers On The Loose; Stand Up And Fight; Nightstranger; Chasing Shadows; Rock Knights;
Running Out Of Time; Queen Of A Thousand Burning Hearts; Into The Black; Serenade Under The Rising Moon; Stormchild


[Raphael Paebst]

Warm-ups finde ich gemeinhin eher lästig. Ein zweitägiges Festival ist anstrengend genug, und außerdem ist es mir lieber, den Anreisetag abends gemütlich mit netten Leuten zu verbringen, die man vielleicht nur dieses eine Mal im Jahr sieht. Daher war ich im vergangenen Jahr auch nur unzureichend informiert, als der Vorverkauf für Dittigheim begann. Als ich dann erfuhr, wer dort spielt, waren die Tickets schon weg. Schlecht für mich, denn die Bestätigung von BROCAS HELM war dann tatsächlich ein Hammer. Noch gut kann ich mich ans allererste "Keep It True" anno 2003 erinnern, als ich mit Bass-Original und Hobbyfotograf Jim Schumacher einige Zeit im Fotograben verbrachte, und später auch vor der Bühne mit der Band auf derselben eine riesige Freude hatte. Verdammt! Aber zum Glück habe ich auch gute Freunde die Mitdenken, und einer von ihnen hat tatsächlich für mich ein Ticket mitgekauft, das mir letztlich doch erlaubt, den heutigen Headliner nicht vom Parkplatz aus, sondern am Bühnenrand zu erleben.

Wer BROCAS HELM kennt, der weiß, dass er es mit einem wilden Ungetüm zu tun hat, das stets zwischen virtuos und rotzig, zwischen packend und fahrig, zwischen Genie und Wahnsinn pendelt. Genau das ist es dann auch, was uns Jim Schumacher, Bobby Wright und Jack Hays heute Abend auftischen. Ein immerwährendes, oft neoklassisch angehautes Lead-Duell von Gitarre und Bass, dazu ein verdammt heavy in den Nacken fahrender Beat zwischen punkiger Simplizität und kernigem Groove, und darüber dann Bobbys beschwörender Gesang. Passt alles?

Nun, naja, nicht ganz. Denn schon allein daraus, wie selten wir BROCAS HELM auf einer Bühne begrüßen dürfen, ergibt sich ein Stück weit auch, dass in Sachen Sound und Tightness gewisse Abstriche zu machen sind. So rumpelt und dröhnt es schon ganz schön in der Sporthalle in Dittigheim. Darunter gehen dann die Gesangsparts manchmal ein bisschen unter, und beim einen oder anderen Stück dauert es eine Weile, bis man es erkannt hat. Dennoch: Der Spaß an und mit diesen unverkennbaren Originalen leidet darunter nur bedingt. Es ist mir nach wie vor eine riesige Freude, das Irrsinnstrio mit Hits wie 'Ghost Story', 'Cry Of The Banshee', 'Ravenwreck' oder dem finalen Liebeslied 'Skullfucker' feiern zu dürfen. Dementsprechend wird die Band am Ende auch gebührend gefeiert, auch wenn den meisten Anwesenden sehr klar ist, dass das kein perfekter Gig gewesen ist. Bemerkenswert auch, dass man die Band auch in den Folgetagen stets auf dem Gelände antrifft, und sich die doch schon etwas älteren Herren für die anderen Bands ebenso interessieren wie für allerlei spontane Fotosessions mit den Fans. Gerne mehr, gerne wieder!

Setliste: Black Death; Blood Machine; Defender Of The Crown; Beneath A Haunted Moon; Time Of The Dark; Hell’s Whip; Into Battle; Drink And Drive; Fly High; Ghost Story; Drink the Blood Of The Priest; Guitar Solo; Ravenwreck; Night Siege; Drum Solo; Children Of The Nova Dawn; Cry Of The Banshee; Skullfucker

[Rüdiger Stehle]

Photocredit: Jürgen Fenske von Metal.de. Vielen Dank dafür :)

Hier geht es zum Freitag.

Redakteur:
Timo Reiser

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