KING DIAMOND, PARADISE LOST und ANGEL WITCH - Oberhausen
16.07.2025 | 12:1513.06.2025, Turbinenhalle
Ein gemischtes Triple mit vielen Highlights!
Ein ganzes Wochenende im Zeichen des Heavy Metals, ein Aufeinandertreffen von Legenden und dazu eine kunterbunte Mischung aus den unterschiedlichsten Spielarten - und das alles an einem Ort? Die Betreiber der Turbinenhalle hätten an diesem zweiten Wochenende auch locker ein kleines Indoor-Festival betreiben können, schließlich stehen mit der ersten Club-Show nach der SAVATAGE-Reunion und dem erneuten Comeback des Diamantenkönigs einige namhafte Zugpferde auf dem Wochenendprogramm, mit denen man das alte Industriegebäude in Oberhausen locker hätte ausverkaufen können. Den Siegeszug der Jungs aus Tampa haben wir an anderer Stelle bereits beschrieben. Doch was war eigentlich mit dem vermeintlichen Appetizer am Abend zuvor?
Nun, derartige Begriffe für Legenden wie ANGEL WITCH, PARADISE LOST oder KING DIAMOND überhaupt in den Mund zu nehmen, verbietet sich eigentlich von selbst, schließlich hat das gesamte Triple im Laufe ihrer jeweils langen Karrieren mehr als nur einmal unter Beweis gestellt, warum man bis zum heutigen Tag in größten Tönen von ihnen spricht. Warum sollte sich dies an einem nicht nur sonnigen, sondern brutal heißen Sommerabend im Ruhrgebiet auch noch ändern?Dieser Frage gehen die NWoBHM-Heroen von ANGEL WITCH als erstes nach und können sie mit einem lautstarken "Gar nichts!" auch ganz easy beantworten. Kevin Heybourns und seine Mannen stiefeln recht relaxt auf die Bühne, scheren sich einen Kehricht um großes Brimborium und katapultieren sich direkt mal einige Jahrzehnte zurück, um ihr kleines Best-of-Set mit möglichst vielen nostalgischen Momenten zu füllen. Die Herren sind bester Laune, die minimalistische Lightshow lenkt den Fokus ausschließlich auf die Songs, und in den vordersten Reihen wird direkt auch mitgesungen - was will man mehr? Doch schon nach einer Viertelstunde kündigt sich eine echte Katastrophe an. Nach einer fulminanten Version von 'Sorceress' biegen die Briten auch schon auf die Zielgerade ein, 'Angel Of Death' wird mit einer zunehmenden Zahl gereckter Fäuste begrüßt, und bei der Bandhymne 'Angel Witch' ist die Turbinenhalle erstmals lautstark gefordert - genau so präsentiert man einen zeitlosen Klassiker.
Und die Katastrophe? Nun, bei aller Liebe, aber eine Truppe wie ANGEL WITCH mit gerade mal fünf Songs abzufrühstücken und ihr nach ein bisschen mehr als 20 Minuten den Stecker zu ziehen, grenzt schon an Blasphemie. Natürlich ist ein Triple-Package darauf ausgelegt, dass der Opener kein stundenlanges Set spielen kann. Aber bedenkt man den Status der Band, das bestehende Repertoire und die heutige Spielfreude, ist die Enttäuschung riesig, nicht mehr gehört zu haben. Sei's drum: Das, was die Briten heute aufgelegt haben, schreit nach Wiederholung, auch im x-ten Frühling!
Die knapp halbstündige Umbaupause nutzen die meisten Besucher, um mal kurz frische luft zu schnappen, wobei man nicht konkret sagen kann, ob es im Garten der Turbinenhalle wirklich frischer ist als in Thekennähe. Während des Changeovers ist aber grundsätzlich viel Bewegung im Publikum, schließlich ist die Zielgruppe der heute aufspielenden Acts nicht zwingend die gleiche, so dass eine ganze Truppe PARADISE LOST-Shirtträger nun an die Front drängt, um den britischen Düster-Metallern die Ehre zu erweisen. Ohne großen Schnickschnack und mit keiner wirklichen Lightshow steigen Nick Holmes und seine Mannschaft dann auch ganz lässig auf die Bühne, sprechen einen kurzen Gruß aus und gehen mit 'Enchantment' direkt mal aufs Ganze.
Auch PARADISE LOST spielt heute ausschließlich bekannte Hits, lässt sich bei 'Pity The Sadness' und 'The last Time' von der Menge begleiten und muss sich auch im Finish nicht lumpen lassen, schließlich sind 'Embers Fire' und 'Say Just Words' etablierte Größen, die man zuverlässig mitsingen kann. Im Vergleich zu den vorherigen Shows ist aber auch hier das Set minimal reduziert, so dass 'One Second' über die Klinge gesprungen ist. Macht aber nix, denn diese Herren sind nach wie vor eine echte Bank, könnten von den meisten Alben eigentlich jeden Song anstimmen und würden trotzdem problemlos die Massen mobilisieren. Auch wenn die True-Metal-Gemeinde im Foyer anderer Meinung ist und natürlich nicht zugeben darf, dass sie die Show genossen hat, gibt es keine zweifel: Das war einmal mehr richtig geil!
Dass der King vor seiner Show noch einmal Zeit zum präventiven Durchschnaufen bekommt, versteht sich von selbst, schließlich ist auch die aktuelle Tour von einem sehr aufwendigen Bühnenbild gezeichnet, dass dem Altmeister einerseits Gelegenheit gibt, auf verschiedenen Etagen zu spazieren, seinen Mitmusikern aber ebenfalls erlaubt, sich viel breiter auf der Bühne zu verteilen und sich somit auch auf größere Distanz die Bälle zuspielen zu können. Dann ist es soweit: Zu den Klängen von URIAH HEEPs 'The Wizard' gehen die Lichter aus, sobald der Spot wieder an ist, steht der König der metallischen Theatralik schon inmitten seines Psycho-Hospitals und gibt den Zeremonienmeister wie in besten Zeiten. Natürlich muss am Anfang die Puppe geköpft und bei 'The Funeral' auch entsprechend beeigesetzt werden. Natürlich fuchtelt KING DIAMOND mit seinem umgedrehten Kreuz bei 'Voodoo' und 'Halloween' symbolträchtig in alle Richtungen, doch es ist nicht nur der Sänger und Namensgeber, der heute den Beifall verdient, sondern auch seine langjährigen Mitstreiter Mike Wead und Andy LaRocque, die es sich nicht nehmen lassen, von den Fans bejubelt und bewundert zu werden, steuern sie doch einige der markantesten Riffs der ganzen Metal-Historie zur heutigen Show bei.
Die Fan-Favoriten bleiben dabei offenbar unverändert. 'A Mansion In Darkness' darf schon früh mitgesungen werden, 'Sleeples Nights' und 'Masquerade Of Madness' entpuppen sich als bizarres Musical, und mit 'Eye Of The Witch' und 'Burn' wird der gewohnte Schlussspurt angezogen, mit dem sich der King und seine Band erstmalig von den Brettern verabschieden. Erstaunlich dabei: der gesundheitlich seit Jahren angeschlagene Sänger zeigt überhaupt keine Ermüdungserscheinungen, scheint topfit zu sein und bewegt sich sogar noch viel agiler als auf der letzten, mittlerweile auch schon etwas weiter zurückliegenden Gastspielreise. Auch seine Stimme klingt wie geölt, auch wenn er heuer noch mehr Unterstützung von den Damen an den Backing-Vocals erhält. Aber Fakt ist: Der vermutlich größte Risikofaktor eines KING DIAMOND-Gigs, nämlich das Versagen der Frontstimme, ist heute völlig unerheblich!
Mit 'Abigail' gibt es jedoch leider nur eine einzige, wenn auch logische Zugabe, allerdings beschwert sich sicherlich niemand, da der Schweiß mittlerweile nicht nur aus allen Poren, sondern mitunter auch von der Decke tropft und man sich tatsächlich nach Luft und Erholung sehnt. Knappe 90 Minuten hat der King heute gefüllt, jede einzelne war ein Stück Magie, wie sie im Buche des Zylinderträgers geschrieben steht, und die fulminante Bühnenshow war erneut das Sahnehäubchen, an das man sich noch lange zurückerinnen wird. Trotzdem bleibt ein bisschen Wehmut, weil man nie sicher sein kann, ob die dänische Legende noch einmal zurückkehren wird. Sollte KING DIAMOND jedoch auf das Ende seiner Karriere zusteuern, dann geschieht dies - der heutige Abend hat es gezeigt - souverän und definitiv würdevoll. Und dafür möchten wir dieser bis dato unzerstörbaren Ikone von Herzen danken!
Drei Legenden, drei packende Shows, drei Tagessieger - das Package schien in manchen Augen gewagt, aber es hat blendend funktioniert. Einzig der Ärger über die viel zu knappe Spielzeit von ANGEL WITCH hat das Erlebnis ein bisschen getrübt. Aber das breite Grinsen beim Verlassen der Turbinenhalle bleibt bis heute!
Text und Fotocredit: Björn Backes
- Redakteur:
- Björn Backes