ELTON JOHN - Köln

30.05.2023 | 09:03

19.05.2023, LANXESS Arena

Ein denkwürdiger Abend mit einem einmaligen Musiker und seiner Band!

Kaum zu glauben, dass Pop-Legende ELTON JOHN sich tatsächlich auf seiner Abschiedstour befindet. Irgendwie ist der Mann mit den verrückten Outfits und noch verrückteren Brillen eine solche Hausmarke im Musik-Business, dass man sich ein Ende seiner Karriere irgendwie noch immer schwer vorstellen kann. Doch dieser Abend in der Kölner LANXESS Arena ist nicht nur ein denkwürdiger, weil hier ein großartiger Musiker seinen Abschied gibt, auch für mich persönlich ist es ein besonderer Abend. Vor ziemlich genau 25 Jahren saß ich nämlich bereits einmal in genau dieser Arena, die damals noch als Kölnarena bekannt war, und sah ein ELTON JOHN-Konzert, weil meine Eltern keinen Babysitter bekommen konnten und mich mit zarten zehn Jahren einfach kurzerhand mitnahmen. Dieser Abend auf der "The Big Picture"-Tour hinterließ einen so bleibenden Eindruck, dass ich sofort danach die CD-Sammlung meines Vaters durchstöberte und fortan meine Begeisterung für Musik und vor allem auch Konzerte lichterloh brannte. Es schwingt also auch eine große Portion Nostalgie mit, wenn ich heute Abend bei lauwarmen Temperaturen die Stufen zu meiner liebsten Konzert-Location erklimme, um den dritten und letzten Halt der "Farewell Yellow Brick Road"-Tour in der Domstadt zu erleben.

Los geht es wie gewohnt pünktlich um 20 Uhr, denn eine Vorband hat der Mann am Piano noch nie gebraucht und auch heute Abend reicht ein kurzer einstimmender Film, der über die riesige Leinwand flimmert, die den gesamten Bühnenaufbau umspannt, um das Publikum auf Temperatur zu bringen. Und so kocht die Arena dann auch wenige Sekunden später ab den eröffnenden Tönen von 'Bennie And The Jets' und im Innenraum hält es bereits jetzt niemanden mehr auf den Sitzen, wenn Elton das Publikum in den Stop-And-Go-Passagen des Songs zum Mitmachen animiert. 'Philadelphia Freedom', 'I Guess That's Why They Call It The Blues', 'Border Song' und 'Tiny Dancer' halten das Hit-Feuerwerk im Anschluss am Leben und lassen schnell die Frage aufkommen, warum der mittlerweile 76-Jährige eigentlich auf Abschiedstour ist. Klar, wenn Elton das Piano verlässt, ist er schon recht langsam unterwegs und man sieht seinem Gang an, dass er mit Knie- oder Hüftproblemen zu kämpfen hat. Sobald der Rocketman aber am Piano Platz nimmt, fallen sämtliche Jahre von ihm ab und der Brite klingt mindestens so gut, wie beim letzten großen Konzertmitschnitt zu seinem 60. Geburtstag. Stimmlich kann er dabei weiterhin locker jeden Popstar unserer Zeit an die Wand singen und in Sachen Pianospiel ist er in meinen Augen auch im hohen Alter noch immer der Standard, wenn es um populären Rock'n'Roll geht. Gleiches gilt übrigens auch für seine ebenso im gesetzten Alter angekommene Band, die wie ein Schweizer Uhrwerk funktioniert und für die Pophits den groovenden und teils treibenden Rock-Unterbau liefert.

Wo wir von Hits sprechen, glücklicherweise verkommt die Setliste der Abschiedstour nicht zu einem reinen Abhaken der Greatest Hits, sondern es wird auch genügend Platz gelassen für einige Deepcuts. Den Anfang macht hier das herrliche 'Have Mercy On The Criminal', das düster und treibend aus den Boxen hämmert und von beeindruckenden Animationen auf den Videoleinwänden unterstützt wird. Ebenso liefert die Nummer Gitarrist Davey Johnston eine perfekte Bühne, um sein oftmals sträflich unterschätztes Gitarrenspiel ins Rampenlicht zu stellen. 'Take Me To The Pilot' ist danach der gewohnte Live-Volltreffer, doch den Mittelteil der Show überstrahlt die fast zehnminütige Version des Klassikers 'Rocket Man', die gerade hinten raus viel Platz für absolut grandiose Improvisationen von Elton und seinen diversen Bandmitgliedern lässt. Ganz, ganz großes Kino! Gut, dass man danach mit ein paar eher ruhigen Nummern kurz durchschnaufen kann und auch der Maestro selbst muss beim allein am Piano vorgetragenen 'Candle In The Wind' die Bühne nicht zu Fuß überqueren, sondern wird kurzerhand mitsamt Piano über das Parkett gefahren. Es folgt eine kurze Pause, die mit einem wuchtig eingespielten Gewitter visuell spannend gehalten wird, während sich die Bühne mit Nebelschwaden füllt. Und dann erklingt dieser einmalige Synthesizer-Sound, der nur eines bedeuten kann: Es ist Zeit für 'Funeral For A Friend / Love Lies Bleeding'! Für mich ist das neunminütige Epos klar der stärkste Song in ELTON JOHNs Diskografie und einer der großen Klassiker der Rockmusik, weshalb ich angesichts der eindringlichen Live-Version auch für die kommenden Minuten in anderen musikalischen Sphären schwebe. 'Burn Down The Mission' hält mich im Anschluss dort, denn der "Tumbleweed Connection"-Track entpuppt sich als zweiter Geheimtipp des Abends. Viele andere, eher vom Mainstream her kommende Zuhörer und Zuhörerinnen nutzen diese Darbietung musikalischer Perfektion allerdings, um sich das nächste Bier zu holen, was ihnen in meinen Augen eigentlich eine Verbannung aus der Arena einbringen müsste.

Aber gut, für sie war das Timing vielleicht perfekt, denn danach ziehen Elton und seine weiterhin makellos agierende Band die Hit-Stellschrauben mächtig an. Eröffnet wird der Reigen von 'Sorry Seems To Be The Hardest Word', bevor schlussendich 'I'm Still Standing', 'Crocodile Rock' und 'Saturday Night's Alright For Fighting' auch den Letzten oder die Letzte im Oberrang aus den Sitzen holen. Es folgt eine kurze Verschnaufpause vor den Zugaben, die mit dem halb eingespielten und halb von Mr. John gesungenen 'Cold Heart' halbwegs überbrückt wird. Klar, der Song mit DUA LIPA ist des Maestros letzte Nummer-Eins-Single, aber ob diese Verneigung vor dem Zeitgeist wirklich sein muss, wenn hier eigentlich nur vom Band ein Song eingespielt wird, sei einmal dahingestellt. Gut, dass das Finale danach mit 'Your Song' und 'Goodbye Yellow Brick Road' deutlich klassischer ausfällt und noch einmal sämtliche Kehlen im Publikum zum Mitsingen animiert. Während Elton danach in der großen Leinwand verschwindet und damit seine 194. und gleichzeitig letzte Show auf deutschem Boden beendet, hallen verdienterweise auch für mehrere Minuten Standing Ovations durch das Rund der Arena, die heute übrigens mit 16.000 Fans bis auf den letzten Platz gefüllt ist.

Und ich sitze im Anschluss erst einmal ein paar Minuten auf meinem Sitz, während sich die Arena langsam leert, und muss kurz einsinken lassen, was ich gerade erlebt habe. War ich primär aus nostalgischen Gründen gekommen und hatte ein gutes Konzert erwartet, muss ich jetzt wirklich überlegen, wie viele bessere Konzerte ich in meinem Leben überhaupt erlebt habe. Die Liste der Kandidaten ist nicht lang und so habe ich, ohne es vorher zu erwarten, wahrscheinlich eines der besten Konzerte überhaupt erlebt, denn in Sachen Energie, musikalischer Performance und visueller Aufbereitung war das hier schicht und ergreifend Weltklasse. Kein Wunder, dass in der ersten Reihe ein paar Australier anwesend waren, die heute ihre 300. Show des Rocketman gesehen haben und von Sir Elton sogar persönlich erwähnt wurden. Ich würde mir diese Show auch noch viel häufiger anhören und so überwiegt beim Rückweg zum Auto auch die Trauer darüber, dass diese Legende der Musikwelt nun in Rente geht und sich wohl keine weitere Gelegenheit für einen solch fulminanten Abend bieten wird.

Setliste: Bennie And The Jets, Phiadelphia Freedom, I Guess That's Why The Call It The Blues, Border Song, Tiny Dancer, Have Mercy On The Criminall, Rocket Man, Take Me To The Pilot, Someone Saved My Life Tonight, Levon, Candle In The Wind, Funeral For A Friend / Love Lies Bleeding, Burn Down The Mission, Sad Songs (Say So Much), Sorry Seems To Be The Hardest Word, Don't Let The Sun Go Down On Me, The Bitch Is Back, I'm Still Standing, Crocodile Rock, Saturday Night's Alright For Fighting, Cold Heart (Tape), Your Song, Goodbye Yellow Brick Road


Redakteur:
Tobias Dahs

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