Dark Suns (Listening Session) - Leipzig

14.12.2004 | 09:48

09.12.2004, Proberaum

Zwei Jahre Arbeit hat es die dunklen Sonnen insgesamt gekostet, ihren dritten Longplayer nach "Below Dark Illusion" und "Swanlike" fertig zu stellen. Dieser ist im wahrsten Sinne des Wortes "long", sogar so sehr, dass man beim Mastern feststellten musste, dass das aufgenommene Material auf eine Gesamtlänge von 82 Minuten kam. Das passt bekanntlich nicht auf eine CD, sodass man gezwungen war, die Songs noch auf 77:55 Minuten zusammenzukürzen.

Zunächst einmal noch ein paar Fakten zur neuen Scheibe "Existence". Aufgenommen wurde das gute Stück im heimischen Leipzig (im hauseigenen Space-Sound-Studio), gemixt im Zwickauer tam-Studio und für das Mastering leistete man sich einen Tag in den belgischen Galaxy-Studios. Mit diesem Album wechselten DARK SUNS zudem ihre Plattenfirma und zogen von Voice Of Life zu Prophecy Records (u.a. GREEN CARNATION) um.
Die elf Songs, die sich auf "Existence" befinden, haben folgende Titel.

Zero
A Slumbering Portrait
The Euphoric Sense
Her And The Element
Daydream
Anemone
You, A Phantom Still
Gently Bleeding
Abiding Space
Patterns Of Oblivion
One Endless Childish Day

Das Konzept des Albums befasst sich, wie der Name schon vermuten lässt, mit der menschlichen Existenz. Dabei werden die verschiedenen Lebensphasen wie die unschuldige Kindheit, die stürmische Jugend oder die abgeklärte Ruhe des Alters durchschritten und sowohl textlich als auch musikalisch dargestellt.

Das soll als Vorwort genügen und nun tauchen wir direkt in "Existence" ein.

Die Platte beginnt mit einem ruhigen, sphärischen Intro ('Zero') mit Spoken-Words-Passagen. Dieses geht in das etwas wirre, beinahe als konfus zu bezeichnende, 'A Slumbering Portrait' über, das allerdings nur zwei Minuten lang ist und damit untypisch für die anschließenden ausladenden und sich Zeit lassenden Kompositionen. Somit ist 'The Euphoric Sense' der eigentliche Opener von "Existence" und hier wird bereits deutlich, dass es auf diesem Album keine Grenzen gibt.
Besonders am Anfang der Platte geht es recht rockig zur Sache, was als Symbol für die stürmische Jugend ja auch sehr passend ist, allerdings setzen DARK SUNS (mit einer kurzen Ausnahme im letzten Song) ausschließlich auf Clean Vocals und haben die noch auf dem letzten Album "Swanlike" hin und wieder auftretenden Growls in die Schublade verbannt, weil diese nach eigener Aussage nicht so gut zur Stimmung auf "Existence" gepasst hätten. Dem kann ich nur zustimmen, denn vermisst habe ich sie nicht. Doch trotz des Verzichts auf die Growls ist der Gesang von Niko Knappe sehr abwechslungsreich gehalten. Überhaupt finden sich auf "Existence" sehr viele Richtungs- und Stimmungswechsel, das ständige Schwanken zwischen ruhigen und härteren Klängen sorgt dafür, dass das Album nie langweilig oder eintönig wird. Von der Art und Intensität der entfachten Stimmungen und Emotionen sowie der Eingängigkeit des Materials her fühle ich mich beim Hören an Bands wie PINK FLOYD, ANATHEMA oder KATATONIA erinnert, wobei sich die Musik musikalisch keinesfalls auf irgendeine (oder auch mehrere) Bands reduzieren lässt. Ein Vergleich ist da kaum möglich und kann der Musik auf keinen Fall gerecht werden.

Eines wird auch ziemlich schnell klar: "Existence" ist ein Gesamtkunstwerk und funktioniert auch nur als Ganzes. Die fließenden Übergänge und die musikalische Geschlossenheit der gesamten Platte bringen mich auch schon nach ein paar Minuten dazu, von meiner geplanten Song-an-Song-Schilderung Abstand zu nehmen. So kann man häufig gar nicht genau erkennen, wann ein neuer Song beginnt, was ich als sehr positiv bewerte.
Die neue Scheibe ist auf jeden Fall etwas weniger einfach zu konsumieren als der Vorgänger, hier gibt es auch mal etwas "wirre" Arrangements (verursacht durch ungerade Takte, die eine leicht atonale Wirkung zur Folge haben), die ein wenig in Richtung OPETH oder auch DISILLUSION gehen. Trotz der ausladenden Kompositionen werden einzelne Stimmungen zumeist nicht so lange gehalten - wenn man gerade eine melancholische Stelle schön auskosten will, bekommt man schnell das nächste rockige Riff um die Ohren geknallt. So gibt es kaum ruhige und melancholische Passagen, die ein paar Minuten am Stück andauern. Dennoch wirkt "Existence" nicht überladen, da man auch mit relativ einfachen Mitteln die gewünschten Stimmungen zu erzeugen in der Lage ist, wie z.B. bei 'Daydream', welches nur durch den Einsatz von einer einfachen Gitarrenmelodie und Geflüster äußerst gefühl- und effektvoll tönt.

Ein paar weitere Stücke möchte ich nun dennoch hervorheben.
Je länger die Scheibe andauert, um so ruhiger, melodischer, aber auch düsterer wird es. Bei 'You, A Phantom Still' kommen Streicher zum Einsatz, die dem Stück einen beinahe klassischen Touch verleihen, etwa so wie es bei 'Fade Away' von PAIN der Fall ist.
'Abiding Space' beginnt regelrecht mystisch und lässt Assoziationen (ich spreche bewusst von Assoziationen, nicht von Parallelen oder gar Einflüssen) zu ANATHEMAs aktueller Scheibe "A Natural Disaster" wach werden. Dies soll aber nur einen Anhaltspunkt bieten und keinen Vergleich darstellen.
Am Schluss der Platte stehen nach eigener Aussage (Zitat von Keyboarder Thomas) "die beiden Besten": 'Patterns Of Oblivion' und 'One Endless Childish Day'. Beides sind epische Kunstwerke von jeweils über zehn Minuten Länge. Auch hier zerpflügen immer wieder knackige Gitarren die tieftraurige, nachdenkliche Ruhe. Ein extremes Wechselspiel, bei dem es definitiv auch für den Hörer sehr anspruchsvoll und spannend ist, der Musik die ganze Zeit über zu folgen. Als die beiden besten Stücke würde ich das Schluss-Doppel allerdings nicht bezeichnen, da für mich zumindest nach dem ersten Hören der Platte keinerlei Qualitätsabfälle erkennbar waren.

Insgesamt sind DARK SUNS noch komplexer und vielschichtiger geworden, weshalb ein abschließendes Urteil nach einmaligem Hören natürlich noch nicht möglich ist, aber der "erste" Eindruck ist ein sehr, sehr guter. Zudem bin ich mir sicher, dass es auch nach mehreren Durchläufen immer noch viel Neues auf "Existence" zu entdecken geben wird. Festzuhalten bleibt zudem, dass das Material einen Tick härter geraten und das Growling verschwunden ist. DARK SUNS haben sich von einer reinen "Düster-Band" wegbewegt und agieren noch progressiver als zuvor. Es ist alles zusammenhängend aufgebaut und sozusagen "fließend" - "Existence" ist ein Gesamtwerk ohne Schwächen.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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