DYNAMO OPEN AIR 1991 - Eindhoven

15.04.2020 | 13:42

20.05.1991,

Das DYNAMO OPEN AIR war schon in den späten 80er Jahren das Kultfestival in Europa. Die enge Zusammenarbeit mit dem Szene-Magazin Aardschok und die langjährigen Verbindungen in den Unterground sorgten dafür, dass beim DYNAMO immer die heißesten Newcomer spielten.

Als das Line-Up für das 1991er DYNAMO OPEN AIR bekannt gegeben wurde, war schnell klar, dass ich da hin musste. Neben langjährigen Favoriten wie ARMORED SAINT und METAL CHURCH spielten dort diverse Bands, die zu meinen damalig neu hinzugewonnenen Helden zählten. SAIGON KICK, PRIMUS und natürlich die Götter PSYCHOTIC WALTZ waren eindeutiges Pflichtprogramm und so stand schnell fest, dass man dabei sein musste. Es sei dazu gesagt, dass ich bis dahin kein großer Festival-Gänger gewesen war und lediglich das 88er Monsters Of Rock und das erste WOA besucht hatte. Das Bedürfnis hatte sich nie eingestellt, da man als Bewohner des Hamburger Umlandes beinahe jede Band vor der Haustür serviert bekam. Das besondere Festival-Gefühl fehlte mir mangels Unkenntnis einfach nicht, was sich aber mit den Jahren schnell ändern sollte. Aber zurück zum Geschehen.


Damals fand das DYNAMO noch an einem Tag statt und zwar am Pfingstmontag. In jugendlicher Ungeplantheit sind wir also mit zwei Fahrzeugen am Pfingstsonntag nach Holland aufgebrochen. Unterwegs liefen die neuen Scheiben von ARMORED SAINT "Symbol Of Salvation", LAST CRACK "Burning Time" und natürlich die erste PSYCHOTIC WALTZ rauf und runter und es war schon amüsant, dass ausgerechnet 'I Remember' laut aus unserem Fahrzeug erklang, als wir auf dem Parkplatz des Geländes ankamen. Nun galt es erst einmal die beiden Zelte aufzubauen, was für uns Unerfahrene etwas Zeit in Anspruch nahm. Auch eine für uns passende Örtlichkeit zu finden, war nicht ganz leicht, da unser Plan nämlich vorsah, bereits am Montagabend wieder abzureisen. Ich erinnere mich daran, dass der Zeltplatz auf der einen Seite von einem Bach abgegrenzt war und wir beschlossen, in dem angrenzenden Waldstückchen unsere Zelte aufzuschlagen. Dass dort der Untergrund nicht besonders gut geeignet für einen Zeltaufbau war, hatten wir natürlich nicht bedacht. Irgendwie hat es dann irgendwann doch geklappt und wir konnten auf Erkundungstour gehen.


Dabei kam schnell heraus, dass es bereits am Abend ein paar mehr oder weniger spontane Auftritte im angrenzenden Club geben sollte. So geschah es also, dass ich mein erstes livehaftiges PSYCHOTIC WALTZ-Erlebnis hatte, denn die Band spielte hier bereits vier Songs, namentlich 'I Of The Storm', 'Halo Of Thorns', '...And The Devil Cried' und 'In This Place'. Angeblich haben wir auch noch ein Stück von BIOHAZARD gesehen, aber daran erinnere ich mich nicht mehr. Leider haben wir an dem Abend den Auftritt der großartigen Band WARGASM verpeilt, was mich heute noch ärgert, denn ich Dummschlumpf habe die Truppe auch danach nicht mehr live erwischt. An dem Abend stört mich dies aber alles nicht, denn meine livehaftige WALTZ-Entjungferung überstrahlt alles andere.


Der eigentliche Festivaltag begann dann auch gleich mit der Band, die uns hauptsächlich nach Holland geführt hat: PSYCHOTIC WALTZ. Ihr Demo und das Debütalbum "A Social Grace" werden damals wohl meine am häufigsten aufgelegten Tonträger gewesen sein und so entpuppte sich der Auftritt des Quintetts aus San Diego für mich als Triumphzug totaler Glückseligkeit. Schon beim eröffnendnen 'I Of The Storm 'schien Buddy Lackey in anderen Sphären zu schweben, denn sein exaltiertes Stageacting ist nicht von dieser Welt. Dazu sang er auch noch genauso ausdrucksvoll wie auf dem Album, sodass ich von einer lebensbereichernden Erfahrung sprechen muss.  Das zahlreich anwesende Publikum war von Beginn an völlig aus dem Häuschen, denn damals ist es noch keine Selbstverständlichkeit, eine derartige Undergroundband auf einem relativ angesagten Festival zu sehen. Der Auftritt verging wie im Flug und ich ahne noch nicht, dass ich die Band im Laufe des Jahres noch etliche weitere Male zu Gesicht bekommen werde. Einziges Manko: Man spielte nicht "I Remember'. Okay, der Nörgelschlumpf muss ja auch was zu sagen haben.


Die im Anschluss daran spielende Kapelle IGNORANCE, die mit ihrem Album "Confident Rat" fröhlich-quirligen Funk-Metal bot, ging im nachhallenden Freudentaumel ein bisschen unter.  Etwas bedauerlich für die sympathische Truppe, denn die Scheibe, die ein bisschen im Fahrwasser von MORDRED einzuordnen ist, mochte ich eigentlich auch ganz gern.

 

Weiter im Takt ging es mit den Florida-Deathern von OBITUARY, die ich damals noch sehr schätzte. Die Truppe um Ur-Growler John Tardy hatte die Fans dann auch sofort am Haken. Kein Wunder, wenn man mit einem Triplett der Marke 'Good Beings','Turned inside Out' und dem Titelsong des damals aktuellen Album "Cause Of Death" gleich mal alles in Schutt und Asche legte. Gitarrist Trevor Peres, dessen Augenringe damals noch nicht wie der Grand Canyon nach einem Tsunami aussahen, und seine Bande zeigten sich aber auch von ihrer besonders charmanten Seite und machten auch mit 'Body Bag' und 'Chopped In Half' keine Gefangenen. Wir waren vor allem von der Vokalperformance und der Matte des Sängers komplett geflasht. Als nach 'Slowly We Rot' und 'Words Of Evil' Schluss war, sah man etliche Freunde der ganz harten Mucke schon reichlich ill-minded durch die pralle Sonne wanken. Und wenn man sich so umsah, waren die Death-Metal-Freunde trotz dieses Billings in der Überzahl.


Gut, sie konnten sich beim nächsten Act ausruhen, denn mit SAIGON KICK kam als nächstes ein ziemliches Kontrastprogramm. Wir hatten die Band am 6. Mai bereits als Support der später ebenfalls noch auftretenden EXTREME im Hamburger Knust gesehen und wussten, wie toll diese Band auch live war. Sänger und Gitarrist Jason Bieler und sein Quartett bewies dann, dass der High-Energy-Rock auch bei strahlendem Sonnenschein und nach so einer Düsterniswalze wunderbar funktionierte. Das war für mich genau die richtige Musik, um bei dem tollen Wetter so ein Festival zu genießen. Und wer als aufgeschlossener Musikfreund die erste SAIGON-KICK-Scheibe nicht kennt, sollte dies schleunig nachholen.


Im direkten Anschluss spielten dann die aufgrund vom 'More Than Words'-Videoerfolg in aller Munde befindlichen Band EXTREME einen höchst energischen Auftritt, der den Dunkelheimern im Publikum aber wenig Begeisterung entlocken konnte. Wie in Hamburg gefiel mir auch heute SAIGON KICK besser, aber allein das Gespann Nuno Bettencourt und Gary Cherone machte schon Spaß zu sehen. Obendrein gingen Nummern wie 'Decadence Dance' einfach sofort in die Gliedmaßen.


Krasser konnte der Kontrast nicht sein, denn im direkten Anschluss an zwei Stunden Gute-Laune-Hard-Rock enterten nun MORBID ANGEL die Bühne. Nochmal Death Metal aus Florida deutete wohl an, wo hier die Wurzeln dieses Subgenres zu suchen sein könnten. Aber das nur am Rande. Hier konnte man sehr gut sehen, welche Musik damals besonders angesagt war, denn während bei den Bands zuvor eher mäßiges Publikumsinteresse zu verzeichnen war, hat sich Gelände nun wieder straff gefüllt. Mit 'Immortal Rites' ging es auch sofort zu Sache. Vor der Bühne tobte der Stagediver-Mob und auf der Bühne wurde technisch nahezu perfekter Death Metal gezockt. Dass man David Vincent nicht unbedingt zu Wort kommen lassen muss, war damals noch nicht bekannt, sodass der Umstand, dass es quasi keine Kommunikation mit der völlig ausrastenden Meute gab, noch als Manko ansah. Heute ist man schlauer. So ließ man die Musik sprechen und da gab es bei 'Maze Of Torment' oder dem abschließenden 'Chapel Of Ghouls' wenig Missverständnisse. Fand ich damals toll.


Weiter im Text ging es dann mit der bis heute wohl besten Liveband im Segment Heavy Metal. An ARMORED SAINT kommt halt keiner vorbei. Das wusste ich anno dazumal noch nicht. Als der Fünfer allerdings mit 'Tribal Dance' vom brandneuen Album "Symbol Of Salvation" die Bühne stürmte, schwante mir so etwas. Alter Schwede! Was für eine energische Ausstrahlung. Die bis in die Zehenspitzen und Strom stehenden Musiker wirbelten sich sogleich in einen wahren Rausch und wurden von den Fans ebenso stürmisch gefeiert. Immerhin waren die Jungs ja bereits zwei Jahre zuvor hier zu Gast gewesen und hatten offenbar viele Freunde hinterlassen. Die Setliste beinhaltete naturgemäß etliche Songs aus der neuen Scheibe, hatte aber zum Beispiel mit 'Stricken By Fate' und 'For The Sake' zwei coole Überraschungen in petto. Ausnahmesänger John Bush – damals noch mit Mähne – nahm zwischendurch ein Bad in der Menge und Basser Joey Vera – damals noch mit Mähne – feuerte die Menge andauernd zu noch mehr Begeisterung an. Zwei Anzeichen dafür, wie angestachelt die gesamte Atmosphäre bei diesem Auftritt war. Es war legendär!


Dass hiernach nun ausgerechnet PRIMUS ran durfte, zeigt, wie angesagt die Band nach "Frizzle Fry" war. In meiner Truppe war ich zwar der einzige, der komplett begeistert von dem Trio war, aber nach dem Auftritt konnten sich zumindest einige ein paar positive Wortbeiträge aus den norddeutschen Rippen zwingen. Naturgemäß konnte man PRIMUS jetzt nicht mit ARMORED SAINT vergleichen, aber wer Les Claypool und seine Band kennt, der weiß, dass es dem Dreigestirn immer ziemlich egal war, wer um sie herum noch so spielte. Ich erinnere nur an ihren Support-Slot bei Rush etwas später. Aber das ist eine andere Geschichte. Beim Dynamo frickelte und slappte man sich in gewohnt unterhaltsamer Manier durch das gut gebrutzelte Sortiment und erntete damit überraschend positive Resonanzen. Etwas erschreckend war allerdings der Umstand, dass Gitarrist Larry kurz vor Schluss des Auftritts plötzlich unkontrolliert herumzuckte und man daraufhin einen Song abbrechen musste. Wie später zu erfahren war, stand er kurz unter Strom, da irgendein Kabel nicht vernünftig geerdet war. Da es nach einem Schreckmoment dann aber weiterging, war wohl nichts wirklich Schlimmes passiert. Glück gehabt!


Nach PRIMUS gab es nun mit METAL CHURCH noch den Headliner. Da unser Plan aber vorsah, noch in der Nacht nach Hause zu reisen, begannen wir während die Kirche noch mal richtig vom Leder zog, unsere Zelte abzubauen und tatsächlich abzureisen. Dass, was wir von Kurdt Vanderhoof und seiner Truppe noch zu hören bekamen, war natürlich allererste Klasse, aber es half nichts. Es war Pfingstmontag, einige von uns durften am nächsten Tag wieder arbeiten, ich hatte Berufschule und somit klingelte mein Wecker um sechs Uhr.


Rückblickend war das ein tolles Festival mit einem sensationellen Line Up, an welches ich sehr gern zurück denke. Weshalb ich danach nicht noch einmal dort war, kann ich mir nur dadurch erklären, dass es mir irgendwann zu groß wurde. 1991 war die Welt für mich dort aber noch entspannt genug und alle Bands waren tatsächlich toll. Und dies, obwohl die stilistische Bandbreite kaum größer hätte sein können. Good ole days...

Redakteur:
Holger Andrae

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