DIE KRUPPS und THE RED PAINTINGS - München

13.09.2015 | 18:04

09.09.2015, Feierwerk

Industrial meets Prog-Punk? Kann das gutgehen?

Ein Paket der merkwürdigen Art erwartet mich an diesem Mittwoch im Feierwerk in München. Headliner sind DIE KRUPPS, vor denen aber zwei Vorbands spielen werden. Als ich eintreffe, ist noch Zeit und der Laden ziemlich leer. Die Kranhalle ist eine eher kleine Location, ich habe große Befürchtungen, doch ein steter Strom an Konzertgängern sorgt für zunehmend angenehmere Konzertatmosphäre. Als dann JANOSCH MOLDAU auftritt, ist die Halle schon ganz ordentlich gefüllt. Ich stelle erst einmal fest, dass ich hier in ein eher aus meinem musikalischen Spektrum herausragenden Auftritt gelandet bin. Rhythmusmaschine und Synthesizer, dazu Gesang. Elektronische Musik, irgendwo im Bereich Synthie oder Wave zu finden, eine ungewöhnliche Kombination. Janoschs Gesang ist dabei interessant, eher zerbrechlich und nicht sehr kraftvoll, was aber zu seinen Liedern gut passt. Im Hintergrund läuft ein Video zu den Songs mit starken christlichen Symbolen. Auch in den Texten wird es ziemlich heilig, sodass mich die eher monotone Musik mit der religiösen Symbolik recht schnell langweilen. Leider dürfen die beiden Musiker 45 Minuten spielen. Da hätten auch 20 Minuten gereicht, aber eine kleine Gruppe direkt vor der Bühne macht gut mit. Das mag auch daran liegen, dass Janosch aus Neu-Ulm kommt und vielleicht einfach ein paar seiner Fans mehr den Weg nach München gefunden haben und jetzt für Spaß sorgen. Ich jedoch bin nicht wirklich böse, als der Gig vorbei ist.

Nun folgt die Band, auf die ich sehr gespannt bin: THE RED PAINTINGS. Der Longplayer "The Revolution Is Never Coming" hat mich und, wie man im Review lesen kann, auch unseren Chefredakteur Peter Kubaschk ziemlich beeindruckt, aber ich bin nicht sicher, ob das Ganze auch live wirklich funktionieren kann. Auf der Bühne steht ein Einweckglas mit einem "Alien-Fötus" und ein Plastikmodell mit einem batteriebetriebenen Hamster im Rad. Ein Vorgeschmack auf den Irrwitz, der da folgen soll? Ja, unbedingt. Die drei Damen kommen zuerst auf die Bühne, angeführt von Hiroshi Kamosita, die hinter dem Drumkit Platz nimmt. Die beiden anderen sind bunt und schrill kostümiert und nehmen den Bass beziehungsweise die elektrische Violine zu Hand, und dann kommt auch Bandleader und Gitarrist Trash McSweeney in einem langen Rock und definitiv zuviel Kleidung für die Temperatur in der Halle auf die Bühne.

Was nun folgt, ist eine Dreiviertelstunde wie eine musikalische Achterbahnfahrt. Die Band mischt alles, was an ihrem künsterlischen Wegrand liegt, in die akustische Melange und setzt dem Publikum ein Gebräu vor, das seine Konsistenz kontinuierlich verändert und mal nach Art Rock riecht und nach Punk schmeckt, mal Hard Rock-Duft verbreitet, aber den Geschmack von Progressive Metal innehat. Dazwischen kommen Ansagen zwischen politisch, launig und absurd, eine aktive Interaktion mit dem Publikum inklusive einer skurrilen Diskussion über die Flüssigkeit, in der das eingelegte "Alien" konserviert ist. Das alles eingebettet in 'Wasps', 'You Are Not One Of Them' und das abgefahrene 'Streets Fell Into My Window'. Und dann die Punkvollbedienung 'Fuck The System'.

Die Anwesenden sind entweder begeistert oder entgeistert. Aber THE RED PAINTINGS lässt niemanden kalt. Neben den Musikern wird auch wieder ein Mensch bemalt, in diesem Fall von einer Künsterlin in farbbespritztem Einteiler mit Maske. Man muss einen Auftritt der Band wohl irgendwo zwischen Konzert, das besonders aktiv von den beiden Damen getragen wird, die heftig rocken, Politagitation und Kunstperformance ansiedeln. Die Deutschen, die gerade viele Flüchtlinge aufgenommen haben, bekommen Lob, die australische Heimatgregierung bekommt ihr Fett weg. Gegen Ende des Auftrittes folgt mit dem Titelsong des Albums der absolute Höhepunkt, bevor die Band unter großem Applaus des Publikums, teilweise allerdings mit verwirrt gerunzelten Stirnen, die Bühne verlässt. Ein beeindruckender Auftritt, der die Band auf Konserve tatsächlich noch auf den zweiten Platz verdrängt. THE RED PAINTINGS live ist noch besser!

Ich brauche eine kurze Pause und sehe draußen, dass das Konzert tatsächlich ausverkauft ist. Super! Das habe ich gehofft, denn die Qualität einer Band wie DIE KRUPPS ist einfach zu groß, um diesen Club nicht zu füllen. Auch wenn die ganz große Zeit der Kapelle natürlich in den Neunzigern war. Das weiß die Band auch und beginnt mit einem Tripel aus den großen Jahren, angefangen bei 'Crossfire' und 'Dawning Of Doom' bis zum für mich eher unerwarteten 'Isolation'. Die beiden jungen Gitarristen machen ihre Sache gut, stehen aber weitgehend im Abseits, denn aller Augen sind natürlich auf Frontmann Jürgen Engler gerichtet, neben Ralf Dörper, der für die Samples sorgt, Originalmitglied und traditionell Mittelpunkt jedes DIE KRUPPS-Auftrittes. Engler selbst sieht gut aus, die 55 Jahre schlagen sich kaum nieder, ich nehme ihm seine energetische Performance ab, er scheint wieder richtig Spaß an der Mischung aus elektronischer Musik und Metal gefunden zu haben. Darauf deuten auch die neuen Lieder des aktuellen Albums "Metal Machine Music" hin, von dem heute immerhin fünf Stück den Weg in die Setlist gefunden haben.

Der Energielevel auf der Bühne wirkt ansteckend. Das Publikum geht gut mit, aber die älteren Stücke werden natürlich begeisterter gefeiert als die neuen Lieder. Immerhin sind die Alben, ganz besonders "II – The Final Option", Klassiker des Industrial Metal, und dessen sind sich Jürgen Engler und seine Mannen durchaus bewusst. Immer wieder  werden die Hits eingestreut, 'Odyssey Of The Mind' genauso wie 'Black Beauty White Heat' und 'Metal Machine Music'. Gegen Ende gibt es dann noch die Vollbedienung aus 'To The Hilt' und 'Fatherland' und die Stimmung erreicht einen absoluten Höhepunkt. Heftige Riffs, harte Beats und mitsingbare Melodien, das Rezept ist einfach unwiderstehlich.

Schweißtreibend und intensiv, die Kranhalle hat eine angenehme Größe für diesen Gig, wobei ich sicher bin, dass DIE KRUPPS auch auf großen Bühnen und Festivals ausgezeichnet funktionieren dürfte. In dieser Form wäre die Band auch sicher eine Bereicherung für jedes der großen Sommerfestivals, zumal trotz der intimen, stimmungschaffenden Intensität des Clubs eine größere Bühne Frontmann Engler sicher gut tun würde. Und eventuell den Gitarristen auch die Möglichkeit eröffnen könnte, sich an der Show zu beteiligen. Hier und heute ist der Radius der beiden ob des Platzmangels stark eingeschränkt. Als Zugaben, ohne die DIE KRUPPS natürlich nicht aus der Halle gelassen werden, fungieren heute ‚'Machineries of Joy' und 'Bloodsuckers'. Dann ist es auch schon deutlich nach Mitternacht, was für einen Wochentag angesichts der Tatsache, dass ich am kommenden Morgen früh aufstehen muss, doch reichlich spät ist. Ich hätte gerne auf Janosch Moldau verzichtet, andererseits wäre mehr von THE RED PAINTINGS schön gewesen. Die 90 Minuten der KRUPPS dagegen waren gut und angemessen und perfekt.

Setlist: Crossfire, The Dawning of Doom, Isolation, Risikofaktor, Kaltes Herz, Battle Extreme, Odyssey of the Mind, Scent, Alive In A Glass Cage, Road Rage Warrior, Black Beauty White Heat, Fly Martyrs Fly, Nazis auf Speed, Metal Machine Music, Robo Sapien, To The Hilt, Fatherland; Encore: Machineries of Joy, Bloodsuckers

Redakteur:
Frank Jaeger

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