DEAFHEAVEN, PORTRAYAL OF GUILT und ZERUEL - Leipzig

09.12.2025 | 13:41

14.11.2025, UT Connewitz

Abwechslungsreiches Paket - Mitnehmender Abend.

Am Freitag, den 14.11.2025, kommt es im Leipziger Süden im altehrwürdigen und barocken Charme ausstrahlenden UT Connewitz zum Auftritt des Phänomens DEAFHEAVEN. Eine lange Zeit polarisierende Band, da sich hier die Elemente des Black Metal mit den ausschweifenden Klängen des Shoegaze und Post Rocks kreuzten. Es gibt hassende und es gibt liebende Hörerinnen und Hörer. Mit dem Album "Infinite Granate" gar wurde der Pfad des Black Metal, der Blasts und Burst verlassen und ein Glanzlicht produziert. Dieses - Spoiler- kommt aber in den gegenwärtigen Livedarbietungen der fünfköpfigen Band aus San Francisco gar nicht zum Vortrag, was auch vorher offensiv angekündigt wurde. Mir ist das recht egal. 

Wobei ich mich freuen würde, diese beiden Gesichter der Virtuosen kennenlernen zu dürfen. Ein Wort noch zu Ort und Veranstalter. Im UT Connewitz wird so ziemlich alles verschluckt und da im besten Sinne des Worte: Hier knüppelten sich ganze Crust-Core-Reihen durch den Trief, NEUROSIS peinigte sich exklusiv durch zwei Deutschland-Konzerte, Louder than ever, es laufen morgens Kinderfilme und abends "Experimenteller Grime!". Ich schlief bei Sitzkonzerten ein oder fiel in Menschengruppengröße beim Vodka-trächtigen Baikaltrain in dieselben, auch meine zaghaften Versuche, neudeutschen Dreamschlagerhouse zu überstehen, fruchteten in einem sehr okayen Konzerterlebnis. Damals war es zu 77 % ein weibliches urban angebundendes tanzendes Publikum, an anderen Tagen halten sich die bebärteten Nietenstahlmetaller aus dem Umland freundlich die schweren Türen auf, bevor sie sich in den Nebel des Dooms verkriechen.

Verantwortlich für die Dustersause ist das Kollektiv Golden Rhino Concerts, das sich auf die Verbreitung ausgewählt guter Bands spezialisiert hat und mir auch ganz kürzlich meine geliebten NEWMOON nach Leipzig brachte.

Hier hat man ein wiederum sehr diverses Paket geschnürt. Der Abend beginnt mit ZERUEL aus Baltimore. Ein Künstler, der sich gänzlich in Nebel und Mantel gehüllt hat, von zwei Musikern an Bass und Drum begleitet wird und der Shoegaze der düsteren Sorte macht.

Traurig zurückhaltend drückend. Aber auch beeindruckend. Die Stücke wirken auf mich live gespielt wie kleine Fragmente seines Seelenlebens, die er in dem Moment, als sie seine Oberfläche erreicht zu haben scheinen, vom verdunkelten Rand der Bühne dargebracht werden – um dann wieder zu verschwinden. Gefällt mir, der Ansatz. Wirkt nicht konstruiert, wirkt authentisch.

Eine ganz andere Hass- ähm- Hausnummer ist das Trio PORTRAYAL OF GUILT aus Texas.

Das sind ernste und auch ernst zu nehmende junge Männer, die mit viel Sachlichkeit und Präzision von sich behaupten können, die beobachtete Welt und Wut in starke sperrige und kraftvolle zupackende Stücke zu verpacken.

Einfach ist das nicht zu hören, aber zudem ein bannendes Erlebnis. Vor allem das Spiel des Drummers ist alles, nur nicht stupide gedroschen – ihm zuzusehen und zuzuhören, was er dort hinein packt, ist den Ausflug allein schon wert.

Die Drei vollführen Ihren Gig ganz im Sinne humorloser Endzwanziger mit Botschaft, im Angesichts eines Publikums, welches immer mehr in die Bewegung gerät.

Der Stilmix zwischen Industrial, mathigem Hardcore und platterndem Metal ist zwar kaum dem Frohsinn nahe, aber trotzdem erntete die Band aus Austin mehr und mehr Applaus weit über der Aha-Grenze.

Ein Tipp für Konzertgängerinnen, -gänger, Bühnenerleberinnen und -erleber, die die Schwierigkeiten des Lebens in den Tönen und Gesichtern anderer Menschen sehen müssen.

Dann der Hauptact. DEAFHEAVEN. Oben, im Dunkel der Empore, des Rundlaufs vor den Backstage-Bereichen, schaut sich die Band aus San Francisco noch die letzten Darbietungen der Vorgänger an, dann stürmt sie effektvoll die Bühne. Ja, sie stürmen. Soll heißen, jetzt sind wir endlich da, das Warten hat doch gelohnt. In der Tat war das Konzert im UT binnen weniger Tage ausverkauft. Das ist Selbstbewusstsein.

Gitarren kreiseln um die Hüften wie bei HC-Jungsspunden im ersten Gig, die gesamte Breite der Kinovorbühne wird ausgemessen.

Das Publikum ist sofort da, etwas überrascht wegen des furiosen und bewegungsintensiven Beginns. Ist das doch eigentlich Black Metal, oder? Die alte Diskussion, die auch Bands wie DEAFHEAVEN mit ihrem künstlerischen Ansatz befeuert: Darf man im Batik-Shirt Blastbeats spielen? Man kann. Und für viele der hier Anwesenden im total ausverkauften UT ist diese Diskussion sowieso obsolet.

George Clarke, Sänger und Shouter der Band, ist der Blickfang des Quintetts, der Herr der erhöhten Quadratmeter. Zunächst, in den ersten Minuten und noch lange nachher, verdrischt er imaginäre Imwegsteher oder zieht hier sein Work Out vor... Die Arme kreiseln, wirbeln, drücken, das Energiebündel wuchtet sich von einer Ecke der Bühne quer durch die Gitarrenspieler auf die andere Seite.

Auf den Punkt genau sind die Stücke eingeprobt, ab und zu steigt einer der Herren auf erhöhte Podeste und liefert sich so dem Publikum aus. Dieses ist auf Betriebstemperatur. Ziemlich schnell sogar. Die zum Teil recht vertrackten Stücke scheinen allhin bekannt und so geht es durch das komplett metallene Set hindurch, nur ab und an durchatmet von kleineren Passagen aus der ruhigeren Post Rock Shoe Gaze-Arena. Diese Art von Kontrast hat die Band berühmt werden lassen.

Magnolia (vom Album "Lonely People With Power")

https://www.youtube.com/watch?v=2h_WVPSoMwU

Gut zwei volle Stunden volle Genre-Segelei, die Leute sind es zufrieden. Die Soundleute leisten auch hier wieder vollkommen beste Arbeit und schaffen es, dem sehr besonderen Ort den Charme zu erhalten, obwohl dort vorn die Derwische ihre lauten Runden drehen.

Besonderer Abend besonderer Bands. Sehr gelungen.

Text: Mathias Freiesleben

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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