DARK TRANQUILLITY - London

09.10.2010 | 12:20

28.09.2010, The Underworld

Wenn sich Schweden und Engländer in der Unterwelt begegnen.

Mit der "Where Death Is Most Alive - Part II"-Tour marschieren die Jungs von DARK TRANQUILLITY ein weiteres Mal durch Europa. Schauplatz des heutigen Abends: das legendäre Londoner Underworld im geliebten Camden Town. Und wer nur eine Zigarettenlänge von seiner Wohnung zu dieser Location braucht, packt fix sein Notizblöckchen in die Tasche und stapft mit großen Schritten in die heiligen Hallen der Unterwelt.

Aufgrund von organisatorischen Missverständnissen bekomme ich von dem ersten Support, den Lokalhelden CYPHER 16, nur noch die letzten Töne mit. Was auch immer die Jungs, deren Musik gerne als Symphonic Dance Metal beschrieben wird (?), da von sich geben, klingt auf jeden Fall eher so, als spielten sie gegeneinander und nicht miteinander. Bei dem Lokalheldenstatus wird es daher ohne Treatment wohl erst mal bleiben.

Wie mir Besucher der vorherigen Konzerte dieser Tour und auch die Mädels auf dem Klo berichten, handelt es sich bei INSOMNIUM um eine Truppe, die das Blut gewaltig köcheln und spritzen lässt. Daher verwundert es nicht, dass bereits beim ersten Ton die sonst so höflichen Engländer durchdrehen und wie verrückt gewordenes Schlachtvieh vor die Bühne rennen. Dabei kann man auch schon mal aus Versehen von der Treppe in die Menge fallen und ungewollt zum Crowdsurfer werden. Hoch die Tassen!

Grund für diese Hysterie ist eine vierköpfige Finnen-Combo, die epische Melodien, borstige Riffs und feine Handarbeit aus den Hosentaschen zaubert. Was sich zuerst für das ungeschulte Ohr noch wie fetzige Biermusik anhört, verwandelt sich nach kurzer Zeit und Songs wie 'Mortal Share' oder 'The Killjoy' in ein Hochgefühl der Sinne und eine prasselnde Nackenpeitsche.

Das Underworld wird wieder einmal eine Etage tiefer gestampft, und endlich begreife auch ich die Herkunft des Namens dieses Venues. Als DARK TRANQUILLITY-Fronter Mikael Stanne bei 'Weather The Storm' plötzlich dazustößt und Niilo Sevänen (der seine Schweißbänder übrigens hier in Camden Town kauft) stimmlich unterstützt, kann man Fleischfetzen und Haarknäuel fliegen sehen. Der Wahnsinn!

Meine endgültige Liebe gewinnt diese Band, als zum Abschluss des Gigs ein “Kiitos” ertönt (Finnisch für "danke" - ein Wort für richtige Männer, was aber nie eine Band auf der Bühne grölt). Auf dem Weg zum Klo oder im freien Fall merkt man übrigens sehr schnell, wer Engländer und wer Tourist ist, aber dazu an anderer Stelle mehr.

Momente vor dem Beginn der schwedischen Bombenleger drängelt sich das englische Volk erneut wie aufgescheuchtes Federvieh in den ohnehin schon vollgestopften Bereich vor der Bühne. Horror! Röhrende Chords, prickelnde Melodien und dreschend-leidenschaftliche Growls gefällig? Na dann Vorhang auf für DARK TRANQUILLITY! Und da bei Profis regelmäßig was ausfällt, wird nach dem Opener erst mal rumgelabert und Händchen mit der ersten Reihe gehalten. Ach, diese Fannähe lobe ich mir.

Ohne Kinderfaxen heißt es danach Draufdreschen bei dem bombastischen 'The Fatalist' – hat wohl eine Gemeinsamkeit mit Hackbraten zu Mittag: Was Besseres gibt es fast gar nicht. Es scheppert in der Bude, es kracht das Parkett, es biegen sich die Balken, es werden tief verscharrte Leichen von mysteriösen Massenmördern wachgerüttelt. DAS ist nämlich Death Metal!

Mikael packt die Euphorie und lässt sich spontan zum Ass-Surfing hinreißen, während im Publikum Köpfe  aneinanderkrachen - ein waschechtes Skull-Solo eben. Um kurz Luft zu holen, singt Mikael ein Loblied auf London, Mekka of Music. Und Recht hat er. In welcher Stadt sonst kündigen sich fast täglich nur die fettesten Fleischhauer an? Um es in SM-Sprache zu sagen: Die Jungs ziehen uns wortwörtlich die Haut bei lebendigem Leibe ab, peitschen das nackte Fleisch und knabbern lustvoll an unseren blutverquollenen Fingerchen.

Ein Meisterwerk ist besonders 'Icipher'. Vergesst die herkömmliche Definition von Emotion. Diese Hochgefühle, die sich bei diesem Song einstellen, beweisen, dass diese Affekte beim Besten nichts mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun haben. Sogar die Italiener hinter mir verfallen in Amore.

Der Gnadenschuss wird aber natürlich wie immer mit 'Misery's Crown' gesetzt, bei dem Mikael sich fast schon wie ein Heiland von den Fans auf Händen tragen lässt. Nach dem genialen Zugabenblock mit 'Final Resitance', 'The Sun Fired Blanks' und 'Terminus (Where Death Is Most Alive)' haben sich DARK TRANQILLITY mit diesem Gig definitiv ein Denkmal gesetzt. Mikael, anscheinend zum Telepathen geworden, bedankt sich für diese Meinung ganz brav mit einem "Danke schön!" Na ja, wahrscheinlich hat er sich einfach nur spontan im Land geirrt.

Fazit: Was für ein Konzert! Auch in gloomy London kann es eben nicht immer regnen. Bis zum nächsten Mal!

Setlist DARK TRANQUILLITY:

01. At The Point Of Ignition
02. The Fatalist
03. Damage Done
04. Lost To Apathy
05. Monochromatic Stains
06. The Gallery
07. One Thought
08. The Wonders At Your Feet
09. Icipher
10. Shadow in Our Blood
11. Iridium
12. Haven
13. Dream Oblivion
14. Misery's Crown
15. Punish My Heaven
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16. Final Resistance
17. The Sun Fired Blanks
18. Terminus (Where Death Is Most Alive)

Redakteur:
Nadine Ahlig
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