Bang Your Head - Balingen

15.08.2010 | 15:43

16.07.2010, Messegelände

Wetterkapriolen und starke Bands bei der 15. Auflage des "Bang Your Head"-Festivals in Balingen.

Der Freitagmorgen ist bereits recht warm, und ein Blick an den blauen Himmel verrät, dass der Tag ein heißer werden wird, wie es bisher fast jeder Balingen-Freitag gewesen ist. Ein erstes Schlendern über das Gelände offenbart, dass die Veranstalter im Vergleich zu früher einiges verbessert haben. Ein großes Zeltdach im Bereich zwischen Eingang, Halle und Bühne mit großflächigem Blick zur Bühne sorgt dafür, dass die Zuschauer sich die Bands nun auch bei drohendem Hitzschlag und bei spontanen Wolkenbrüchen in Ruhe anschauen können, der Einlass ist zügig und übersichtlich, die Security freundlich, und wie im letzten Jahr gewährt die große Halle die Möglichkeit, gepflegte Toiletten aufzusuchen oder sich einfach mal eine Stunde in den Schatten zu setzen. Doch der gemütliche Rundgang wird plötzlich unterbrochen, weil von der Bühne her die ersten Töne zu vernehmen sind, also nichts wie vor an die Front.

Es hat beim "Bang Your Head!!!" ja durchaus Tradition, jeden Festivaltag von einem brandheißen, aber noch nicht komplett etablierten Newcomer eröffnen zu lassen, und so fiel dieses Mal die Wahl auf die bei AFM Records unter Vertrag stehenden Franken von THE NEW BLACK. Wobei der Begriff "Newcomer" in diesem Fall dann doch ein wenig bedenklich ist, auch wenn es die Band erst seit zwei Jahren gibt. Denn immerhin finden sich in den Reihen der Groove-Rocker aus der Würzburger Ecke doch etliche gute alte Bekannte, unter anderem Gitarrist Fabian Schwarz, der schon in den Reihen von TYRAN' PACE, STORMWITCH, PARADOX, RUNAMOK und vieler mehr stand. Auch die anderen Mucker kennt man von Truppen wie SINNER, ABANDONED, PARADOX und einigen anderen. Zusammen mit ihrem Sänger Fludid, der eine warme und doch raue Rockröhre erklingen lässt, lassen die Jungs nichts anbrennen und grooven und sludgen sich in bester Südstaatenmanier durch eingängige Rockhymnen wie 'Everlasting', 'Coming Home' oder 'Welcome To Point Black'. Ja, der Weckruf zeigt Wirkung, keine Frage!
[Rüdiger Stehle]

Nach dem groovenden und erdigen Rock 'n' Roll des Openers kommen die noch immer recht jungen Schweden von ENFORCER den anwesenden Wahrhaftigkeitsmetallern gerade recht mit ihrem flotten, massiv von der NWoBHM inspirierten Heavy Metal der alten Schule. Bassist Tobias Lindqvist und natürlich auch Frontmann Olof Wikstrand posen, was das Zeug hält, und das passt natürlich perfekt zu ihrem Stilmix aus alten IRON MAIDEN, JAGUAR, DIAMOND HEAD und EXCITER. Ob es an dem extrovertierten und Energie zehrenden Posing liegt, dass Olofs Gesang bisweilen ein wenig schwachbrüstig daherkommt, vermag ich nicht so richtig zu beurteilen. Jedenfalls ist die gesangliche Komponente bestenfalls solide und auf keinen Fall außergewöhnlich. Letzteres gilt auch für die stilistische Ausrichtung der Band, welche bei all den gelungenen Zitaten alter Helden einfach zu wenig Wert auf ein eigenes Profil legt. So konnte ich nach zwei Alben und etlichen Gigs der Schweden noch immer nicht ausmachen, was genau denn nur das wirklich Typische an ENFORCER ist. Doch muss man der Band bei aller Vorhersehbarkeit attestieren, dass sie den Spaß am Heavy Metal verkörpert wie nur wenige andere Band ihrer Altersgruppe, und so verdienen sie sich den durchaus beachtlichen Applaus des Publikums redlich mit einer Setlist, welche den Schwerpunkt auf sechs Stücke vom aktuellen Album "Diamonds" legt, aber auch das Debüt mit stattlichen vier Titeln nicht vernachlässigt.
[Rüdiger Stehle]

Die schwedischen Traditionalisten von GRAND MAGUS sind ja gerade in aller Munde: Die neue Scheibe "Hammer Of The North" hat in etlichen Magazinen nach Strich und Faden abgeräumt, und auch in unserem Soundcheck ist das Trio mit einem zweiten Platz fulminant durchgestartet. Was soll ich groß sagen, die Band hält auch live, was sie auf den Scheiben verspricht: Unaffektiert und ohne platte Effekthascherei lassen die drei Wolfsliebhaber die warmen, heavy rockenden, erdigen Siebziger-Riffs braten. Gesanglich brennt bei Gitarrist und Frontmann JB und seinem unterstützenden Bassmann Fox Skinner natürlich rein gar nichts an, und wenn sich dann auch noch in Sachen Setlist eine Mitsinghymne an die andere reiht, dann kann man sicher sein, dass des Großmeisters Auftritt zu einem kleinen Triumphzug wird. Da verwundert es auch kaum, dass mir gleich mehrere Leute während des Gigs einfach so aus heiterem Himmel erzählen, dass diese seltsame Band ja total geil sei, und sich dann verwundert fragen, warum sie die nicht vorher schon kannten. Nun, ich gebe es ja zu, ich war bei GRAND MAGUS auch ein Spätzünder, doch jetzt möchte ich Alben wie das neue Meisterwerk, aber eben auch die beiden Vorgänger "Iron Will" und "Wolf's Return" nicht mehr missen. Diese Scheiben werden heute auch alle ausgiebig gewürdigt, wobei die älteren, doomigeren Werke komplett außen vor bleiben. Die Band will eben in erster Linie das präsentieren, wofür sie heute steht, und das wird vom Publikum dankbar aufgenommen. Stark!

Setlist: Kingslayer; Like The Oar Strikes The Water; Silver Into Steel; At Midnight They'll Get Wise; Wolf's Return; I, The Jury; Hammer Of The North; Iron Will; The Shadow Knows
[Rüdiger Stehle]
Heute ist es das dritte Mal, dass ich die vor zwei Jahren reformierte Bay-Area-Thrash-Institution FORBIDDEN live sehen darf, und ich muss ganz klar sagen, dass die Band um den schwergewichtigen rothaarigen Frontmann Russ Anderson von mal zu mal besser wird. War vor allem die Stimme des Fronters bei den ersten Auftritten doch ein wenig angeschlagen, singt er heute wieder deutlich besser, ja, eigentlich ziemlich perfekt, weil sogar die ganz spitzen Schreie wieder sitzen. Richtig glänzen kann Russ im Übrigen auch bei der großartigen und sehr emotional dargebotenen Coverversion zu BLACK SABBATHs 'Children Of The Sea', mit welchem die Kalifornier dem verstorbenen Ronnie James Dio gedenken und somit dem Festivalmotto Folge leisten. Was die beiden Gitarristen Steve Smyth und Craig Locicero vom Stapel lassen, beeindruckt auf ganzer Linie und die Rhythmusgruppe aus Matt Camacho und Mark Hernandez lässt freilich auch nichts anbrennen.
Die Setlist ist leider etwas kurz und lässt mit 'Forbidden Evil' sogar den Überklassiker schlechthin aus, dafür kommt das Debüt mit zwei anderen Krachern zum Zuge. Der Schwerpunkt liegt allerdings mit drei Stücken auf "Twisted Into Form", während es mit dem sehr gelungenen neuen Kracher 'Adapt Or Die' auch einen vielversprechenden Ausblick auf die kommende Reunion-Scheibe gibt. Mit FORBIDDEN ist meiner Meinung nach spätestens jetzt wieder voll zu rechnen, und ich bin riesig gespannt auf die kommenden Entwicklungen.

Setlist: Infinite; R.I.P.; Step By Step; Through The Eyes Of Glass; Adapt Or Die; Children Of The Sea; Chalice Of Blood
[Rüdiger Stehle]

Nach FORBIDDEN ist auch schon wieder eine schwedische Band an der Reihe, nämlich SABATON. Und diese Band weiß durchaus zu polarisieren. Für nicht wenige Leute ist SABATON nur eine weitere "Schlagerband mit E-Gitarren", die mit Metal nicht viel am Hut hat, weil jedes Gitarrenriff vom Keyboardteppich zugedeckt wird. Aber es gibt eben auch viele Leute, die SABATON richtig gut finden, und das wird auch an diesem Nachmittag deutlich. Zahlreiche SABATON-Shirts werden über das Gelände getragen, und als das Intro ertönt, füllt sich der Platz vor der Bühne ziemlich schnell. Die Schweden um Sänger Joakim Broden legen auch gleich fulminant los, mit viel Pyrotechnik und mit 'Ghost Division' vom vorletzten Album "The Art Of War", dem das 'Panzer Battalion' vom Debütalbum "Primo Victoria" direkt nachfolgt. SABATON haben aber natürlich auch ihr aktuelles Album "Coat Of Arms" im Gepäck, das sie dem unter der glühenden Sonne Kaliforniens, äh, Balingens schwitzenden Publikum präsentieren wollen. So gibt es mit dem Titelsong sowie 'Saboteurs' gleich zwei Stücke, die von den Fans aber nicht weniger begeistert aufgenommen werden.
Wie auch schon die vorherigen Bands, gedenkt Joakim dem kürzlich verstorbenen Ronnie James Dio, auch wenn SABATON davon absehen, einen Song von ihm zu spielen. Stattdessen widmen sie ihm 'Cliffs Of Gallipoli', das wie das folgende 'The Price Of A Mile' vom vorletzten Album stammt.
Ein neues Stück, nämlich 'Screaming Eagles' lassen die Schweden noch vom Stapel, bevor sie erstaunlich früh von der Bühne gehen. Aber sie kommen kurze Zeit später nochmal zurück, um noch 'The Art Of War', das großartige 'Primo Victoria' sowie das typische Enddoppel 'Metal Machine'/'Metal Crüe' zu spielen. Damit können sie das Publikum endgültig überzeugen, und so wird die Band lautstark abgefeiert. Ihre Kritiker dürften SABATON zwar nicht bekehrt haben, aber neue Fans haben sie mit diesem Auftritt sicherlich hinzugewonnen. Denn wer auf keyboardlastigen oder pompösen Metal nicht allergisch reagiert, der ist bei diesem Auftritt sicherlich auf seine Kosten gekommen.
[Martin Schaich]
Nun ist es schon wieder etliche Jahre her, dass Japans Vorzeigemetaller von LOUDNESS unsere gute alte Heimat auf dem letzten Geiselwinder Earthshaker Festival beehrt haben. Daher freut es mich auch riesig, diese Metal-Legende aus Fernost endlich wieder auf einer deutschen Bühne bejubeln zu dürfen, und was soll ich sagen? Akira Takasaki und seine Mitstreiter machen einmal mehr alles richtig. Eigenwillig und schräg sind sie, die Crazy Samurais, und spielen können die! Halleluja! Was Akira aus seiner Sechsaitigen zaubert, das reicht bei anderen Bands für drei Gitarristen. Und eine Tightness, eine Spielfreude und einen perfekten Sound haben die! Wirklich, die Japaner begeistern nicht nur mich, sondern wo man hinschaut, sieht man ausgerenkte und nach unten geklappte Kinnladen.
Direkt nach dem Intro in Form der japanischen Nationalhymne 'Kimi Ga Yo' legt die Metalmaschine mit zwei ihrer größten Klassiker los, namentlich mit 'Crazy Nights' und 'Crazy Doctor'. Verrückt, oder was? Nein, denn mit dem kolossalen 'Esper' bedienen die Krieger der aufgehenden Sonnen gleich noch einmal die Fans ihres Überalbums "Disillusion" aufs Feinste. Mit dem direkt anschließenden 'Heavy Chains' von "Thunder In The East" gibt es dann gleich nochmal richtig auf die Glocke, bevor mit dem '83er Klassiker 'In The Mirror' gelungen in die etwas poppigere, aber nicht minder überzeugende Spätachtzigerphase mit Stücken wie dem KISS-kompatiblen 'Let It Go' oder 'S.D.I.' übergeleitet wird. Den Kehraus liefert stilecht die Bandhymne 'Loudness' vom '81er Debüt, und so verschwinden die LOUDNESS-Boys leider viel zu schnell wieder von der Bühne. Solch eine Band gehört ohne Wenn und Aber in die Headliner-Position, und ich sage euch, ich hätte da noch Stunden zuschauen können. Zu schade, dass mir der Headliner-Auftritt einige Tage später in Aschaffenburg vorenthalten bleibt. So oder so: Es wäre ein Traum, wenn diese tolle Band zum einen öfters in unseren Gefilden live aufträte, und zum anderen endlich dafür sorgen würde, dass ihre Alben nicht nur als sauteure Japanimporte zu haben sind.

Setlist: Kimi Ga Yo (Intro); Crazy Nights; Crazy Doctor; Esper; Heavy Chains; In The Mirror; Let It Go; S.D.I.; Loudness
[Rüdiger Stehle]

Nach dem überragenden Auftritt von LOUDNESS hat es die nächste Band natürlich sehr schwer. Doch ANVIL ist ja auch nicht erst seit gestern im Geschäft und kann mit einer solchen Situation umgehen. Steve "Lips" Kudlow und Co. haben in den letzten dreißig Jahren nämlich auch einige Scheiben veröffentlicht und können quasi aus dem Vollen schöpfen. Den Anfang machen sie aber erstmal mit einem Instrumentalstück, namentlich 'March Of The Crabs' vom 1982er Werk "Metal On Metal". Mit '666' vom gleichen Album gibt es dann den ersten regulären Song, der vom Publikum gleich ordentlich abgefeiert wird. Überhaupt ist es ein wenig überraschend, wie groß der Zuspruch für ANVIL an diesem Nachmittag ist. Sollte der letztjährige Dokumentationsfilm "The Story Of Anvil" doch etwa neue Zielgruppen erreicht haben? Wie auch immer - mit 'School Love' und 'Winged Assassins' gibt es zwei weitere Songs aus der ANVIL-Frühphase, bevor mit dem Titelsong des aktuellen Albums "This Is Thirteen" auch mal neueres Material zum Besten gegeben wird.

Als beim anschließenen 'Mothra' dann Lips sein berühmt-berüchtigtes Dildo-Gitarren-Solo einbaut, sind die Fans vor der Bühne natürlich begeistert. Auch der kurz angespielte BLACK SABBATH-Klassiker 'Heaven And Hell' (zu Ehren von Ronnie James Dio) kommt gut an, ebenso wie 'Thumb Hang' vom aktuellen Album. Bei 'White Rhino' darf dann auch Schlagzeuger Robb Reiner noch zeigen, dass er zu den Besseren seines Faches gehört, und schon neigt sich die Spielzeit von ANVIL dem Ende entgegen. Da ein Auftritt der Kanadier aber nicht ohne 'Metal On Metal' enden kann, gibt es zum Abschluss eben noch diesen Bandklassiker, der auch wieder lautstark mitgegrölt wird. ANVIL sind und bleiben eine sympathische Band, die einfach nur Spaß macht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.    
[Martin Schaich]

Sowohl die guten alten und leider längst verblichenen SAVATAGE als auch die in meinen Augen legitime Nachfolgeband JON OLIVA'S PAIN habe ich bereits unzählige Male live gesehen, doch im Gegensatz zu etlichen anderen Bands, werde ich niemals müde, immer und immer wieder vor die Bühne zu pilgern, wenn der unglaublich sympathische und mindestens genauso charismatische Bergkönig sich in der Mitte der Szene ans Piano setzt und flankiert von vier großartigen Mitmusikern einen Hit nach dem anderen aus dem Hut zieht. Im Gegensatz zu anderen alten Helden mit großer Vergangenheit gehört Jon Oliva weder zu jenen, die nur von der Vergangeheit zehren, noch zu jenen, welche die Fans damit verprellen, die eigenen Klassiker nicht zu spielen. Denn obwohl der gute Jon genau weiß, dass sein neues Material aller Ehren wert ist, so weiß er doch auch, was seine Fans in erster Linie von ihm hören wollen. Und so begibt es sich, dass der Meister der schrillen Screams mit dem das Konzert einleitenden 'Lies', dem Titelstück des neuen Albums "Festival" und dem vom selben Scheibchen stammenden Ohrwurm 'Death Rides A Black Horse' lediglich drei aktuelle Stücke seiner Soloband zum Besten gibt, die vom Publikum aber auch großartig aufgenommen werden. Doch kein Vergleich zu dem, was der gute Mann sonst noch so aus dem Ärmel zieht: Gleich an zweiter Stelle der Setlist verzückt die Band mit einer schönen, reduzierten Version von 'Chance', bevor mit 'Jesus Saves', 'Sirens' und 'The Dungeons Are Calling' ein wahrhaft königlicher Klassikerblock folgt. Mit 'The Edge Of Thorns' gibt es einen zweiten Song, der im Original von Zak Stevens eingesungen worden war, und bei dem Jon eine wirklich tolle Figur abgibt. Dann kommt das großartige 'Gutter Ballet', bevor sich die Band mit dem sehr emotional dargebotenen Balladenklassiker 'Believe' und der tollen Coverversion 'Rainbow In The Dark' ganz tief vor Ronnie James Dio verneigt. Beendet wird ein grandioser und von den Massen gebührend abgefeierter Gig mit der obligatorischen 'Hall Of The Mountain King'

Setlist: Lies, Chance, Jesus Saves, Sirens, The Dungeons Are Calling, Death Rides A Black Horse, The Edge Of Thorns, Gutter Ballet, Believe, Festival, Rainbow In The Dark, Hall Of The Mountain King
[Rüdiger Stehle]

Nach dem großartigen Auftritt von JON OLIVA'S PAIN war es an DORO, der weiblichen Rockikone schlechthin, das Stimmungslevel am Kochen zu halten. Nehmen wir es mal vorweg: Die Düsseldorferin hatte zwar nicht so viele magische Momente wie der "Mountain King" vor ihr, mit ihrer gewohnt soliden Rockshow erfüllte Frau Pesch aber alle in sie gesetzten Erwartungen mit Bravour. Würde sich DORO bei diesen tropischen Temperaturen in ihre schwarze Lederklamotte zwängen, war eine oft gestellte Publikumsfrage vor dem Auftritt. Und die Antwortet lautet: definitiv ja. Nicht nur, dass die junge Frau scheinbar seit Jahren nicht mehr zu altern scheint, sie steht dem Wetter trotzend fast die gesamten sechzig Minuten auf dem Laufsteg zwischen ihren Fans und strahlt bis über beide Ohren mit der Glutofensonne um die Wette. Sie gibt wieder einmal alles, küsst die zahlreich auf die Bühne fliegenden Flaggen im Akkord und wartet sogar mit mächtigen Feuerfontänen auf, die vor allem bei 'Burn It Up' im Sekundentakt gezündet werden.

Es sind wieder einmal die Klassiker der Marke 'I Rule The Ruins', 'Earthshaker Rock', 'Burning The Witches' und das unvermeidliche Duo 'Für Immer' und 'All We Are', die das Stimmungsbarometer ansteigen lassen. Mit einer ordentlichen Version des DIO-Songs 'Egypt (The Chains Are On)' und dem PRIEST-Klassiker 'Breaking The Law' überzeugt man auch mit eigentlich fremdem Material. Große Überraschungen bleiben erwartungsgemäß aus, dafür rockt die Band aber umso mehr. Besonders Gitarrist Bas Maas (ex-AFTER FOREVER) ist nicht nur für die zahlreichen Damen im Publikum ein weiteres optisches Highlight auf der Bühne, sondern auch spielerisch eine absolute Bereicherung. Ein gelungener und äußerst souveräner Auftritt.

Setlist: You're My Family, I Rule The Ruins, Earthshaker Rock, Riding From The Devil, Burning The Witches, Egypt (The Chains Are On), Für Immer, Burn It Up, Celebrate, Metal Racer, Always Live To Win, Breaking The Law, All We Are
[Chris Staubach]

Danach heißt es, die Beine in die Hand zu nehmen. Mit dem Schlussakkord von DORO auf der Hauptbühne zünden in der Messehalle die Schweden DARKANE die erste Thrashnote des Indoor-Abends. Meine Vorfreude auf eine klimatisierte Halle weicht mit Eintritt schlagartig absoluter Ernüchterung. In der Messehalle steht die Luft. Die Oberfenster sind nicht abgedunkelt, so dass die Halle noch komplett lichtdurchflutet ist, was die Scheinwerfer auf der Bühne nicht nur ad absurdum führt, sondern auch der Stimmung nicht gerade zuträglich ist.

Die Messehalle füllt sich dann auch recht langsam, und nur wenige, überwiegend jüngere Menschen wollen sich das Quintett aus nächster Nähe anschauen. Zu allem Überfluss haben DARKANE auch mit erheblichen Soundschwierigkeiten zu kämpfen. Während das Schlagzeug um Ausnahmemusiker Peter Wildoer (er alleine ist die Reise in den geschlossenen Raum schon wert) präzise aus den Boxen hämmert, sind die Gitarren von Christofer Malmström und Klas Ideberg nur zu erahnen. Auch das Gebrüll von Jens Broman geht im Gesamtsound unter. Somit geraten Granaten wie 'Demonic Art', 'Rape Of Mankind', 'Layers Of Lies', 'Leaving Existence' oder 'Chaos Vs Order' schnell zu eindimensionalen Geschwindigkeitszügen, die auf Dauer etwas anstrengend werden. Das sieht das Publikum wohl ähnlich, denn mit zunehmender Spielzeit lichten sich die eh schon spärlich besetzten Zuschauerreihen noch einmal deutlich. DARKANE huldigen dem kleinen Sangesgott mit einer eher schwachen Version des Klassikers 'King Of Rock'n'Roll', welche Broman zu allem Überfluss sogar noch vom Textblatt abliest. Mit diesem Auftritt dürften die Schweden beim neutralen Publikum leider nicht unbedingt gepunktet haben.
[Chris Staubach]

Über KROKUS groß Worte zu verlieren, hieße, Headbanger nach Balingen zu tragen. Die schweizerische Kapelle ist seit Urzeiten am Start und ohne Wenn und Aber eine Institution der hart und heavy rockenden Zunft. Und wenn diese Institution nach allen möglichen Besetzungsirrungen und -wirrungen endlich wieder im von den Fans ersehnten, klassischen Line-up mit Marc Storace, Fernando von Arb, Marc Kohler, Freddy Steady und sogar mit Kultbassist Chris von Rohr am Start ist, dann finden sich die Fans natürlich zahlreich vor der Bühne ein. Klar, KROKUS ist das Musik gewordene Hardrockklischee mit Texten über heiße Liebesnächte und röhrende Motorräder, aber dieses archaische Rockgefühl bringt die Band auch schweißtreibend und tight wie kaum eine zweite auf die Bretter. Ganz egal, ob das Quintett die eigenen Klassiker wie 'Long Stick Goes Boom', 'Screaming In The Night', 'Easy Rocker' oder 'Bedside Radio', schwere Kaliber vom aktuellen Album "Hoodoo" oder das eine oder andere eingestreute Cover wie THE GUESS WHOs 'American Woman' oder in der Zugabe STEPPENWOLFs leider inzwischen als Cover etwas abgedroschenes 'Born To Be Wild' spielt: Was diese Band anpackt, das rockt, und so ist auch das zu Dios Ehren als Abschluss intonierte 'Long Live Rock'n'Roll' ein würdiges Finale.

Setlist: Long Stick Goes Boom, American Woman, Rock'n'Roll Handshake, Tokyo Nights, Fire, Burning Bones, Screaming In The Night, Easy Rocker, Bedside Radio, Heatstrokes, Hoodoo Woman, Born To Be Wild, Long Live Rock'n'Roll
[Rüdiger Stehle]

Auch bei der zweiten Band in der Messehalle sind die Bedingungen nicht wirklich besser. Und doch ziehen die erstarkten Dänen ARTILLERY mal mindestens doppelt so viele Schaulustige wie zuvor DARKANE. Ich kann jedoch nicht beurteilen, ob dieser Umstand das Quintett zusätzlich nervös gemacht hat oder ob die Band grundsätzlich so hüftsteif daherkommt. Eine schweißtreibende Show sieht definitiv anders aus. Das ist sehr schade, denn das mächtige Riffgewitter knallt ordentlich und verursacht einen Moshpit nach dem anderen.

Die Dänen thrashen sich gelungen durch ihre Historie und feuern mit unter anderem 'The Eternal War', 'The Challenge', 'Rise Above It All', 'Into The Universe', 'Khomaniac' und dem unvermeidlichen 'Terror Squad' einige gewaltige Nackenbrecher ab, die das überraschend junge Publikum in wilde Zuckungen versetzt. Sänger Sören Adamsen macht dabei in allen Dekaden eine sehr gute Figur und beherrscht vor allem die spitzen Schreie der frühen Jahre souverän. Musikalisch gibt es also nicht allzu viel zu bemängeln, und trotzdem hätte der Show ein bisschen mehr Aggressivität gutgetan. Schnell nutze ich noch den Vorteil der einigermaßen sauberen Toiletten und entschwinde mit mächtigem Ohrensausen wieder ins Freie, wo gerade der Regen und das Gewitter seine ersten Vorboten nach Balingen schickt.
[Chris Staubach]

HAMMERFALL sind auf dem Messegelände in Balingen wahrlich keine Unbekannten. In schöner Regelmäßigkeit spielen sie beim Bang-Your-Head-Festival - zuletzt 2007 -, doch zum ersten Mal dürfen sie als Headliner auf die Bühne. Das mag zwar nicht allen Leuten passen, aber die Schweden um Joacim Cans werden dieser Rolle mehr als gerecht. Doch der Reihe nach.

HAMMERFALL legen mit 'Punish And Enslave' von ihrem letztjährigen Album "No Sacrifice, No Victory" los, und es wird sofort klar, dass die Schweden bestens gelaunt und hoch motiviert sind. Dass kurzfristig Joacims Mikrofon ausfällt, tut der guten Stimmung auf und erst recht vor der Bühne keinen Abbruch. Mit 'The Dragon Lies Bleeding' geht's dann gleich mal ganz weit zurück in der Bandhistorie, gefolgt von dem auch nicht mehr ganz jungen 'Crimson Thunder'.

Überhaupt bieten HAMMERFALL einen guten Querschnitt ihres bisherigen Schaffens, der jedes der bislang sieben Alben berücksichtigt. Und so soll es ja gerade bei einem Festivalauftritt sein. So gibt es also neue Songs wie 'Hallowed Be My Name' oder 'Any Means Necessary' ebenso zu hören wie mehr oder weniger alte Stücke wie 'Renegade', 'Heeding The Call' oder 'Stronger Than All'.

Nicht nur die Songauswahl sorgt dafür, dass das Publikum begeistert mitgeht, nein, es ist vor allem die Art und Weise, wie diese Songs präsentiert werden. Man kann zu der Musik von HAMMERFALL stehen, wie man will, aber die fünf Schweden bieten definitiv erstklassige Unterhaltung. Und mehr wollen sie wohl auch gar nicht; es geht ihnen lediglich darum, dass die Leute vor der Bühne Spaß haben. Und dieser Spaß kommt an diesem Abend sicherlich nicht zu kurz. Immer wieder sorgt auch Joacim bei seinen kurzweiligen Ansagen für den einen oder anderen Lacher, und auch Oscars Outfit sowie sein Extremposing sind nach wie vor ziemlich amüsant.

Mit 'Riders Of The Storm' verabschieden sich HAMMERFALL nach einer guten Stunde von der Bühne, aber sie kommen wieder, um mit 'Secrets' und 'Let The Hammer Fall' noch zwei Zugaben zu spielen. Doch auch das ist noch nicht das Ende, denn wie (fast) alle übrigen Bands zollen auch HAMMERFALL dem verstorbenen Ronnie James Dio Tribut, indem sie den RAINBOW-Klassiker 'Man On The Silver Mountain' zum Besten geben. Dabei hat sich Joacim gesangliche Unterstützung von seinem Vorgänger Mikael Stanne geholt, der ja im Anschluss noch mit seiner Band DARK TRANQUILLITY in der Halle spielen wird. Den endgültigen Schlusspunkt setzen HAMMERFALL dann - wie üblich - mit 'Hearts On Fire', das nochmals lautstark abgefeiert wird.

Somit kann man zusammenfassend sagen, dass HAMMERFALL dem Headliner-Status vollkommen gerecht geworden sind, und ich würde mich schon sehr wundern, wenn die Schweden nicht schon bald wieder in Balingen auf der Bühne stehen.

Setlist: Punish And Enslave; The Dragon Lies Bleeding; Crimson Thunder; Hallowed Be My Name; Renegade; Last Man Standing; Blood Bound; Heeding The Call; Rebel Inside; Any Means Necessary; Stronger Than All; Riders Of The Storm; Secrets; Let The Hammer Fall; Man On The Silver Mountain; Hearts On Fire
[Martin Schaich]

Eben noch mit seinen ehemaligen Bandkameraden von HAMMERFALL auf der Bühne, liegt es nun an DARK TRANQUILLITYs Mikael Stanne, einem der fraglos charismatischsten Frontmänner der schwedischen Extremszene und seinen Mannen, den Unentwegten beim Nachschlag in der Halle als dortiger Freitagsheadliner nochmals ordentlich einzuheizen, was ihm nach Berichten von Augenzeugen auch gelingt. Wobei das Einheizen in der Halle ja eigentlich nicht unbedingt nötig gewesen sein soll. Egal, wir selbst gestehen es freimütig ein, dass wir an diesem glutheißen Freitag nach dreizehn Stunden im Fotograben und mit dem Notizblock vor der Bühne ein wenig platt waren und DARK TRANQUILLITY deswegen zähneknirschend sausen ließen. Doch wir ließen uns berichten, dass die Melodic-Death-Institution die für diese Uhrzeit noch erstaunlich gut gefüllte Halle mit ihrer durch Videosequenzen illustrierten Show ordentlich aufgemischt und die eine oder andere Mosh-, Surf- und sonstige intensive Bewegungsaktion ausgelöst haben soll. Schade, da wäre ich gerne auch dabei gewesen, doch manchmal muss man halt kapitulieren. Daher fände ich es gut, wenn im nächsten Jahr die eine oder andere richtig harte Band auch wieder auf die Hauptbühne klettern dürfte.
[Rüdiger Stehle]

Redakteur:
Martin Loga

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