[SOON]: Interview mit Eric

11.10.2007 | 19:54

Düster-Rock kann theoretisch toll sein. Warum er es in der Praxis viel zu selten ist, könnte mal in einer Doktorarbeit erörtert werden. Ein Quartett, das im qualitativ finsteren Dunkel-Dickicht das Licht anknipst und zudem Wert darauf legt, als Rockband wahrgenommen zu werden, heißt [SOON], kommt aus Hamburg und hat mit "Without A Trace" kürzlich das zweite sehr gute Album in Folge vorgelegt. Wir sprachen mit Sänger Eric über Gitarrensounds, Fetisch-Specials und nicht zuletzt die aktuelle Platte.


Oliver:
Im direkten Vergleich mit eurem Debüt "End Isolation" klingt "Without A Trace" optimistischer.

Eric:
Ja, würde ich unterschreiben. Ich habe deine Kritik gelesen, und du sprichst da auch noch die unterschiedlichen Arrangements an. Wir haben versucht, gerade tempomäßig ein bisschen mehr zu variieren. Das ist für mich ein ganz zentraler Unterschied. Wir hatten schon etwas länger die Idee, mit Drumloops zu arbeiten. Bei 'Gone' und 'Estrangement' haben wir das jetzt gemacht. Das war auch 'ne Entscheidung unseres Schlagzeugers (7even - Anm. d. Verf.), der so was gerne für das Live-Set haben wollte. Ansonsten haben wir einfach versucht, das Ganze ein bisschen offener und abwechslungsreicher zu gestalten.

Oliver:
Einige "Without A Trace"-Texte wirken auf mich ebenfalls etwas zuversichtlicher.

Eric:
(lacht) Welche meinst du da speziell?

Oliver:
'A Step Forward' und 'High Time' beispielsweise. Die sind positiver als u. a. 'Desperate' oder 'Buried' auf dem Erstling.

Eric:
Das ist ganz witzig. Auf der ersten CD war 'End Isolation' ein Song, in dem es um die Band geht und der unsere Situation vor dem Album beschrieben hat. Inzwischen sind wir als Band einen Schritt weiter, deshalb 'A Step Forward'. Und wir haben auch tatsächlich das Gefühl, einen Schritt weitergekommen zu sein.
Wir haben in aller Regel zuerst die Musik stehen, und ich schreibe dann die Texte und versuche, sie ihr anzupassen. Um Parallelen zu ziehen, würde ich sagen, dass die Stimmung von 'Gone' und 'Desperate' vergleichbar ist. Und 'Gone' hat auch keinen wahnsinnig fröhlichen Text. Der geht schon ein bisschen in die 'Desperate'-Richtung bzw. ist für mein Gefühl sogar noch 'n Tick extremer. Aber grundsätzlich mag es stimmen, dass es ein paar Sachen gibt, die optimistischer sind.

Oliver:
Du schreibst überwiegend über Zwischenmenschliches. Hat sich seit dem Verfassen der "End Isolation"-Lyrics diesbezüglich bei dir was zum Guten entwickelt?

Eric:
(lacht) Es hat sicherlich einiges einen autobiographischen Hintergrund und handelt von vergangenen Erlebnissen. Meine Freundin ist manchmal etwas deprimiert, dass es sich in den Lyrics nur begrenzt niederschlägt, dass ich mich in der Beziehung sehr wohl fühle und zufrieden bin. Aber ich habe wie wahrscheinlich die meisten Menschen beziehungsmäßig durchaus auch ein paar negative Sachen erlebt. Und es sind diese eher dunklen Dinge, über die ich schreibe, wobei ich auch nicht sagen würde, dass all meine zwischenmenschlichen Beziehungen katastrophal verlaufen.
Beim Komponieren läuft auch viel über emotionale Prozesse. Ich gucke, was der Song, die Melodie oder das Arrangement in mir auslösen. Ich empfinde aber weder "End Isolation" noch "Without A Trace" als wahnsinnig düster. Aber das ist subjektiv wahrscheinlich auch sehr unterschiedlich.

Oliver:
Nach 'Timid Child' habt ihr mit 'Nearly Fantasized' diesmal wieder einen Song im Programm, der sehr ruhig ist und ohne Schlagzeug-Begleitung auskommt. Was mögt ihr daran?

Eric:
Für mich ist 'Nearly Fantasized' so 'n Soundtrack-Stück, das man nicht unbedingt auf einer Rock-Platte erwarten würde. Der Reiz liegt darin, die Extreme auszuloten. Bei der Songauswahl haben wir versucht, auf Kontraste zu achten. Wir wollten neben dem Tempo- auch den Dynamik-Aspekt erweitern. Und was das angeht, ist der Kontrast bei 'Nearly Fantasized' und 'My Ideas' (der darauf folgende Track - Anm. d. Verf.) sehr groß. Abgesehen davon finde ich das Ende sehr schön und emotional berührend. Es ist 'ne andere Form von Emotion, als man mit verzerrten Gitarren erreichen kann. Ich will das nicht werten - besser, schlechter, intensiver. Es ist einfach was Anderes. Wie geht's dir? Schätzt du die ruhigen Songs auch, oder findest du, dass sie abfallen?

Oliver:
Nein, sie fallen nicht ab. Wie du bereits gesagt hast, sie sind der Dynamik des Albums förderlich und ein sehr guter Gegenpol zu den rockigen Nummern.

Eric:
Das ist auch unsere Hauptmotivation. Wir hatten mal Angebote, Akustik-Shows zu spielen. Das kann ich mir mit [SOON] allerdings recht schwer vorstellen - genauso wenig, wie noch mehr in Richtung Balladen zu machen. Wir sind 'ne Rockband und wollen es auch bleiben. Mal gucken, ob es auf dem nächsten Album wieder 'ne Ballade geben wird (lacht).

Oliver:
Der "End Isolation"-Opener 'All I Wanted' findet sich als Bonustrack auch auf eurer aktuellen Platte. Warum?

Eric:
Einerseits wollte das Label gerne noch 'n Bonustrack, andererseits ist aus dem Voting auf unserer Internetseite und Mails, die wir auf "End Isolation" bekommen haben, hervorgegangen, dass 'All I Wanted' zu den absoluten Lieblingssongs gehört. Und ich finde, dass "Without A Trace" soundtechnisch ein Fortschritt ist - du hast den Gitarrensound bemängelt (lacht). So hat man den Song noch mal in besserem Sound.

Oliver:
Eventuell liegt es an den offeneren Arrangements der "Without A Trace"-Tracks, dass es auf mich so wirkt, als wären die Klampfen auf "End Isolation" knackiger.

Eric:
(lachend) Unser Gitarrist wollte natürlich das genaue Gegenteil erreichen; Lenny wollte einen knackigeren Gitarrensound. Das ist vielleicht ein bisschen nach hinten losgegangen. Ich habe schon von ein, zwei Leuten gehört, dass sie die Platte als ruhiger empfinden. Überrascht mich ein bisschen. Das Ziel war definitiv nicht, ruhiger oder kommerzieller zu werden. Aber Lenny hat's ja auch gelesen und bastelt schon an einem neuen Gitarrensound (lacht).

Oliver:
Welche Bands beeinflussen oder inspirieren euch? Ich tippe auf KATATONIA.

Eric:
Ich kann's nachvollziehen, wenn du KATATONIA sagst. Ich habe aber ehrlich gesagt keine einzige KATATONIA-CD in meiner Sammlung, dafür alle PARADISE LOST-Alben. Primär würde ich sagen, dass PARADISE LOST ein ganz, ganz wichtiger Einfluss für [SOON] sind.

Oliver:
In den "End Isolation"-Credits dankt ihr u. a. einem Jared "für fantastische Musik", womit schätzungsweise Jared Leto gemeint ist. 30 SECONDS TO MARS höre ich bei euch ebenfalls raus.

Eric:
Ja, die sind sicher auch ein Einfluss für [SOON]. Ich weiß nicht, ob du die anderen Namen auch noch identifizieren konntest: PSYCHOTIC WALTZ und PARADISE LOST. Das sind Bands, die ich nach wie vor ganz großartig und musikalisch herausragend finde.

Oliver:
Wann würde ein Song nicht mehr in den [SOON]-Kontext passen?

Eric:
Wenn ich das Gefühl hätte, er erreicht die Leute nicht emotional oder er erreicht vor allem mich nicht emotional, würde ich sagen, dass es das nicht mehr ist. Da ich zentral am Songwriting beteiligt bin, gibt's immer die Option, zu sagen, ich nehme den Song auf das Album, oder ich nehme ihn nicht. Wir haben unsere Extreme eigentlich auch schon ausgelotet. Wir kommen aus einer deutlich progressiveren Ecke und haben Stücke mit bis zu acht, neun Minuten geschrieben, mit ganz vielen Taktwechseln und solchen Geschichten.

Oliver:
Kannst du damit leben, wenn man euch als Gothic-Rock-Band bezeichnet?

Eric:
(lacht länger) Ja, leben kann ich damit; deswegen habe ich keine schlaflosen Nächte. Aber du hast es ja geschrieben, und ich sehe es auch so, dass Gothic Rock 'ne Schublade ist, in die wir schlecht reinpassen. Gothic Rock wird meiner Ansicht nach durch andere Sachen charakterisiert: Die Songs sind häufig noch viel, viel straighter, und der Gesang ist nach meiner Wahrnehmung auch gänzlich anders. Es ist schwierig, für unsere Art von Musik was zu finden.

Oliver:
Über Äußerlichkeiten definiert ihr euch nicht. Daher dürfte es für euch merkwürdig gewesen sein, das Interview, das ihr dem Gothic-Mag "Sonic Seducer" gegeben habt, zusammen mit einem opulenten Fetisch-Special in der September-Ausgabe abgedruckt zu sehen. Der Kontrast ist nicht übel.

Eric:
Definitiv! Es ist ja so, dass diese Szene ganz viel aufsaugt - von extremen Prügel-Bands, bei denen du dich fragst, was die mit der Gothic-Szene zu tun haben, bis zu Elektro-Pop und fast technoiden Sachen findest du alles. Ich will nicht sagen, dass sie wahnsinnig offen ist; das trifft's vielleicht nicht. Aber sobald du in schwarzen Klamotten auf die Bühne gehst, was wir immer tun, oder einen gewissen Touch Melancholie hast, sind diese Magazine da. Die haben [SOON] mit offenen Armen empfangen; das muss man sagen. Und da es für uns eh momentan nicht einfach ist, Presse-Aufmerksamkeit zu kriegen, haben wir uns natürlich gefreut, dass die ein Interview gemacht haben. Im "Zillo" gab's übrigens auch eins. Aber du hast sicher Recht: Mit 'nem Fetisch-Special haben [SOON] nicht so wahnsinnig viel am Hut. Ich glaube, in diese Richtung hat auch privat keiner von uns irgendwelche Ambitionen (lacht).

Oliver:
Ihr peitscht euch abends nicht gegenseitig aus?

Eric:
Eher selten (lacht).

Oliver:
Mittlerweile feilt jedes Kind an 'ner eigenen MySpace-Seite rum, ihr jedoch nicht.

Eric:
Ich find's bei MySpace schade, dass viel vereinheitlicht wird. Der Raum zur Entfaltung ist doch sehr, sehr überschaubar. Es fragen uns aber ständig Leute danach, insofern ist das 'ne Sache, die wir über kurz oder lang machen müssen. Es hat auch keinen tieferen Sinn, dass wir keine MySpace-Seite haben. Wir fanden's erst mal wichtiger, dass unsere Seite ein bisschen umgestaltet wird. Und ich gucke mir auch lieber klassische Homepages an.

Oliver:
An der Live-Front wart ihr bisher schon recht aktiv und habt viele Einzel-Gigs gespielt. Der nächste Schritt wäre ein Support-Slot auf 'ner kleinen Tour.

Eric:
Im November gibt's 'ne XANDRIA-Minitour, und da sind wir als Support im Gespräch. LACRIMAS PROFUNDERE sind auch noch dabei, glaube ich. Das sind zwar nur fünf Dates oder so, aber ich hoffe, dass das klappt. Aber du kennst das Business ja, das ist alles auch 'ne Frage des Geldes.

Redakteur:
Oliver Schneider

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