WALDGEFLÜSTER: Ein Interview mit Winterherz

27.02.2014 | 20:43

Seit dem Konzeptalbum "Femundsmarka" sind ganze drei Jahre ins Land gezogen, doch nun kehrt WALDEGFLÜSTER stärker denn je wieder zurück. Was "Meine Fesseln" ausmacht und ob die Band immer noch als "Ein-Mann-Projekt" bezeichnet werden kann, hat uns Bandchef Winterherz erklärt.

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu "Meine Fesseln"! Wie fühlt es sich für dich an, ein neues Album wieder heraus zu bringen? Verspürt man noch eine Art Aufregung, wie zu Beginn der Karriere oder ist es für dich schon etwas selbstverständliches?

Danke! Natürlich bin ich sehr aufgeregt. Gerade, weil der Zuspruch bis jetzt positiv ausfällt. Ich hoffe, dass ich diese Aufregung auch nie verliere. Ich denke, das ist das Zeichen aufzuhören, da es mir gleichgültig geworden wäre. Immerhin präsentiere ich auf meinen Alben mein Innerstes auf dem Silbertablett, etwas Nervosität ist da angebracht. Kurz nach Abgabe der endgültigen Dateien sah das etwas anders aus: Nach einer kurzzeitigen Euphorie folgte erst Mal eine stille Leere - immerhin hatte ich gerade die Arbeit von drei Jahren aus der Hand gegeben und konnte ab dem Zeitpunkt nur noch abwarten. Es war komisch diese Lebensabschnittsaufgabe auf einmal nicht mehr bearbeiten zu können und nur noch Däumchen zu drehen.

Bist du zufrieden mit der Art und Weise, wie es nun geworden ist?  Wie fielen Resonanzen seitens Presse, Fans, Familie und Freunde denn bisher aus?

Ich bin sehr zufrieden und nebenbei bemerkt auch stolz darauf. Als Album ist "Meine Fesseln" genauso geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte. Selbst mit dem Sound bin ich relativ glücklich. Wobei ich bei diesem auch schon wieder Verbesserungspotential entdecke. Die Reaktionen bis jetzt sind überwältigend, ich habe nur Lob und Positives zu hören bekommen. Und das nicht nur von Freunden und Presse, sondern auch von Musikerkollegen, die ich sehr schätze. Das ist eine große Auszeichnung für mich und bedeutet mir sehr viel. Und das meine Musik auf Decibel und Terrorizer gestreamed wurde, war ebenfalls ein Highlight.

Kannst du mir etwas über die Entstehung und dem Arbeitsprozess bis zur finalen Pressung erzählen?

Die ersten Demos für dieses Album entstanden schon 2009, kurz vor der Veröffentlichung von "Herbstklagen". Nach drei Stücken musste ich erst Mal eine Pause einlegen, um mit meinem Bruder "Femundsmarka" realisieren zu können. Dadurch wurden die Arbeiten an "Meine Fesseln" für ca zwei Jahre unterbrochen. 2012 hatte ich endlich wieder genügend Muße gefunden, um weiter zu arbeiten und die letzten Songs zu schreiben. Ende 2012 konnte ich endlich mit den Aufnahmen beginnen. Diese erstreckten sich bis in den Herbst 2013 und waren diesmal sehr anstrengend, da ich den größten Teil alleine im Kämmerchen verbrachte. Im Juli nahm Tobi das Schlagzeug unter der Regie von Domi im Proberraum von "Fuck You And Die" auf. Diese drei Tage waren für mich ein Highlight des Aufnahmeprozesses, nicht nur aus musikalischer, sondern auch menschlicher Sicht. Alles in allem war es diesmal ein sehr langwieriger Prozess, der mich sehr viel Kraft und Herzblut gekostet hat, aber ich denke die harte Arbeit hat sich schlussendlich gelohnt.

"Femundsmarka" wurde von deinem Trekking-Urlaub in Norwegen stark geprägt, gibt es für "Meine Fesseln" auch eine Geschichte dahinter bzw. eine Quelle der Inspiration?

Nein, diesmal ist es kein Konzeptalbum geworden. Jeder Song hat seine eigene Geschichte, seine eigene Quelle der Inspiration. Grundsätzlich geht es auf dem Album wie immer um meine eigene Sicht der Welt, um meine Gedanken und Gefühle, die ich auf diesem Weg verarbeite. Als Inspiration dienten die Natur, wie zum Beispiel in 'Karhunkierros' oder bestimmte Ereignisse in meinem Leben, wie in 'Wie eine Weide im Wind'.

Bisher hat man nur Fotografien für die Albencover verwendet, weshalb hast du dich für eine Zeichnung entschieden und warum dieses Motiv?

Es war Zeit etwas neues zu versuchen. Nach drei Releases mit Naturfotografien wollte ich einfach etwas anderes machen. Das heißt nicht, dass es in Zukunft nicht wieder Naturfotografien geben wird. Diesmal hätte ich aber auch nicht gewusst, was für ein Foto ich hätte verwenden sollen. Bei den letzten Veröffentlichungen hatten die Bilder ja immer einen sehr engen Bezug zum Album und dem Titel, zumindest in der Stimmung und im Ausdruck. Für "Meine Fesseln" habe ich kein reales Motiv gesehen, welches die selbe Verbindung ebenso hätte herstellen können, wie das endgültige Cover. Die Malerin des Covers und aller anderer Bilder - Sarah - und ich haben sehr eng zusammen gearbeitet um die, zumindest in meinen Augen, perfekten Illustrationen zur Musik zu schaffen. Das Titelbild lässt dabei viele Interpretationen über die genaue Form meiner Fesseln zu. Obwohl ich mit dem Albumtitel eine ganz konkrete Idee ausdrücken wollte, gefällt es mir, dass Titel und Motiv viele verschiedene Wirkungen vermitteln können.

'Mit welchen Fesseln' ist musikalisch gesehen die große Ausnahme auf der Platte. Ich habe gelesen, dass du auch einen besonderen Bezug zu ihm hast.Würdest du ihn als dein Lieblingssong bezeichnen? Falls dem so sein sollte, warum?

Im Augenblick ja. Das hat mehrere Gründe. Der Banalste ist: 'Mit welchen Fesseln' ist das letzte Stück, welches ich geschrieben hatte, und somit am frischesten und unverbrauchsten für mich. Das können die geneigten Hörer vielleicht nicht nachvollziehen, aber zum Beispiel 'Der Nebel' kenne ich - bis auf ein paar Änderungen - nun schon seit ca. vier bis fünf Jahren. Da kann ein Stück schon den Reiz des Neuen verlieren. Der zweite Grund ist, dass ich mich in 'Mit welchen Fesseln' zum ersten Mal an die Verbindung von Black Metal mit elektronischen Elementen herangewagt habe. Damit habe ich sicher nicht das Rad neu erfunden, aber ich denke alltäglich ist das nicht. Das war eine sehr spannende Erfahrung für mich. Schlussendlich behandelt der Text ein für mich immer noch sehr aktuelles Thema mit der Frage, wie sich Alltag und Kunst vereinbaren lassen und wie man denn weitermachen soll, wenn man das Gefühl hat sich zu verlieren.

Wenn ich die vorherigen Alben mit "Meine Fesseln" vergleiche, habe ich den Eindruck, dass du dich mittlerweile mehr auf die Melodien fokussiert hast. Nicht nur der Anteil an Klargesang hat zugenommen, sondern auch viele instrumentale Stücke sind hinzugekommen. Wie siehst du diese Entwicklung?

Dem kann ich nur zustimmen. Ich habe mich in den letzten Jahren immer mehr mit Folk Musik und anderen Richtungen, in dem Klargesang eingesetzt wird, beschäftigt und diese Leidenschaft für das normale Singen, die zwar immer da war,  jedoch eine Zeit lang geschlummert hat, wieder neu entdeckt. Das will ich auch in Zukunft weiterhin betreiben. Ich finde die Mischung und den Gegensatz zwischen Klargesang und Schreien spannend. Allerdings muss sich erst zeigen, wie ich das Ganze live realisieren kann. Ich habe zwar auf der Scheibe kein Autotune oder ähnliches eingesetzt, trotzdem ist es was anderes diese Gesangsparts mit ausgeruhter Stimme so lange machen zu können, wie es dauert im Vergleich zu Konzerten in schlechter Luft. Auf der anderen Seite schaffen das andere ja auch. Vielleicht muss ich doch einmal mit diesem Einsingen anfangen...

WALDGEFLÜSTER ist bekannt als Ein-Mann-Projekt. Könntest du dir vorstellen eine richtige Band daraus zu machen oder ist es dir wichtig alle Fäden zu ziehen?

Mir fällt es schwer die kreative Hoheit aus der Hand zu geben. Und fast noch schwerer fällt es mir nicht in dem mir selbst gesetzten Tempo zu arbeiten, sondern von den Zeitplänen anderer abhängig zu sein. Das habe ich bei den Arbeiten zu "Femundsmarka" gelernt. Manchmal wäre es aber auch schön, nicht alleine für alles verantwortlich zu sein.

Bist du durch die stetige Suche nach Aushilfsmusikern hinsichtlich Konzerte eingeschränkt?

So stetig auf der Suche bin ich gar nicht. Ich habe meine eingefleischte Truppe, die mich inzwischen schon seit Jahren unterstützen und ganz ehrlich sind diese Jungs mehr als Aushilfsmusiker. Für mich sind sie nicht nur Freunde, sondern eigentlich auch "die Band". Wir sind ein eingespieltes Team und die Auftritte mit ihnen sind immer eine Freude. Zusätzlich habe ich aber noch ein paar andere Freunde, die einspringen würden, sollte mal Not am Mann sein. Bis jetzt haben wir es eigentlich in 95% der Fälle geregelt bekommen, nur ein bis zwei Mal konnten wir Auftritte nicht wahrnehmen. Da waren die Umstände aber meistens so widrig, dass es auch mit einer "echten" Band nicht möglich gewesen wäre.

Durch die Nutzung von deutschen Texten ist es schwer ein internationales Publikum zu erreichen. Was bedeutet dir kommerzieller Erfolg?

Ich denke, Worte wie "kommerzieller Erfolg" sind bei mir unangebracht. Zum Einen ist es mir unwichtig ob, bzw. wie viel Geld ich mit der Musik verdienen könnte. Zum Anderen stecke ich alle Beträge, die wieder reinkommen, sowieso wieder in die Musik. Ich bin froh, wenn sich meine Kosten wieder reinspielen. Wenn noch ein bisschen was hängen bleibt, sage ich Danke, dann kann ich das nächste Mal die Drums nicht im Proberaum, sondern in einem Studio aufnehmen. Natürlich wäre es ein Traum rein von der Musik leben zu können, aber seien wir mal ehrlich: Dieser Zug ist schon lange abgefahren, aber deshalb bin ich auch freier in meinen kreativen Entscheidungen und kann Musik machen, weil sie von Herzen kommt und ich es möchte, nicht weil ich muss. Das ist wichtiger als kommerzieller Erfolg.

Finale Frage: Gibt es schon konkrete Pläne wie es mit der Band weiter gehen wird oder was man in Zukunft noch erwarten kann?

Konkrete Pläne nicht, nein. Ich hoffe dieses Jahr ein paar gute Auftritte spielen zu können, um die neuen Songs auch live zu präsentieren. Irgendwann werde ich dann auch mal wieder anfangen an neuem Material zu arbeiten, aber ich mache mir da jetzt keinen Druck. Das Konkreteste ist wahrscheinlich die Split mit PANOPTICON, die schon seit geraumer Zeit im Raum steht. Hier weiß ich aber auch noch nicht wie der Zeitplan aussehen wird, weswegen ich da keine Versprechungen machen möchte.

Redakteur:
Hang Mai Le

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