THRESHOLD: Interview mit Richard West

17.11.2022 | 12:20

Ein neues Album von THRESHOLD steht an und damit natürlich auch ein Gespräch mit Richard West, Keyboarder und Hauptsongwriter der Band.

Es ist schon ein großes Hallo beim Zoom-Meeting, ist es doch bereits das fünfte Mal in den letzten zehn Jahren, dass wir miteinander über THRESHOLD sprechen. Richard [unten im Bild ganz rechts - PK] ist ein englischer Gentleman, der immer ein leicht spitzbübiges Lächeln auf den Lippen hat. Gute Voraussetzungen also, um das Interview mit einer schlechten Nachricht zu beginnen. "Oh, jetzt bin ich neugierig", lacht Richard. Die Beichte, dass der Song 'Lost Along The Way' es eher auf meine Bottom-List als auf meine Top-List an THRESHOLD-Songs schafft, weil er in meinen Ohren einfach nicht nach THRESHOLD klingt, wird dann aber mit einer beinahe anerkennenden Geste aufgenommen. "Ich habe gerade heute Vormittag ein Review bekommen, in dem der Autor meinte, dass 'Lost Along The Way' sein Lieblingssong auf dem Album sei und ich war darüber tatsächlich überraschter als über deine Beichte. Der Song hat natürlich einen ziemlich GENESIS-Vibe und klingt tatsächlich nicht so sehr wie ein THRESHOLD-Song und das sollte er auch ursprünglich gar nicht sein. Eigentlich sollte dies der Titelsong für ein Solo-Projekt, an dem ich gerade arbeite, werden. Das wird eine Kompilation aus Songs, die ich in den Jahren geschrieben habe und die weder zu THRESHOLD noch zu LEAGUE OF LIGHTS [die Band mit seiner Frau Farrah - PK] passen. Dann hat aber Karl ihn gehört und hat ihn geliebt und wollte ihn unbedingt auf dem Album haben. Das verbindet den Song mit 'Keep My Head' vom "Hypothetical"-Album", da war es sehr ähnlich und ich finde auch, dass er nicht so wirklich nach THRESHOLD klingt." Auf meinen Einwurf, dass auch dieser Song auf meiner Bottom-List steht, antwortet Richard lachend: "Na, dann haben wir da ja ein Muster."

threshold band

Kommen wir vom Tal also zum Höhepunkt des Albums, der auf den Namen 'Run' hört und wie die brillante Fortsetzung vom "Psychedelicatessen"-Track 'Innocent' klingt, den damals Glynn Morgan geschrieben hat. Meine Einschätzung, dass dies sicher hier auch der Fall war, bestätigt Richard: "Ja, das hast du gut erkannt. Glynn hat drei Songs auf dem Album geschrieben und 'Run' ist einer davon. Auch, dass er wie die Fortsetzung von 'Innocent' klingt, ist eine korrekte Einschätzung. Es ist schon witzig, denn Glynn war ja über 20 Jahre nicht mehr in der Band und als er zu "Legends Of The Shires" wieder zu uns gestoßen ist, war das Album ja schon fertig geschrieben und er hat es lediglich eingesungen. Aber er weiß ganz genau, wie ein THRESHOLD-Song zu klingen hat. Er hat das damals auf "Psychedelicatessen" bewiesen und auch dieses Mal haben uns seine Songs umgehauen. Auch die Sachen mit MINDFEED in den Neunzigern waren ja super. Er ist einfach ein toller Songschreiber. Ich finde, dadurch, dass wir ihn jetzt als Songwriter mit an Bord haben, gewinnt "Dividing Lines" auch noch einmal an Abwechslung, weil nicht nur Karl [Groom, der Gitarrist - PK] und ich die Songs schreiben." Ein absolut korrektes Statement, zumal man durchaus auch heraushören kann, welche Songs Glynn geschrieben hat. Meine Einschätzung, dass es sich dabei noch um 'Let It Burn' und 'King Of Nothing' handelt, kann Richard einmal mehr bestätigen. "Du kennst uns einfach gut, das merkt man. Ich finde, bei 'Let It Burn' merkt man es noch ziemlich deutlich, denn vor allem den Chor am Anfang und Ende hätte ich so wohl nicht gemacht. Live dürfte das aber ganz fantastisch werden. Dass du auch 'King Of Nothing' als Glynn-Song erkennst, ist ein bisschen überraschender. Er ist etwas härter als unser sonstiges Material, aber durchaus klassisch THRESHOLD. Uns war zumindest sofort klar, dass wir ihn als Single veröffentlichen würden. Ein wirklich toller Song." Stimmt.

Ein weiterer Höhepunkt ist 'The Domino Effect', das mit seinen etwas über elf Minuten auch das längste Stück ist. Dabei hat es eine Weile gedauert, bis ich überhaupt mitbekommen habe, dass es sich hier um einen langen Song handelt. "Ja, das soll so sein, ist es doch eine dreiteilige Suite. Ich hatte erst überlegt den Song 'The Domino Effect, Part I - III' zu nennen, aber das hätte es ja gleich verraten, also habe ich es weggelassen, denn die Fans sollen das selbst herausbekommen, so wie du es gemacht hast", lächelt Richard. Es ist auffällig, dass die Longtracks von THRESHOLD immer zwischen etwas über zehn Minuten und etwas unter zwölf Minuten lang sind. Einzig 'Critical Mass' vom gleichnamigen Album ist mit etwas über 13 Minuten eine Ausnahme. Länger wird es aber nie. "Ja, das stimmt, ist aber keine bewusste Entscheidung von mir. Es ist eher so, dass ich finde, dass ein Song sein Ende selbst finden muss und ich bin manchmal selbst erstaunt, dass es immer so um die zehn Minuten dauert. Ich mag es halt auch nicht, die Songs dann noch weiter auszudehnen, nur damit wir bei 15, 20 oder 30 Minuten landen. Es ist nur manchmal so, dass ich eben eine gewisse Menge an Ideen für einen Song habe und dann wird er halt um die zehn Minuten lang, um sie alle unterzubekommen." Wahrscheinlich liegt es an dieser Herangehensweise, dass sich die Songs nie so lang anfühlen und es sich immer natürlich anfühlt, wie der Song zu Ende geht. "Ja, das denke ich schon. Ich möchte weder, dass ein Song getrieben wirkt, weil er kürzer ist als er sein müsste, noch, dass er zu ausgewalzt wird, denn dann wird es eben doch mal langweilig."

threshold dividing lines cover

Auch 'Complex' darf zu den Glanzlichtern des Albums gezählt werden. Nicht nur musikalisch, sondern auch lyrisch, wobei er in sehr merkwürdigen Zeiten vielen aus der Seele sprechen dürfte. "Ja, es wird einfach immer schwieriger, sich richtig zu informieren und so etwas wie eine Wahrheit zu finden. Es wird immer mehr schwarz-weiß gemalt und auch echte Diskussionen mit anderen Meinungen werden immer schwieriger. Diese Diskussionskultur ist sicher eine sehr negative Begleiterscheinung der sozialen Medien. Bei so etwas wie CoVid kam dann noch dazu, dass sich die "Wahrheit" ständig verändert hat, weil alles neu war und noch erforscht wurde und es neue und wieder neue Erkenntnisse gab. Auch das ist eine Komplexität, die wir so bisher nicht kannten."

Mit dem Brexit kommt für britische Bands jetzt noch eine Komplexität hinzu, weil für sie fast alles teurer wird. Das wird sich auch auf die kommende Tour auswirken. "Ja, der Brexit hilft in der Hinsicht wirklich nicht. Schon wegen der Inflation und der Energiekrise werden Tourneen immer teurer, denn ein Nightliner kostet jetzt auf einmal das Doppelte, auch die sonstige Crew wird teurer, die Locations, eigentlich alles. Und als Briten zahlen wir dann bei einigen Sachen noch einmal oben drauf. All diese Kosten über die Ticketpreise an die Fans weiterzugeben, geht aber natürlich auch nicht. Bisher haben wir auf Tour auch immer in Städten halt gemacht, wo es sich eigentlich kaum für uns gelohnt hat, wir aber auch in der Gegend mal spielen wollten. So etwas werden wir uns diesmal nicht leisten können, denn jetzt würden wir bei so einem Gig dann drauf zahlen und das geht leider nicht. Von daher wird die Tour wohl etwas kürzer als beim letzten Mal und wir spielen nur Klubs, wo wir uns sehr sicher sind, dass wir auf eine anständige Zuschauerzahl kommen. Geplant ist der April/Mai, was zumindest das CoVid-Risiko etwas minimieren wird, aber es gibt noch einige Sachen zu klären, bis wir finale Daten herausgeben können." Wir sind gespannt.

richard west maybe a writerWeil zudem auch Weihnachten vor der Tür steht, hat Richard sogar einen Geschenktipp für uns. "Ja, am 8. Dezember erscheint meine Autobiographie und es hat wirklich viel Spaß gemacht sie zu schreiben. Sie heißt "Maybe a Writer - My life with THRESHOLD" und da wird man viele Geschichten entdecken können. Man wird das Buch auch über Amazon bestellen können, so dass ihr in Deutschland nicht extra Zoll und Gebühren bezahlen müsst. Das Buch ist sogar schon gelistet und sollte zur Veröffentlichung dann auch verfügbar sein." Mein Wunschzettel ist schon ausgefüllt.

Auch für das nächste Jahr kann man sich schon ein paar Notizen machen, denn mit "Wounded Land", "Extinct Instinct" und "Clone" werden drei der ersten vier Alben von THRESHOLD neu aufgelegt. "Ja, es gab zwar vor zehn Jahren schon einmal die "Definitive Editions", aber wir haben uns entschieden hier noch einmal einen kompletten Remix und Remaster zu machen. Wir haben das ja vor langer Zeit schon einmal für "Psychedelicatessen" gemacht und da hat das schon einen wirklichen Unterschied gemacht. Gerade bei "Wounded Land", das noch auf einem 8-Spur-Tape aufgenommen wurde und auch bei "Extinct Instinct" denke ich schon, dass wir da noch einiges herausholen können. Mit "Clone" waren wir damals zufrieden und ich denke, hier wird der Unterschied auch nicht so groß ausfallen. Dafür gibt es da eine Bonusdisk mit einem bisher unveröffentlichten Konzert aus London. Ich denke, das wird sich für alle Fans lohnen."

Redakteur:
Peter Kubaschk

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