THERION: Interview mit Christofer Johnsson

31.07.2007 | 21:35

Mit dem Doppelwerk "Lemuria/Sirius B" brachten THERION eine CD auf den Markt, die für mich persönlich ein absolutes Meisterwerk war. So verwundert es dann auch nicht, dass ich mir mit der Veröffentlichung von "Gothic Kabbala" auch endlich die Möglichkeit schnappen konnte, mit dem Meister Christofer Johnsson ein kleines Gespräch über Konzerte, Bureus und Oboe zu führen.


Lars:
Hi Christofer, mit eurem letzten Doppelalbum "Lemuria/Sirius B" konntet ihr ja wirklich den letzten Metaller auf euer Tun aufmerksam machen, und habt damit auch beachtliche Erfolge eingefahren. Glaubst du, dass du das Ganze mit "Gothic Kabbalah" überbieten kannst?

Christofer:
Das weiß ich nicht, das merkt man immer erst nachdem es vorbei ist. Das Album könnte gut sein, könnte aber auch schlecht sein. Die Verkaufszahlen dürften so um die 75.000 sein. Ich hoffe schon, dass wir das überbieten. Ich mach mir da keine Sorgen, ich denke, das wird schon. Wenn man eine neue CD macht, dann mag man die eh immer mehr als die letzte. Nachher lässt sich immer besser darüber reden.

Lars:
Und glaubst du, "Lemuria/Sirius B" kompositorisch in den Schatten stellen zu können?

Christofer:
Nun, wenn es schlechter wäre, würden wir es nicht veröffentlichen. Das ist unser Motto. Jede CD muss besser sein als das letzte. Ansonsten würden wir unsere Arbeit falsch machen.

Lars:
Was einem hierzulande bei der Tracklist natürlich sofort ins Auge fällt, ist der Track 'Mitternachtslöwe'. Worum genau geht es in diesem Song, und warum der deutsche Titel?

Christofer:
Es geht um eine Prophezeiung von Bureus, der sehr von dieser Prophezeiung beeinflusst war. Und die war im Original in Schwedisch, und normalerweise macht man so was im Song dann auf englisch, aber das klang irgendwie nicht gut, also haben wir ein paar Zeilen in Deutsch gemacht.

Lars:
Besonders viel gab's im Vorfeld über den Titel des Albums zu spekulieren, vor allem das signifikante Wort "Gothic" fing vielen an, sauer aufzustoßen. Was also genau bedeutet dieses "Gothic Kabbala"?

Christofer:
Der Titel ist so nicht richtig. Es geht eigentlich gar nicht um eine Gothic Kabbala, sondern um eine gotische Kabbala. In Deutsch kann man das übersetzen, aber in Englisch geht das nicht, da die kein Wort für Gotisch haben. Also muss man Gothic nehmen, da Gothic und Gotisch denselben Ursprung haben. Auf der anderen Seite ist es ein schön kontroverser Titel, auf der einen Seite die Undergroundkultur Gothic und auf der andern Seite dieses populäre Kabbala, der sogar Madonna angehört. Das gibt für viele Menschen einen Grund, darüber zu reden, und das ist auch was. In Wirklichkeit geht es zwar nicht darum, aber es ist interessant. Bureus hatte damals die sehr populäre Kabbala mit den Runen verbunden, in dem Zusammenhang nicht die Lehre über die Runen, sondern wie man Runen nutzt, und diese Verbindung funktioniert super. Bureus war einer der wichtigsten Vertreter in der Lehre über die Runennutzung, außerdem ist er der Vater der modernen Schwedischen Grammatik.

Lars:
Bureus scheint für dieses Album ziemlich bedeutend zu sein. Kann es sein, dass es sich um ein Konzeptalbum handelt?

Christofer:
Ja, es geht um seine Lehren, sein Leben und wie alles zu den Runen kam. Bureus ist so berühmt, er sprach sieben Sprachen, Latein, Deutsch, Chinesisch, Griechisch, und er war der erste Mensch, der ein Runenbuch schrieb, in der die Runen erklärt werden. Vorher wussten die Leute nicht, was die ganzen Runen bedeuteten, und er war der erste schwedische Hofarchivar. Dazu war er auch noch der Mentor und Lehrer des größten schwedischen Königs, Gustaf dem Zweiten, als Schweden noch sehr mächtig war. Damit war er Historiker, Sprachforscher, und jeder kannte ihn, aber er selber, als er starb, war von all seinen Taten am meisten auf die "Gothic Kabbala" stolz. Wenn irgendjemand anderes die Runen übersetzt hätte, würde man ihn heute nicht mehr kennen, aber dadurch dass es Bureus war, einer der intelligentesten Menschen in der Geschichte, kann man sich noch heute daran erinnern, was sehr interessant ist. Unser Textschreiber, Thomas Karlsson, ist einer der größten Bekanntheiten in der Bureus-Forschung, er hat sogar ein Buch auf Schwedisch über ihn verfasst, das auch bald auf Deutsch, Italienisch und Englisch übersetzt wird. Und deswegen ist es auch ein sehr interessantes Thema für ein Album, weil man sich mit so vielen Aspekten beschäftigen kann. Ich hatte auch die Möglichkeit mit Thomas in die Akademische Universität von Uppsala zu gehen, wofür man eine besondere Erlaubnis brauchte, und hab mir ein 400 Jahre altes Schriftstück von Bureus angeschaut, das er damals in Schwedisch verfasst hat, was sehr selten ist, da damals die meisten Sachen in Latein verfasst wurden. Das war damals eine ziemlichre Revolution, als ob man heute ein wichtiges Buch nicht in Englisch schreiben würde. Und man kann es heute noch verstehen, ganz anders als die alten Wikingergeschichten. Eben weil er die moderne schwedische Grammatik erfunden hat.

Lars:
Hast du auf dem Album irgendeinen Song, der dir besonders am Herzen liegt?

Christofer:
Ich habe schon immer die langen Songs geliebt, die sich mit der Zeit entwickeln, wo du beim Komponieren noch nicht weißt, in welchem Stil der Song sein wird. Songs mit verschiedenen Elementen, die dich auf eine musikalische Reise bringen können. Somit würde ich sagen, dass mir Sachen wie 'Adulruna Rediviva' sehr gefallen.

Lars:
Du hattest vor einiger Zeit ein großes Konzert in Rumänien mit einem Orchester als Begleitung. Wie war dieses Konzert für dich?

Christofer:
Für mich war das der Höhepunkt meiner künstlerischen Karriere, mit großem Orchester und Chor zu spielen und auch klassische Sachen wie etwa Richard Wagner, Mozart und Svensson zu spielen, alles Komponisten die mich beeinflusst haben, Wagner natürlich am meisten. Es gab auch viele Schwierigkeiten. Bei der ersten Probe mit dem Orchester machten wir keine Musik, sondern irgendetwas anderes. Totales Chaos. Es hat Tage gedauert, bis daraus eine Show wurde. Deswegen haben wir auch nie eine Orchestertour gemacht, obwohl es schon viele Angebote gab, vor allem aus Südamerika. Meistens hatten die Leute das Geld oder die Möglichkeiten, aber nie beides. In Südamerika ist die Möglichkeit für ein großes klassisches Konzert auf jeden Fall gegeben. Aber Mexiko zum Beispiel, ich meine, du gehst da gern für ein Urlaub hin, trinkst Tequila oder so, und für einen Vegetarier wie mich ist auch das Essen dort großartig, Tacos zum Beispiel. Aber du möchtest nicht, dass dir dort irgendwo eine Autopanne passiert und du zu einem Mechaniker musst. Natürlich hast du als Musiker kein Problem, wenn du mal nicht in einem Fünf-Sterne-Hotel übernachtest, und die Crew ist mit technischen Problemen bisher auch immer gut fertig geworden, aber wenn du ein klassisches Konzert da drüben aufführen möchtest, wird das zu einem totalen Alptraum. In Rumänien haben wir aber gemerkt, die können das. Nachdem wir 2005 die am besten organisierte Show in der THERION-History gespielt haben war uns klar, die können das. Und die hatten auch die Möglichkeit. In Deutschland wäre jetzt zwar die Möglichkeit auch da, ich meine, was Organisatorisches betrifft, seid ihr wirklich großartig, aber dort sind wir einfach zu klein. Ich meine, eine Show verschlingt schon um die 100.000 Euro, und wenn dann nur 3000 Leute kommen, ist das dann auch nicht grad das Beste. Somit hatten wir mit Rumänien wirklich eine tolle Wahl getroffen. Außerdem war es ja auch noch eine Benefizveranstaltung für krebskranke Kinder. Somit fühlte sich das Ganze auch noch gut an. Und es gab dadurch auch Sponsoren, die das Geld im Voraus zahlen konnten. Dieser eine Abend allein kostete 110.000 Euro, und das in Rumänien. Viele wollten so was nicht bezahlen. Zumindest hatten wir einen deutschen Dirigenten. Wir hatten wohl ein einmaliges Erlebnis und ich bin sehr zufrieden mit der Band.

Lars:
Wenn sich die Gelegenheit bieten würde, würdest du dieses Ereignis noch mal wiederholen, für eine DVD zum Beispiel oder auf einem Festival?

Christofer:
Ich würde das sehr gern noch mal machen. Aber wie gesagt, der Kostenpunkt ist halt ein ziemlich großer. Wenn wir das machen, dann auf jeden Fall einer Stufe höher. Wir kennen jetzt die Fehler, werden versuchen die beim nächsten Mal auszumerzen und das Ganze auf einer höheren Stufe darzustellen. Aber wir brauchen dafür auch einen Promoter, der uns das Ganze anbietet. Auf einem Festival würde ich das Ganze auf jeden Fall nie machen. Es dauert so lange, das Ganze vorzubereiten, dass wir eine ganze Stage für einen Tag in Beschlag nehmen müssten. Und das wäre für mich einfach zu viel Chaos. Es kommen meist Leute von so vielen Orten, und vor denen möchtest du keine schlechte Show abliefern. Dazu kommt noch, das wir da zusätzlich eine Gage für uns verlangen würden, auf dem Benefizkonzert haben wir natürlich gagenfrei gespielt, aber auf einem kommerziellen Festival müssten wir schon was verlangen.

Lars:
In der ganzen 19-jährigen Bandkarriere, gab es da irgendeinen besonders grauenhaften Moment?

Christofer:
Das müsste mein Gesang auf dem zweiten Demo sein. Absolut grauenhaft. Wir hatten überhaupt kein Geld, um das Ganze mehrmals aufzunehmen, und ich hatte furchtbare Kopfschmerzen. Und alles musste in einem Tag rein, also musste alles mit Kopfschmerzen rein.

Lars:
Da du dich auch sehr mit Mythologie und dem Phantastischen auseinander setzt, gibt es irgendetwas, das dich besonders fasziniert?

Christofer:
Da hab ich nichts besonders. Ich bin sehr breit gefächert, was das betrifft, und da wechselt das von Tag zu Tag. Ich könnte da keines herausheben.

Lars:
Neben der eindeutigen Beeinflussung von Wagner, was gibt es noch, das den Sound von THERION beeinflusst?

Christofer:
Hauptsächlich der 70er Sound, vor allem URIAH HEEP. Das hat mir viel gegeben, die künstlerische Vielfalt und die Gitarrenmelodien von URIAH HEEP. Und natürlich Heavy Metal à la ACCEPT und IRON MAIDEN. Und natürlich auch ein bisschen die alten MANOWAR. Man hört das auch raus, da zum Beispiel Kristian großer Fan der genannten Bands ist. Okay, jetzt vielleicht nicht MANOWAR, aber die anderen auf jeden Fall. Es ist halt vor allem die Musik, mit der wir aufgewachsen sind, die immer ein bisschen in unseren Köpfen rumschwebt und uns beeinflusst. Natürlich nur die Rock-Musik.

Lars:
Was immer wieder bei THERION auffällt, ist die große Anzahl an Musikinstrumenten. Gibt es ein Instrument, das du besonders bevorzugst?

Christofer:
Die Oboe ist ein wunderbares Instrument. Es gibt wenige Instrumente, die so vollkommen sind. Vorausgesetzt, man beherrscht die entsprechende Atemtechnik, das Zirkularatmen, bei der die Luft aus dem Mundraum herausgedrückt wird, während durch die Nase eingeatmet wird. So ähnlich etwa wie beim Didgeridoo. Sobald man das gemeistert hat, ist die Oboe ein wirklich geniales Instrument. Und man kann alle Noten darauf spielen. Etwas wie "oh, das ist schwer zu spielen" gibt es da einfach nicht. Wunderbar flexibel. Auch das Horn ist einfach großartig. Eigentlich bevorzuge ich ja den Sound der Wagner Tuba mehr, es klingt einfach brutaler. Aber die ist schwer zu spielen. Ich meine, als ich mit professionellen Hornbläsern arbeitete, haben die das Ganze gleich beim ersten Mal perfekt gespielt. Für die Tuba braucht es aber einfach mehr Aufnahmen, auch weil es so selten genutzt wird. Wenn ich jemand finde, der die Tuba wirklich perfekt spielt, dann würde es vielleicht eines meiner Lieblingsinstrumente, so allerdings ist es für mich immer noch das Horn. Wenn jemand da ziemlich gut drin ist, dann hat es auch eine enorme Bandbreite, ist sehr flexibel und du kannst eine große Menge an Emotionen damit ausdrücken.

Lars:
Noch irgendwelche letzten Worte?

Christofer:
Bis dann auf Tour.

Redakteur:
Lars Strutz

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