SUBTERFUGE CARVER: Interview mit Arthur Wall

29.03.2008 | 01:34

Die aus dem Raum Stuttgart stammende Band SUBTERFUGE CARVER ist momentan wohl der heißeste und aufregendste Newcomer aus deutschen Landen. Der im Wesentlichen aus rasiermesserscharfem Extrem-Metal und neuzeitlichem Core-Geknatter bestehende tödliche Cocktail des Debüt-Albums "Deathcore" glänzt durch enormes musikalischen Niveau und kompositorische Klasse. Folglich wirken die Songs auch niemals verkrampft oder einfach nur brutal um der Brutalität Willen. Derart kluge Zerstörung begegnet einem verdammt selten. Gitarrist Arthur Wall berichtet aus dem ausschweifenden Innenleben von SUBTERFUGE CARVER und erörtert die Vorzüge brünetter Philosophiestudentinnen.

Martin:
Arthur, der Name SUBTERFUGE CARVER dürfte so manchem Leser noch nicht allzu viel sagen. Könntest du uns bitte deine Band mal ein bisschen vorstellen, wer ihr so seid, was ihr so macht...

Arthur:
Moin auch! Um ehrlich zu sein: Wer wir sind, wissen wir manchmal auch nicht so recht. Ich denke, wir sind wohl die beste Metal-Band in unserer Straße, vielleicht sogar im ganzen Dorf. Angefangen hat das alles 2001. Da hat Bert (Bass) mit ein paar Kumpels die Sache angeleiert und es haben sich recht schnell professionelle Ambitionen herauskristallisiert. Tom (Drums) kam später über eine Zeitungsannonce hinzu und er brachte dann auch mich und schließlich 2004 Alex (Gesang) in die Band. Natürlich ist das eigentlich nur die halbe Story. Bei uns hat sich, wie bei fast allen Bands, auch das Besatzungskarussell fleißig gedreht in den letzten Jahren. Es gab ein ausgiebiges Kommen und Gehen, bis wir das jetzige Line-Up hatten.
Was wir so machen? Du meinst jetzt bestimmt beruflich, oder? Zu Freizeitaktivitäten meiner Bandkollegen nehme ich nämlich grundsätzlich keine Stellung mehr. Da kommen nur krumme Dinger an Tageslicht, und es sind hinterher wieder alle beleidigt und böse mit mir, hahaha. Ich sag nur soviel: Haapsalu (übrigens ein Kurort an der Westküste Estlands - der Verf.), Prostitution, Schengener Abkommen! Also der Alex verdient sein Geld als Sänger und Lagerist. Tom ist Entwicklungsingenieur bei einem großen Affen-Zirkus in Stuttgart. Bert ist der einzige, der Krach machen richtig gelernt hat. Der hat ein Jazz-Diplom oder irgend so etwas in der Art. Ich bin noch Student, werde aber in absehbarer Zeit als Grundschullehrer anfangen.

Martin:
Ihr habt euch mit dem Albumtitel selbst in eine Schublade gepackt: "Deathcore". Alte Säcke wie ich verstehen unter dem Begriff eher das kauzige Gerumpel, dass das heutige Mainstream-Label Nuclear Blast in seinen ganz frühen Tagen veröffentlicht hat, DEFECATION und so ein Zeug halt. Die Kids von heute denken da wahrscheinlich eher an Metalcore, bei dem der Metal-Anteil eine todesbleierne Schlagseite hat. Euer Sound ist jedoch viel variabler, aufregender und anspruchsvoller als all das zusammen. Warum also diese Offensive in Sachen Kategorisierung?

Arthur:
Im Prinzip ist das eine Art zynischer Protest gegen eben diese Kategorisierungen, wie du sie gerade angesprochen hast. Die Leute sind doch meistens zu bequem sich ein eigenes Bild zu machen, weil es ja vermeintlich für alles ein Etikett gibt, weil die Bands nur noch irgendeiner Bezeichnung mit ihrer Mucke entsprechen wollen. Junge Musiker sind oft viel zu sehr irgendwelchen Stilen und Bezeichnungen verpflichtet. Da raufen sich zu Tausenden junge Typen und Mädels zusammen und kommen dann auf den Trichter, wir machen jetzt Metalcore, Death Metal, Deathcore oder meinetwegen 08/15-Glam Jazz. Dem Etikett versuchen sie dann so gut wie möglich zu entsprechen. Also ist bald nur noch eine Sorte Riffs erlaubt und nur eine Sorte Drumming, und was ja noch viel wichtiger ist, man trägt nur noch eine Sorte Klamotten und nimmt nur noch eine Sorte Drogen oder isst nur noch Kartoffeln und vögelt nur noch brünette Philosophiestudentinnen mit sechs Fingern an jeder Hand und solchen Quatsch halt! Wir sind unbequem, wir achten mehr auf Inhalt als auf Etikette, und wir sind offensiv. Außerdem sind wir viel zu hässlich, um uns nur auf brünette Philosophiestudentinnen festzulegen. Wir müssen da schon in verschiedenen Gewässern fischen, um nicht zu verhungern. Aber Bräute mit sechs Fingern sind schon öfters mal dabei.

Martin:
Sehr interessant, ihr macht also gute Musik, weil ihr nicht genug brünette Philosophiestudentinnen in die Kiste gekriegt habt. Aber wie seid ihr um Himmels Willen auf diesen Bandnamen gekommen und was bedeutet der überhaupt?

Arthur:
Die Bedeutung muss man sich schon selbst erschließen. Wir haben untereinander auch verschiedene Ansichten, was der bedeutet. Da ist alles vertreten von "Hinterlistiger Kunstschnitzer" bis "Betrugsfehler". Aber so soll es ja auch sein. SUBTERFUGE CARVER ist, was du draus machst, Baby! So sehen wir es auch mit der Musik.

Martin:
Alles ist also offen und im Fluss bei euch - trotzdem fragt sich der Normalsterbliche bei eurem originellen Crossover-Stil nun mal unweigerlich, welche Arten von Musik ihr privat so hört und woher eure direkten Einflüsse kommen. Könnt ihr mit dem aktuellen Metalcore-Hype was anfangen, euch mit dieser Musik identifizieren?

Arthur:
Ja, klar. Ist ja schließlich Metal, und es gibt auch beim so genannten Metalcore ein paar verdammt geile Truppen. Das Schwachsinnige ist jedoch, dass es scheinbar nur zwei extreme Haltungen dazu gibt. Ich kenne so viele Musiker, die beim Stichwort "Metalcore" gleich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und loswinseln: "Och nöö, nicht Metalcore, das ist ja voll doof und hört sich alles gleich an." In gewisser Weise haben die ja sogar recht. Aber das liegt an den Musikern, die Metalcore mögen. Die packen sich vier Kumpels, nehmen drei Riffs von AS I LAY DYING, knobeln eine Platte daraus und fühlen sich auf einmal arschcool. Das verwässert natürlich die Leistung von ein paar wenigen Metalcore-Bands, die einem tierisch die Birne weg rocken. Bei uns ist es genau dasselbe untereinander. Alex kann mit SIGUR RÒS und MESHUGGAH nicht viel anfangen, dafür nervt er mich ständig mit seinem Faible für PANTERA und UGLY KID JOE. Tom ist Trommler, das heißt, der hat von Mucke sowieso keinen Plan, und Bert ist Musiker von Beruf. Was der denkt, will eh keiner wissen. Das macht wohl die Mischung bei uns aus: Die Tatsache, dass wir keine Stil-Clique sind, die auch privat ständig miteinander rumhängt und in der sich alle den gleichen Geschmack teilen.

Martin:
Dann nenne mir doch mal die drei für dich wichtigsten und besten CDs des vergangenen Jahres!

Arthur:
Da wähle ich doch zunächst mal "Iron Gag" von A LIFE ONCE LOST, eine hammerharte Combo mit sehr geilen, frischen Songs - tolle Drums, tolle Gitarrenarbeit, ein sehr sympathisches Album, das einfach nicht langweilig werden will. Dann kommt "A Beautiful Lie" von 30 SECONDS TO MARS, sehr geiler Pop-Rock, exzellente Produktion, sehr schöne Songs mit zielgenauer Wirkung. Stichwort: Kopulation, hehehe. Und nicht fehlen darf "Ziltoid, The Omniscient" von DEVIN TOWNSEND. Der Typ hat so was von den Arsch offen. Einer der wenigen, der verstanden hat, was für eine wundervolle Kunstform Metal ist. Dazu kann man nicht mehr sagen.

Martin:
Zumindest was DEVIN TOWNSEND angeht, kann ich dir nur voll und ganz zustimmen. Kommen wir aber zurück zu eurer Platte. Meiner Meinung nach hören sich die melodischen Passagen in euren Songs ein bisschen wie FAITH NO MORE zu Zeiten von "Album Of The Year" und "King For A Day, Fool For A Lifetime" an? Zufall? Schwachsinn? Absicht?

Arthur:
Keine Ahnung. Müsste ich mal den Alex fragen, der steht auf Mike Patton.

Martin:
Dieser blutverschmierte Kampf-Fisch auf dem Cover sieht ziemlich krass aus. Seid ihr Fans von Filmen wie "Der weiße Hai" oder wolltet ihr einfach nur ein möglichst brutales Bild haben?

Arthur:
Das ist ein Piranha, kein Hai! Aber ein Hai wäre vielleicht besser gewesen, dann hätte ich jetzt nicht im Duden nachgucken müssen, wie man das schreibt, verdammt! Ich bin auf jeden Fall Fan der Filmreihe über den großen Weißen, aber ich glaube, damit hat das Cover nix zu tun, weil ich bei der endgültigen und entscheidenden Phase des Cover-Entwurfs gar nicht beteiligt war. Ich denk mir mal, der Piranha ist ein ziemlich fieser und hinterhältiger Geselle, vor allem wenn man irgendwo blutend im trüben Amazonas rumtreibt. Den Rest kannst du dir denken. Bei unserer Mucke sieht es ähnlich aus. Ein anderer Ansatz wäre natürlich auch die Tatsache, dass Fisch gut zu Bier passt. Lecker!

Martin:
Ähem ja, okay, total logisch. Mal was anderes, ihr habt in eurer Karriere schon an diversen Band-Contests teilgenommen, und zum Teil auch wirklich gute Erfolge erzielt. Habt ihr das Gefühl, dass euch das wirklich weiter geholfen hat, oder würdet ihr nachträglich sagen, diese Nachwuchswettbewerbe sind eigentlich mehr oder weniger für die Katz.

Arthur:
Nee, das war schon meistens sehr hilfreich. Wir haben viel gelernt bei den Contests, zumindest bei denen, wo man auch eine konkrete Rückmeldung von erfahrenen Leuten aus dem Business hatte. Aber es gibt ja solche und solche Wettbewerbe. Von solchen, bei denen man nur mitspielen darf, wenn man Geld zahlt, würde ich dringend abraten. Ist doch total bekloppt so was!

Martin:
Allerdings ist das bekloppt. Erzähl doch mal ein bisschen was über das Video, das ihr zu dem Song 'Ruined' gedreht habt! Wovon handelt der Song eigentlich genau? Warum veröffentlicht ihr den Clip in drei Teilen? Und was hat es um Himmels Willen mit der schräg-coolen Szene auf sich, wo der Typ (ist das Alex?) immer gegen die Mauer dieses Bücherladens tritt?

Arthur:
Für die Videos ist Tom verantwortlich. Ob wir die jetzt in Etappen veröffentlichen, weil er zu doof ist, sein Mac Notebook zu bedienen, oder weil wir die Leute so bei der Stange halten wollen, weiß ich nicht genau. Wahrscheinlich beides. Der Song soll euch lediglich einen Anstoß geben, mal richtig schlimm die Rübe zu schütteln, wenn euch was auf den Sender geht. Deswegen wohl auch die Szene. Ja, das ist Alex, der sich über diesen Bücherladen hermacht, weil der nur "ganz bestimmte" Bücher verkauft. Ist ja wie nur brünette Philosophiestudentinnen zu vögeln...

Martin:
Arthur, Arthur, ich weiß ja nicht, was du dir zum Frühstück so einwirfst, aber du solltest echt weniger davon nehmen. Deine köstlichen Ausführungen nehme ich mal als Überleitung zu meiner nächsten Frage: Eure Musik zeichnet sich durch einen gewissen Comedy-Faktor aus. Ist das ein wichtiger, kalkulierter Aspekt des "Gesamtkunstwerkes" SUBTERFUGE CARVER oder seid ihr einfach ein paar Typen, die gerne auch mal ein bisschen rumalbern?

Arthur:
Ich geb dir gleich Comedy-Faktor! Wir gehen sehr ernst an unsere Musik heran und rumalbern ist da überhaupt nicht. Wir sind doch kein georgischer Kindergarten, der auf Tour geht und Schachtelhalmkrautkekse verkauft. Das ist Metal, mein Freund, da gibt's nix zu lachen! Also, Contenance bitte, sonst gibt's gleich was mit dem Morgenstern an die Birne.

Martin:
Alter, ich krieg gleich echt Angst. Bevor du mich am Ende noch mit Schachtelhalmgemüse und den erbeuteten Dessous brünetter Philosophiestudentinnen tot schmeißt, mein letzte Frage: Wie lebt es sich denn so in Stuttgart? Ein Kumpel von mir meinte mal, die Stadt wäre versnobt, überteuert und im Grunde ziemlich langweilig. Kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen, ich selbst war nur einmal kurz dort, für einen echten Eindruck vom Lebensgefühl hat es nicht gereicht. Welchen Charakter hat die dortige Musik-Szene?

Arthur:
Also in Stuttgart direkt leben nur Alex und Tom. Die sind beide versnobt, langweilig und leben deutlich über ihrem Niveau. Ich und Bert sind eher Landkinder. Wir haben kein Geld und werden wohl früher oder später unsere Cousinen heiraten. Komm uns doch einfach mal besuchen und mach dir selbst ein Bild. Zur Frage nach der hiesigen Musik-Szene verweise ich einfach mal auf ein Beispiel: BETZEFER haben bei uns mal in einem Jugendhaus eine Show im Rahmen ihrer Europa-Tour gezockt. Geile Band! Aber kaum einen Schwanz hat es interessiert. Da waren vielleicht 20 Leute da, trotz günstigem Eintritt und guten Bands. Kurz danach gab es in demselben Laden eine Metal-Disco. Die war brechend voll, trotz happiger Eintrittspreise und teurem Bier. Also reden wir hier nicht wirklich über eine Musik-Szene oder genauer gesagt Metal-Szene, sondern eher von einer "Ich-zieh-mir-lieber-Musik-aus-der-Dose-rein"-Szene.

Redakteur:
Martin van der Laan

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