SIEGES EVEN: Interview mit Markus Steffen

03.09.2008 | 12:48

Der größte Glücksfall dieser Dekade für den Prog Rock sind zweifellos die Süddeutschen SIEGES EVEN, die mit ihrem überraschenden "The Art Of Navigating By The Stars" für offene Münder sorgten und mit dem letztjährigen Werk "Paramount", das für mich mein persönliches Album des Jahres 2007 darstellt, endgültig selbst die phantastischen Werke der Kings of Prog DREAM THEATER und SYMPHONY X und starke Alben von RIVERSIDE, RUSH, THRESHOLD, NEAL MORSE oder PORCUPINE TREE locker auf die Plätze verwiesen haben. Gerade wurde das erste Live-Album in der mehr als zwanzigjährigen Geschichte der Band veröffentlicht, zu dem POWERMETAL.de die Gelegenheit nutzen möchten, der Band einige Fragen zu stellen. Das Interview wurde per E-Mail geführt. Gitarrist Markus Steffen hat sich Zeit genommen, die Fragen zu beantworten.


Frank:
Die Kritiken zu euren letzten beiden Studio-Scheiben waren ja durch die Band ausgezeichnet bis euphorisch. Gibt es bei euch jetzt jeden Tag Champagner, oder könnt ihr das Zeug schon nicht mehr sehen?

Markus:
Wir trinken ausschließlich Malt Whisky! Ist leider auch etwas teuer, deshalb machen wir jetzt eine kurze Pause damit. :-) Aber Spaß beiseite: Wir sind natürlich hocherfreut über das Feedback der letzten Zeit!

Frank:
Zugegebenerweise halte ich auch "The Art Of Navigating By The Stars" für eines der besten Prog-Alben aller Zeiten, und ich finde es knapp besser als den Nachfolger "Paramount". Das werdet ihr sicherlich anders sehen, stimmt's?

Markus:
Ich möchte nicht werten, denn bei mir ändern sich die Favoriten – auch was andere Künstler und deren CDs angeht – ständig. Aber "Navigating..." war für uns sicherlich ein sehr wichtiges Album, das wir noch immer sehr schätzen.

Frank:
Speziell das instrumentale 'Mounting Castles In The Blood Red Sky' empfand ich ein wenig als überambitioniert, aber vielleicht habe ich auch einfach nicht den Zugang zu dem mit Redefragmenten von Martin Luther King durchsetzten Stück gefunden. Könnt ihr ein bisschen mehr erzählen, wie es zu diesem Stück und seinem außergewöhnlichen Titel gekommen ist?

Markus:
Da solltest du besser Oliver fragen, von dem stammt die Idee. Ursprünglich war das Stück als reines Instrumental konzipiert. Die Endfassung mit der Rede von MLK haben wir erst mit dem Endmix präsentiert bekommen. Wir waren ja nie alle gleichzeitig im Studio.

Frank:
Euer neues Album heißt "Playgrounds" und ist die erste Live-Scheibe von SIEGES EVEN überhaupt. Da euch der Ruf einer phantastischen Live-Band vorauseilt, war es langsam an der Zeit, nicht wahr? Oder wollte eure Plattenfirma das Album mehr als ihr?

Markus:
Im Gegenteil! Wir mussten Überzeugungsarbeit leisten, und wir wollten ursprünglich auch eine Doppel-CD veröffentlichen, was aber aus finanziellen Gründen nicht funktioniert hat. Aber du hast schon recht: Wir wollten es unbedingt, da das Material in unseren Augen einfach zu gut war, um es auf irgendwelchen Festplatten versauern zu lassen.

Frank:
Die Tour ging ja durch kleine bis mittelgroße Clubs, ihr könnt euch also noch nicht über zu großen Erfolg beschweren. Nach zwei Meisterwerken muss man sich da die Frage stellen, ob man hier von anspruchsvoller Musik überhaupt leben kann. Wie seht ihr das, besteht noch Hoffnung für den siechenden Musik-Patienten Deutschland?

Markus:
Ich mache mir darüber wenig Gedanken. In erster Linie sind wir Künstler, die – ich wage es kaum auszusprechen – eine Art Vision verfolgen. Wir wollen und müssen Musik machen. Natürlich: Es wäre großartig, noch mehr Leute mit unserer Musik anzusprechen, aber grundsätzlich ist diese Frage sekundär. Der ganze Markt hat sich unglaublich verändert, und man muss wirklich ständig, vor allem auch live, präsent sein, um nachhaltigen Erfolg zu haben.

Frank:
Auf dem neuen Album befinden sich außer zwei Songs von "A Sense Of Change" ausschließlich Stücke der letzten beiden Studio-Werke. Das finde ich sehr schade, denn jedes einzelne SIEGES EVEN-Album darf als herausragend bezeichnet werden, selbst wenn stilistisch zwischen "Steps", "Sophisticated" und "Paramount" die vielzitierten Welten liegen. Dürfen wir auf Songs der Alben zwei bis vier irgendwann einmal live hoffen, zumal ja die beiden Alben "Sophisticated" und "Uneven" kürzlich erst remastered wiederveröffentlicht worden sind?

Markus:
Von "Steps" spielen wir schon noch Stücke (übrigens auch 'Tangerine Windows Of Solace'), aber die "Sophisticated" und "Uneven"-Sachen werden wir niemals live spielen. Die Alben sind natürlich auch sehr stark, aber das Ganze klingt doch sehr nach einer komplett anderen Band. Das ist der einfache Grund. Wir möchten uns eher auf die Ära mit Arno konzentrieren.

Frank:
Auf der Tour habt ihr aber zumindest 'Life Cycles' gespielt. Weswegen habt ihr euch entschieden, dieses Stück auf "Playgrounds" nicht zu berücksichtigen?

Markus:
Wir durften ja nur eine CD machen. Und da mussten wir einfach die besten und homogensten Stücke heraussuchen. 'Life Cycles' war leider nicht dabei. :-)

Frank:
Das einzige Album ohne Arno ist besagtes "A Sense Of Change". Wie wäre es denn, wenn ihr das noch mal mit Arno aufnehmen würdet? Ich wäre auf das Ergebnis sehr gespannt, und einen neuen Sound könnte die Scheibe vertragen.

Markus:
Diese Idee hatten wir in der Tat schon! Allerdings gibt es da rechtliche Probleme, der Aufwand – ich meine eben den rechtlichen, nicht den musikalischen – wäre momentan zu gewaltig. Aber in der Zukunft? Warum nicht. Arno kennt und liebt die Stücke!

Frank:
Der Sound ist sehr gut auf "Playgrounds" wie auch jedes Tönchen über jeden Zweifel erhaben ist. Leider fand ich das Ganze schon etwas zu perfekt, da die Umsetzung der Songs bis auf gelegentliche Variationen von Arno mit den Studioversionen vollständig identisch ist. Meint ihr, ihr würdet eure Fans mit mehr Improvisationen, Medleys und Jams überfordern?

Markus:
Nein, das sicherlich nicht. Aber das sind nun einmal die Versionen, wie wir sie auf der "Paramount"-Tour gespielt haben. In Zukunft werden wir sicherlich auch einmal andere Fassungen der Stücke spielen. Aber das muss sich auch natürlich entwickeln.

Frank:
Festivalauftritte stehen bei euch aktuell unter keinem so guten Stern. Erst habt ihr beim Rock-Hard-Festival die Bühne früher als notwendig verlassen, dann musstet ihr das Rock Of Ages canceln. Dann doch lieber wieder in die Clubs, oder?

Markus:
Haha, richtig! Wir hatten Lampenfieber. :-) Nein, wir haben ja gerade im Vorprogramm von JOURNEY vor Tausenden gespielt und es genossen. Beim Rock-Hard-Festival haben wir einfach nicht richtig zusammenzählen können. Und Rock Of Ages und Loreley mussten wir krankheitsbedingt leider absagen. Sehr schade!

Frank:
Wie geht es deiner Hand? Wann kannst du wieder spielen?

Markus:
Es geht langsam aufwärts. Ich kann schon wieder mit leichten Übungen anfangen, und auch das Tippen von Interviews geht schon besser. :-)

Frank:
Auf eurer letzten Tour gab es außergewöhnliche Tourshirts. Zum ersten waren sie teilweise in blau, zum anderen hattet ihr ein merkwürdiges 'Männchen im Fahrstuhl'-Logo für die Tour kreiert. Was hat es damit auf sich, was wollt ihr damit aussagen?

Markus:
Das ist unser 'Navigator', den wir im Zuge der "Navigating..." als unser Maskottchen erdacht haben. Er soll auf jeder CD erscheinen und dann jeweils in einer Form, die etwas mit dem Titel der Platte zu tun hat. Bei der "Paramount" steht er im Fahrstuhl in fährt nach oben. Aber eine tiefere Bedeutung hat er nicht.

Frank:
Wie geht es bei euch jetzt weiter? Wann dürfen wir mit neuen Songs rechnen?

Markus:
Wir werden so langsam mit dem Songwriting beginnen, aber im Herbst steht ja noch der zweite Teil der "Paramount"-Tour an. Ich schätze, im kommenden Jahr wird es eine neue Scheibe von uns geben.

Frank:
Eure Webseite ist neu gestaltet. Da finden sich auch zwei exklusive Downloads von 'Life Cylces' und 'Unbreakable' in Live-Versionen und ein Video von 'The Weight'. Habt ihr vor, solche fanfreundlichen Sachen auch weiterhin zu machen?

Markus:
Natürlich! Das ist doch wunderbar, wenn man den Fans noch ein paar Extras bieten kann, die auf keiner CD erhältlich sind.

Frank:
Als VAL PARAISO habt ihr einige Stücke aufgenommen, die für die Fans nicht zu bekommen sind, zum Beispiel 'Valparaiso Dreaming' und 'Footprint Of Angels'. Wie wäre es, wenn ihr diese Songs zum Download anbieten würdet?

Markus:
Darüber hatten wir auch schon nachgedacht. Allerdings singt auf diesen Stücken, die auch stilistisch vollkommen anders sind, Andre Matos. Ich bin mir nicht sicher, ob er von dieser Idee begeistert wäre.

Frank:
Oliver und Alex können sicherlich als Profi-Musiker von ihrer Musik leben, nicht wahr? Was machen Steffen und Arno beruflich?

Markus:
Arno ist Grafikdesigner (hat übrigens das Cover der "Playgrounds"-CD gestaltet) und ich promoviere momentan in ... ups ... Altgermanistik.

Frank:
Was ist denn eigentlich eure musikalische Richtung, wenn ihr es nicht selbst macht? Was für Scheiben haben es euch in der letzten Zeit angetan?

Markus:
Ich persönlich höre die letzte OCEANSIZE sehr gerne. Das hat zwar seine Zeit gebraucht, aber letztlich liebe ich solche Alben, die man sich erst erarbeiten muss. OPETH finde ich auch sehr anregend, allerdings stehe ich nicht auf diese Growls.

Frank:
Im November geht ihr wieder auf Tour. Worauf dürfen wir uns freuen, wodurch wird sie sich von der letzten Tour unterscheiden?

Markus:
Wir werden einige neue Songs in das Set einbinden, welche genau, steht noch in den Sternen. Ich denke 'Bridge To The Divine' wird dabei sein und auch ein paar ältere Sachen.

Frank:
Vielen Dank für das Gespräch. Wir sehen uns im November auf der nächsten Tour!

Redakteur:
Frank Jaeger

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