MILLENIUM: Interview mit Ralph Santolla

01.01.1970 | 01:00

MILLENIUM ist die Band des amerikanischen Gitarristen Ralph Santolla, der inzwischen auch bei ICED EARTH seine Saiten zum Schwingen bringt. Nachdem das hervorragende "Hourglass"-Album überall sehr gute Kritiken bekam, veröffentlichte die Band vor kurzem ihre vierte CD "Jericho". "Jericho" setzt im Gegensatz zum Vorgänger nicht auf Keyboardbombast, dafür aber auf fette raue Gitarrenriffs, die der Musik einen wesentlich härteren Anstrich geben. Per Mail führte ich folgendes Interview mit Ralph:

Jörg:
Hallo Ralph! Nachdem du nun bei ICED EARTH eingestiegen bist und auf deren letztem Album klampfst, hast du immer noch Zeit gefunden, mit MILLENIUM ein neues Album aufzunehmen. Hat deine Mitwirkung bei ICED EARTH eigentlich irgendeinen musikalischen Einfluss auf "Jericho" gehabt?

Ralph:
Ich begann mit dem Schreiben und den Aufnahmen zu "Jericho", bevor ich bei ICED EARTH spielte. Das hatte also keinen Einfluss darauf. Andererseits - nachdem ich mit ICED EARTH getourt bin und so viele ihrer Songs kennen gelernt habe, wird es vielleicht in der Zukunft einen Einfluss geben. Jon ist ein sehr guter Rhythmusgitarrist und seine Riffs zu spielen war anspruchsvoll.

Jörg:
Ihr verwendet zwei Gitarren und verzichtet im Gegensatz zum Vorgänger "Hourglass" fast vollständig auf Keyboards. Wieso habt ihr diese Entscheidung getroffen?

Ralph:
Es gab schon immer zwei Gitarren bei MILLENIUM. Die Songs brauchten einfach nicht so viele Keyboards wie die auf den früheren Alben. Zudem musste ich mich beeilen und zum Ende kommen, weil ich die ICED-EARTH-Tour mitmachen wollte. Das veranlasste mich, einige der Arrangements in einem roheren Zustand zu lassen, als ich eigentlich vorhatte.

Jörg:
Desweiteren setzt ihr auf viel Bass und ein mehr getragenes Tempo – was meiner Ansicht nach typisch für MILLENIUM ist. Ist das euer Ding - diese musikalische "ernste Schwere"?

Ralph:
Ich denke selten über solche Dinge nach, während ich die Songs schreibe. Was herauskommt, kommt eben heraus. Ich kann aber nachvollziehen, was du meinst. Ich scheine mein Hauptgewicht auf den schweren Midtempo-Sachen zu haben. Es ist einfach das, was passiert, wenn ich meine Gitarre in die Hand nehme.

Jörg:
Überraschenderweise ist auf der neuen CD euer alter Sänger Todd Plant wieder zu hören. Wie kam es dazu? Wieso hat Jorn Lande die Band verlassen?

Ralph:
Einer der Hauptgründe dafür, das Jorn die Band verlassen hat, ist, dass wir schon sehr lange Zeit nichts mehr zusammen gemacht hatten. Ich befand mich gerade in einer Periode, in der ich viele ernsthafte persönliche Probleme hatte und keine Arbeit zuende bringen konnte. Ein anderer Grund für Jorns Weggang war ein Streit zwischen ihm und unserer englischen Plattenfirma. Anfangs hatte ich einen anderen Sänger für "Jericho". Sein Name ist Johnny Leannerts. Wir haben gemeinsam ein Projekt namens STARE, das sehr heavy und modern ist. Aus Gründen, auf die ich nicht weiter eingehen kann, wurde "Jericho" zu dieser Zeit nicht beendet. Ich musste Todd anrufen und ihn fragen, ob er das Album einsingen wolle.

Jörg:
Das Cover bringt ein typisches "Drachen und Krieger"-Fantasymotiv. Das Album aber nach dem vorbiblischen Jericho benannt. Was ist die Verbindung zwischen dem Cover und dem Albumnamen?

Ralph:
Es gibt keine Verbindung zwischen dem Cover und dem Titel. Ich mochte das Cover einfach. Der Grund für den Namen "Jericho" besteht darin, dass ich zu meinen musikalischen Wurzeln zurückkehren wollte – DIO, SABBATH, OZZY. Jericho ist die älteste Stadt der Welt. Es ist eine Metapher für die Rückkehr zur Vergangenheit.

Jörg:
Wenn ich mir einen Song wie 'Morning Star' anschaue, scheint ihr ein Faible für alte Sagen und Mythologie zu haben. Trifft das zu?

Ralph:
'Morning Star' handelt von Luzifer und seinem Stolz über seine Schönheit und Macht. Ich interessiere mich sehr stark für die Bibel und Religion. Aber ich bin nicht sehr an anderen Mythologien interessiert. {Natürlich nicht. Siehe unten. - Anm. d. Lektors}

Jörg:
Welchen Krieg führst du eigentlich in dem Stück 'My War'?

Ralph:
'My War' handelt von der Überwindung der eigenen Schwächen und Kleinmütigkeiten, von einem inneren Kampf. Viele meiner Songs sind über die Idee, dass du mehr sein kannst, als du bist und über den Kampf, um zu diesem Punkt zu kommen. Veränderung ist schmerzhaft und schwierig, und davon handelt 'My War'.

Jörg:
Gibt es Songs auf "Jericho", die eine besondere Bedeutung für dich haben?

Ralph:
Sie sind alle wichtig für mich aus dem einen oder anderen Grunde. "Let There Be Light" ist über den Krieg im Irak. Der Song ist über all die Menschen, die gegen den Krieg und gegen Amerika und George Bush sind. Sie sind alle verdammte Heuchler. Wo war ihr Protest, als die Menschen im Irak von Saddams Schlägern gefoltert und ermordet wurden? Wo war ihre Wut, als irakische Frauen vergewaltigt wurden von diesen beiden Teufeln Uday und Qusay? Jedes menschliche Wesen hat das Recht frei zu sein, und den Menschen, die gegen den Krieg sind, sind die Irakis völlig gleichgültig – sie hassen einfach nur George Bush. Sie machen mich krank und ich denke, sie sind eine Schande für die Menschheit. {Also in der Summe eingefahrener fundamentalistisch-protestantischer Patriotismus wie aus dem amerikanischen Bilderbuch. Extrem sympathisch. - Anm. d. Lektors}

Jörg:
Auf einen "Hit" im Sinne eines sehr eingängigen Songs habt ihr auf dem neuen Album verzichtet. War das Absicht? Denkt ihr, dass Songs lieber länger brauchen sollten, um sich festzusetzen?

Ralph:
Ich wollte eben kein AOR-Album machen. Ich wollte Hard Rock / Heavy Metal machen. Die Songs brauchen eine Weile, um sich beim Hörer festzusetzen. Ich weiß nicht warum, aber eine Menge meiner Sachen scheint so zu funktionieren.

Jörg:
Wo liegen die Wurzeln der Musik von MILLENIUM? Mir fallen immer wieder RAINBOW, alte DIO und Achtziger-BLACK SABBATH-Sachen (wie "Headless Cross") ein ...

Ralph:
Ich beantworte das, indem ich ein paar Alben aufzähle, von denen ich gelernt habe und die mich beeinflussten: - UFO "Obsession", OZZY "Diary Of A Madman", BLACK SABBATH "Heaven And Hell", "Mob Rules", SCORPIONS "Lovedrive", IRON MAIDEN "Number Of The Beast", RAINBOW "Rising", "Down To Earth", "Difficult To Cure", eine Menge von BLUE OYSTER CULT, THIN LIZZY "Black Rose", ALCATRAZZ "No Parole From Rock And Roll".

Jörg:
"Jericho" ist jetzt euer viertes Album. In welchem Kontext steht es zu euren anderen Alben? Welche Station markiert die neue CD?

Ralph:
Ich habe nicht wirklich eine Antwort darauf. Jedes Album steht für sich selbst. Immer, wenn ich ein Album schreibe und aufnehme, fließen all die Gefühle und Erfahrungen ein, die ich zu dieser Zeit in meinem Leben hatte. Ich denke an "Angelfire" als "Liz", denn ich war verrückt, wahnsinnig verliebt in eine Künstlerin namens Liz zu dieser Zeit. Ich denke an "Hourglass" als "Jorn", " Norwegen" "Sommer" und "Band Camp", wegen all dieser Dinge, die passierten, während wir das Album machten.

Jörg:
Wo ist eure Musik eigentlich erfolgreicher – in Amerika oder Europa? Oder gehört ihr zu diesen Metalbands, die ausgerechnet in Japan ihre größten Fans haben?

Ralph:
Europa und Japan. Die Fans sind in jedem Land großartig. Ich mag Menschen der verschiedensten Kulturen. Seltsam ist allerdings, dass ich viele lästige Typen anziehe. Ich weiß nicht warum, aber ich scheine seltsame Menschen anzuziehen. Kürzlich erst musste ich einen unserer (Sebastian Bach Band) Leibwächter, der ein Detektiv aus New York City ist, bitten, ein Mädchen festzunehmen, das mich einfach nicht allein lassen wollte. So etwas kann sehr störend sein.

Jörg:
Wie sieht die Zukunft von MILLENIUM aus? Werdet ihr die eingeschlagene Richtung von "Jericho" fortsetzen?

Ralph:
Das nächste Album wird vermutlich mehr in Richtung Power Metal gehen: Uptempo, hymnisch, eine Menge Orchesterparts. Eine Weiterentwicklung von "Jericho".

Jörg:
Alle Musiker von MILLENIUM spielen in anderen Bands (TEER, ICED EARTH, BLACKHAWK, TEN, CIRCLE II CIRCLE, DEMONS AND WIZARDS). Welchen Stellenwert hat MILLENIUM in euren vielfältigen musikalischen Aktivitäten?

Ralph:
MILLENIUM ist die eine Band, in der ich tun kann, was ich will. Es ist meine Band. Jeder Musiker, der beteiligt ist, bekommt seine Chance, etwas von sich beizusteuern. Ich mag es, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und die Musik dahin gehen zu lassen, wohin sie will.

Jörg:
Danke für das Interview!

Ralph:
Ich danke dir!

Redakteur:
Jörg Scholz

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