LONG DISTANCE CALLING: Interview mit Dave

08.05.2009 | 22:17

Das aktuelle Album von LONG DISTANCE CALLING, "Avoid The Light", ist in meinen Augen und Ohren bisher einer der stärksten Longplayer des Jahres. Mein Interview mit Dave entwickelte sich eher zum lockeren Plausch über die Band, aber auch über Musik im Allgemeinen. Doch lest selbst.

Peter:
Dave, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album "Avoid The Light", das mir erwartungsgemäß gut gefällt.

Dave:
Oh, vielen Dank. Das ist schön zu hören.

Peter:
Auch innerhalb unserer Redaktion ist die Platte gut angekommen. Wir haben eine Gruppentherapie gemacht, bei der sieben Redakteure das Album kurz rezensiert haben. Dabei waren auch Leute, die vorher noch nichts mit dieser Art von Musik zu tun hatten und auch denen hat eure Platte gefallen. Aber natürlich kam dennoch der Punkt auf, den ihr wahrscheinlich häufiger zu hören bekommt...

Dave:
Wo ist der Sänger?

Peter:
Genau. Das verbunden mit der Aussage, dass es schwieriger sei, die Songs im Kopf zu behalten und zu unterscheiden, weil der Sänger fehlt. Seht ihr euch eher als Songwriter oder ist für euch die Atmosphäre sowieso wichtiger?

Dave:
Wir versuchen schon in erster Linie Songs zu schreiben, die man auch voneinander unterscheiden kann, klar. Als wir angefangen haben, haben wir auch noch Sänger gesucht, aber irgendwie war da keiner dabei, der wirklich gepasst hat und so ist es einfach dazu gekommen, dass wir eine Instrumentalband sind.

Peter:
Jemand hat auch mal zu mir gesagt, dass eure Musik zwar viele Leute gut finden werden, aber nur wenige es kaufen, weil mit dem Sänger einfach in deren Bewusstsein die Hälfte der Musik fehlt.

Dave:
Ja, das kann ich durchaus nachvollziehen.

Peter:
Echt, kannst du? Ich bin da gar nicht so sicher. Die Reaktionen aus meinem Umfeld, inklusive Arbeitskollegen, ist so positiv, dass ich mir schon vorstellen kann, dass es da ein kommerzielles Potential gibt, die Labels, Promoter etc. aber nur noch nicht den Mut haben, da auch entsprechend viel zu investieren, um das mal auszutesten.

Dave:
Ja, vielleicht. Aber für mich ist instrumentale Musik eher begleitend, so für ruhige Stunden, ohne sich so in den Mittelpunkt zu drängen. Und ich kann mir vorstellen, dass das auch ein Grund ist, warum das kommerziell nicht so gut ankommt.

Peter:
Aber das nehmt ihr schon so in Kauf, oder? Ich meine, die erste Platte lief ganz gut. Da habt ihr jetzt nicht dran gedacht mal einen Sänger anzusprechen, der vielleicht auch schon etwas bekannter ist, um für euch ein Album einzusingen?

Dave:
So konkret nicht, aber wir sind da generell schon für alles offen. Wenn uns jetzt morgen ein Sänger über den Weg läuft, der zu uns passt, würden wir da schon "JA!" sagen.

Peter:
Wenn Jonas Renkse also morgen sagt, dass er keinen Bock mehr auf KATATONIA hat und bei euch einsteigen möchte, seid ihr dabei?

Dave:
Ja, da sagen wir natürlich sofort ja. Keine Frage.

Peter:
Geht ihr an einen Song wie 'The Nearing Grave' denn anders ran als an einen anderen Song?

Dave:
Ja, wir gehen es schon etwas anders an, versuchen halt mehr Platz für den Gesang zu lassen. Wir denken uns dann, okay, da und da kann er dann singen und wenn wir den Song dann zurück bekommen, hat das zwar auch so funktioniert, aber zusätzlich gibt es immer noch Stellen, wo wir nicht mit Gesangslinien gerechnet hätten und echt überrascht sind. Das ist schon cool.

Peter:
Jonas hat seine Gesangsmelodien doch sicher auch wieder selbst geschrieben, oder?

Dave:
Genau, wir haben unseren Part gemacht, ihm dann den Song geschickt und dann sollte er loslegen.

Peter:
Was genau habt ihr denn mit Stanley Milgram zu tun? Hat einer von euch mal an seinem Experiment teilgenommen?

Dave:
Das ist uns mehr so zugeflogen. Wir waren halt ganz fasziniert davon, dass man jeden Menschen auf der Welt über nur fünf Ecken kennen soll. Und diesem Gedanken gilt der Song, weshalb er auch 'I Know You, Stanley Milgram' heißt.

Peter:
Wie kommen denn sonst Songtitel zu stande, wenn ihr keine Texte habt?

Dave:
Zu Beginn haben die Songs immer total bescheuerte Arbeitstitel, die mit dem Tag, dem Wetter oder so was zu tun haben. Am Ende versuchen wir dann einen Titel zu finden, der zu dem Gefühl, das wir vermitteln wollen, passt.

Peter:
Bei "Satellite Bay" fand ich die Songtitel da häufig naheliegender. So wie 'Jungfernflug' als Opener oder 'The Very Last Day' mit den Samples zum Thema Erderwärmung. Auf die Samples habt ihr ja diesmal fast gänzlich verzichtet. War das eine bewusste Entscheidung oder Zufall?

Dave:
Die Samples haben den Hörer ja schon ein wenig gelenkt. Und genau das wollten wir diesmal vermeiden und versuchen, den Hörer dazu zu bringen, seine eigenen Bilder und Interpretationen zu haben. Das war also durchaus eine bewusste Entscheidung.

Peter:
Musikalisch habt ihr ja diesmal auch die Grenzen etwas weiter gesteckt. Ihr habt härtere Parts als vorher, aber auch Parts, die ruhiger sind als zuvor. Aber dennoch – und das ist etwas, was ich sehr an euch schätze – passiert bei euch immer relativ schnell relativ viel. Im Gegensatz zu vielen der Post-Rock-Bands, wo über Minuten nur Töne leicht variiert werden, bevor der Track nach Ewigkeiten dann mal wirklich losgeht.

Dave:
Das ist uns auch wirklich wichtig, dass es bei uns nicht so ist, weil uns dies bei vielen dieser Bands auch total annervt. Dass es wirklich minutenlang nur Rumgeplänkel ist und alle zwei Minuten vielleicht drei Töne dazukommen. Da fehlt uns dann auch total die Dynamik. Das war ja bei "Satellite Bay" teilweise auch noch so und das stört uns halt. Vor allem stört uns das live, weil es auch total langweilig ist, es zu spielen.

Peter:
Ihr wart gerade für ein paar Gigs mit ...TRAIL OF DEAD in Holland/Belgien unterwegs. Wie seid ihr denn da angekommen?

Dave:
Ja, richtig gut. Und wurde sogar von einigen Leuten bestätigt, dass wir die bessere Band an dem Abend waren. Das war natürlich schon toll.

Peter:
Ich finde es eh besser, wenn ihr mit Bands wie ...TRAIL OF DEAD oder DREDG auf Tour geht, als mit irgendeiner Post-Rock-Band. Das wirkt auf den ersten Blick mutiger, dabei kann man davon ausgehen, dass das Publikum sehr offen für diese Art von Musik ist. Und so gut wie ihr ankommt, scheint das ja auch zu stimmen.

Dave:
Ja, es stimmt wirklich. Es gab bislang noch keine Kombination, die überhaupt nicht funktioniert hat. Es hat immer gepasst.

Peter:
Gibt es denn eine Band, mit der ihr unbedingt noch auf Tour wollt?

Dave:
Ganz viele, klar. PORCUPINE TREE natürlich, TOOL sind ganz oben und demnächst spielen wir mit OPETH, was auch großartig ist.

Peter:
Oh ja, das wird sicher interessant.

Dave:
Die sind ja gerade meine absoluten Favoriten. Ich habe die Band erst letztes Jahr kennengelernt und dann gleich alle Alben gekauft und sie rauf und runter gehört. Da freue mich schon sehr drauf.

Peter:
Bei Mikael Akerfeldt sieht man auch, wie sich so ein Frontmann entwickeln kann. Als ich OPETH vor neun Jahren das erste Mal live gesehen habe, beschränkte sich die Kommunikation auf "Hello, we are OPETH from Sweden" und mittlerweile ist er ein echter Entertainer. Und das ist ja schon etwas, was euch auf der Bühne fehlt. Wie löst ihr dieses Fehlen des Blickfangs auf der Bühne?

Dave:
Nun, wir machen natürlich ein paar sachlich-neutrale Ansagen. Aber so richtig Entertainer-mäßig passiert da nicht viel. Ich glaube auch, dass die Musik den Leuten tatsächlich reicht.

Peter:
Kennt ihr eigentlich die Band KONG?

Dave:
Ich habe noch nie einen Song von der Band gehört, aber du bist jetzt der dritte, der nach der Band fragt. Und das besondere war ja wohl, dass sie sich in allen vier Ecken des Raumes aufgestellt und dann gespielt haben.

Peter:
Genau. Ich habe die 1995 mal live gesehen. Und es war echt phänomenal. Das wäre sicher auch ein interessantes Experiment für euch. Ist natürlich gar nicht so einfach, das umzusetzen, da es in den meisten Klubs ja feste Bühnen etc. gibt. Aber in 'nem kleinen Jugendclub in Münster könnt ihr das ja mal versuchen.

Dave:
Das Bewundernswerte daran ist ja, dass sie ein unglaubliches Timing gehabt haben müssen. Wir haben ja auf der Bühne Augenkontakt und viel läuft darüber, aber das fehlt ihnen natürlich komplett. Da muss ja dann jeder für sich selbst spielen und es muss trotzdem nach einer Band klingen. Das stelle ich mir unglaublich schwierig vor.

Peter:
Die haben sich gerade reformiert. Vielleicht könnt ihr euch das ja mal live angucken. Die spielen sicher mal in Belgien/Holland.

Dave:
Echt?! Cool. Ja, das mache ich sicher.

Peter:
Was erwartet uns denn auf der jetzigen Tour? Wie lange spielt ihr, nehmt ihr irgendwen mit?

Dave:
Wir wollen so 90 Minuten spielen und werden wohl vorwiegend lokale Bands als Vorband haben.

Peter:
Seid ihr gezwungen die vokalen Songs wegzulassen oder wagt ihr es, die einfach instrumental zu spielen?

Dave:
Nun, die würden schon instrumental funktionieren, zumindest, wenn man noch ein zwei Melodien auf der Klampfe mehr spielt. Aber wir haben uns entschlossen sie wegzulassen. Das Problem ist einfach, dass die Leute die Songs mit Gesang kennen und dies entsprechend auch so erwarten. Und dann fehlt einfach was.

Peter:
Da bin ich gar nicht so sicher. Ich fände das ein echt spannendes Experiment. Den Song vielleicht ein bisschen umarrangieren, die besagten Melodien hinzufügen und dann die Reaktion abwarten.

Dave:
Hmm, ist auf jeden Fall eine interessante Idee.

Peter:
Könntet ihr euch denn vorstellen, dass jemand anders als Renkse/Dolving die Songs auf der Bühne singt? Also z. B. den Akerfeldt fragen, ob er nicht mit euch 'The Nearing Grave' spielen und Renkses Part einnehmen will?

Dave:
Haha, die Idee hatte ich auch schon. Zumal die beiden ja beste Freunde sind. Aber ich weiß nicht, ob es nicht zu dreist ist, da einfach zu fragen.

Peter:
Ach, fragen kostet nix. Und Akerfeldt ist ein netter, offener Typ. Mehr als "Nein" kann er auch nicht sagen.

Dave:
Stimmt natürlich. Ja, vielleicht gehen wir das einfach mal an.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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