LACUNA COIL: Interview mit Cristina

01.11.2006 | 16:42

Die Metal-Welt ist noch immer hauptsächlich von Männern dominiert, nur wenige Frauen machen sich einen echten Namen. Cristina Scabbia, ihres Zeichens Frontfrau von LACUNA COIL, ist definitiv eine davon. Die zierliche Italienerin überzeugt durch eine große Stimme und einen liebenswerten Charakter - nicht nur auf der Bühne, sondern vor allem auch bei einem kurzen Interview.

Ricarda:
Wie war euer Konzert in Helsinki gestern?

Cristina:
Es war wirklich sehr toll. Wir sind ja zum ersten Mal in Finnland und wussten nicht so genau, was uns erwarten würde. Aber jegliche Erwartungen wurden definitiv noch übertroffen.

Ricarda:
Kannst du erzählen, wie deine musikalische Karriere angefangen hat?

Cristina:
Also mit LACUNA COIL habe ich 1996 angefangen, als ich zwei von den Jungs getroffen habe. Wir haben einfach einfach angefangen zu jammen, weil sie ein Demo mit ein paar Liedern zu ein paar Plattenfirmen schicken wollten. Sie haben gefragt, ob ich dabei sein möchte, um ein paar Refrains zu singen, weil sie wussten, dass ich gerne singe. So startete also LACUNA COIL. Aber meine persönliche musikalische Karriere habe ich etwa 1991 begonnen. Damals habe ich meine Stimme an einige Projekte gegeben - nur meine Stimme, nicht mein Aussehen oder mein Image. Es hatte aber gar nichts mit Metal zu tun, sondern war eher Dance- und R'n'B-Zeug. Ich wurde dafür bezahlt, meine Stimme zu geben, und andere Leute standen dann auf der Bühne und haben so getan, als sei das ihre Stimme (lacht).

Ricarda:
Hattest du Gesangsunterricht?

Cristina:
Nein, nie. Ich habe mich einfach selbst trainiert und singe mit dem Herzen.

Ricarda:
Weißt du, was aus dir geworden wäre, wenn es nicht mit der Musik geklappt hätte?

Cristina:
Ich habe echt keine Ahnung. Ich hatte nie geplant, Sängerin zu werden, daher weiß ich auch nie, was ich antworten soll, wenn Leute mich fragen "Was kann ich tun, um Sängerin einer Band zu werden?" (lacht). Ich habe einfach die Möglichkeiten, die sich eröffnet haben, wahrgenommen. Ich habe einfach die richtigen Leute getroffen und gemerkt, dass mir das Ganze echt Spaß macht. Also sind wir dann einfach das Risiko eingegangen, aber es war nie ein Traum, den ich schon als Kind hatte. Und ich war noch recht jung, also habe ich wirklich keine Ahnung, was aus mir geworden wäre ohne das Singen (lacht).

Ricarda:
Welche Reaktionen habt ihr zu eurem aktuellen Album "Karmacode" erhalten?

Cristina:
Sehr gute Reaktionen! Stell dir mal vor, von "Karmacode" haben wir bereits über die Hälfe der Scheiben verkauft, die wir mit "Comalies" in vier Jahren verkauft haben. Und "Karmacode" ist erst seit einigen Monaten draußen. Ein toller Start also.

Ricarda:
Würdest du dann also sagen, dass "Karmacode" euer bis jetzt erfolgreichstes Album ist?

Cristina:
Ja, ich denke schon. Natürlich war "Comalies" das Album, das viele Türen für uns öffnete - gerade auch auf dem amerikanischen Markt, der für uns mittlerweile einer der größten ist. Aber ja, mit "Karmacode" läuft es auf alle Fälle sehr, sehr gut.

Ricarda:
Habt ihr jetzt auch schon mit dem Album in den USA getourt?

Cristina:
Ja, wir hatten eine Tour mit ROB ZOMBIE, aber die Tour hat angefangen bevor das Album veröffentlicht wurde, die Veröffentlichung war dann irgendwann in der Mitte. Also haben wir erst diese Tour mit ROB ZOMBIE gemacht, dann sind wir zurück nach Europa, um das Album zu promoten und größere Festivals zu spielen, und dann waren wir noch beim Ozzfest dabei. Also haben wir quasi schon zwei USA-Touren gemacht, und wir werden auch wieder hinfliegen, nachdem die europäische Tour vorbei ist. Dort werden wir dann mit DANZIG touren, das wird der erste Teil. Dann zwei Shows in Mexico, und der zweite Teil der Tour wird dann mit IN FLAMES gespielt.

Ricarda:
Viel beschäftigt also. Ihr habt auch DEPECHE MODEs 'Enjoy The Silence' gecovert. Warum gerade diesen Song?

Cristina:
Es gab eigentlich keinen richtigen Grund. Wir haben einfach über einen Cover-Song nachgedacht, der auch auf das Album passen würde. Wir wollten nie eine Single damit veröffentlichen, das war nie der Plan. Wir wollten einfach, dass die Leute den Song dann mit uns während den Konzerten singen, und 'Enjoy The Silence' ist solch ein Song, den jeder kennt und liebt. Und wir lieben ihn auch. Wir hatten eine ganze Reihe an Songs, zwischen denen wir uns entscheiden mussten, und schließlich haben wir dann herausgefunden, dass 'Enjoy The Silence' perfekt zu unserem Stil passt. Und irgendwie fand dann plötzlich jeder den Song so super, dass er eine Single wurde (lacht). Wir wussten direkt von Anfang an, dass es nicht der originellste Song ist, aber wir hatten von dem Lied noch keine Cover-Version gehört, die uns gefiel, und daher wollten wir es selbst in die Hand nehmen (lacht). Viele Cover-Versionen haben den Vibe des Songs einfach weggenommen, und gerade dieser Vibe macht den Song so besonders. Wir haben uns mehr an das Original gehalten und noch manchmal ein wenig das Tempo verändert, aber wir wollten es sehr nah am Original lassen.

Ricarda:
Ich finde, es ist auch sehr gut geworden. Und die größte Erneuerung ist ja quasi schon dein weiblicher Gesang, der es dann richtig vom Original differenziert.

Cristina:
Ja, genau (lacht). Danach mussten wir eigentlich nicht mehr so viel verändern (lacht mehr).

Ricarda:
Habt ihr bereits Pläne für ein neues Album?

Cristina:
Nein, nicht wirklich. Dafür ist es auf alle Fälle noch zu früh. Um ein Album richtig zu promoten, braucht man ein paar Jahre, und besondern wenn man es wie wir in Europa und den USA promoten möchte. Also denke ich, dass es in den nächsten Jahren erstmal kein neues Album geben wird.

Ricarda:
Aber vielleicht eine DVD?

Cristina:
Ja, darüber denken wir gerade nach. Vielleicht nächstes Jahr, denn dann ist unser zehnjähriges Bandjubiläum. Wir haben darüber nachgedacht, dann etwas Besonderes zu veröffentlichen, aber wir wissen noch nicht genau, was. Aber irgendwas wird passieren.

Ricarda:
Hast du einen Lieblingssong von LACUNA COIL?

Cristina:
Puh, das ist schwer. Ich mag eigentlich alle Lieder, es ist in etwa so, als würde jemand eine Mutter fragen "Welches deiner Kinder ist dir am liebsten?" Jeder Song bringt ein anderes Gefühl mit sich und hat eine andere Bedeutung für mich. Aber live spiele ich lieber Songs, die energiegeladener sind, weil ich mich dann mehr bewegen kann. Aber dann in anderen Momenten mag ich lieber sanftere Songs. Also habe ich eigentlich keinen richtigen Lieblingssong von uns, den ich hervorheben könnte.

Ricarda:
Schreibst du auch Texte in deiner Muttersprache?

Cristina:
Nein, nie. Wir alle schreiben unsere Texte auf Englisch. Heutzutage sind wir es eh so gewöhnt, Englisch zu sprechen, dass wir gar nicht mehr in italienisch denken, sondern in englisch (lacht). Es ist, glaube ich, einfacher für uns, englische Texte zu schreiben. Damit haben wir ja auch angefangen, und das haben wir die ganze Jahre durchgezogen.

Ricarda:
Gibt es ein Thema über das du nie einen Song schreiben würdest?

Cristina:
Wir mögen es alle nicht so sehr, über Politik zu reden, weil uns das nicht so sehr interessiert. Natürlich hat jeder von uns eine politische Meinung, aber darüber möchten wir nicht reden. Wir wollen nicht in diesen ganzen politischen Scheiß reingezogen werden, also ist das wahrscheinlich ein Thema, über das wir nie reden werden.

Ricarda:
Gibt es irgendein Land oder irgendeine Stadt, wo du gerne mal touren würdest?

Cristina:
Ich persönlich würde sehr gerne mal nach Japan, weil wir bisher noch nie da waren. Aber alle sagen, dass es total toll ist, und dass die Fans sehr warmherzig sind, am Flughafen warten und dir ganz viele Geschenke bringen (lacht). Sie verwöhnen dich also richtig, und das würde ich sehr gerne einmal erleben. Also Japan, ist auf alle Fälle ein Traum von mir. Wir haben darüber geredet, vielleicht nächstes Jahr nach Japan und Australien zu gehen. In Australien waren wir auch noch nicht, also wäre das ebenfalls sehr cool. Es gibt also ein paar Pläne, aber nichts ist sicher und man kann nicht wirklich ein Jahr im Vorraus planen. Aber mal schauen.

Ricarda:
Habt ihr ein Ritual mit der Band bevor ihr auf die Bühne geht?

Cristina:
Ja, wir haben eine ganze Reihe kleiner Dinge, die wir tun, bevor wir auf die Bühne gehen. Manchmal ändern wir diese auch. Aber ich glaube nicht richtig an so was. Es ist mehr ein Ritual, um uns alle zusammen zu bekommen und um uns aufzuladen, so dass wir in der richtigen Bühnenstimmung sind. Aber ich bin nicht abergläubisch und denke, dass die Show scheiße wird, wenn wir diese Rituale nicht machen (lacht).

Ricarda:
Aber du wärmst sicher deine Stimme auf, oder?

Cristina:
Nein, eigentlich nicht (lacht). Und eigentlich hasse ich es, dass ich es nicht tue. Ich sollte das wirklich tun, aber ich bin nun mal so verdammt faul (lacht). Das selbe auch mit dem Stretching. Wie lang würde das brauchen? Wahrscheinlich nicht mehr als fünf Minuten, und trotzdem mache ich es nur sehr selten. Ich wärme mich also quasi auf der Bühne auf (lacht).

Ricarda:
Was war bisher das Peinlichste, was dir auf der Bühne passiert ist?

Cristina:
Hm, da gab es bisher eigentlich noch nichts wirklich Dramatisches. Es gibt vielleicht hier und da mal eine kleine Situation, wo jemand hinfällt, aber meinstens fällt das gar nicht so richtig auf. Letztens bin ich auf einem der Monitore ausgerutscht und bin dann mit meinem Kopf mit dem Kopf von einem der Jungs zusammengestoßen. Und er hat es noch nicht mal gemerkt (lacht)! Also habe ich einfach weitergesungen. Bisher ist aber wirklich noch nichts Schlimmes passiert, drücken wir die Daumen, dass es so bleibt (lacht).

Ricarda:
Wie wichtig findest du ist Image heutzutage in der Musikindustrie?

Cristina:
Ich denke, es war schon immer sehr wichtig. Die richtig großen Bands hatten immer etwas, was sie auch visuell von anderen unterschied. KISS zum Beispiel oder auch THE ROLLING STONES. Sie sehen vielleicht recht normal aus, aber haben trotzdem ihren eigenen Stil. Die Hauptsache für einen Musiker wird natürlich immer die Musik sein, aber besonders in Promobildern und bei den Liveshows ist es toll, wenn man noch etwas mehr geben kann. Man kann damit auch viele Punkte machen. Es macht definitiv die Show nicht schlechter, es macht sie besser, und daher denke ich persönlich, dass es sehr wichtig ist. Wenn du ein Künstler bist, dann musst du auch gerne mit deinem Image und deiner Bühnenpräsenz spielen. Mir macht das Spaß, aber ich differenziere auch sehr stark zwischen meinem Bühnen-Image und wie ich hinter der Bühne bin. Auf der Bühne bin ich Cristina, Sängerin von LACUNA COIL, hier bin ich jetzt einfach nur Cristina. Aber es ist nicht so, dass ich auf der Bühne schauspielern würde, es ist einfach ein anderer Teil von mir.

Ricarda:
Ok, dann habe ich eine Girlie-Frage. Ich mag deinen Stil echt gerne. Wo bekommst du die Sachen her?

Cristina:
Danke für das Kompliment. Es ist eigentlich nur ein paar Mal passiert, dass wir Zeug für uns extra anfertigen ließen, und dann haben wir selbst auch die Modelle gezeichnet. Meistens suchen wir uns das ganze Zeig selbst aus, wo wir es finden. Im Moment siehst du auf der Bühne, dass die Jungs in schwarz gekleidet sind. Ich werde weiß tragen und eine schwarze Krawatte, und Andrea wird auch weiß und eine schwarze Krawatte tragen. Wir wechseln unser Outfit mit jeder Tour, aber wir sind immer selbstverantwortlich für unseren Fashion-Stil (lacht).

Ricarda:
Was für Musik hörst du dir im Moment an?

Cristina:
Ich kann eigentlich alles hören. Ich liebe die Musik der 80er, aber ich mag auch extremere Sachen wie Death Metal und so. Ich bin nicht diese Art von Person, die sich nur auf eine Band konzentriert, ich finde, man muss offener sein.

Ricarda:
Ich habe gesehen, du hast auch eine persönliche MySpace-Seite. Dir ist der Kontakt zu den Fans also sehr wichtig?

Cristina:
Ja, auf alle Fälle. Ich verwende meine MySpace-Seite eher in dem Sinne, dass sich andere Fans finden können. Ich kann nicht auf die ganzen Nachrichten antworten, das ist unmöglich. Die Seite ist erst seit einigen Monaten online, und ich habe schon über 40000 Freunde (lacht). Ich bekomme soviele Nachrichten, dass ich gar nicht alle lesen kann, und manche gehen glaube ich auch verloren. Aber es ist toll, dass da soviel Interesse besteht. Ich kann die Seite für Promotion benutzen, und auch als eine Art Community, wo ich Nachrichten an die Fans posten kann und so.

Ricarda:
Hattest du bisher noch keine schlechten Erfahrungen mit Fans?

Cristina:
Nein, eigentlich nicht. Aber ich muss immer lachen, wenn mir jemand bei MySpace eine Nachricht schickt, ich diese nicht beantworte und dann eine weitere Nachricht kommt: "Ok, du hast nicht geantwortet. Wir sind jetzt keine Freunde mehr!" (lacht). Manche Leute denken wirklich, nur weil ich sie bei MySpace meinen Freunden hinzufüge, dass wir dann auch im richtigen Leben richtig dicke Buddies werden (lacht). Ich freue mich natürlich, dass Leute Teil dieser Community sind, aber wenn Leute erwarten, dass wir dann dicke Freunde werden, dann werden sie leider enttäuscht werden. Aber ansonsten habe ich wirklich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht mit Fans. Ich wurde immer mit Respekt behandelt und habe den Fans Respekt entgegen gebracht. Ich denke, wenn du selbst jemanden mit Respekt behandelst, dann bekommst du den gleichen Respekt auch zurück.

Ricarda:
Ok, letzte Frage. Wen wolltest du als Kind heiraten?

Cristina:
Oh Gott, lass mich nachdenken (lacht). Hm, als ich ungefähr acht war bis ich vielleicht 14 war, war ich total in John Taylor von DURAN DURAN verliebt. Ich denke noch immer, dass er gut aussieht (lacht). Aber ja, ich war total verrückt nach ihm, ich hatte unzählige Poster von ihm, jedes Poster von ihn, das ich finden konnte. Ich habe glaube ich nicht richtig darüber nachgedacht, ihn zu heiraten, aber ich war definitiv sehr in ihn verknallt.

Ricarda:
Ok, das war's. Danke für deine Zeit und alles Gute für die Show.

Cristina:
Danke. Viel Spaß bei der Show.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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