KOLDBORN: Interview mit Lars Björn-Hansen

07.10.2006 | 23:20

KOLDBORN präsentieren auf ihrem aktuellen Longplayer "The Uncanny Valley" eine Lehrstunde in Death Metal, wobei sie ihre Blastbeats mit coolen Breakwechseln und massig Melodien würzen. So macht Death Metal Spaß! Kopf hinter der Combo ist Henrik "Heinz" Jacobsen, der den meisten von euch von HATESPHERE bekannt sein sollte. Im Rahmen eines E-Mailinterviews, für die normalerweise auch "Heinz" zuständig ist, wollte ich ihn zum Album ausquetschen. Leider kam eine Tour mit HATESPHERE dazwischen, weshalb sich Sänger Lars Björn-Hansen der Fragen angenommen hat. Da er sich für die Texte verantwortlich zeichnet, ist er der ideale Ansprechpartner, um das Konzept hinter dem "Uncanny Valley" zu erläutern. Daneben hat der Junge aber auch einiges in der Birne, denn er kotzt sich nicht nur die Lunge raus, sondern kann darüber hinaus auch einen Abschluss in Psychologie und Philosophie aufweisen.

Tolga:
Hi. Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu eurer aktuellen CD. Was kannst du mir über den Songwriting- und Aufnahmeprozess erzählen?

Lars:
Vielen Dank. Wir sind sehr froh, dass dir die CD gefällt.
Was das Songwriting angeht: Unser Gitarrist Heinz bringt ein paar Riffs zu den Proben mit und wir setzen damit Stück für Stück einen Song zusammen. Wir versuchen dabei so offen wie es nur geht da ranzugehen, was uns so viel Kreativität wie nur möglich erlaubt. Es gibt keinen speziellen Weg, wie wir da rangehen, denn manchmal entsteht ein großartiger Song in einer halben Stunde und zu anderen Zeiten kostet es uns eine Menge Blut und Schweiß (hoffentlich keine Tränen, haha). Wenn der Song mehr oder weniger fertig ist, nehm ich ihn mit nach Hause und füge die Lyrics hinzu. Das ist die Art und Weise, wie wir normalerweise da rangehen.

Zum Aufnahmeprozess. Nun, jeder, der ein Album aufgenommen hat, weiß über die Höhen und Tiefen zu berichten. An manchen Tagen läuft's wie geschmiert und jeder hat sein "Leistungshoch". Und dann gibt's natürlich die schlechten Tage, wo nun wirklich gar nichts läuft: Technische Probleme, persönliche Probleme. Du weißt schon, wie der Hase läuft. Alles in allem lief's aber ganz gut, denn ich persönlich hab den Aufnahmeprozess gemocht, weil immer irgendetwas passieren kann und im besten Fall überraschst du dich selbst. Das Metal-Monster Jacob Bredahl (Sänger von HATESPHERE) war der Typ hinter dem Glas, der die Knöpfe gedrückt hat und du kannst dir wirklich keinen besseren, passenderen Mann für diesen Job vorstellen. Gute Stimmung, viel Metal und Bier. Yehaaaaaaaa!

Tolga:
Meiner Meinung nach ist eure CD eine "Best-Of" aus zwanzig Jahren Death- und Thrash Metal. Bist du der selben Meinung?

Lars:
Okay, das muss das größte Kompliment sein, das man bekommen kann. Vielen Dank. Die einzige Erklärung, mit der ich kommen kann, ist, dass wir alle schon unser ganzes Leben lang Metal hören und die Noten fließen in unsere abgefreakten Venen, weshalb ich denke, dass die Geschichte unseres Metalhörens sich in KOLDBORN manifestiert hat.

Tolga:
Was kannst du mir über den Albumtitel "The Uncanny Valley" (auf deutsch: "Das unheimliche Tal" - d. Verf.) erzählen? Ist das Musikbusiness ein "unheimliches Tal"? Das echte Leben?

Lars:
Ich weiß nicht wie viele Leute mit dem Konzept des "uncanny valley" vertraut sind, aber es beschreibt eine Theorie, die neben vielen anderen Dingen auch bei Robotics angewendet wird. Um es einfach auszudrücken: Die Idee ist die, dass, wenn wir einen Roboter/Cyborg oder irgendetwas Nichtmenschliches beobachten, je mehr es sich menschlich verhält, desto größer ist die Sympathie, die in uns geweckt wird. Aber bevor dieses "Ding", das wir beobachten, sich als 100%ig menschlich gibt, ist dabei ein Knick in der Sympathiekurve, was in Form des "Uncanny Valley" beschrieben wird. Etwas ist abgehoben, komisch, gruselig, unheimlich. Ich hatte dabei nicht unbedingt das Musikbusiness im Sinn, aber eine Menge Dinge können im Licht dieser Metapher betrachtet werden. Die Art und Weise, wie ich darüber nachgedacht habe, ist, dass Dinge nicht so sind wie sie scheinen und dass die Menschheit ein gestörtes Bild von sich selbst hat, weil wir das Ende heraufbeschwören und denken, wir wären die Herrscher des Planeten. Es würde jetzt zu weit gehen, wenn ich die Details aufzähle, wie ich auf die Idee zu dem Titel und die Texte gekommen bin, wobei die Fans schon die Möglichkeit haben sollten, sich ihre eigene Meinung zu bilden, wenn sie die Texte durchlesen, weshalb es für jeden von Vorteil ist, wenn ich jetzt aufhöre, haha.

Tolga:
Im Intro '28:06:42:12' verkündet eine Stimme, dass die Erde in genau 28 Tagen, 6 Stunden, 42 Minuten und 12 Sekunden untergehen wird. Hat es irgendeine Bedeutung und wurde es vielleicht vom Film "28 Tage später" inspiriert?

Lars:
Eigentlich ist es dem Film "Donnie Darko" entliehen. Im Film hat es schon eine Bedeutung, aber das können die Leute sich auch selber anschauen. Wir haben es deshalb ausgesucht, weil es sich sehr cool anhört und es vermittelt sehr gut das Feeling der Musik und Texte auf dem Album, das sich eine dunkle, komische und vielleicht auch pessimistische Atmosphäre verbreitet.

Tolga:
Wenn ich mir so die Songtitel anschaue, so könnte es auch ein Konzeptalbum sein? Ist dem so?

Lars:
Nein, das würde ich nicht unbedingt behaupten, aber da gibt es schon ein Hauptthema oder einen roten Faden, der sich auf dem Album befindet, was uns eigentlich egal ist. Mal sehen, ob die Leute dem zustimmen. Wir werden's ja sehen.

Tolga:
Würdest du behaupten, dass "The Uncanny Valley" dasselbe für den Death Metal ist wie das PROBOT-Projekt von Dave Grohl (FOO FIGHTERS): Ein Tributealbum für alle Death-Metal-Fans?

Lars:
Da ist es schon wieder: Ein großartiges Kompliment! Umwerfend, haha! Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Um es noch einmal zu wiederholen: Wir wurden von vielen großartigen Bands inspiriert, weshalb man schon behaupten kann, dass es einen Tribut an unsere eigene Metalgeschichte darstellt und ich denke, eine Menge Leute werden es ähnlich sehen. Es ist definitiv Metal!

Tolga:
Die schnellen Parts auf dem Album erinnern mich an Combos wie KATAKLYSM, CANNIBAL CORPSE oder NAPALM DEATH, während bei den langsamen und melodischen Parts DISBELIEF durchschimmern. Siehst du das ähnlich?

Lars:
Es ist schon sicher, dass alle drei von dir aufgeführten klassischen Death-Metal-Bands sozusagen das Fundament bei der Evolution des Metals darstellen und wir alle haben uns ihre Sounds bis zum Erbrechen reingezogen. Ich persönlich war schon immer ein riesen CANNIBAL CORPSE-Fan, und bin es immer noch. Gerade "Eaten Back To Life" war die Scheibe schlechthin in meiner Jugend. Ich denke schon, dass du recht hast, denn gerade die schnellen Parts sind sehr an klassische Death-Metal-Acts angelehnt. Ich denke aber auch, dass wir sehr modern klingen, was durchaus an dem DISBELIEF-Einschlag liegen kann, den du angesprochen hast.

Tolga:
'Below A Crushing Earth' hat einen coolen Tribalpart im Mittelteil, den ich wiederum mit dem "Roots"-Album von SEPULTURA in Verbindung bringen würde. Wie siehst du das?

Lars:
Haha, viele Übereinstimmungen! Der Part, den du ansprichst, groovt wie die Hölle und ist eines der Trademarks des "Roots"-Albums, weshalb es schon etwas damit zu tun hat. Beim Song 'A Destiny Predicted' haben Heinz und ich, bei klirrender Winterkälte, ein paar sonderbare Drumsachen mit ein paar Toms auf dem Boden improvisiert; und das in einem Raum ohne Heizung. Ich denke, vielleicht hat es einen Touch von Tribalfeeling, der da durchschimmert.

Tolga:
Auf der anderen Seite habt ihr gesprochene Parts à la PANTERA ('Hope Transformed Horizon') oder Speedparts wie METALLICA auf ihrem "...And Justice For All"-Album ('Disconnected'). Haben euch die genannten Bands bei den Songs beeinflusst?

Lars:
Zwei so großartige Bands wie die von dir genannten haben meiner Meinung nach jedes Metalalbum beeinflusst. Jeder hat sie schon mal gehört und weiß, dass sie gut sind. Ich denke nicht, dass Heinz die speziellen Passagen im Hinterkopf hatte, als er die Riffs geschrieben hat, aber es ist definitiv die richtige Stelle um nach Einflüssen zu suchen. Ich denke, dass Heinz und Jacob (der andere Gitarrist) dieses spezielle Feeling für groovy Noten haben und es scheint, als ob sie sich die locker aus dem Handgelenk schütteln.

Tolga:
Welche Bands haben euch am meisten auf dem Album beeinflusst?

Lars:
Was meinen Part als Sänger angeht, so muss ich sagen, dass ein Typ wie Joseph Duplantier von GOJIRA eine großartige und extreme Stimme hat, die meiner Meinung nach alles hinkriegt. Peter Dolving (THE HAUNTED - d. Verf.) und Corey Taylor (SLIPKNOT und STONE SOUR - d. Verf.) sind ebenfalls Sänger, bei denen es sich lohnt von ihnen zu lernen. Ich weiß nicht was die anderen Jungs zur Zeit im Speziellen hören, aber GOJIRA hat uns alle wie ein Sturm mitgerissen. Um es noch einmal zu betonen: Wir hören eine Menge Musik. Sei es Metal oder nicht, alte und neue Sachen.

Tolga:
Was mir am Album am meisten gefallen hat, war, dass ihr richtige coole Breaks in die Songs eingebaut und diese mit Tonnen von Melodien kombiniert habt. Ist das der typische KOLDBORN-Stil und was können wir auf den kommenden Alben erwarten?

Lars:
Du kannst genau das erwarten: Groove und Aggression kombiniert in eine niederwalzende Einheit mit Breaks, die den Zuhörer herausfordern. Das ist der KOLDBORN-Stil: Groove'n'Grinding modern Death Metal!

Tolga:
Lars hat eine sehr coole und kraftvolle Death-Metal-Stimme. Was kannst du mir über ihn erzählen? In welchen Bands hat er zuvor gespielt?

Lars:
Haha. Nun, das bin ich, der antwortet, weshalb die Frage ein bisschen merkwürdig erscheint. Er ist ein großartiger Kerl, haha. Nein, mal im Ernst. Ich growle, schreie und kotz mir die Lunge schon seit vielen Jahren aus. Ich hab in einer Band namens DEADLY SINS gespielt, bevor ich der KOLDBORN-Legion beigetreten bin. Was kann ich dir erzählen? Ich hab einen Abschluss in Psychologie und Philosophie was großartig ist, da die Themen zu den Texten aus den beiden Fächern herrühren.

Tolga:
Was kannst du mir über die übrigen Bandmitglieder erzählen? Irgendwelche seltsamen Hobbies, Bands in denen sie vorher gespielt haben etc. pp.?

Lars:
Wie ihr alle wahrscheinlich schon wisst, ist Heinz der immer-bangende Gitarrist von den Death-Trashern HATESPHERE und Jacob ist der immer-groovende Gitarrist von den Death Metallern DAWN OF DEMISE. Rasmus (dr.) hat bisher in vielen Bands gespielt und ist so verdammt schnell an den Drums, aber auf der anderen Seite hab ich noch nie jemanden gehört, der mit so viel Groove an die Sache rangeht. Als ob das nicht genug wäre, bearbeitet er die Felle so hart, dass er mir schon fast Angst macht, haha. Wie gesagt, das sind alle eine Horde von Weicheiern. Yehaaaaa! Das ist das Privileg desjenigen, der den Stift in der Hand hält, haha.

Tolga:
Kannst du unseren Lesern etwas über die Geschichte von KOLDBORN und den Veröffentlichungen vor "The Uncanny Valley" erzählen?

Lars:
Natürlich. Da waren ein paar Demos, die sehr gute Kritiken erhalten haben und dann kam das erste Debüt "The First Enslavement", das um einiges besser ankam. Das alles war vor meinem Einstieg in die Band. Als ich dazugestoßen bin, haben wir die EP "The Devil Of All Deals" gemacht, die mehr das moderne, einfache und dieses "Voll-auf-die-Fresse"-Feeling rüberbrachte. Die Scheibe kam ebenfalls gut an. Und nun erscheint "The Uncanny Valley" auf Listenable Records.

Tolga:
Wie schaut's mit Touraktivitäten aus? Gibt es eine Chance euch auf Tour zu sehen oder ist es nur ein Studioprojekt? Unterstützen euch Listenable Records in der Hinsicht?

Lars:
Ich kann nicht in die Details reingehen, was die Unterstützung von Listenable Records angeht, aber wir arbeiten an verschiedenen Möglichkeiten und ich bin mir sicher, dass wir einen guten Touringdeal ausarbeiten werden. Ja, die Chancen sind verdammt hoch uns auf Tour zu sehen. Ready to blast!
Alles Gute und wagst du dich, "The Uncanny Valley" zu betreten?!

Redakteur:
Tolga Karabagli

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