J.B.O.: Interview mit Vito C.
04.10.2025 | 12:59"Weil, wenn du Spaß ausdrückst, dann ist es keinen Deut schlechter, als wenn du irgendwas Düsteres ausdrücken möchtest."
Wenn J.B.O. zu einem kühlen Bierchen und netten Plausch lädt, dann kommt POWERMETAL.de doch gerne. Chris Schantzen und Michael Vogt haben sich in Hamburg mit Vito C. getroffen, um über das kommende Album "Haus Of The Rising Fun" und die dazugehörige Tour zur reden, und sind dabei auch in die Geschichte und gesellschaftliche Rolle von J.B.O. eingetaucht.
Vito, das ist jetzt doch deine x-te Album-Promotour, gefühlt. Ist das inzwischen reine Routine?
Ja, schon in gewisser Weise. Wir machen das seit 36 Jahren. Da haben wir schon das eine oder andere Interview gegeben, sag ich mal. Wir haben auch schon viele Promotouren gemacht. Aber ist ja cool. Wir erzählen ja gerne was zu dem Kram, den wir machen. Es gibt ja andere Künstler, die lieber nur ihr Kunstwerk sprechen lassen und dann lieber gar nichts dazu sagen, aber da gehören wir nicht dazu.
Da muss man sich doch fragen, jetzt nach 36 Jahren, das fünfzehnte J.B.O.-Album, braucht's das noch – wenn man das so provokant fragen darf?
Die Frage kann man ja durchaus stellen, aber wir finden halt schon. Es ist so, dass doch immer so viele Menschen danach fragen, dass wir das Gefühl haben, die wollen es halt hören. Dann kriegen sie es auch.
Sehr schön. Im Pressetext steht ja auch, ich zitiere: "Das Album "Haus Of The Rising Fun" ist nicht nur ein weiteres Kapitel in der erfolgreichen Geschichte von J.B.O., sondern vielmehr eine Antwort auf die verrückte und oft chaotische Welt da draußen." Wie erlebt ihr diese Welt?
Auweia. Die Welt ist echt krass. Es ist wirklich gerade eigentlich nicht so lustig auf der Welt. Wenn man sich im Grunde umschaut, kann man sich eigentlich jeden Tag die Haare raufen.
Letztendlich, wenn der Autoritarismus um sich greift, in immer mehr Ländern, was ich letztens gehört habe, dass die Anzahl der autoritären Regime nun die Anzahl der Demokratien überholt hat. Das ist schon was, was mir Sorgen bereitet. Natürlich gemischt mit Kriegsgefahr an vielen Fronten, wenn hier der Ukraine-Krieg eh so krass ist, aber dann auch "aus Versehen" ein paar Drohnen nach Polen reinfliegen, auf NATO-Gebiet - das ist nicht schön.
Und wenn du nach USA schaust, wo letztendlich wirklich gerade eigentlich ein Diktatur-Playbook abgespult wird, wo mir wirklich gar nichts mehr einfällt. Und es passiert nichts. Klar, es beklagen sich Leute, aber es passiert einfach trotzdem. Es geht Schritt für Schritt. Es ist ultrakrass. Und ich meine, über den Gaza-Krieg und den Nahen Osten müssen wir gar nicht reden. Das ist ja eh ein Krisenherd seit 150 Jahren, der letztendlich gerade mal wieder ein neues Kapitel aufschlägt. Also die Welt insgesamt macht mir nicht so viel Spaß.
Aber so kann man es jeden Tag sehen. Und deswegen muss man eigentlich auf der anderen Seite sein Leben auch mit Spaß anreichern.
Braucht es dafür J.B.O.?
Und dafür braucht es wahrscheinlich uns. Ich habe schon oft gehört, dass Menschen J.B.O. ein bisschen auch als Zuflucht sehen oder, dass J.B.O. Menschen über schwere Zeiten hinweg geholfen hat. Das ist etwas, was mich auch stolz macht. Und wenn es nur ein paar Menschen waren, denen es dabei geholfen hat, über schwere Zeiten hinwegzukommen, ey, that's what I'm here for.
Aber gleichzeitig hat J.B.O. über die Jahre ja auch immer wieder mit politischen oder gesellschaftskritischen Aussagen oder auch Texten und Textfragmenten aufhorchen lassen. Wäre es nicht für euch einfacher zu sagen, wir machen nur den Blödelklamauk und lassen das komplett weg?
Du, was heißt einfacher? Wir machen halt, worauf wir Bock haben. Und wenn wir gerade Bock haben, eine Nummer zu machen wie 'Hitler hatte keinen Sex', dann machen wir das halt.
Wie kann man sich das bei euch eigentlich mit dem Schreiben von den Texten vorstellen? Kommt da der Hannes mal rein und sagt, ich habe da was Geiles gehört und da müssen wir einen Text draus machen?
Zum Beispiel. Meistens läuft das so in verschiedenen Phasen ab. Das erste ist letztendlich, dass wir uns hinsetzen und uns unsere Ideen erzählen. Und das schreiben wir dann ein bisschen zusammen. Das ist dann so eine Liste, da stehen lauter komische Stichwörter. Und manchmal gibt es ja dann nicht gleich einen Titel dazu, sondern eher so eine Textbeschreibung. So eine ganz grobe Beschreibung.
Und in dem nächsten Schritt setzen Hannes und ich uns dann wirklich zusammen aufs Sofa und schmeißen uns die Lines um die Ohren. Und dann wird schön aussortiert: "Geht es so weiter? Nee, das ist aber kein guter Reim." Und dann entsteht halt dadurch ein Text.
Neben euren eigenen Nummern macht ihr ja auch reichlich Cover. Wie sucht ihr euch die Songs aus?
Da gibt es kein Kriterium, außer man hat eine Idee dazu. Und das passiert ja im Grunde einfach manchmal, wenn du es irgendwo hörst. Im Radio und plötzlich macht es Bing und da ist eine Idee. Und dann kann man das halt entsprechend umsetzen.
Hat es da auch schon mal Ärger gegeben mit irgendwelchen Künstlern oder Labels?
Meistens ist es so, dass man eine Genehmigung anfragt und dann keine kriegt. In vielen Fällen kriegt man nie eine Antwort. In anderen Fällen gibt es einfach eine klare Absage. Und das ist natürlich immer sehr schade. Es gibt etliche Nummern, die in der Schublade liegen, wo wir auch Demos gemacht haben. Und die halt nie veröffentlicht werden können.
Da, wo es dann mit der Genehmigung klappt, gibt es da Feedback manchmal?
Wir haben ja 2018 von den PRINZEN 'Alles nur geklaut' gecovert. Und dann war ich 2018 in Berlin auf GEMA-Hauptversammlung, also ich bin ja ordentliches Mitglied bei der GEMA, und da war ich dann nachher mit einem Freund, der in Berlin wohnt, irgendwo in einem Club am Abend. Und dann habe ich plötzlich gesehen, hey, das ist doch Tobi von den PRINZEN. Und dann habe ich ihn einfach angequatscht. Ich hab gesagt: "Hey, ich bin der Vito von J.B.O. und wir haben ja euren Song gecovert. Und ich wollte mich nochmal bedanken für die Genehmigung." Und er hat gesagt: "Ja, ey, gerne." Und er hat sich sehr gefreut über die Version, die viel cooler ist. Es gibt so viele schlechte Cover-Versionen von dem Song. Er hat sich gefreut, dass die wirklich einen schönen Text hat und so.
Lustigerweise habe ich ihn dann am nächsten Tag auf der Versammlung auch wieder getroffen. Er war auch da für die GEMA-Hauptversammlung. Er ist ja bei den Textdichtern, ist ja sogar im Vorstand oder so. Und da habe ich ihn dann auch gefragt: "Hast du eigentlich ein Album bekommen?" Nein, hatte er nicht. Und dann habe ich ihm gleich noch eins in die Hand gedrückt. Also das war ein sehr schönes Feedback.
Gab es schon mal einen Song, den ihr covern wolltet und durftet, der einfach nicht geklappt hat? Wo man merkt, da wird einfach nichts draus.
Nö. Es gibt aber folgendes interessante Detail. Der Song 'Dr. Met' ist ja auf dem "Killeralbum" drauf, 2011. Der Song ist aber eigentlich schon 2009 entstanden und sollte eigentlich auf "I Don't Like Metal (I Love It)" mit drauf kommen. Aber die Genehmigung kam zu spät. Das heißt, da war im Grunde eigentlich alles schon fertig, oder es war zumindest klar: Die Songs machen wir jetzt. Und wir hatten dann angefangen, den Song einzuspielen, aber das wurde nicht fertig. Und als es um die Songs vom nächsten Album ging, hatte ich halt noch im Kopf, na das haben wir doch mal angefangen, aber am Schluss wurde es irgendwie nicht fertig.
Und dann haben wir alle gesagt, ja, hören wir es uns halt nochmal an, weil es hatte keiner mehr so genau auf dem Schirm. Dann haben wir uns das angehört und plötzlich festgestellt, das ist ja eigentlich echt eine coole Nummer und macht echt voll Laune. Dann haben wir das ziemlich schnell als erstes fertiggestellt für das nächste Album. Und das wurde dann, glaube ich, sogar der Opener, ich weiß das schon gar nicht mehr, vom "Killeralbum". Und der macht einfach Laune, der Song.
Gibt es bei euch auch irgendwelche Songs, Künstler oder ganze Musikrichtungen, wo ihr sagt, wir lassen die Hände komplett davon?
Nee, meistens ist es nur so, je unterschiedlicher der Song vom Original klingt, desto weniger hat er uns im Original wahrscheinlich gefallen. (lacht)
Ich meine, je weiter weg es ist, desto mehr Spielraum hast du natürlich auch.
Ja, weißt du, sowas wie der Song 'Ich vermisse meine Hölle', der ist auf der "Rosa Armee Fraktion" drauf, das ist ja im Original dieser Song von ZLATKO, 'Ich vermiss dich wie die Hölle'. Ich fand es ein grauenhaftes Machwerk. Und ich finde, diese Coverversion macht mir aber echt großen Spaß. Also, grad weil es so blöd ist.
Kommen wir zum neuen Album, das kommt ja am 9. Januar raus. Inmitten der Tour, auch ein bisschen ungewöhnlich, dass ein Album während der Tour rauskommt.
Richtig.
Bist du schon aufgeregt wegen der Tour? Freust du dich schon drauf?
Klar, ich freue mich immer aufs Live-Spielen. Ich meine, aufgeregt... Meistens ist es schon so, dass die ersten Konzerte immer noch so ein bisschen nicht so ganz rund sind. Weil man im Grunde eine neue Setliste hat, manche Songs hat man noch nie gespielt und so. Deswegen sind die ersten Konzerte meistens so ein bisschen, ja, wackelig, aber jetzt nicht wirklich. Ich glaube nicht so, dass es die Leute merken, sondern halt für einen selber. Und das macht es natürlich ein bisschen aufregend, aber ansonsten freue ich mich einfach aufs Live-Spielen, ja.
Ist da noch eine Aufregung vor dem Auftritt dabei oder ist das mittlerweile bei euch so routiniert eingespielt?
Es ist eine Vorfreude da, ja, weil es macht einfach Spaß. Weil mit dem Publikum, wenn du auf die Bühne gehst, da ist die Energie einfach spürbar. Aber klar ist eine Routine da und man weiß, was man kann und hat im Grunde eine gewisse Selbstsicherheit. Das ist aber auch wichtig meiner Meinung nach. Es gibt ja angeblich Künstler, die immer noch total Schiss haben. Aber das ist bei mir nicht so. Ich freue mich einfach und bin freudig erregt, sagen wir es mal so.
Wie unterscheidet sich so eine J.B.O.-Tour mittlerweile von einer Tour von vor 20 oder 30 Jahren?
Wir haben mehr Falten und oben weniger Haare und unten mehr.
Naja, das ist vielleicht schwer zu sagen. Das fragst du mal jemanden, der vor 30 Jahren da war und der jetzt mal wieder kommt. Ich war ja immer dabei. Für mich ist der Unterschied ja nicht so spürbar. Ich denke, es bin ja immer noch ich. Und es fühlt sich auch noch so ähnlich an. Man nimmt sich ja mit. Deswegen kann ich es dir gar nicht so genau sagen.
Ich höre von Leuten, die sagen: "Ich habe euch vor 20 Jahren gesehen, ich finde es jetzt viel cooler." Aber es gibt auch wieder andere Leute, die sagen: "Ihr seid alt geworden."
Das ist wahrscheinlich ein bisschen so, wie wenn man das eigene Kind aufwachsen sieht jeden Tag. Man sieht es nicht, aber wenn du Geschwister alle sechs Monate siehst und dann die Sprünge quasi siehst.
Und dann siehst du die Fotos von vor zehn Jahren. Und denkst, oh Gott.
Aber eure Outfits sind ja zumindest zeitlos.
Ja, eben, genau.
Wie stellt ihr eure Setlist für eine Tour zusammen?
Ich sag immer: "Hannes, mach mal eine Setlist." Und dann macht der Hannes die Setlist. Und dann so: "Ja, das geht aber da. Nee, also, nee. Da müssen wir aber noch..." Und so entsteht dann die Setlist.
Habt ihr so eine Mindestzahl im Kopf von den neuen Songs, die gespielt werden müssen?
Nö, wir machen uns da keine echten Vorgaben. Und ich sage es mal so, man muss der Tatsache ins Auge sehen, dass die Leute ins Konzert gehen und eigentlich eh die alten Sachen hören wollen. Deswegen werden wir auf keinen Fall das ganze neue Album spielen. Das machen wir eh nicht. Das ist auch stimmungsmäßig nicht sinnvoll. Das heißt, wir werden immer live viele alte Songs spielen und wir werden mal schauen, welchen wir irgendwo wieder aus der Schublade holen, den wir schon länger nicht mehr gespielt haben.
Habt ihr von den Songs, die in der Schublade sind, welche dabei, wo ihr sagt: "Da schämen wir uns ein bisschen für, die lassen wir lieber in der Schublade drin, die kommen nicht mehr raus."
Ich glaube, es gibt Songs, ich will aber gar nicht näher darauf eingehen, auf welche wir nicht ganz so stolz sind. Die spielen wir halt einfach nicht. Aber ganz lustig ist ja, dass zumindest die "Lyrik" ["Explizite Lyrik" - Anm. d. Red.] auch in ihrem pubertären Humor trotzdem eigentlich komplett spielbar ist. Also wir haben ja jetzt die ganze Tour das erste Album gespielt und das passt schon. Ich meine, klar, 'Walk With An Erection', das ist eigentlich so hohl, aber dadurch halt auch wieder lustig.
Damit wirst du heutzutage Präsident.
Ich glaube, damit will ich gar nicht Präsident werden.
Bei uns in der Redaktion gibt es gerade immer wieder die Diskussion über Spaß-Metal und Party-Metal, der nur zur Unterhaltung dient, ob der jetzt seine Berechtigung hat und da sind die Lager so ein bisschen fix, in beiden Richtungen. Was sagt jetzt jemand vom Fach dazu?
Was soll das? Das frage ich mich. Weil, was ist denn Musik? Musik ist Unterhaltung. Natürlich ist es auch Kunst und es ist im Grunde auch Ausdruck eines Gefühls, aber das ist ja dann Spaß-Metal genauso. Weil, wenn du Spaß ausdrückst, dann ist es keinen Deut schlechter, als wenn du irgendwas Düsteres ausdrücken möchtest. Deswegen finde ich letztendlich dem anderen die Berechtigung abzusprechen, das ist schon ganz schön dreist und eigentlich nicht gerechtfertigt. Weil ich sage jetzt auch nicht zum Dark-Metal, das hat keine Berechtigung, weil das macht ja keinen Spaß.
Also was soll denn das? Deswegen sage ich live and let live und es gibt doch für alles eine Berechtigung. Klar kann man zum Lachen auch in den Keller gehen oder vielleicht hat man gar nichts zu lachen. Schau, da werde ich jetzt auch polemisch. Aber im Grunde, wenn man mir letztendlich die Berechtigung abspricht, werde ich doch sowas auch mal sagen. Das wird man doch nochmal sagen dürfen. (lacht)
Was war denn dein letztes Konzert, wo du privat hingegangen bist?
Ich bin ja in meinem Nebenjob noch Veranstalter für Klassik- und Jazzkonzerte und auf dem Gelände hat eine ROBBIE WILLIAMS-Coverband gespielt, die habe ich mir angeschaut. Und danach habe ich mir noch JAN DELAY angeschaut, auch in Erlangen. Das war das letzte Konzert, was ich mir privat angeschaut habe: JAN DELAY auf der Kulturinsel Wehrmühle.
War gut?
Unfassbar geil. Was für eine unfassbare Band. Den Schlagzeuger von JAN DELAY kenne ich auch, weil ich mit dem mal bei einem anderen Projekt sogar zusammengespielt habe, mit Joost Nickel. Da gibt es die lustigsten Konstellationen in dieser Szene.
Zum Schluss noch eine Frage. Wenn du dir jemanden aussuchen könntest, der ein J.B.O.-Lied covert, welcher Künstler und welches Lied?
Uff! Alter, was für eine Frage.
Sie können nicht alle einfach sein.
Ich würde gerne MANOWAR hören, wie sie 'Verteidiger des Blödsinns' spielen. Das wäre schön.
Vielen Dank Vito, für das Interview. Wir sehen uns auf der Tour!
Alles klar. Sehr gerne.
"Haus Of The Rising Fun" erscheint am 9. Januar 2026.
Das Interview wurde von Reining Phoenix Music organisiert - vielen Dank, Vanessa!
Die Interview-Bilder sind von Michael Vogt. Die Live-Bilder sind von Chris Schantzen und stammen vom Summer Breeze 2024.
- Redakteur:
- Chris Schantzen