Im Rückspiegel: EUROPE

23.09.2023 | 13:53

Wenn man es ausspricht, hält jeder kurz inne und rechnet nach: Vierzig Jahre sind seit dem Debütalbum der schwedischen Stars EUROPE vergangen, vierzig Jahre, mittlerweile elf Alben und vor allem natürlich der Smash-Hit 'The Final Countdown', der die Charts der Welt erstürmte.

Da die Band selbst in diesem unter dem "40 Years"-Banner touren wird, nehmen wir das zum Anlass, einen kleinen Blick in den Rückspiegel zu werfen. Ja, keinen echten Diskographie-Check, weil wir erwarten, dass da bald ein weiteres Album hinzukommen wird. Solange ständig neues Qualitätsfutter kommt, heben wir uns einen noch genaueren Blick auf. Hier also eine Übersicht über alle Alben der Skandinavier in chronologischer Reihenfolge. Legt die CDs raus und hört am besten mit!

 

Europe (1983)

Wer nur die kommerziell erfolgreichen Singles von EUROPE kennt, wird sich vielleicht wundern, dass das 1983 bei Hot Records veröffentlichte selbstbetitelte Debütalbum doch deutlich metallischer tönt als jene. Zudem verströmt es sogar noch etwas Underground-Flair. Finanziert wurden die Aufnahmen für "Europe" durch den Gewinn des nationalen Talentwettbewerbs "Svenska mästerskapen i Rock". Im Zuge dieses Events kam es dann auch zur Umbenennung vom ursprünglichen Namen FORCE zu EUROPE. FORCE war bereits 1978 von Sänger Joey Tempest und Gitarrist John Norum gegründet worden. Für das Debüt schrieb Joey alle Songs im Alleingang. Einzige Ausnahme ist das Instrumental 'Boyazont', das von John Norum und Eddie Meduza, einem musikalischen Mitstreiter aus früheren Tagen, komponiert wurde.

Der rasante Opener 'In The Future To Come' offenbart bereits alle Stärken der Formationen, die auch für die folgenden Veröffentlichungen maßgeblich werden sollten: Melodik, ein außergewöhnliches Gitarrenspiel und natürlich ein charismatischer Gesang, auch wenn Joey erst mit dem Zweitwerk diesen ganz speziellen Goldschimmer in seiner Stimme gewinnen sollte. Mit 'Seven Doors Hotel' konnte EUROPE damals sogar schon einen kleinen Single-Hit landen. Mein persönlicher Favorit ist das faszinierende 'The King Will Return', das mit seiner Melodieführung eine Sonderstellung im Schaffen der Schweden einnimmt. Also unbedingt antesten! Auch das balladeske 'Words Of Wisdom' ist ganz wunderbar. Das Ungeschliffene und der jugendliche Charme machen neben der musikalischen Qualität den Reiz des ersten Albums aus.

[Jens Wilkens]

 

Wings Of Tomorrow (1984)

Ich stelle fest, dass ich in meinem Leben viel zu wenig über "Wings Of Tomorrow" gesprochen habe. Hier hat sich etwas aufgestaut, so dass jetzt die Gefahr besteht, etwas zu sehr ins Schwärmen zu geraten angesichts der Qualitäten meines unangefochtenen Lieblingsalbums von EUROPE.

Die Härte des Debüts wurde zwar beibehalten, aber alle Verbindungen zum Underground wurden gekappt. Das Zweitwerk bietet zwar gleich zwei Balladen auf, hat aber gleichzeitig die größte Dichte an härteren Songs unter allen Alben der Band. Die Produktion hat ebenfalls Ecken und Kanten.

Das erlesene Songwriting macht es schwer, einzelne Titel hervorzuheben. Aber natürlich muss der phänomenale Opener 'Stormwind' genannt werden, der meiner Ansicht nach, neben 'Blackout' von den SCORPIONS, der beste Hardrock-Song der 80er ist. Gesang, Gitarre, Melodien – allesamt anbetungswürdig. In eine ähnliche Kerbe schlägt der großartige Titelsong. Noch knackiger, treibender und schneller sind 'Scream Of Anger', 'Wasted Time' und 'Lyin' Eyes', die ebenfalls alle drei echte Volltreffer sind. Die Ballade 'Open Your Heart' gehört definitiv zu den Großtaten der Band. Auf "Out Of This World" gibt es eine hervorragende Neueinspielung, aber die Originalversion hat sogar noch etwas mehr Charme. Auch die zweite Ballade 'Dreamer' gehört zu den besten, die Joey Tempest in seiner Karriere geschrieben hat. 'Dance The Night Away' ist feinster Classic Rock, der in den Strophen ein wenig an DEEP PURPLE erinnert. Dass "Wings Of Tomorrow" in meiner persönlichen Liste von Zehn-Punkte-Alben einen unverrückbaren Platz einnimmt, dürfte wohl niemanden mehr überraschen.

[Jens Wilkens]

 

The Final Countdown (1986)

Ta-ta-taaa-taaa, ta-ta-ta-ta-taaa... Kaum liest man den Albumtitel, hat man den Ohrwurm auch schon für die nächsten Minuten, manchmal auch Stunden im Kopf. Man muss sich einmal die ganzen Superlative auf der Zunge zergehen lassen: Das Lied ist ein Nummer-Eins-Hit in 26 Ländern der Erde gewesen, darunter Deutschland. Aktuell hat das Video auf Youtube 1,1 Milliarden Views und beinahe 250000 Kommentare! Es wurde gespielt auf jeder Feier, die etwas auf sich hielt, zwischen 1986 und heute, Jahreswechsel sind ohne diese Song gar nicht mehr denkbar! Dabei entstand das Stück eher zufällig, als die Band einen Konzertopener komponieren wollte und Joey Tempest eine mehrere Jahre alte Idee aus der Schublade zog. Was für eine Erfolgsgeschichte. Soweit der Titelsong. Überragend. Alles in den Schatten stellend. Alles? Nein, das dann doch nicht. "The Final Countdown", das erste Album EUROPEs auf dem Majorlabel Epic, enthält weitere Riesenhits, von denen jede Kapelle schon mit einem einzigen als legendär gelten würde. Oder kennt hier etwa jemand die Superschnulze, und ich sage das mit Respekt und Wonne, kann ich doch aus dem Stand mitsingen, 'Carrie' nicht? 'Rock The Night', die Neuaufnahme eines Liedes, das noch aus der Zeit vor dem Epic-Deal stammt, oder 'Cherokee', das beinahe so ein böser Ohrwurm ist wie der Titelsong, dürften auch von den meisten beim ersten Tönchen erkannt werden. Gibt es an solchen Überhits etwas Schlechtes? Ja, gibt es, nämlich dass die anderen Lieder dieses nahezu perfekten Melodic-Rock-Scheibchens einfach übersehen werden. Dabei wären zumindest 'Time Has Come' und 'Heart Of Stone' auf jedem anderen Album Chartfutter und klares Hitsingle-Material."The Final Countdown" ist das karrieredefinierende Album der Schweden, die sich damit von einer bereits sehr guten Hardrock-Band zu einer AOR-Ikone wandelten. Während ich in Bezug auf manch andere Band eher mal die Augenbrauen hochziehe, wenn von deren Großtaten die Rede ist, weil es sich meist um kleine, herausragende Speerspitzen handelt, ist dieses großartige Album bei EUROPE keine Ausnahme, sondern die Regel. Und für Viele, trotz der genannten Olymp-Hymnen, nicht einmal das beste EUROPE-Album. Nicht wahr, Jonathan?

[Frank Jaeger]

 

Out Of This World (1988)

"Out Of This World" war schon immer meine liebste EUROPE-Scheibe. Warum? Das ist manchmal schwer zu beschreiben. Klar ist es eine pure AOR-Scheibe, ohne die Siebziger-Anleihen, die es vor dem Stadion-Rock-Hit schlechthin bei den Schweden ja deutlich gab. Was mir am Besten gefällt? Die Keyboards. Ja, meine ich ernst - das taugt mir schon sehr. Als Pianist kann ich damit schon viel anfangen. Aber auch der unheimlich warme Gitarrensound hebt diese Scheibe hervor. Versteht mich nicht falsch, ich mag auch die sehr erdigen neueren EUROPE-Alben, aber wenn es für mich ein ultimatives Album der Band gibt, dann dieses. Die mehrstimmigen Gesänge haben locker BEATLES-, teils sogar QUEEN-Niveau, die Gitarren singen mit, die Keyboards sorgen für einen dauernden Synthie-Unterton, der ganz laut "Achtziger!" schreit. Und dann haben wir noch das beste Songwriting der Bandgeschichte - denn 'Superstitious', 'More Than Meets The Eye' oder 'Never Say Die' sind absolut wundersame AOR-Perlen, wie es nur wenige andere Bands hinbekommen haben. Eines der besten Melodic-Rock-Alben aller Zeiten!

[Jonathan Walzer]

 

Prisoners In Paradise (1991)

Einem "Final Countdown" kann man kommerziell kaum ein gleichwertiges Album nachlegen. Das merkte EUROPE auch mit "Out Of This World" bereits, als die noch kurz zuvor ausverkauften Arenen auf der nächsten Tournee schon nicht mehr so voll waren. So zog sich die Band bald zurück und komponierte Songs für den Nachfolger, die man dem Label vorlegte und die im Jahr 1990 abgelehnt wurden. Abgelehnt. Ja, so waren die Regeln vor Indie-Veröffentlichungen, MySpace, Youtube, Bandcamp, ja, dem Internet allgemein. Die Labels hatten alle Macht und zu dieser Zeit war Achtziger-Rock das hässliche Entlein der Musikwelt. Dabei hatte man sich eigentlich eher abgesetzt, die Lieder waren rockiger, rifforientierter, man komponierte als komplette Band und Sänger Joey hatte sogar die Locken abgelegt! Beinahe hätte man sogar Bob Rock als Produzenten gehabt, aber den musste man an METALLICA abtreten.

Die Band begann also noch einmal von vorne, ersetzte Songs, schrieb weitere Lieder mit Komponisten außerhalb der Band, natürlich auf Geheiß der Plattenfirma, und komponierte mit "Prisoners In Paradise" ein durchaus erfolgreiches Album, zumindest wenn man es nicht an dem 1986er Output misst. Was ihr Label natürlich tat. Musikalisch führt die Band ihren Stil weiter, agiert aber etwas erdiger und stellt sich breiter auf, sicher ein Resultat der Kollaborationen mit anderen Songschreibern. Das Resultat ist trotzdem ein echtes EUROPE-Album, dessen beste drei Songs meiner Ansicht nach 'Seventh Sign', der Titelsong und 'Girl From Lebanon' sind. Übrigens alle ohne Hilfe von außen komponiert.

Von den Aufnahmesessions existieren Demos, die ihren Weg auf Youtube gefunden haben, sodass wir wissen, was EUROPE eigentlich vorhatte, was aber eben mit Epic Records kollidierte. Gute, knackige Songs, eine Art Rückbesinnung auf ihren Hardrock der Frühzeiten, aber die Musikindustrie ließ die Band nicht aus ihrem Korsett. Das Resultat war ein Album, das es in den USA, dem wichtigsten Markt, nicht einmal in die Charts schaffte. Wenig überraschend waren die Musiker erschöpft und man kam überein, eine Pause einzulegen. Soloalben waren die Idee für die aktiven Mitglieder, von denen in den kommenden Jahren einige veröffentlicht werden sollten. Zurück bleibt ein gutes Album zwischen Melodic Rock und Hardrock, das sich nicht verstecken muss, auch wenn es im Gesamtkontext sicherlich zu den schwächeren der Band zählt. Wobei schwächer hier immer noch nördlich von "unverzichtbar" logiert.

[Frank Jaeger]

 

Start From The Dark (2004)

Irgendwann sank das EUROPE-Schiff Anfang der 1990er Jahre in Grund und Boden, doch wie aus dem Nichts - und daher hätte der Titel nicht treffender gewählt werden können - waren die Schweden wieder da. Und wer über all die Jahre nur die "The Final Countdown"-Gassenhauer EUROPEs kannte, dürfte 2004 sehr überrascht über das Comeback-Scheibchen gewesen sein. Die Songs sind rockig, roh und sehr basisch. Und trotzdem - oder gerade deshalb - kommen sie schnell auf den Punkt und zeigen EUROPEs sehr zielstrebige Seite. Mal grooven Tempest und Co. ziemlich fett vor sich hin, mal schmeißen sie melodische Rockohrwürmer reihenweise in die Mengen. Und das macht von vorne bis hinten über 50 Minuten gehörigen Spaß. Allein der Titeltrack, 'Flames' und das balladeske 'Hero', sind nur drei der zahlreichen Hits, die dieses auf den ersten Blick recht unscheinbare Scheibchen vom Stapel lässt. Doch wissen wir nur zu gut, dass man Musik nicht nach der Optik bewerten solle. Und im Inneren des sehr starken "Start From The Dark"-Albums rockt es gewaltig nach vorne. Ohne Kitsch und Klimbim. Einfach Rock. Melodisch, ehrlich und straight. Rock eben.

[Marcel Rapp]

 

Secret Society (2006)

Die alte Gang war wieder zusammen, hatte ein beachtliches Statement in Form des Reunion-Albums abgeliefert und wollte nun nachlegen. Die Handschrift von Gitarrist John Norum, der in die Arme der Band zurückgekehrt war, ist unüberhörbar, hier noch mehr als auf dem düsteren Vorgänger. Denn "Secret Society" wirkt fröhlicher, offener und verbindet dabei verschiedene Stile und Stimmungen zu einer passenden Melange, die sich eben besser zusammenfügt, als auf dem Vorgänger mit seinen heruntergestimmten Gitarren. Die alte Stärke, eingängige, nachvollziehbare und im Ohr bleibende Rocksongs zu komponieren, bildet nur das Grundgerüst, auf dem Knaller wie 'Always The Pretender' aufbauen, während der hardrockige Einfluss, sicher nicht zuletzt auf Norum zurückzuführen, sich im titelgebenden Opener und 'The Getaway Plan' Bahn bricht und auch sonst immer mal durchschimmert. Erfreulicherweise hat auch Blues einen Platz im Sound der Schweden, was zu dem Albumhighlight 'Devil Sings The Blues' führt, okay, neben 'Love Is Not The Enemy'. Aber auch sonst gibt es keinen Ausfall, aber dann doch ein, zwei Stücke, die nicht ganz so überzeugend sind, wie man es von EUROPE gewohnt ist. Das liegt aber auch an der neuen Ausrichtung, man hat das Gefühl, die Band experimentiert ein wenig, was auch den eklatanten Unterschied zum Vorgänger erklärt. Und zum Nachfolger, der eine erneute Steigerung sein sollte!

[Frank Jaeger]

 

Last Look At Eden (2009)

Nachdem der Vorgänger noch etwas moderner tönte, geht es mit "Last Look At Eden" stärker in eine klassische Rock-Richtung. Die Produktion ist fett und zeitgemäß, aber nicht wirklich anschlussfähig an die damaligen Rock-Radio-Geschichten. Das tut der Band natürlich gut. Mein Eindruck ist: Mit der "Last Look At Eden" schlagen die Schweden letztlich den Kurs ein, der seitdem konsequent und auf hohem Niveau gefahren wird. Obwohl eine Generation jünger als DEEP PURPLE und URIAH HEEP, veröffentlichen die Jungs um Tempest, seit jetzt über einer Dekade auf ähnlich hohem Niveau, phänomenalen Classic Rock - in der harten Ausführung. Eine Schnulze wie 'New Love In Town' ist großartiger AOR, driftet dabei aber nie so stark in die Kitschecke ab wie manche Mitt-Achtziger-Geschichten von EUROPE. Manchmal sind mir die (Synthie-)Streicher etwas zu präsent. Da könnte ich tatsächlich ab und zu mehr Gitarre vertragen - also eine stärker in den Vordergrund gemischte Gitarre, denn was da auf dem Sechssaiter gemacht wird ist rhythmisch schon großes Kino. Während ich beim Achtziger-Hammer "Ouf Of This World" die klassischen Synthies liebe, sind sie mir hier manchmal etwas zu kitschig. Insgesamt handelt es sich aber um ein starkes Rock-Album, das die Band danach ja sogar noch toppen konnte.

[Jonathan Walzer]

 

Bag Of Bones (2012)

Seit ihrem Comeback 2004 hat EUROPE für meine Ohren drei sehr ordentliche, moderne Rockalben veröffentlicht. Prinzipiell verhält es sich mit dem 2012er-"Bag Of Bones" ebenso, nur haben die Schweden eine deutliche Prise mehr Blues mit in ihren Sound gepackt. In meinem Hinterstübchen hatte ich das Album dadurch als etwas zu bluesig, zu schwerfällig abgestempelt, wofür ich aber nach erneuter Begutachtung absolut Abbitte leisten muss. Ja, die Hammond-Orgel bekommt gefühlt (noch) mehr Raum und der amerikanische Southern-Rock-Anteil ist ebenfalls erhöht, aber die Coolness, die Riffs und die starken Melodien sind auch in diesen vierzig Minuten mehr als im Überfluss vorhanden. Vielleicht fehlt Album Nummer 9 letztendlich der alles überstrahlende Hit, der sich auf eine Stufe mit beispielweise 'Start From The Dark', 'Let The Children Play' oder 'Last Look At Eden' stellen lässt, aber mit kraftvollen und von Norums Riffs getriebenen Nummern, wie 'Riches To Rags', 'Firebox' oder 'Mercy You Mercy Me', können sie bei mir sofort punkten. Auch die etwas getragener daherkommenden 'Not Supposed To Sing The Blues', 'My Woman My Friend' oder das Titelstück, wissen ebenfalls zu überzeugen. Wer auf erwachsenen, bluesigen, sehr amerikanisch klingenden, erdig-lebendigen Rock steht, der darüber hinaus noch zeitgemäß produziert und mit etlichen Hooks versehen ist, sollte EUROPE nach der Jahrtausendwende auf jeden Fall anchecken. Und da ist es bis hierher tatsächlich egal, zu welchem Album ihr greift.

[Chris Staubach]

 

War Of Kings (2015)

Es ist schon echt verwunderlich, welche Streiche einem sein Gedächtnis spielen kann. Während ich den Vorgänger "Bag Of Bones" als eher unscheinbar abgestempelt hatte, war "War Of Kings" in meiner Erinnerung ein eher fantastisches Scheibchen. Und während der Vorgänger in der Nachbetrachtung als Gesamtheit bei mir qualitativ explodierte, warte ich beim zehnten Studioalbum der Schweden auch nach gut fünfzig Minuten noch auf den großen Dosenöffner. Dabei geht es mit dem Titelstück grandios los und es spricht auch im weiteren Verlauf kaum etwas für Kritik - und doch gibt es insgesamt einfach zu wenige Ankerpunkte, die die Songs nachhaltig im Langzeitgedächtnis platzieren würden. Die Schweden fühlen sich in ihrer entspannten und unaufgeregten RAINBOW-/ BLACK-COUNTRY-COMMUNION-Ecke scheinbar (zu) sehr wohl, was den Vortrag enorm gefällig, aber eben auch ein bisschen austauschbar macht. Das ist Meckern auf sehr hohem Niveau, zumal Joey weiterhin fantastisch singt, John teilweise enorm cool rifft und soliert und die Produktion angenehm lebendig ist. Ich kann selbst nicht genau benennen, was mir auf "War Of Kings" fehlt. Sind es die großen Überraschungen? Die Hits? Ein bisschen mehr Pfeffer? Oder ist mir auf Strecke einfach die musikalische Ausrichtung zu routiniert? Trotz guter Songs, wie beispielsweise 'Nothin‘ To Ya', 'Children Of The Mind' oder 'Second Day', ist dieses Werk das für mich schwächste Album der Post-Comeback-Ära. Aber wer weiß, mal sehen, wie es in ein paar Jahren aussieht. Habe mich ja schon einmal von meinen Geschmacksknospen in die Irre leiten lassen.

[Chris Staubach]

 

Walk The Earth (2017)

Kaum zu glauben, aber das letzte EUROPE-Album hat schon stolze sechs Jahre auf dem Buckel. Ich jedenfalls mag die Neuzeit aus dem schwedischen Rock-Hause sehr gerne, da sie ungeschliffenen, erdigen, aber melodischen und sehr charismatischen Rock, mit der einen oder anderen Glanzperle, zum Besten gibt. Und so ist "Walk The Earth" auch solch eine, denn schon das faszinierende Artwork deutet eindrucksvoll an, zu welchen Leistungen EUROPE, auch im 14. Jahr nach der Reunion, imstande ist. Richtig, Tempest und seine Mannen schauen über den Tellerrand und lassen auch die etwas düsteren Momente durchscheinen. Das mag in der Wortwahl paradox klingen, doch trotz dieses erfrischend nachdenklichen Anstrichs, gehen die "Walk The Earth"-Songs mitten durchs Herz: Während 'Election Day' und 'GTO' noch in die klassischere Melodic-Rock-Ecke schielen, tendieren 'Pictures', das so gehaltvolle Titelstück und 'Siege' in eine beinah schon dramatische Richtung, die packt, fesselt und zum Nachdenken und vor allem Mitfühlen anregt. Anno 2017 zeigten die Herrschaften von EUROPE also dem jungen Gemüse, zu welchen Großtaten die alternen Herren noch in der Lage sind. Das Album ist vom ersten bis zum letzten Ton unheimlich stark.

[Marcel Rapp]

 

Elf Alben und im Grund genommen elf Treffer im Bull's Eye des Melodic Rock, ohne sich ständig zu wiederholen. Das soll der Band erstmal jemand nachmachen. Die anstehende Tour dürfte sehenswert sein, denn live ist die Band ebenfalls eine Bank, wie ich auf mehreren Konzerten erleben durfte. Also ist die Vorgehensweise so: Im Oktober schaut man sich EUROPE live an und danach freuen wir uns auf eine neue Studioscheibe. Das ist zumindest mein Plan in Bezug auf eine der besten Rock- und AOR-Bands aller Zeiten!

Redakteur:
Frank Jaeger

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