IRON SAVIOR: Interview mit Piet Sielck

02.12.2020 | 14:37

Viele Wege führen nach Rom oder eben laut Piet Sielck zu einem neuen IRON SAVIOR-Album. Doch nicht nur aufgrund der Corona-Situation war dieser etwas steiniger als sonst. Doch letztendlich ist alles gut verlaufen, wie uns der sympathische Hamburger im Gespräch über "Skycrest", die letzten Monate sowie die kommenden Taten, die da noch folgen, berichtet.

Lieber Piet, vielen Dank zunächst, dass du dir ein bisschen Zeit für meine Fragen nimmst. Wie geht's dir? Wie ist die momentane Stimmung im IRON SAVIOR-Camp?

Die Stimmung ist ganz hervorragend. Wir sind sehr froh und sehr zufrieden mit dem Album. Natürlich nervt der zweite Lockdown, aber so haben wir wenigstens Zeit für Interviews und können uns auch zum Einstudieren der Songs für die Bühne treffen. Das macht Spaß, und was Spaß macht, macht natürlich auch glücklich. Daher ist die Laune gut!

Seit "Kill Or Get Killed" sind lediglich anderthalb Jahre vergangen. Es schien seitdem vor Kreativität und Tatendrang nur aus dir herauszusprudeln, oder?

Ja und nein: Tatsächlich hatte ich noch einen gewissen Energieüberschuss vom letzten Album zu verzeichnen, so dass ich noch im Sommer letzten Jahres schon wieder mit dem Songwriting angefangen hatte. Ich hatte daher schon vor Herbst 2019 vier, fünf Songs im Grundgerüst zusammen. Ich habe dann im Winter noch ein, zwei Ideen zu Papier gebracht - bzw. auf Festplatte, hehe - und wollte dann im Januar und Februar noch mal richtig Gas geben. Das war der Plan, der allerdings dann durch die furchtbare Krebsdiagnose unseres Bassisten Jan komplett über den Haufen geworfen wurde. Seltsamerweise war mir gar nicht so nach Songwriting. Das waren sehr bittere und sehr bange Wochen, aber am Ende kam dann doch die erlösende endgültige Diagnose, die Jan eine hundertprozentige Heilung in Aussicht stellte. Und dann kam Corona. Da hatte ich dann zwar ganz viel Zeit, aber umgekehrt auch wiederum ganz wenig Lust im Studio zu sitzen, und fröhliche und positive IRON SAVIOR-Songs zu schreiben. Damit aber keine negativen Vibes ihren Weg auf die Scheibe finden, habe ich es lieber gelassen und gewartet, bis sich die Laune irgendwann auch wieder besserte. Ab da ging es dann relativ schnell, da sich offenbar doch das ein oder andere aufgestaut hatte, was nun hinauswollte. Natürlich hätten wir mit dem Album auch bis 2021 warten können. Es war uns allen und vielleicht auch mir persönlich besonders wichtig, das Album in demselben Jahr zur Veröffentlichung zu bringen, in der auch die furchtbare Krebsdiagnose gestellt wurde. Sozusagen als Ausgleich.

Mittlerweile hat Jan diesen aber besiegen können, oder? Kannst du uns ein kleines Update geben?

Die Ärzte hatten glücklicherweise recht! Jan hat den Krebs inzwischen vollständig besiegt und gilt als hundertprozentig geheilt. Natürlich waren die Monate der Chemotherapie sehr anstrengend und haben auch ihre Spuren hinterlassen, mit denen Jan jetzt noch zu kämpfen hat. Er hat eine umfangreiche Rehabilitation durchlaufen und ist immer noch dabei seinen Körper wieder dahin zu bringen, wo er einmal war. Das dauert und für ungeduldige Menschen, so wie Jan und ich es beide sind, ist es schwierig, die nötige Geduld aufzubringen. Aber es wird! Auf jeden Fall danken wir allen Himmeln, allen Göttern und allen Mächten dieser Welt dafür, dass wir zusammen noch viele Jahre Musik machen können!

Gott sei Dank, das beruhigt! Viel Zeit verging zwischen "Skycrest", eurem neuen Werk, und dem Vorgänger also nicht. Inwieweit lassen sich die beiden Alben deiner Meinung nach vergleichen?

Aufgrund der relativ kurzen Zeit, die zwischen den beiden Veröffentlichungen liegt, sind die Alben natürlich quasi schon automatisch mehr miteinander verbunden als andere. Tatsächlich hatte das letzte Album einen gewissen Nachhall bei mir hinterlassen, der sich im Songwriting niederschlägt. Ging das letzte Album ja schon eher in Richtung der früheren Zeit, so lässt sich dieses über das neue Album noch umso mehr sagen. Da ich mich immer weiter entwickle - Stillstand ist Rückschritt  - habe ich bei "Skycrest" das Wissen und die Erfahrung, welche ich beim letzten Album gesammelt hatte, optimal einsetzen können. In Sachen Produktion ist das neue Album noch mal eine Steigerung um 20-30%.

Gestaltete sich aufgrund der andauernden Corona-Pandemie die Arbeit an "Skycrest" schwierig? Wie verliefen die Aufnahmen?

Die Aufnahmen verliefen trotz Corona völlig problemlos. Ich befinde mich ja in der glücklichen Situation, ein eigenes kleines Studio zu besitzen, in dem ich so lange und so ausgiebig sitzen kann, wie ich möchte. Es läuft also keine Uhr und es drücken keine Kosten. Die Drums wurden wieder wie schon auf dem letzten und vorletzten Album als MIDI-Tracks aufgenommen. Auf der anderen Seite haben wir aber auch vieles im Retro-Old-School-Stil aufgenommen. So ist zum Beispiel Jan dieses Mal für die Bass-Aufnahmen jedes Mal zu mir ins Studio gekommen. Er hätte sie auch bequem zu Hause am eigenen Rechner machen können, aber für die Vibes, die Magie und die Stimmung an sich haben wir uns dieses Mal für diese Variante entschieden. Bei den Gitarren habe ich dieses Mal wieder einen echten Amp, eine echte Vorstufe und eine echte Box mit echten Mikrofonen benutzt. Ich habe kein Problem mit Ampsims, wenn sie gut sind. Beim letzten Album hat mir die Simulation besser als der wirkliche Verstärker gefallen, dieses Mal war es wieder andersrum. Viele Wege führen eben nach wie vor nach Rom. Und für mich ist es immer wieder spannend, den aktuell besten und schönsten zu suchen und gelegentlich auch zu finden, hehe.

Betrachtet man einmal die Trackliste - 'Welcome To The New World', 'There Can Be Only One', 'Our Time Has Come' - sprüht das Album vor einer regelrechten "Jetzt erst recht"-Mentalität. Mit welcher Zielsetzung bist du an die Arbeiten an der neuen Platte herangetreten?

Ich gehe eigentlich immer mit derselben Zielsetzung an ein Album heran: Es soll das beste werden, was ich je gemacht habe! Auch wenn es vielleicht nicht jeder so sehen mag, aber ich bin hier und heute der Ansicht, dass ich dieses Ziel erreicht habe. "Skycrest" ist das Beste, was ich bisher gemacht habe. Hier hat einfach unheimlich viel funktioniert und letztendlich perfekt zusammengepasst. Das kann man nicht wirklich vorher planen, man kann es versuchen und wenn es klappt, muss man dankbar sein. Ich persönlich finde das Songwriting extrem gut gelungen, die textlichen Inhalte sind noch ein wenig mehr auf dem Punkt als sonst, das Album hat eine subtile emotionale Tiefe, die für mich ganz besonders ist und es verfügt über eine schier unglaubliche Dynamikspanne. Wenn man sich das Album anhört, hält es einen von der ersten bis zur letzten Note in Atem. Und man will es sofort wieder hören, denn trotz der im Vordergrund stehenden Power/Energie birgt es eine Menge an Details, die sich erst step by step erschließen. Es ist daher also so, dass es von Anfang an knallt und überzeugt, aber dennoch weiterwächst, je öfter man es hört. Manchmal ist es ja so, dass man zu Anfang von etwas ganz begeistert ist, die Halbwertszeit dann aber recht kurz ist und die Begeisterung auch schnell wieder verfliegt. Das ist bei "Skycrest" definitiv nicht der Fall. Ehrenwort.

Hand aufs Herz: Dem kann ich nur zustimmen! Das liegt allerdings auch an besagter emotionaler Tiefe. Die Hintergründe sind klar, aber magst du ein wenig über den von Jan-Sören eingesungenen Song 'Ease Your Pain' erzählen? Eine Art Muntermacher auch in schwierigen Zeiten?

Diese Frage müsste Jan natürlich selbst beantworten, aber ich versuche es mal. Rein musikalisch ist das natürlich Jans Verarbeitung seiner schweren Zeit, das ist klar. Der Text handelt davon, wie schwer es für ihn war, seine Lebensgefährtin ob seiner Erkrankung so leiden zu sehen. Das war für ihn offenbar schlimmer als sein eigenes Leid. Daher war es mir auch von Anfang an klar, dass Jan diesen Titel selbst einsingen soll, was er auch in beeindruckender Weise getan hat. Ich finde, die Ballade ist ein wirkliches kleines Highlight auf der Platte. Natürlich gibt es auch die Fraktion, die Balladen für fünf Minuten verschwendete Zeit hält. Dem konnte ich mich noch nie anschließen und für alle Balladenliebhaber ist diese eine ganz hervorragende "Zeitverschwendung" geworden, hehe.

Eine kleine Änderung gab es hinsichtlich des Artworks, da es weniger mit den letzten, sondern mehr mit den ersten IRON SAVIOR-Platten zu vergleichen ist. Wie siehst du das?

Der Vergleich mit den ersten Platten ist mir noch gar nicht so klar geworden, aber ja, wenn man sich das Debüt und vielleicht auch die "Interlude" ansieht, dann mag das schon stimmen. In erster Linie wollte ich nicht unbedingt wieder eine Weltraumszene. Ich liebe Weltraumszenen, aber wir hatten wirklich viele davon auf unseren Alben. Ursprünglich sollte das Cover-Konzept eher auf dem Song 'Hellbreaker' basieren und einen martialischen futuristischen Sci-Fi Krieger/Soldier in einer fremdartigen Höllenwelt zeigen. Das war allerdings doch schwieriger in der Umsetzung, als ich ursprünglich dachte. Außerdem hatte ich nicht damit gerechnet, dass der Song 'Skycrest' so geil wird. Daher habe ich quasi um fünf vor zwölf noch mal das Ruder herum gerissen und mit Felipe das jetzige Cover erarbeitet. Ich finde das Artwork hammergeil und bin sicher, den Fans wird es auch gefallen! Sieht auf einem T-Shirt einfach super aus. Natürlich auch auf Vinyl oder dem schicken Box-Set. Von daher sind wir alle der Überzeugung: alles richtig gemacht!

Auch dem kann ich mich nur anschließen, mein Lieber. Die beiden vorab veröffentlichten Songs 'Souleater' sowie 'Our Time Has Come' sind zwei unheimlich bockstarke Nummern. Inwiefern repräsentieren beide die neue Platte?

Es war unheimlich schwierig, die richtigen Kandidaten für die Vorab-Veröffentlichungen auszuwählen. Eigentlich hätte fast jeder Song auf dem Album das Zeug zur Single. Die beiden jetzigen Kandidaten spiegeln das Album daher auch nur bedingt wider. Außerdem haben wir wirklich extra nicht die allerbesten Songs genommen, da wir den Fans noch einen gewissen Aha-Effekt beim Albumkauf lassen wollten. Auf der anderen Seite sind die beiden Songs stark genug, um richtig Lust auf das Album zu machen. Ich persönlich finde es immer etwas schade, wenn das Pulver schon fast vollständig durch Vorab-Veröffentlichungen verschossen wurde. Das ist bei uns auf keinen Fall so! Von daher würde ich abschließend sagen, die beiden Songs repräsentieren das Album schon, aber das Beste kommt erst noch.

Bei Facebook hast du geschrieben, dass "Skycrest" deiner Meinung nach eins der drei besten IRON SAVIOR-Alben ist. Welche anderen beiden hast du denn im Auge und wieso? Was zeichnet diese drei Alben aus?

"The Landing" ist ein sehr emotionales und extrem wichtiges Album ohne das wir heute nicht dort stehen würden, wo wir jetzt stehen. Wir waren quasi totgesagt. Das Album entstand in einer für mich sehr schwierigen Zeit (Dockyard-Pleite) und beinhaltet unseren wohl bisher erfolgreichsten Song 'Heavy Metal Never Dies'. Ein weiteres sehr wichtiges Album in unserer Karriere ist die "Condition Red", das erste Album nach der Trennung von Kai Hansen. Und dann wäre da selbstverständlich noch das Debüt "Iron Savior", welches einfach als Klassiker Kultstatus besitzt. Und welches von den drei Alben, die ich jetzt genannt habe, rausfliegt, damit "Skycrest" rein kommt, das muss jeder für sich selbst beantworten, hehe.

Eine Tour mit "Skycrest" ist momentan ja leider nicht möglich, aber was steht nach der Veröffentlichung bei IRON SAVIOR denn so an? Hast du einen sehr vollen Terminkalender?

Wir werden am 9. Januar bereits wieder auf die Bühne gehen und hier in Hamburg ein weltweites Online-Konzert spielen. Das tun wir im Rahmen des jährlichen Ballroom Birthday Bash. Das hat für uns alle eine besondere Bedeutung, da der Birthday Bash im Januar 2020 die letzte Show war, die wir mit Jan vor dem Krebs gespielt haben. Die Birthday Bash Show am 09.01.21 wird die erste Show nach Genesung sein. Es schließt sich also ein Kreis. Weiterhin haben wir viele Shows aus 2020, die 1:1 nach 2021 verschoben wurden. Ob die alle so wie geplant stattfinden können, wissen wir bisher einfach nicht. Wir hoffen alle, dass Corona es zulässt und die Impfstoff-Situation so weit vorangeschritten ist, dass wir die Shows wie geplant absolvieren können. Wir haben Shows für Ende Januar und auch schon den Februar. Da sehe ich zwar leider momentan noch etwas schwarz, aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt. Hier in Deutschland spielen wir 2021 auf mehreren Festivals und planen auch noch ein paar Einzelshows, ebenfalls in Spanien haben wir bereits Festival-Gigs und werden dort auch wieder eine kleine Mini-Tour machen. Es wird uns auch wieder nach Russland führen und in Skandinavien haben wir auch einige Festival-Shows. Wir werden damit auf circa 20-30 Gigs kommen und das ist für uns auch ebenso ausreichend wie erforderlich! Wir vermissen die Bühne, die Fans, die Party, die Energie!

Es steht also eine Menge an und man darf sich auf 2021 freuen! Eine letzte Frage, mein Lieber, oder besser gesagt zwei: Gibt es irgendeine Interviewfrage, die dir so langsam aber sicher zum Hals raushängt und welche Frage wurde dir bisher noch nie gestellt, die Antwort brennt dir aber auf der Seele? Dann hast du hier die Gelegenheit dazu, das loszuwerden.

Am meisten nervt mich die Frage beziehungsweise Aufforderung: Piet, wie war das denn so mit IRON SAVIOR. Erzähl doch mal...! Sorry, auch wenn es arrogant klingt, setze ich nach 25 Jahren Bandgeschichte bei einem Interviewpartner voraus, dass er zumindest in groben Zügen weiß, mit wem er redet und das setze ich auch bei dem Leser voraus, der sich einen Artikel über IRON SAVIOR zu Gemüte führt. Das ist also eine nervige, überflüssige Frage. Das sind Standard-Routinefragen, die erkennen lassen, dass der Interviewpartner sich mit der Materie kaum beschäftigt hat. Kommt bei mir meist nicht so gut an, das kommt aber tatsächlich relativ selten vor. Weiterhin mag ich es auch nicht so gerne, wenn ein Interview quasi zu 70% aus Kai Hansen besteht. Ja, der liebe Kai war bei den ersten drei Alben dabei und hat dort insgesamt auf den drei Alben drei Songs geschrieben und zehn Soli abgeliefert. Das ist eine nicht zu schmälernde Leistung, allerdings war Kai zu keiner Zeit federführend bei IRON SAVIOR. Daher ist ein Interview, in dem es nur um Kai geht, am eigentlichen Thema vorbei. Das hatte ich glücklicherweise aber schon sehr lange nicht mehr und seit "The Landing" eigentlich überhaupt nicht mehr. Inzwischen ist jedem klar, dass IRON SAVIOR eine völlig unabhängige, eigenständige Kraft in der Metalwelt darstellt. Das sind so die beiden Hauptthemen, die mich wirklich nerven. Da ich aber hauptsächlich mit sehr guten und sehr interessierten Journalisten zusammenarbeite, machen mir die Interviews in der Regel sehr viel Spaß und ich kann tatsächlich gar nicht sagen, dass es irgendetwas gibt, was ich unbedingt mal gefragt werden möchte. Die meisten stellen schon sehr geschickte und auch interessante Fragen, die ich gerne beantworte. Manchmal ist es mir etwas zu persönlich, dann sage ich das und dann ist das auch gut. Im allgemeinen bin ich aber ein sehr offener und auch mitteilsamer Mensch und habe auch keine Scheu.

Lieber Piet, vielen Dank noch einmal! "Skycrest" ist einmal mehr Power Metal par excellence und hat alles, was sich das metallische Herz wünscht. Dir gebühren die letzten Worte an unsere Leser von - wie passend - POWERMETAL.de.

Ich möchte noch einmal im Namen der Band und auch insbesondere im Namen von Jan allen danken, die uns die Treue halten, die uns unterstützen und die vor allen Dingen in der schweren Zeit mit Jan so viele positive Energien gesendet haben. Das werden wir euch nie vergessen und das hat auch wirklich sehr geholfen. Vielen vielen Dank dafür, ihr seid die Größten!

Redakteur:
Marcel Rapp

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