HELL OVER HAMMABURG: Interview mit Veranstalter Wolf-Rüdiger Mühlmann
19.02.2019 | 22:17Bald ist es wieder soweit! Die Pforten zur Hölle öffnen sich in Hamburg, denn das "Hell Over Hammaburg"-Festival geht am ersten Märzwochenende in die nächste Runde. Erneut wird ein breites Spektrum der aktuellen Szene durch facettenreiche Bands präsentiert. Wir haben uns die wichtigsten Informationen von Veranstalter Wolf-Rüdiger Mühlmann geholt, der auch schon einen kleinen Hinweis auf das nächste Jahr gegeben hat. Lest selbst ...
Erstmal Herzlichen Glückwunsch, ihr seid ausverkauft, wenn ich das jetzt richtig mitgelesen habe. Was ist das für ein Gefühl, wenn man so eine Bestätigung für seine Arbeit erhält?
Wir freuen uns natürlich sehr, dass wir mit dem diesjährigen Billing offensichtlich erneut den Geschmack der Fans getroffen haben. Nach all den Jahren würden wir schätzen, dass wir ein treues Stammpublikum haben, das die etwaige Hälfte der gesamten Besucheranzahl ausmacht. Darauf aufbauen zu können, ist quasi die halbe Miete und lässt uns im Vorfeld des Festivals etwas ruhiger schlafen, denn das finanzielle Risiko hinter einem solchen Event ist immens.
Gibt es grundsätzliche Änderungen zum letzten Jahr?
Nein, bis auf Kleinigkeiten hinter den Kulissen hat sich der allgemeine Prozess bewährt. Gemeinsam mit der Markthalle bilden wir ein eingespieltes Team.
Ihr habt erneut einen wundervoll schwarz-bunten Mix ins Line-Up geholt. Trotz der unheimlich breiten Vielfalt, erschließt sich für den Betrachter aber sofort das Konzept hinter dem Festival. Es kommt das aktuell bös behaftete Wort "Authentizität" in den Sinn. Sag' bitte mal was dazu.
Nun, trotz aller Breite haben wir ganz klare Grenzen, was Attitüde, Stile und Umfeld der Bands betrifft. Überzeugungstäter, die mir musikalisch zusagen, sind herzlich willkommen, aber Plastikkram, Kreuzfahrten-Stammpersonal und Comedykapellen müssen draußen bleiben. Wir sind sehr konsequent in der Auswahl der Bands, und aus diesem Grund nehmen wir auch keinerlei Bewerbungen an, sondern gehen selber gezielt auf Bands zu.
Wie weit würdest Du denn die musikalischen Grenzen erweitern bzw. wäre zum Beispiel ein erstmaliger Auftritt von SPIRAL ARCHITECT für Dich interessant?
Ich bin ein offener Typ, naja, manchmal jedenfalls.
Aber eine Band wie SPIRAL ARCHITECT passt aus meiner Sicht eher ins Rahmenprogramm einer Mathematik-Olympiade als zum "Hell Over Hammaburg".
Wie siehst Du allgemein die Situation der Festival-Szene?
Ich wünsche mir, dass die mutigen Kleinen, die Jahr für Jahr in ihrer Freizeit ein Festival aufziehen, dem Konkurrenz- und Preisdruck der Großen standhalten können.
Du hast den Vorteil gegenüber anderen Festivals der gleichen Größenordnung, dass Du von Beginn an auch jungen Bands Co- und Headliner-Slots überlässt. Eine bewusste Entscheidung?
Ja, diese Entscheidung geschieht sehr bewusst, denn ich lebe im Hier und Jetzt. Das zuweilen übertriebene Bauchpinseln von Rentnern, die sich einzig und allein der Kohle wegen nochmal auf die Bühne stellen und mehr schlecht als recht ihre alten Semi-Klassiker intonieren, ist meine Sache nicht. Ohne Namen zu nennen, aber ein großer Teil jener Uralt-Kapellen wird seiner Headliner- oder Co-Headlinerrolle nicht mal ansatzweise gerecht. Es gibt Festivals, bei denen nachmittags auf der Bühne die größte Energie freigesetzt wird, weil die jungen Bands früh ran müssen, und danach wird die Bühne bis nachts von der Kukidentfraktion okkupiert. Ich ticke als Veranstalter da anders.
JOURNEY (und auch Steve Perry) sind momentan wieder aktiv. Wenn die Herrschaften in schwarzem Plüsch auftreten, wäre das doch ein feiner Headliner beim nächsten Mal.
Für JOURNEY müsste ich die Ticketpreise verfünffachen und könnte dennoch allen anderen Bands keine Gage zahlen.
Wird es wieder einen kleinen Metal-Markt geben?
Ja, diesmal wird Amor Fati Productions jede Menge Tonträger und Merch anbieten, und natürlich alle 18 Bands werden zum Teil exklusive Dinge verkaufen.
Kannst Du schon etwas übers nächste Jahr verraten?
Ich hoffe, dass 1000 Kehlen lautstark "By steel, by silver, I slay like a wolf in the night" mitbrüllen.
Es gibt in diesem Jahr auch noch ein Jubiläum zu feiern. Sag' doch mal was zum "Birthday Bash" des Deaf Forever. Gibt es noch Karten? Was erwartet den Fan dort?
Fünf Jahre Deaf Forever sind natürlich ein toller Grund, es ordentlich krachen zu lassen. Die gute Hälfte der verfügbaren 1.000 Tickets dürfte bereits weg sein, der Vorverkauf läuft also prima. In Kürze werden die noch fehlenden zwei Bands bekanntgegeben. Wir prügeln uns noch, welche Namen es sein sollen. Das ist der Unterschied zum "Hell Over Hammaburg": Da bin ich der ignorante, egoistische Alleinherrscher übers Billing, aber beim "Deaf Forever Birthday Bash" erledigen wir alles in Teamwork, was heißt, dass Götz Kühnemund und Frank Albrecht mit Zweidrittelmehrheit meinen exquisiten Geschmack aushebeln können, hahaha. Nein, im Ernst, das finale Billing wird typisch Deaf Forever sein und deshalb auch bei den Fans mit Sicherheit gut ankommen.
Hättest Du Dir vor fünf Jahren erträumt, dass es so laufen würde? Der Printmarkt stagniert, nur ein kleines gallisches Dorf ….
Ganz ehrlich: Wir reißen uns mit dem Deaf Forever ununterbrochen den A... auf und versuchen, ein echtes Liebhaber-Magazin zu machen, in dem sich jener Teil der Metalszene, dem wir uns zugehörig fühlen, immer wieder auf ein Neues wiederfinden kann. Wenn all der Aufwand und all die Anstrengungen überhaupt nicht honoriert worden wären, hätte ich ehrlich gesagt den Glauben an vielem verloren. Aber dass wir letztendlich so unfassbar viele offene Türen eingerannt haben, konnten wir nicht mal ansatzweise ahnen. Ich bin da sehr stolz und extrem dankbar.
Ich finde, neben der inhaltlichen Vielfalt des Heftes, die ähnlich wie das Festival immer schlüssig ist, geht ihr auch marktstrategisch genau die richtigen Wege und nutzt moderne Kanäle, um traditionsbehaftete Inhalte zu vermitteln. Spotify- Playlisten, YouTube, Krachmucker TV, all' das sind Tools, die extrem kurzweilig sind und die Euch sicherlich auch Leser bringen. Was kommt als nächstes?
Mir persönlich sind soziale Medien, abgesehen vom tollen DF-Forum, in dem ich selber sehr gerne aktiv bin, völlig egal und ich bin da auch kein Experte. Ich denke auch nicht über solcherlei Marktstrategien nach. Aus meiner Sicht dienen all diese elektronischen Tools nur einem Ziel: Sie sollen das Printmagazin unterstützen, flankieren. Für mich zählt nur das Deaf Forever als hochwertiges und grundehrliches Printmedium, alles andere ist für mich zweitrangig. Ich denke mehr über Papierdicke, Texte und Fotoqualität nach als über modische Bits, Klicks, Pieps und Bloinks.
Famous last words?
Am Arsch die Räuber!
- Redakteur:
- Holger Andrae