HELLOWEEN - Interview mit Michael Kiske

27.08.2025 | 22:36

Mit "Giants And Monsters" erwartet uns das zweite HELLOWEEN-Album nach der Reunion mit Kai Hansen und Michael Kiske. Letzterer hat sich viel Zeit für uns genommen.

Hallo Michael! Wie geht es dir? Hast du viel Promotion-Stress im Moment?

Gut, danke der Nachfrage, der Stress hält sich im Rahmen. Das ist der Vorteil, dass wir so viele sind, weißt du. Das wird ganz gut verteilt und ich habe einfach auch eine Ansage gemacht, ich will lieber ein bisschen mehr Zeit haben und dafür nicht mehr als zwei Interviews am Tag. Dann werden die Interviews besser und das haut auch ganz gut hin für mich. Aber wenn du eben keine Ansage machst, wirst du natürlich zugeschüttet – wie Andi, der hat sechs oder mehr Interviews pro Tag.

Dann lass uns mal anfangen. Wie ist die Stimmung in der Band kurz vor der Veröffentlichung eines neuen Albums?

Na super!

Seid ihr denn vor einer Album-Veröffentlichung noch nervös oder ist das eher eine freudige Erwartung, dass das Ding dann endlich an die Leute rausgeht?

Ja, also ich meine die Alben spielen sowieso nicht mehr so eine große Rolle heutzutage. Also… sie spielen schon noch eine Rolle als Visitenkarte. Wir sind ja ein Relikt aus den 80ern, da es ist schon in der DNA drin, dass das für uns eine Bedeutung hat. Aber da ist keine Nervosität oder sowas, weil eine Album-Veröffentlichung einfach nicht mehr so dermaßen wichtig ist. Aber wir sind sehr happy mit dem Album. 

Aber das Management hat immer die Hosen voll (lacht) - das ist normal, aber in der Band hier überhaupt keiner. Denn wir machen immer und haben eigentlich immer das gemacht, was wir geil finden. Und das machst du jedes Mal nach dem, wie es geht. So wie die Dynamik der Band gerade ist. Und die ist gerade sehr gut, wir sind gerade an einem sehr guten Punkt. Wir haben uns eingegrooved, sind alle sehr happy und die Sachen laufen gut. Wir bekommen auch recht schnell Feedback, wenn Journalisten und andere Leute das Album vorab hören dürfen und wir dann die Interviews geben, und das Feedback war diesmal durch die Bank weg super.

Von daher machen wir uns da auch keine Gedanken mehr, du kannst eh immer nur das machen, was du eben machst. Und dann läuft es oder es läuft nicht. Es ist aber wichtig, dass du dem bei der Entstehung eines Albums nicht zu viel Gewicht beimisst, wie erfolgreich es wird oder was andere davon halten, denn das nimmt dir deine Freiheit und letztendlich auch deine Echtheit.

Andererseits willst du natürlich, wenn du was veröffentlichst, nicht, dass die Leute das scheiße finden. Und du machst natürlich nicht mit Absicht irgendwas, was den Leuten vor den Kopf stößt. Trotzdem darfst du dich auch nicht nach dem richten, was der Markt, wenn man das jetzt mal so niederträchtig beurteilt, von dir will. Weißt du, was ich meine? Also wenn du nur eine Marionette dessen bist, was deine Kundschaft musikalisch erwartet, verlierst du mal schnell deine Seele als Musiker. Also das ist immer so ein, wie soll ich das sagen, so ein Jonglierspiel mit dem, was du wirklich willst und mit deiner bisherigen Karriere.

Also ich finde das schon wichtig, dass man sich weiterentwickelt und dass man macht, worauf man Bock hat. Da muss man ein bisschen darauf achten, dass es nicht zu schnell geht, damit die Leute mitkommen können, mit dem, was passiert. 

Ich habe das Album vor knapp einer Woche bekommen, als klar war, dass ich das Interview machen darf. Ich bin HELLOWEEN-Fan seit 1987...

Ich auch. So ein Zufall. (lacht herzlich)

Ich hatte gerade erst angefangen, Musik zu hören, hatte meine erste eigene Musikkassette gekauft und bin da ganz stolz zu einem Freund gefahren. Es war der zweite Soundtrack zur Serie "Miami Vice", unter anderem mit PHIL COLLINS und DON HENLEY. Aber mein Freund sagte, wir hören uns jetzt erst diese Platte an, die ich mir gekauft habe, aber die könnte dir zu hart sein. Wir saßen aber ungelogen eine Viertelstunde später auf unseren Fahrrädern und sind in die Stadt gefahren, ich musste dieses Album – ich rede natürlich von "Keeper Of The Seven Keys Part 1" - dann unbedingt auch selbst kaufen. Die ersten drei Songs haben gereicht! Damit ist bei mir mit der Leidenschaft für Musik losgegangen. Deswegen ist es mir ein inneres Blumenpflücken, dass ich mir dir sprechen darf.

Bei mir war das mit ELVIS. Also ich hatte vorher überhaupt kein Interesse an Musik, bevor Elvis gestorben ist. Und aufgrund seines Todes war er dann in den Medien. Es gab damals eigentlich nur Fernsehen und Radio. Aber du hast ihn halt plötzlich wieder wahrgenommen. Ich kannte den bis dahin gar nicht. Ich war ja gerade acht oder neun, als er gestorben ist. 

Ich stand dann echt jahrelang nur auf Elvis, mein Musikgeschmack war, obwohl ich ja noch ganz jung war, eher rückwärtsgewandt. Dann kamen die BEATLES dazu. Ich glaube, ich war so um die 14 Jahre alt, als es bei mir mit Hardrock losging. Das war auch durch einen Schulfreund, der hatte immer schon AC/DC, KISS und dann auch JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN gehört. Der hat mich da drauf gebracht. Das war auch genau die Zeit, wo diese Musikrichtung auch echt richtig cool und gerade so im Zenit war.

PRIEST hatte gerade "Screaming For Vengeance" veröffentlicht und MAIDEN "Number Of The Beast". Ich bin mir nicht sicher, ob METALLICA schon am Start war. Auf jeden Fall war das eine geile Zeit, um auf diese Musikrichtung aufmerksam zu werden, das war alles noch sehr frisch! Erst dann hat sich bei mir eine Schulband entwickelt. Ich wollte schon lange selbst Musik machen, aber erst durch diese Hardrock-Einflüsse hat es wirklich angefangen und hat sich in einer echten Band niedergeschlagen. Vorher hatte ich nur eine Akustik-Gitarre und habe meine Elvis-Lieder geträllert und auch deutschsprachige Lieder geschrieben ... solche Geschichten. Aber erst mit dem Einfluss von Metal wurde das eine Band. 

Ich habe das Album morgens in meinem Postfach gehabt und habe mich bis zum späten Nachmittag nicht getraut reinzuhören, weil mich euer letztes Album so abgeholt hat, dass ich wirklich gedacht habe, oh Gott, ich möchte nicht enttäuscht werden. Dann habe ich es im Urlaub auf einem Spaziergang zum ersten Mal gehört und bin 50 Minuten aus dem Grinsen nicht mehr rausgekommen. Ob es das letzte Album toppt, wird die Zeit zeigen – ich denke aber schon.

Ich finde, dass es das tut - aber wahrscheinlich anders, als das vielleicht bei dem Hörer ankommt. Ich habe persönliche Gründe, warum ich das neue besser finde. Ich fand das vorige ein bisschen überladen, ein bisschen zu viel Information. Ich finde, "Giants And Monsters" ist einfach organischer, homogener. 

Das trifft es. Das Album läuft wesentlich besser und von der Songabfolge her eleganter durch. Nicht nur, dass es ein kleines bisschen kürzer ist.

Ich meine, die Band ist auch wirklich an einem guten Punkt gerade. Das spiegelt sich natürlich immer in der Platte wider. Wir hätten eigentlich zwei Alben machen können, so viel Material war da. Wir haben das nächste Album im Grunde längst geschrieben. Und da wird sicherlich noch mehr Material dazu kommen. Aber für dieses Album hatten wir allein schon weit über 20 Songs zur Auswahl. Das ist eigentlich immer ein gutes Zeichen, wenn du sehr viel Material hast.

Die übrig gebliebenen Songs, sind die fertig aufgenommen? Also müsste man die eigentlich nur noch auf ein Album pressen und rausbringen?

Teils, teils, manche Sachen sind fertig aufgenommen, aber der größte Teil muss natürlich noch richtig aufgenommen und richtig produziert werden. Wir haben uns schon im Laufe der Produktion auf die Dinge konzentriert, bei denen wir uns gesagt haben, dass die für uns Sinn machen. Das Management hat das ein bisschen organisiert, dass man jetzt erst mal das erste Album fertig macht, so dass das einigermaßen rund ist. Dass man dann erst beim nächsten Album guckt, was brauchen wir eigentlich noch? Was fehlt jetzt noch, damit das auch eine runde Sache ist.

Aber genug Material ist auf jeden Fall da. Das wird sicherlich nicht lange dauern, glaube ich, bis die nächste Platte kommt. Also ich kann mir vorstellen, dass das sogar schon wieder übernächstes Jahr Thema ist, dass ein neues Album vielleicht dann schon rauskommt und es diesmal nur zwei, zweieinhalb Jahre dazwischen sind. Was in den 80er-Jahren ein normaler Rhythmus für Platten war. Aber das geht wirklich nur, weil die Jungs so kreativ waren und weil einfach so viel Material da ist.

Wie wählt ihr aus, welche Stücke auf das Album kommen? Wird das demokratisch in der Band entschieden oder ist es das Management, das da entscheidet?

Das macht das Management, weil die objektiver sind. Wenn wir das allein als Band machen würden ... als Songschreiber bist du sowieso voreingenommen, der Songschreiber findet ja immer sein Material am geilsten. Obwohl nicht immer (grinst). Aber tendenziell ist das eigene Material schon eine Herzenssache und selbst ich habe Lieder, die ich vom Gesangsstandpunkt aus besonders geil finde, obwohl ich ja keinen Song geschrieben habe. Jeder hat seinen persönlichen Standpunkt und seinen persönlichen Geschmack. Das ist nicht unbedingt objektiv, will ich mal so sagen. Von daher ist das sehr hilfreich, ein Management mit jemanden wie Jan Bayati zu haben, obwohl der sich diesmal auch schwer damit getan hat. 

Man merkt das, je größer die Band wird – und die wird ja immer größer, die wird ja immer erfolgreicher - desto mehr Druck lastet auf ihm. Man merkt, das fällt ihm immer schwerer - und wir erwarten ja von ihm, dass er Entscheidungen trifft, und das macht er dann auch. Uns wird zwar nichts vorgeschrieben, aber das Management macht einen Vorschlag. In der Regel ... also, ich gebe das ziemlich ab. Das können andere besser entscheiden, irgendwelche Reihenfolge und so weiter. Das macht einen auch viel freier, wenn man Sachen auch mal abgeben kann.
Ich muss nicht zu allem eine Meinung haben und bei allem meinen Senf dazugeben. Und mit dem älter werden fällt einem das leichter, finde ich.

Von dir ist diesmal weder Musik noch Text dabei, richtig?

Nein, ich nehme mich da ganz gezielt raus. Es ist nicht nötig, dass ich da was schreibe. Wenn mir was einfällt, werde ich das auch anbieten. Dann kann die Band was draus machen, wenn sie will. Aber ich habe da gar keinen Drang verspürt, auch noch Songs in den Pool zu werfen. Wir haben genug Leute, die das im Zweifelsfall besser können. Von dem Geschmack oder von der Stilrichtung der Band zumindest. Aber, man kann natürlich sagen, ich habe die Band auch ein bisschen mitgeprägt bei den ersten beiden "Keeper"-Alben. Die Lieder von mir waren immer ein bisschen anders als die der anderen. Aber irgendwie hat es mich diesmal nicht gekickt. Abwarten, vielleicht das nächste Mal.

Akzeptierst du die Texte so, wie der Songwriter sie dir vorgibt? Oder gehst du auch mal hin und sagst, das könnte wir vielleicht ein bisschen anders formulieren?

Auf jeden Fall. Wenn mir irgendwas nicht passt, dann sage ich das auch. Und das passiert auch, es gab diesmal aber nur ein, zwei, drei Mal etwas, das irgendwas nicht meine Hutschnur ist. Aber das ist auch kein Problem, ich habe noch nie erlebt, dass der Texter ein Problem damit hat, das zu ändern, wenn da wirklich was mal nicht mein Fall ist. Wir denken ja alle in eine ähnliche Richtung, von daher ist es eh nicht so, dass irgendjemand einen Text schreibt, der mir komplett gegen die eigene Hutschnur geht. Aber wenn das wirklich so sein würde und irgendein Song hat eine Aussage, die nicht meine ist, dann würde ich das einfach nicht singen, dann würde ich das einfach abgeben und zu einem der anderen sagen: Du singst das.

Wenn jetzt von, als Beispiel, von Hansen ein Song kommen würde, und da wäre ich überhaupt nicht einverstanden, die Band will den aber unbedingt so machen wie Kai den geschrieben hat, dann würde ich das halt nicht singen, sondern Kai oder Andi. Aber das hat es bisher nicht ein einziges Mal gegeben. Das sind immer nur so Kleinigkeiten, die man ein bisschen anders formuliert.

Die Texte liegen mir nicht vor, aber von dem, was man versteht – und man versteht euch ja ziemlich gut – und von den Songtiteln her scheinen diese insgesamt bis auf 'This Is Tokyo' und vielleicht 'A Little Is A Little Too Much' sehr spirituell zu sein. Es kommen sehr oft Begriffe aus dem religiösen Kontext vor. Sei es auch einmal der Holy Grail, ein Titel wie 'Savior Of The World', und sehr häufig das Wort God. Habt ihr euch das abgesprochen? Oder ist das jetzt tatsächlich Zufall, dass diese Songs auf dem Album gelandet sind?

Wir waren selbst ganz erstaunt. Jeder schreibt seine Songs und derjenige schreibt auch immer die Texte. Die Songschreiber haben ganz unabhängig voneinander ihre Sachen gemacht. Als wir unsere Listening-Session in Amsterdam gemacht hatten, im Wisseloord-Studio, da haben wir old-fashioned-mäßig Leute und Journalisten eingeladen, so wie man das früher in den 80ern immer gemacht hat, denen die Platte vorgespielt und hinterher ein Interview gegeben.

Dann kamen bestimmte Fragen zu den Texten, und dann waren wir selbst ganz erstaunt. Da ist es uns erst so richtig aufgefallen, dass die Texte alle eine gewisse Richtung haben. Das war nicht abgesprochen, das ist tatsächlich ganz von allein entstanden. Was auch sehr schön ist, finde ich, Das zeigt ja irgendwo, dass wir doch im selben Boot sitzen. Und dass das grundsätzlich, wie ich schon vorhin sagte, so eine ähnliche Denkrichtung ist. 

Ich denke, das hat auch viel zu tun mit der Zeit, in der wir leben. Wir sind ja alle auch ein Teil dieser Irrsinnszeit, wo man ja das Gefühl hat, wir bewegen uns gerade wieder rückwärts, wo gewisse Länder wieder voll in faschistoide Zustände zurück plumpsen. Da hast du natürlich noch mehr die Tendenz, auch Sinnfragen zu stellen, auch über geistige Dinge. Ich bin ja schon immer so gewesen. Aber auch die anderen in der Band, wir reden ja sehr viel miteinander, daher beeinflussen wir uns gegenseitig. Grundsätzlich ist bei uns immer schon, sogar bei Kai Hansen, wenn du die alten Texte von dem durchliest, ein gewisser spiritueller Approach da. Was ich auch gut finde.

Aber die Texte, da war tatsächlich nichts abgesprochen und alles ist einfach so entstanden. Ich finde, das zeigt eben halt, warum sich in der Band alles so organisch anfühlt - weil es im Augenblick auch sehr organisch ist. Also wir rudern in eine ähnliche Richtung, so als Sieben-Leute-Band. Das merkt man auch. 

Ich finde, "Giants And Monsters" ist viel organischer als der Vorgänger. Ich habe das Album, seitdem ich es habe, jeden Tag mindestens einmal gehört, meist sogar öfter. Ich finde es einfach super gelungen. Auch die Verzahnung von euren Gesängen empfinde ich noch gelungener, als auf dem letzten Album, da war das manchmal ein bisschen konstruiert. Ist das auch durch die vielen Konzerte, durch das Livespielen so viel besser geworden?

Am Anfang war natürlich ein Unsicherheitsfaktor da, es war für uns alle neu, dass wir es jetzt mit sieben Mann machen. Es kam auch noch dazu, dass ursprünglich gar nicht geplant war, dass Kai Hansen auch singt. Also die ursprüngliche Planung war wirklich, dass Andi und ich singen und Kai spielt Gitarre. Dann wollte Kai aber unbedingt singen. Letztendlich finden wir das auch cool, denn das gibt nochmal wieder eine andere Facette. Aber das kam noch erschwerend dazu, dass wir nicht nur zwei, sondern drei Stimmen bei "Helloween" berücksichtigen mussten.

Dann hast du auch dieses Phänomen gehabt, dass auf dem Album unbedingt jeder ein Solo auf jedem Stück haben musste - also musst du mindestens drei Solos haben. Und dann hast du natürlich auch noch sowas wie Harmony Parts etc. Letztendlich ist Vieles schnell überladen gewesen. Also nicht nur die langen Songs, auch die anderen wurden dann so konstruiert, dass jeder zur Geltung kommt. Das ist jetzt gar nicht mehr so, dass auf jedem Song jeder spielen muss. 

Sänger-Ego-Geschichten gab es bei dem Vorgänger schon nicht. Also zumindest nicht zwischen mir und Andi. (grinst) Aber es gab ein bisschen Reibereimen, weil Kai eben halt sein 'Skyfall' auch gerne komplett singen wollte. Ich hatte auf die Musik schon gesungen und alle fanden es geil, weil es einfach funktioniert hat. Es ging jetzt nicht ums Ego, sondern einfach um den Song. Und weil es einfach auch besser ist fürs Album. Da gab es längere Diskussionen, keine Streitereien oder so, es war kein Streit, aber da haben wir länger diskutiert, argumentiert... Das war das Einzige, was so ein bisschen egomäßig war. 

Aber das gab es bei dieser jetzigen Produktion überhaupt nicht. Auch Kai war total entspannt. Wenn ich irgendwas vorgeschlagen oder irgendwas von seinen Sachen gesungen habe, war er begeistert, fand das super, er war super pflegeleicht (grinst). Das spiegelt sich einfach in "Giants And Monsters" wider. Diese Unsicherheiten, die am Anfang ganz natürlich da sind, weil das für jeden neu ist und man sich erst mal richtig kennenlernen muss, die waren diesmal weg. 

Wir haben so viele Tourneen miteinander gemacht - das heißt, viele Tourneen waren das ja eigentlich gar nicht, aber wir haben so viele Konzerte miteinander gespielt. Eher zwei oder drei Tourneen, die sich jeweils über einen gewissen Zeitraum verteilt haben. Aber dadurch hat das Ganze eine andere Selbstverständlichkeit. Das Ding jetzt hat sich gesetzt und das spiegelt sich einfach wider. 

Jedes Album, das ein Künstler oder eine Band aufnimmt, spiegelt immer wider, was in der Band gerade los ist. Deswegen kannst du es auch nicht faken, wenn du dann auch zum Beispiel so Alben wie "Pink Bubbles Go Ape" machst, oder "Chameleon", die waren auch ehrlich und haben eins zu eins widergespiegelt, wo die Band zu der Zeit war - und sind in dem Sinne auch gut, weil sie halt ein Ausdruck dessen sind, was zu der Zeit mit HELLOWEEN los war. Wenn der Spirit nicht gut ist, wenn die Sterne nicht gut stehen, wenn keine gute Stimmung in der Band ist, dann musst du damit umgehen und machst halt das Beste daraus. Das ist halt immer so. Aber im Moment ist es gut. Und wenn das so bleibt - also ich meine, das nächste Album sollte auch sicher sein, das Material existiert schon, weil einfach so viel Kreativität da war, dass da überhaupt gar kein Problem ist. Im Moment ist es alles gut. Ich will das auch gar nicht zu doll beschreien. Man weiß nie, was passiert, aber im Augenblick ist die Band an einem sehr guten Punkt. Das macht gerade echt alles sehr viel Sinn. Das ist sehr schön. 

Als alter HELLOWEEN-Fan war ich total euphorisiert, als es hieß, ihr kommt zu siebt wieder. Als ich euch dann in Bochum mit der Dreieinhalb-Stunden-Show gesehen habe, da ich stand an einer von den Rampen in der zweiten Reihe, habe zwischendurch Tränen in den Augen gehabt, weil es einfach so schön war und weil man halt auch gesehen hat, wie ehrlich ihr harmoniert. Diese kleinen Dinge, Blicke, Schmunzler - die kann man, glaube ich, nicht einstudieren.

Nee. Das muss man wiederum auch unserem Management echt zugutehalten. Da sitzen Leute, die in Ordnung sind, die wir mittlerweile auch gut genug kennen und denen man auch vertrauen kann. Wo man weiß, die sitzen mit uns im selben Boot und kämpfen nicht als Management nur für ihren Vorteil, wie es ja häufig der Fall ist. Wir haben das als Band schon häufiger erlebt. Wir haben auch entsprechende Deals, nur was für uns von Vorteil ist, ist auch für das Management von Vorteil - da gibt es keine Interessenkonflikte, dafür haben wir schon gesorgt. 

Was wollte ich jetzt eben eigentlich sagen... ach ja, die Sache ist ganz vorsichtig angegangen worden. Ich war jahrelang auf Kriegsfuß mit der ganzen Metal-Szene. Ich hatte ja überhaupt keinen Bock mehr auf irgendwas. Ich war wirklich super desillusioniert und frustriert und enttäuscht und wollte damit lange auch echt nichts zu tun haben. Das hat sehr lange bei mir gebraucht, bis ich überhaupt wieder aufgemacht habe. AVANTASIA spielte auch eine gewisse Rolle. Tobi (Tobias Sammet), der mich dann überhaupt dazu gebracht hat, mal wieder sowas aufzunehmen. Dann kam Serafino (Serafino Perguino, Gründer und Chef von Frontiers Records) mit PLACE VENDOME und so weiter.

Aber das war noch lange für mich überhaupt gar kein Thema, überhaupt über eine Reunion nachzudenken. Die Geschichte kennst du ja wahrscheinlich, dass ich dann irgendwann Backstage bei einem Festival in den Weiki gerannt bin und er einfach die Friedensflagge geschwungen hat, ich habe dann irgendwann halt grünes Licht gegeben. Aber selbst, nachdem ich gesagt habe, dass ich dafür offen bin, war das noch lange keine überstürzte Geschichte von Management. 

Die sind ja nicht doof, der Jan ist ein sehr intelligenter Mensch, dem war das vollkommen klar, das muss menschlich funktionieren, sonst macht das überhaupt keinen Sinn. Und du darfst auch eins nicht vergessen, wenn du sowas wie diese siebenköpfige Pumpkin-United-Geschichte startest, da kannst du nicht so einfach wieder von weg.
Also es ist auch ein gewisses Risiko damit verbunden gewesen, das zu machen. Von daher sind wir das ganz vorsichtig für das angegangen und eine der ersten Geschichten war selbstverständlich, dass ich mich mit Weiki ausquatschen musste. Da haben Gespräche stattgefunden und wir haben uns wirklich verziehen.

Und ehrlich, das geht bei uns beiden auch gar nicht anders. Wir sind beide überhaupt keine Kalkülmenschen, sondern sehr herzgesteuerte Menschen. Und das kann man gar nicht faken. Der nächste Faktor war: Ich und Andi, wir kannten uns ja gar nicht. Das heißt, der Jan hat mich einfach, auf Deutsch gesagt, in den Flieger gesetzt und gesagt: Du fliegst jetzt da runter nach Teneriffa, ihr beiden verbringt die nächsten zwei Wochen miteinander und wir gucken mal, was dabei rauskommt.

Wir sind so gut wie jeden Tag zusammen essen gegangen, haben viel miteinander rumgehangen und haben gequatscht über Gott und die Welt, weil wir uns erst mal kennenlernen mussten. Aber das hat so gut funktioniert! Es war wirklich so, als wenn man sich schon ewig kennt. Ich meine, für mich ist das eh Karma, für mich ist HELLOWEEN meine Karma-Familie. Die Dinge passieren schon so, wie sie passieren sollen, insofern du auf dein Herz hörst. Das Herz bestimmt immer, das hat sich bestätigt in meinem Leben.

Der Kopf kommt in die Quere, das Ego kommt in die Quere. Wenn du aber auf dein Herz hörst... Man verwechselt das auch gerne, man verwechselt oft gerne egoistische Gefühle mit dem Herzen, das ist gar nicht so einfach. Das Herz muss auch gebildet sein, von einer gewissen Art und Weise, dass du das auch hören kannst, was ist eigentlich wirklich das Herz? Aber wenn du das machst, dann ergeben sich die Dinge schon so, wie sie sollen. Das fühlte sich wahnsinnig richtig an. Diese ganze HELLOWEEN-Reunion hat sich unheimlich richtig angefühlt. Und immer noch fühlt sich das wahnsinnig richtig an. Das ist ein gutes Gefühl, aber das ist auch nur eine Bestätigung, dass das gut ist, was du da machst, oder dass das richtig ist, was du da machst. 

Aber um auf den Punkt zu kommen, das Management hat das wirklich mit Babyschritten angegangen, und bevor überhaupt mit irgendwas an die Öffentlichkeit gegangen wurde, wurde klargestellt:  Das kann in der Konstellation auf einem menschlichen Level funktionieren. Selbst dann haben wir nur Verträge gemacht bis Ende 2018, es gab nur die Verträge für eine Tour, um zu sehen, ob das vielleicht doch nicht so gut läuft. Eine Tour ist anstrengend, du hast wenig Schlaf, du hängst ständig aufeinander, da wirst du richtig geprüft. Es gibt nichts, was Menschen wirklich mehr prüft, als eine Tournee zu machen. Warum verzanken Bands sich häufig? Viele Trennungen finden auf oder nach der Tour statt, weil das so eine intensive Situation ist, in der du oft kräftemäßig auf dem Zahnfleisch gehst. 

Da wirst du geprüft. Wir haben das meisterhaft bestanden. Dann haben wir erst Ende 2018 entschieden, wir machen ein Album. Wirklich Schritt für Schritt. Ich denke, das ist das Beste, was wir machen konnten.

Aber zurück. Das ist das, was du gefühlt hast, als du uns auf der Bühne gesehen hast, Andi und ich, wir mögen uns wirklich. Das ist keine Professionalität, oder dass man sich zu irgendwas zwingt, weil das wirtschaftlich so toll ist. Für mich war der Motivator, Frieden zu schließen und das aus meiner Seele rauszukriegen. Das war mein persönlicher Motivator. Heute ist es mehr als das. Heute ist es für mich eine ganz wichtige Geschichte geworden. 

Für alle Bandmitglieder war das alles andere als irgendein Wirtschaftskalkül. Fürs Management mit Sicherheit schon. Die sind schließlich auch dafür da, dass die sich um diese finanziellen Geschichten kümmern. Aber als Band war das noch nie so. Wir waren immer schon wirklich Musiker mit einem gewissen Chaos, das dazu gehörte. Auch mit einem möglichen Chaos, was das Wirtschaftliche betrifft. Ohne ein Management, das sich um diese Seite kümmert, würde es uns nichts mehr geben.

Das habe ich ja schon mit 18 Jahren gesehen. Da sind wir über den Tisch gezogen worden. Das ist aber bei fast allen Musikern so, nein, eigentlich IST es bei allen Musikern so. Das beißt sich. Entweder versuchst du, mit deinem Herzen Musik zu machen, oder du bist ein Geschäftsmann. Aber beides geht nicht zusammen. Das ist ein ganz großer Irrtum. Wenn das Wirtschaftliche, dieses ganze Geldverdienen, erfolgreich sein soll, wenn das ...  naja, deswegen habe ich es am Anfang schon gesagt, es ist dieses Jonglieren. Aber wenn das der Motivator wird für das, was du tust, dann verlierst du genau das, was dich ausmacht. Du verlierst den Spirit. Du verlierst den Geist, du verlierst deine kreativen Energien. Die gehen dir flöten. Das kannst du beobachten in der Geschichte der Musikkultur.

Es ist häufig so, dass du eine Karriere startest, wenn du jung bist, dann bist du in der Regel begeistert für irgendwas, du begeisterst dich für irgendwelche Bands oder Künstler. Aus dieser Begeisterung heraus schaffst du das, was du machst und dann wirst du erfolgreich damit. Dann ist die Gefahr ganz groß, dass diese Erfolgsseite dich auffrisst. Deswegen ist es so wichtig, ein spirituelles Rückgrat aufzubauen. Das war bei mir immer ganz entscheidend. Mein Lebenssinn ist nicht, so viel Geld wie möglich zu verdienen oder Applaus zu kriegen. Sondern mein Lebenssinn war immer, wirklich was zu lernen, als Mensch zu wachsen. Das war für mich immer diese spirituelle Geschichte.

Das andere ist eher so nebensächlich. Musik war für mich immer zentral. Aber das ist nichts, was mich jetzt hundertprozentig moralisch trägt, das ist jetzt nicht das, wo ich meine Persönlichkeit komplett drauf aufbaue. Du hast ja gesehen, ich habe auch über 20 Jahre lang ohne den Zirkus ... ok… ich habe zwar immer mal was gemacht, aber ich war eigentlich raus aus der Geschichte. Und ich kam wunderbar klar. Aber ich weiß jetzt gar nicht, wie ich darauf gekommen bin. (lächelt)

Würdest du mir zustimmen, wenn ich sage, dass es auf dem neuen Album mehr Hansen gibt als auf dem Vorgänger?

Oh ja. Ja, ja, ja. Beim Vorgänger waren wir alle so ein bisschen enttäuscht, weil er nicht in die Hufe kam. Und er kam dann erst ganz spät mit dem 'Skyfall', zum Glück ein langes und geiles Lied, ein echter Kracher. Einer der geilsten Songs, finde ich, auf dem Album. Das hat es dann wieder so ein bisschen wettgemacht. Aber auf "Giants And Monsters" hat er drei Songs - wenn ich mich nicht irre. 

Ich hätte ja schwören können, dass 'Universe (Gravity For Hearts)' von Michael Weikath ist. Und dann im zweiten Teil habe ich gesagt, okay, da hat jetzt der Kai Hansen noch ein Teil beigesteuert – aber: Der Song ist von Sascha Gerstner.

Universe (Gravity For Hearts)



https://www.youtube.com/watch?v=JtzYJdG_qX0

Da hat der Sascha dieses Lied natürlich nach dem Schulbuch geschrieben. Wir schreiben uns ein HELLOWEEN-Lied. (grinst) Das hat er auch gut hingekriegt. Und wenn das dann HELLOWEEN spielt, ist es auch HELLOWEEN. Aber natürlich hat er da ganz gezielt in den Pool der HELLOWEEN-Elemente gegriffen. Er kann ja auch anders, er hat ja auch ganz andere musikalische Baustellen. Aber da hat er einfach Bock gehabt, mal einen HELLOWEEN-Song zu schreiben, einen fantastischen noch dazu. Er hat ja den Vorteil, dass er bei HELLOWEEN spielt. Also darf er so was. (schmunzelt)

Das Cover bildet den Kampf gut gegen böse ab.

Ja. Auch da finde ich, wir haben das besser hingekriegt als beim ersten gemeinsamen Album, wo viele alte Elemente genommen worden sind, da war das Cover mehr so ein Medley aus der HELLOWEEN-Geschichte. Das ist schon ein geiles Cover, finde ich. 

Das neue Cover ist mehr abstrakt und hat so eine gewisse abstrakte, dynamische Geste, dieser Pumpkin-Kopf, der die Monster vertreibt. So eine gewisse Pose. Licht gegen Finsternis, sowas in der Art. Aber mit dem Titel "Giants And Monsters" ist es auch nicht so klar definiert - wer sind eigentlich die Giants, wer sind eigentlich die Monsters? Das fanden wir auch ganz gut, das offen zu lassen und dass man das ein bisschen interpretieren kann.
Aber darum ging es schon immer. Das ist ja in Wahrheit auch die Dynamik in jedem Menschen. Wir wollen immer geliebt werden und nicht gehasst werden. Wir wollen Freunde sein und nicht Feinde.

CoverDieser Kampf, der moralische Kampf zwischen Gut und Böse, das ist urmenschlich. Das wirst du auch nicht totkriegen, auch wenn die Oberflächlichkeit unserer Zeit das versucht, den Menschen zu erzählen, dass es nicht so ist. Es ist in allem diese Dynamik, egal wohin du guckst. Es ist im Grunde genommen der Inhalt der menschlichen Existenz, dass wir lernen, was ist gut, was ist böse, was ist richtig, was ist falsch. Von daher passt auch voll das Cover. Weil die Texte auch ganz stark mit dieser Thematik umgehen.

Als ihr das Album angekündigt habt, habt ihr für die Ankündigung ein Bild benutzt, wo so "Keeper 2"-mäßig eine Hand aus dem Wasser kommt.

Ja, aber das war ja das, was Sascha damals konstruiert hat. Da haben die Leute geglaubt, dass das das Cover wäre.

Genau, und gleich eine Diskussion über KI generierte Bilder begonnen.

Als wenn wir das nötig hätten. 

Wie ist da deine Meinung zum Thema KI generell?

KI ist faszinierend. Ich kann die Faszination verstehen. Ich habe auch eine KI-App, mit der man rumkaspert, aber KI ist eigentlich, wenn ich das jetzt mal ganz extrem vom Spirituellen aus beurteile, eine der schlimmsten Attacken an das Individuelle überhaupt, denn es wird den Menschen sozusagen für fast alles die Produktivität des Geistes abgenommen

Ich habe einem Amerikaner ein Interview gegeben, der mir erzählt hat, dass die Firmen, für die er das Interview macht, sogar wollen, dass er KI benutzt, um seine Artikel zu bearbeiten. Das ist gang und gäbe. Du kannst zum Beispiel eine E-Mail von der KI schreiben lassen - und was ist denn das Resultat davon? Dass ich von Leuten eine E-Mail kriege und das ist gar nicht mehr der Mensch, der da schreibt. Ich kann überhaupt nichts mehr herauslesen von der Persönlichkeit, sondern das ist nur noch KI. 

Und bei Kreativität, beim Songschreiben ist das ja genauso schlimm oder noch schlimmer! Wenn du jetzt alles die KI machen lässt, verblödest du, du degenerierst. Vor allem auf der spirituellen Seite - Kräfte, die du nicht benutzt, das ist doch genauso, wenn ich jetzt nur noch als Couch-Potato hier sitze, wenn ich nicht mehr meine Muskulatur benutze, was passiert mit meinen Muskeln? Die werden immer schwächer, funktionieren nicht mehr. Irgendwann gehe ich dann wahrscheinlich ein wie so eine Primel. Und das Gleiche ist geistig und seelisch der Fall, wenn du deine eigenen Produktivkräfte nicht mehr benutzt, wenn du das alles rüber schippst zum Computer: du verblödest! Und das ist die eigentliche Gefahr.

Du kannst diese Tools auch konstruktiv benutzen, an gewissen Ecken, ist das schon geil – nimm zum Beispiel die Filmindustrie. Wenn du einen Science-Fiction-Film guckst, das ist eh alles Fantasy, das ist alles inszeniert, da ist KI großartig und kann die Sachen unglaublich realistisch umsetzen. Aber überall, wo es darum geht, den Menschen zu ersetzen, seien es Arbeitsplätze oder aber auch allein die Produktivkräfte, die wir haben, geistig, seelisch, willensmäßig, wenn die alle durch KI ersetzt werden, verkümmern wir. Und das ist die ganz große Gefahr von KI.

Du wirst immer passiver, wenn du alles an den Computer abgibst. Ich kann mir schon vorstellen, wie es ablaufen wird. Du hast diesen Spotify-Skandal gehabt, dass sie diese eine KI-Band über einen längeren Zeitraum haben streamen lassen und als es dann zu einer Million Streams gekommen ist bei dieser Band, wurden die Leute natürlich neugierig und wollten mal gucken, was ist das für eine Band. Dann haben sie nachgeforscht und festgestellt, die existieren gar nicht. Es gibt keine Biografie, keine bisherigen Auftritte etc., weil die Band eben nicht existiert. Das ist ja nicht nur so, dass die ganze Band von den Fotos her KI generiert war, sondern auch die ganze Platte, alles ist einfach nur von KI erzeugt - und unheimlich gut, das hört sich unheimlich echt an. Aber es ist eine Lüge.

Und Spotify - es ist ja nicht nur, dass die die Musiker abzocken, jetzt wollen sie sie so abschaffen. Man macht das komplett mit dem Computer neu. Ich kann jetzt schon sagen, die große breite Masse schläft ja eh. Denen ist das eigentlich egal. Wenn die einen Song schön finden, dann ist das toll und ist denen auch egal, ob das KI ist oder nicht. Da wird es viele geben, die so sind.

Dann wirst du auch noch andere haben. So eine Gegenbewegung, die genau dagegen laufen wird. Ich finde es zum Beispiel geil, dass die Leute nicht wollen, dass Artwork mit KI gemacht wird. Also ich bin über diese Reaktionen sogar froh. Ich ärgere mich nur darüber, dass jemand ernsthaft geglaubt hat, dass wir ein Cover mit KI machen! Wir haben das Geld, um Künstler zu beauftragen, ein geiles Cover zu machen. Warum sollen wir zu so einer KI-Lösung greifen? Das ist ja langweilig. Da wären wir die Letzten, die das machen würden.

Das Bild, das Sascha mit KI kreiert hat, sollte einfach nur ein witziger Hintergrund sein - aber natürlich nicht das Cover. Grundsätzlich finde ich es geil, dass so viele Leute es scheiße finden. Ich finde es geil, dass sie sich darüber aufregen, wenn irgendjemand ein Cover mit KI macht. Das ist eigentlich was Gutes und das zeigt ja, dass die Leute keinen Bock haben auf computergenerierte Scheiße, sondern dass sie Sachen haben wollen, die von Künstlern gemacht sind.

Kommen wir zur Ballade 'Into The Sun'. Ich habe selten Stimmen in einem Duett gehört, wobei es ja noch nicht mal ein klassisches Duett ist, wo man abwechselnd singt, sondern das ist ja wirklich eine Verzahnung der Stimmen, die da stattfindet. Wie schwierig ist sowas für euch?

Gar nicht schwer. Also mit Andi muss ich ehrlich sagen, das ist eben mal so ein Phänomen. Ich harmoniere unglaublich gut mit ihm. Wir hängen auch immer mal so ab, es ist nicht so, dass das jetzt nur auf der Bühne so harmonisch ist. Wenn wir zum Beispiel beim Proben sind, sind wir häufig irgendwo in Karlsruhe draußen auf irgendeinem Platz zu finden und trinken Kaffee und quatschen. Das ist eine wirklich freundschaftliche Beziehung. Wir können uns unheimlich gut leiden und unterhalten uns gern miteinander. Da ist eine unheimlich gute ... Chemie ... das klingt immer so materialistisch ... Das ist ein unheimlich guter Spirit, der da stattfindet, das macht es natürlich einfach. 

Ich habe 'Into The Sun' immer schon geliebt, Andi hat den Song schon für das letzten Album geschrieben. Wir hatten ihn auch schon aufgenommen, aber er wurde musikalisch so verändert, dass Andi das nicht mehr so gut fand, man hatte die Tonlage geändert und den Song anders instrumentiert und im Endeffekt war man davon nicht mehr so begeistert. Und ich hatte den auch noch gar nicht eingesungen. Ich fand eigentlich jede Version geil, aber wie gesagt war Andi nicht so zufrieden damit, deswegen wurde der erstmal für das letzte Album gekippt.

Jetzt haben wir das Lied wieder so aufgenommen, wie es ursprünglich gedacht war, in der originalen Tonlage. Dann habe ich einmal den Song komplett gesungen, und einmal hat Andi den komplett gesungen. Es existierten also beide Versionen, und wir haben dann daraus sozusagen ein Duett gemacht. 

Aber dass das Ganze so harmoniert, denke ich, liegt einfach daran, dass wir beide als Menschen so gut harmonieren. So würde ich das erklären. Da ist kein Konkurrenzkampf, kein Neid oder irgendjemand gönnt dem anderen irgendwas nicht, sondern es geht wirklich eigentlich immer darum, was für den Song am besten ist. Oder wo der jeweilige Sänger am besten glänzen kann. Kai, Andi und ich, jeder kann jeden Song singen, das wird sich auch immer irgendwie gut anhören, wird immer irgendwie funktionieren. Trotzdem gibt es Songs, oder gewisse Stellen, die sind ist voll Andi oder total Kiske, oder das ist 100%ig was für Hansen. Das ist so einfach, witzigerweise. Das hört man einfach. Man hat die Stimme im Kopf, manchmal muss man es ausprobieren. Hin und wieder täuscht man sich auch. Ich habe schon öfter Stücke gehabt, wo ich gedacht habe, das ist nichts für mich. Und dann habe ich es gesungen und dann war es doch was für mich. 

Häufig hat der Songschreiber von vornherein einen Sänger im Kopf. So wie 'Universe', da wollte Sascha immer, dass ich den singe. Ich habe dann sogar Kai ins Spiel gebracht und habe dann gesagt, guck mal: Wenn Kai da am Anfang spricht, dann lass ihn doch auch diesen Mittelteil singen, diesen QUEEN-mäßigen Teil. Aber Sascha wollte das nicht, er meinte, das solle bitte der Kiske singen. 

Da hatte der Songschreiber eine bestimmte Vision, wer das singen soll. Aber wir haben Kai in den Backings drin! 
Manchmal haben wir auch Songs, wo wir alle drei oder nur Andi und ich das Stück jeder komplett singen und dann guckt man halt, wer fühlt sich am wohlsten damit. Es ist immer im Sinne der Sache und nicht so sehr ein Ego-Ding, das brauche ich eh nicht mehr, dass ich unbedingt jetzt so viel wie möglich singen muss. Das habe ich hinter mir.

Auch live ist es ja nur von Vorteil, dass ich nicht die ganze Zeit singen muss. Ich weiß auch gar nicht, warum Tobi (Tobias Sammet) sich das immer so schwer macht. Der hat immer so viele Sänger am Start und singt aber trotzdem 90 Prozent der Zeit. Ich an seiner Stelle würde das viel mehr verteilen, er hat ja doch genug gute Leute dabei! 

Hat er bei der letzten Tour gemacht – aber hauptsächlich, weil er ein bisschen erkältet war, aber er hat sich tatsächlich bei drei oder vier Songs komplett rausgezogen.

Eine Erkältung ist natürlich kein Argument dafür! (lacht) Nein, Spaß. Das machen wir natürlich auch, wenn wir auf Tour sind und irgendjemand fängt sich irgendeine Scheiße ein, was ja leider immer wieder passiert, dann verteilen wir den auch ein bisschen um. 

Wie ist das mit den Gitarristen und deren Parts? Spielt der Songwriter den Hauptteil der Gitarren in seinem Stück und die anderen steuern nur ihre Soli bei? Wie wird das aufgeteilt?

Also, der Songschreiber denkt sich überwiegend die Gitarren aus und ich denke mal, wenn Sascha einen Song geschrieben hat, dann wird er sicherlich zumindest eine Seite der Rhythmusgitarren spielen. Dann wird die andere Seite vielleicht Hansen oder Weiki spielen, und es kann schon sein, dass die das auch ausprobieren wie wir Sänger, wer sich irgendwie am coolsten anhört - aber du hast natürlich nicht drei Rhythmusgitarren, sondern in der Regel zwei Rhythmusgitarren und dazu Overdub-Gitarren und sowas. 

In der Regel hast du ja Weiki auf der einen und den Hansen auf der anderen Stereo-Seite. Wie die das jetzt genau verteilen, ganz genau kann ich das gar nicht sagen, da müsstest du mal die Gitarristen fragen. Aber ich glaube auch, das kann ich mir vorstellen, dass das auch ein Ausprobieren ist. Kai hat zum Beispiel ein ganz anderes Gitarrenspiel als Weiki, der ist sehr laid back und spielt sehr relaxed, eher so ein bisschen zurück. Und Kai ist immer nervös nach vorne. Und das schaukelt sich meist ganz cool zurecht, aber das eine kann besser für den einen Song sein und das andere schlechter und umgekehrt. 

Wir haben schon zweimal über ihn geredet, Tobias Sammet. Es gibt diese lustige Geschichte, die Tobi mal in einem Interview erzählt hat, dass er dich und Kai motiviert hat, auf dem ersten AVANTASIA-Album mitzuspielen, indem er so Sachen gesagt hat wie, ah Michi, der Kai hat gesagt, du kannst ja gar nicht mehr so singen wie früher. Und du dann gesagt hast, dem zeige ich es aber. Ist da was dran oder ist das eine Anekdote?

Das ist eine Anekdote. Also da kann ich mich nicht im Entferntesten dran erinnern. Vor allem hat Kai auch noch nie so gedacht. (grinst) Er wusste ja, dass ich das noch kann. Also wenn Tobi das gesagt hat, dann hat er uns geneckt, aber sicher er hat sowas nicht ernsthaft behauptet. Aber das wäre auch nicht unbedingt eine Motivation für mich gewesen. Es war aber schon so, dass Kai und ich auf der AVATASIA-Tour mal wieder zusammen auf der Bühne gestanden haben, und da haben wir schon angefangen zu quatschen und das Endresultat davon war, dass Kai dann zu UNISONIC dazu gestoßen ist. Da hat der Tobi schon so ein bisschen seine Finger im Spiel gehabt. 

'This Is Tokyo' ist die erste Single des neuen Albums. Eine Liebeserklärung von Andi an diese Stadt. Teilst Du diese Liebe?

This Is Tokyo



https://www.youtube.com/watch?v=88Nn7CIpmWQ&t=1s

Japan an sich ist natürlich für jeden, der da zu Besuch ist, faszinierend. Denn Japan ist wirklich anders, eine ganz andere Welt. Klar sind die auch längst in der Moderne angekommen und du hast alles Mögliche an Technologie und Fortschritt. Aber die kommen natürlich aus einer völlig anderen, dieser japanisch-asiatischen Kultur, haben andere Wurzeln und das prägt sich natürlich immer noch aus. Das merkst du immer noch an der Mentalität. 

Jemand, der nach Japan kommt, um da so wie wir eine Tournee zu machen, der sieht natürlich nur die Schokoladenseite. Du siehst den Fleiß, du siehst die Zuverlässigkeit, du siehst auch die Ehrlichkeit, im Sinne von: wenn sie dir ein Versprechen geben, pass auf, das und das und das wird dann und dann da sein an Equipment, dann ist das auch wirklich da.

Das ist so ein bisschen das Gegenteil von Südamerika. Südamerika ist ein reines Glücksspiel. Da sagen sie dir noch zwei Tage vorher, ja, ja, alles da und kaum bist du vor Ort, ist noch gar nichts da. Die Japaner sind das absolute Beispiel für Zuverlässigkeit und Fleiß. Die Schattenseite, die kriegen wir nicht mit. Die Schattenseite ist, dass sie eine sehr harte Kultur haben, sehr hart mit sich selber umgehen, dass sie sich am liebsten enthaupten möchten oder Harakiri machen, wenn sie irgendwo versagen. Es ist eine brutale Gesellschaft auf dem Arbeitsmarkt. Das ist nicht zu leugnen, aber das kriegen wir natürlich so nicht mit, wenn wir da sind.

Ich habe auch Freunde da. Im Laufe der Zeit, die man mit Japan zu tun hat, hat man natürlich auch Freundschaften geschlossen, man kennt die Japaner ein bisschen besser, weil man oft da war. In den 80er Jahren war das keine Seltenheit, auch mal vier, fünf Wochen dort auf Tour zu sein. Es ist ein tolles, faszinierendes Land und ich mag Japan sehr gerne. 

Wir haben so große Erinnerungen, geile Erinnerungen. Schon aus den 80er Jahren, wo wir da eine große Nummer waren mit HELLOWEEN, das ist ja dann ein bisschen abgeebbt. In den 90er Jahren hat sich Japan mehr auf nationale Musik konzentriert und westliche Musik war eine Zeit lang ziemlich out. Jetzt kommt es langsam wieder - wir konnten ja mal eben im Budokan spielen, das ist auch nicht so selbstverständlich, davon waren wir selbst ziemlich überrascht, dass das geklappt hat. Deswegen ist diese Liebesaffäre zu Tokyo und zu Japan generell, aber speziell zu Tokyo, auch wahr, das empfindet auch jeder so hier in der Band und da spricht uns der Andi mit seinem Song aus der Seele. 

Ich würde gerne nochmal zurückgehen zur Zeit von "Keeper Of The 7 Keys 2". Du hast vorhin selbst erwähnt, dass deine Songs etwas rausstechen aus dem Album, etwas spezieller sind. Da gibt es den wahrscheinlich besten Bonus-Track der Welt, nämlich 'Savage', einen der härtesten HELLOWEEN-Songs überhaupt, und der ist auch von dir.

Das war ehrlich gesagt ein Joke. Zu der Zeit stand ich auf ANTHRAX und "Spreading The Disease", das Album fand ich irgendwie geil. Also habe ich quasi eine Art Hommage geschrieben - das sollte eigentlich eher eine Art Witz sein, wurde aber doch ein ganz geiler Song. Der kam gut an und es ist im Endeffekt auch ein richtig geiles Lied geworden. Aber eigentlich ist es untypisch für mich, sowas zu schreiben – und irgendwie ist der Song ja typisch ANTHRAX. Aber ich mag sehr gerne. 

Aber da siehst du wieder - wenn man es nicht so ernst darauf anlegt, dann hast du einen unbeschwerten, kopflosen Umgang damit und daraus entstehen häufig die besten Sachen. Der größte Hit von MR. BIG – 'To Be With You' – wollte die Band gar nicht aufs Album packen. Das war eine lockere Nummer von Eric (Martin, Sänger), die fanden die alle gar nicht richtig geil, aber haben das aber trotzdem mit aufgenommen. Dann hat die Plattenfirma das zur Single gemacht und dann war es der größte Hit. Die Band selbst hatte den Song gar nicht als besonders gut auf dem Schirm gehabt. 

Aber das geht zusammen mit dem, was ich am Anfang gesagt habe. Je freier du dich machst von allem Kalkül, von allem Kopflastigen, desto besser werden die Sachen, die du machst, die besten Geschichten überall im Leben kommen aus dem Herzen. Das ist echt wahr. Das ist kein Märchen und dummes Gerede. Unser Herz ist viel klüger als der Kopf.

Kannst du mir schon irgendwas erzählen, was für euch im nächsten Jahr außer dem Rock Harz-Festival noch ansteht?

Ja, noch mehr Festivals, aber vorher haben wir auf jeden Fall im April 2026 Nordamerika geplant, sofern wir reinkommen, das ist heutzutage immer eine spannende Frage. Da hört man ja die gruseligsten Storys. Amerika, wenn du drin bist, ist immer cool. Also muss man ehrlich sagen.

Man darf sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, durch diese fürchterliche Politik. Die amerikanische Politik ist ein einziges Irrenhaus. Unfassbar, gerade für Europäer, was da Realität ist und in welcher Form da gelogen wird. Meine Fresse. Die Lüge ist allgegenwärtig in Amerika, echt unfassbar. 

Aber wenn du in Amerika selber dann drin bist, ist es eine ganz andere Welt. Der normale Amerikaner, der ist unfassbar offen, da wirst du dich wundern. Wir sind in Denver, das ist noch so eine Redneck-Stadt. Wir sind da auf so einem Country-Event gewesen, an einem Day-Off, wo du Hüte und Cowboy-Stiefel kaufen und richtig gut essen konntest. Und dann quatschst du untereinander ein bisschen Deutsch und jemand kommt zu dir: "Oh, du kommst aus Deutschland? Meine Oma auch!" Und schon bist du im Gespräch. Amerikaner sind freundlich und absolut offen, das ist fast durch die Bank weg die Erfahrung, die wir gemacht haben - der normale Amerikaner ist eigentlich äußerst liebenswert und viel, viel weltoffener ist, als man allgemein annimmt. 

Klar sind die eingeschlossen in dieser Amerika-Bubble. Und klar ist das, was die über den Rest der Welt lernen, durchaus ziemlicher Blödsinn, denn was sie in den Schulen lernen, das ist nichts anderes als amerikanische Propaganda. Das ist so. Aber rein menschlich sind die Amerikaner auch völlig in Ordnung. Man sollte Politik nicht mit den Menschen gleichsetzen. Das Gleiche gilt für Russland. Wenn du in Russland bist, der normale russische Mensch ist liebenswert, herzlich. Das sind immer Politiker, die diese Länder in Kriege und Katastrophen lenken und die Leute aufhetzen. Normalerweise haben die Völker überhaupt kein Interesse daran, sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen. Das ist immer von Politikern initiiert.

So, wir nähern uns jetzt leider langsam dem Ende. Ich habe auch alle meine Fragen tatsächlich untergebracht. Hast du noch irgendwas, was du unseren...

(unterbricht) Ach ja, deswegen habe ich überhaupt über Amerika gebabbelt. Wir machen also erst die Nordamerika-Geschichte und ich denke, den Rest des Sommers werden wir ganz viele Festivals spielen. Ich vermute mal, zum Ende nächsten Jahres, da kommt dann auch irgendwann wieder Südamerika dran. Dann ist auf jeden Fall auch ganz fest Japan wieder geplant. Wir werden 2026 natürlich viel live spielen. Und das darauffolgende Jahr auch wieder, da machen wir auch sicher noch ein paar Festivals. Erstmal ist also live spielen dran.

Ich habe HELLOWEEN auch gerne und mehrmals nur mit Andi gesehen, aber seitdem ihr zu siebt seid, ist das wirklich nochmal, wie du vorhin gesagt hast, eine ganz andere Geschichte.

Ja und vor allem ist es auch eine sehr ungewöhnliche Geschichte. Es ist jetzt nicht unbedingt normal, das so zu machen. Bei den meisten Bands läuft es so, der eine geht, der andere kommt. Wir machen das halt jetzt alles zusammen, das ist schon eine geile Sache, auch wieder sehr "helloweenisch". 

Auf jeden Fall zeugt das von einer sehr, sehr großen Menschlichkeit und Herzenswärme, dass man dann nicht gesagt hat, oh Sascha, auf Wiedersehen, Andi, war schön mit Dir! Das ist eigentlich auch die beste Message, finde ich.
Das kommt auch an bei den Leuten. Ich habe das in einem Interview schon gehört, dass jemand sagte, die Band ist ein gutes Beispiel für, wie das auch gehen kann, nicht ewig nur Zank und Streit, sondern dass man sich auch wirklich zusammenfinden kann, sich vergeben und dann gemeinsame Sachen machen kann - das ist wirklich eine schöne Botschaft. Die ist auch tatsächlich echt. Also das kann ich von meiner Seite definitiv sagen.

Ich sage ja immer: Das Management wird dafür bezahlt, dass sie wirtschaftlich denken und sich um die wirtschaftlichen Geschichten kümmern, damit wir das nicht müssen. Innerhalb der Band würde überhaupt nichts funktionieren, wenn das nicht auch menschlich zwischen uns funktioniert, und das ist auf jeden Fall der Fall.

Das spürt man. Das spürt man in der Musik, das spürt man in euren Interviews und nicht nur bei dir, sondern auch wenn man Interviews mit Andi liest oder einem der anderen. Man merkt das einfach. Das macht einfach Spaß.

Es ist momentan eine fantastische Zeit. Ich hätte es damals nie für möglich gehalten, dass es jemals zu einer Reunion kommt, aber ich bin sehr, sehr froh, dass es so gekommen ist. Ja, und alles hatte wahrscheinlich auch irgendwo seinen Sinn. 

Der Split hatte seinen Sinn, die Dinge, die man dazwischen gemacht hat, die Dinge, die man vielleicht auch mal gesagt hat und heute anders sieht. Ja, ich habe das gebraucht. Für mich war das alles sehr gut. Deswegen war es für mich auch einfach, Weiki zu verzeihen. Er kam ja wirklich zu mir und sagte, und das hat er mehrfach gesagt: "Es tut mir so leid und so, was ich damals und so, ich weiß gar nicht, was los war." Ich sagte: "Hey, das sollte so sein." 

Ich brauchte diese Zeit. Ich musste raus aus dem Zirkus. Ich musste mich mit anderen Dingen beschäftigen, mit geistigen Dingen beschäftigen. Ich habe das für mich und meine persönliche Entwicklung gebraucht. Das mag zwar für die Karriere nicht so toll gewesen sein, aber das ist sekundär. Es geht im Leben um andere Dinge und deswegen konnte ich ihm auch von Herzen verzeihen, weil ich auch weiß: das sollte sein. Außerdem können wir jetzt die Sachen machen, wie wir sie sonst nie hätten machen können. Wie wir das jetzt machen können, ist ja auch ein Resultat dessen, dass die Dinge so gekommen sind, wie sie gekommen sind. 

Ich habe mir mittlerweile für mein Leben angewöhnt, dass, auch wenn irgendwas Blödes passiert, oder etwas nicht klappt, das irgendeinen Grund hat, warum das jetzt so passiert.

Das zeigt sich häufig auch erst nach einer Weile. Ja. Es müssen erst manchmal längere Zeiten vergangen sein, dass du einen bisschen objektiveren Blick hast, dass du ein bisschen Abstand hast, dass du die Dinge dann ganz anders beurteilst. Es passiert so oft im Leben und da muss man ein bisschen wacher durchs Leben gehen, dann kann jeder das beobachten. Es passieren Dinge, die in dem Moment, wenn sie passieren, für uns wie eine absolute Katastrophe sind und wir würden uns nichts mehr wünschen, als dass das nicht passiert wäre. Ein paar Jahre später merkst du aber, dass da was Gutes bei rausgekommen ist, dass das irgendwie auf einer gewissen Art und Weise, auf bestimmten Ebenen, eine gute Sache war. 

Ja, ob man das jetzt Gottes Plan nennt oder wie auch immer, aber irgendwas ist da…

Das ist Karma. Wenn es nur die Notwendigkeit ist, dass du deine Kräfte mobilisieren musst, um aus der Scheiße rauszukommen, dass du aktiv werden musst. Aber daran entwickelst du Eigenschaften oder Stärken deiner Persönlichkeit, die du ohne diese negative Erfahrung nicht entwickelt hättest. Und wenn man nur ein bisschen spirituellen Blick auf das Leben hat, dann weiß man, dass es nicht darum geht, dass wir fett werden und alles bequem ist, sondern dass wir etwas lernen, dann macht es auch Sinn, dass gewisse Prüfungen einfach notwendig sind. Und das ist doch jetzt ein guter Abschluss - ich muss nämlich dringend pinkeln! 

Dann bedanke ich mich ganz, ganz herzlich bei dir für die Zeit, die du dir genommen hast, über eine Stunde...

...das war ein gutes Interview, wirklich, ein gutes Interview! 

Das freut mich sehr! Und ich freue mich, euch in Bochum an Halloween wieder live zu erleben, ich werde da sein!

Ich auch! (lacht) wir sehen uns!

 

Photo Credit: Andre Schnittker (Livefotos aus Stuttgart, 2022)

Photo Credit: Mathias Bothor (Bandfoto)

Redakteur:
Maik Englich

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