HARASAI: Interview mit Martin

01.04.2013 | 19:35

"Psychotic Kingdom" lässt so manchem Melo-Deather das Wasser im Munde zusammenlaufen. Anspruchsvolle, progressive und deftige Töne sprießen von den Altenessener Jungs von HARASAI zu uns rüber, was wir zum Anlass nahmen, den Burschen ein wenig auf den Zahn zu fühlen.

Hallo Martin, vielen Dank zunächst für eure Zeit. Ich freue mich, dass das Interview klappt. Wie geht es dir/euch? Alles im Lot im HARASAI-Universum?

Hi Marcel! Derzeit können wir uns absolut nicht darüber beklagen wie es läuft. Das neue Album steht in den Startlöchern und wir registrieren allmählich ein zunehmendes Interesse an uns und unserer Musik. Wir können es echt kaum noch abwarten das Teil der Offentlichkeit zu präsentieren, sowie im Gepäck mit Platte und Merch die Bühnen zu entern.

Mit "The I-Conception" habt ihr 2010 ein tolles Debüt vorgelegt. Was ist in der Zwischenzeit bei euch so passiert?

Echt cool, dass dir die Scheibe gefallen hat! Nachdem "The I-Conception" veröffentlicht wurde, waren wir zunächst sehr damit beschäftigt, die Platte in Form eines intensiven Konzertzyklus zu bewerben, der uns durchs ganze Land und auch in die Niederlanden, in die Schweiz und sogar bis nach Polen geführt hat. Das war wirklich eine sehr schöne und lehrreiche Zeit. Dannach passierten leider einige eher unerfreuliche Dinge, die uns auch ein wenig ausgebremst haben. Da wäre zum einen der Ausstieg unseres damaligen Gitarristen Henrik zu nennen, aber vor allem auch die sehr schlechte Zusammenarbeit mit unserer damaligen Plattenfirma. Der Vetrieb ging dann auch irgendwann in die Insolvenz, sodass wir bis heute nicht einen einzigen Cent gesehen haben. Sowas kann einen natürlich erstmal runterziehen und ziemlich desillusionieren, zumal wir zu dem Zeitpunkt auch noch sehr jung waren. Dennoch haben wir uns von der Gesamtsituation nicht ans Bein pissen lassen und schrieben im stillen Kämmerlein am neuen Album und spielten mit Dennis Baron von FINAL DEPRAVITY einige wirklich fantastische Shows, wie etwa das Dong Open Air, sowie die "Evil Horde"- und "Endzeit"-Festivals in der Zeche Carl in Essen. Die gaben uns dann letztlich auch neuen Mut und den Glauben an unsere Sache zurück. Es fühlt sich wirklich gut an nach all den Turbulenzen jetzt mit einem neuen Album und als wirklich funktionierende Mannschaft wieder zurückzusein. Dem liegt eine Art Reifeprozess zugrunde, den glaube ich jede Band durchlaufen muss. Frischen Wind brachte auch unser Gitarrist Patrick in die Band, der seit Frühjahr 2012 fest bei uns spielt.

 

Ihr kommt aus Altenessen, der Heimatstadt auch von KREATOR. Hatten Mille und Co. jemals einen direkten oder indirekten Einfluss auf euch und eure Musik?

Einen direkten Einfluss sehe ich da jetzt nicht, wenngleich uns KREATOR natürlich seit den frühesten Kontakten mit harter Musik ein Begriff sind. Was uns abseits der gängigen Metal-Schubladen wohl viel mehr eint, ist eine gewisse Grundaggressivität, mit der man an die Sache herangeht. Das spiegelt sich dann oftmals in der Art des Gesangs und den bewusst kritischen Texten wieder, die sich in der Regel sehr mit dem Wesen des Menschen und seinen dunklen Seiten beschäftigen. Wenn man aus einer Gegend wie Altenessen kommt, wo einen die ekelhafte Fratze der sozialen Armut Tag für Tag frech entgegenlacht, kann man auch irgendwie nicht anders. Da ist so ein gewisser punkiger Einschlag da, der glaube ich generell viele Bands verbindet, die aus so genannten sozialen Brennpunkten kommen. Da gibt es übrigens noch eine witzige Anekdote zu erzählen; Bei den Aufnahmen zum Debütalbum waren Speesy und Ventor kurz im Studio zu Gast, um zu sehen, was da so neben ihrem Proberaum getrieben wird. Da wurde uns dann auch klar, wieso dieser riesige Nightliner bereits morgens vor der Zeche stand. Die waren gerade dabei auf Tour zu fahren und holten da diverses Zeug ab.

Widmen wir uns einmal dem neuen Werk "Psychotic Kingdom". Was unterscheidet eurer Meinung nach die aktuelle Scheibe von dem eben erwähnten Vorgänger "The I-Conception"?

Musikalisch gesehen sind die beiden Alben nur bedingt miteinander vergleichbar, was vor allem an dem Wechsel zu Sebastian Levermann als Produzenten, vielmehr aber noch an unseren weiterentwickelten musikalischen Fähigkeiten liegt, die es uns ermöglichen sozusagen mehr auf den Punkt zu kommen. Jeder Song verkörpert in sich einen bestimmten Abschnitt der letzten zwei Jahre. Einige von uns hatten persönlich mit vielen emotionalen Tiefpunkten zu kämpfen. Wir sind eine Band, die in erster Linie und das ausschließlich persönlich schreibt, sodass wir viele neue Facetten miteingebunden haben um das auch abbilden zu können. Das hat dann halt auch zu einer gewissen Vielseitigkeit des Materials geführt, was bei der "I-Conception" noch nicht so war. Seinerzeit waren wir noch Schüler oder Zivildienstleistende und wussten einfach noch nicht so genau, wo wir als Menschen überhaupt stehen. Irgendwie wollten wir in erster Linie unseren zumeist skandinavischen Vorbildern nacheifern. Heute schreiben wir einfach nicht mehr mit der Intention einem bestimmten Stil oder Sound Tribut zu zollen. Natürlich beeinflussen die Bands die wir seit jeher mögen, weiterhin unser Schaffen. Es ist aber vielmehr so, dass wir das was sie uns mitgegeben haben wie ein Werkzeug nutzen und auf unsere eigene Art interpretieren. Außerdem denke ich, dass die Leute, die unser erstes Album gehört haben, auch einen gewissen stilistischen Leitfaden wiedererkennen werden. Dennoch liegen Kunst und ihre Wirkung einfach immer im Auge des Betrachters. Musik, die nur die Nachfrage des Marktes bedient und nichts Persönliches an sich hat, ist auch einfach nicht unser Ding.

 

Mir haben 'Resist To Rebuild', das melodische 'The Liquid Everything', sowie das wahnsinnige 'Three Kings' am meisten zugesagt. Steckt ein Konzept hinter der neuen Platte? Was sind eure Favoriten auf "Psychotic Kingdom"?

Es ist definitiv kein Konzeptalbum. Allerdings ist es schon so, dass sich seit dem ersten Album so etwas wie ein roter Faden durch Musik und vorallem die Texte zieht, wo dennoch jeder einzelne Song für sich selbst steht. Gerade die Texte sind sehr persönlich und bedienen sich einer Metaphorik, die für mich sehr viel bedeutet und auch zu 100% mich als Menschen beinhaltet, aber für jemand anderen womöglich etwas völlig anderes beinhalten kann. Mit der Musik, die in der Regel von Nico und Yannick kommt, ist es ähnlich. Klar hat jeder in der Band seine persönlichen Favoriten, aber am Ende des Tages hat man alle seine Kinder gleich gern. Man sollte sich ein Album sowieso grundsätzlich am Stück anhören und die Texte dazu lesen, da man sonst niemals einen ganzeheitlichen Einblick erhält

 

In meiner Rezension habe ich eure Musik als "satten, progressiven Melodic-Death-Metal mit Herz, Hirn und Charisma" beschrieben, obgleich ein Schubladen-Denken bei euch recht schwer ist. Wie würdet ihr euer Gebräu bezeichnen/beschreiben?

Lieben Dank für dieses Kompliment! Also ich denke mit der Einschätzung liegst du schon ganz richtig, da es auch in etwa den Effekt wiedergibt, den wir erzielen wollten. Das muss man aber nicht zwangsläufig so sehen. Es wird sicherlich viele Leute geben, die sich an den Veränderungen, die wir vorgenommen haben, stören werden. Beispielsweise am intensiveren Einsatz von Clean-Vocals oder akkustischen Elementen.

 

Ich habe vorhin die Stichpunkte "KREATOR" und "Einfluss" in den Raum geworfen. Welche Bands haben euch im Laufe eurer Zeit des Weiteren beeinflusst?

Als wir Mitte der 2000er Jahre mit dem Heavy Metal sozialisiert wurden, waren wir wie die meisten unserer Generation große Anhänger von Bands wie CHILDREN OF BODOM, IN FLAMES oder auch DARK TRANQUILLITY und WINTERSUN, die unser Soundbild nachhaltig geprägt haben. Irgendwann geht man dann halt ein paar Schritte weiter und beschäftigt sich mit den Ursprüngen des spezifischen Stils, den man mag. Für mich persönlich haben sich im Laufe der Jahre AT THE GATES, OPETH, Dan Swanö und die mächtigen EDGE OF SANITY, sowie DISSECTION als wichtigste Einflüsse herauskristallisiert. Auch UNANIMATED, DISMEMBER, EUCHARIST und DESOLUTORY waren einflussreich. Egal ob SUNLIGHT, FREDMAN oder UNISOUND: Diese spezifische Schaffensphase Mitte der 90er in Schweden hat bleibende Spuren in unserer musikalischen Identität hinterlassen. Es wurde aber innerhalb der Band auch immer schon alles gehört, was der bunte Topf an Gitarrenmusik zu bieten hat. Heute kann uns eigentlich so ziemlich alles inspirieren, egal ob es sich dabei um die Freundschaft zu anderen Bands wie etwa den großartigen NIGHT IN GALES, verschiedenste Metalplatten, elektronische Musik oder schlicht ein gutes Buch handelt. Und am allerwichtigsten: Unsere eigene Lebensrealität. Auf die letzten Veröffentlichungen von BETWEEN THE BURIED AND ME und THE OCEAN konnten sich glaube ich auch alle einigen, hehe.

Welche Live-Aktivitäten sind in diesem Jahr geplant? Stehen irgendwelche Festivalauftritte in Planung?

Definitiv! Im Sommer stehen einige coole Aktionen auf dem Plan, wie z.B. das "Break The Ground"-Festival mit SODOM, GLORYFUL & GRAND MAGUS in Ahnsbeck und das Nord Open Air mit EVOCATION, den APOKALYPTISCHEN REITERN & MADBALL in unserer Heimat Essen. Darüber hinaus sind bereits viele Einzelshows, u.A. in Düsseldorf, Münster, Lünen oder Remscheid, bestätigt. Ansonsten werden wir natürlich in aller Regelmäßigkeit über unsere Online-Präsenzen bekannt geben, wann wir wo zu sehen sein werden. Wir sind derzeit hungriger denn je und feilen von Woche zu Woche an unserer Performance. Sofern jemand also Lust auf eine unkomplizierte und enthusiastische Live-Band hat, sollte er nicht zögern sich mit uns in Verbindung zu setzen. Mit "Psychotic Kingdom" im Rücken möchten wir definitiv so oft es geht live spielen!

 

Sodann wäre ich mit meinen Fragen am Ende und bedanke mich nochmal für deine Geduld und Zeit. Viel Erfolg mit "Psychotic Kingdom", ich hoffe, er tritt ein. Die letzten Worte gebühren selbstverständlich dir.

Ganz ganz lieben Dank an dich und alle POWERMETAL.de-Leser, die sich dieses wirklich sehr ausführliche Interview zu Gemüte geführt haben. Wirklich schön, dass es da draußen Leute gibt, denen es nicht egal ist, was wir so treiben. Sprecht uns an, schreibt uns auf Facebook oder per Mail oder trinkt ein Bier mit uns auf den nächsten Shows. IHR seid der Heavy Metal!

Redakteur:
Marcel Rapp

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