Gruppentherapie: RAGE - "A New World Rising"

13.10.2025 | 13:05

Tatsächlich neue Welten oder doch alles beim Alten?

Die Nobelpreise werden verliehen, und die POWERMETAL.de-Gruppentherapie-Serie kürt den Soundcheck-Sieger des Septembers. Ganz oben steht einmal mehr ein Teuton, ein metallischer Fels in der Brandung, RAGE! Moment, einen RAGE-Sieg gab es doch vor Kurzem erst? April 2024 mit "Afterlifelines". Wir bekommen wohl niemals genug davon, weil er laut Hauptrezensent Tobi "schlicht und ergreifend stark" sei, der gute alte RAGE-Metal. Doch "A New World Rising" macht hier nicht nur Freunde, einer stellt den Gesang gar in die Pop-Punk-Ecke. Was es sonst noch zur neuen RAGE zu sagen gibt, lest ihr hier.

RAGE ist eine Bank. Und während alle über HELLOWEEN (z.B. hier) und sehr viele über PRIMAL FEAR (z.B. hier) sprechen, müssen wir auch unsere Worte über die neue RAGE-Scheibe verlieren.

Unglaublich, oder? 27 Alben, über 40 Jahre purer Heavy Metal  auch ab und an mit der orchestralen Schlagseite  und Peavy als unumstößlicher Fels in der Metal-Brandung. Richtig, auf seine Pappenheimer kann man sich blind verlassen, und so ist auch "A New World Rising" ein tolles Album. Weshalb es sich mir zum gewissen Teil verschließt, weiß ich nicht. Wieso ich paradoxerweise zum "Afterlifelines"-Doppelwhopper einen schnelleren, einfacheren Zugang fand, kann ich mir nicht erklären. Weshalb ich an doch manchen Stellen den letzten Kick, das gewisse Extra, vermisse, weiß wohl nur der liebe Gott. Dem dürfte "A New World Rising" wie auch allen anderen RAGE-Fans gefallen, zumal man keine anderthalb Jahre nach der letzten Scheibe schon wieder neues Ohrenfutter vor den Latz geknallt bekommt.

Warum "A New World Rising" daher "nur" sieben Punkte meinerseits bekommt... puh... Fragen über Fragen, haben Peavy und Co. trotz des verheißungsvollen Titels doch nicht sonderlich viel an ihrer Durchschlagskraft, an ihrem Tatendrang und an ihrem kräftigen Schwermetall verändert. Business as usual, einmal mehr. Ob es daran liegt?

Note: 7,0/10
[Marcel Rapp]

 

Huch, ein neues Album von RAGE? Das kommt überraschend, nachdem doch erst im letzten Jahr zum Bandjubiläum die großartige Doppel-LP "Afterlifelines" erschienen ist. Nach einer so starken Scheibe ist es mir persönlich normalerweise lieber, wenn Bands eher etwas länger für eine neue Veröffentlichung benötigen. Aber Peavy und seine Mannen haben sich anders entschieden und schlagen den mutigen Weg ein.

Immerhin holt mich 'Innovation' mit seinen Thrash-Anteilen und seiner für RAGE typischen Melodieführung direkt zu Beginn voll ab. Das darf gerne so weitergehen. Zumindest in Sachen Tempo tut es das auch. Lieder wie 'Against The Machine', 'We'll Find A Way' oder 'Cross The Line' sind in der ersten Hälfte absolute Vollgasnummern. Es beschleicht einen das Gefühl, dass die Westfalen einen raushauen wollen, wobei sie die eine oder andere uninspirierte Facette wie die "Wooohoho"-Chöre in 'Freedom' eigentlich gar nicht nötig haben. Dafür wird man in dem Lied immerhin mit einem tollen Mittelteil entschädigt.

Die zweite Hälfte des Albums mit dem Quadrupel 'Fire In Your Eyes', 'Leave Behind', 'Paradigm Change' und 'Fear Out Of Time' wirkt schließlich etwas gedrosselter, dafür vom Songwriting her interessanter. Es kommen Variationen in Sachen Dynamik, Tempo und Songaufbau vor. Das macht Spaß und bringt Abwechslung. Allerdings wäre eine Durchmischung dieser beiden fast schon getrennten Welten auf "A New World Rising" schöner gewesen.

Sicherlich hatte im direkten Vergleich der Vorgänger mehr typische RAGE-Hits. Ich möchte jedoch nicht zu viel mäkeln. Denn die Fallhöhe war gigantisch und RAGE liefert einen absolut gelungenen und typischen RAGE-Output. Was will man mehr? RAGE ist halt RAGE. Nur über die Neuaufnahme von 'Straight To Hell' hüllen wir mal lieber den Mantel des Schweigens.

Note: 8,0/10
[Dominik Feldmann]


Bei RAGEs neuem Album "A New World Rising" mache ich es ganz kurz: Der Gesang sagt mir überhaupt nicht zu. Der erinnert an Pop-Punkbands, die Stimmung machen wollen, bei denen sozusagen der Spaßfaktor das Entscheidende ist. Die Gitarren sägen ganz nette Riffs aus ihrem Basisholz. Speed, ein klirrendes Solo, gleich noch eins hinterher, alles gut, wenn da nicht...genau, die eintönige Stimme, sie ist zu ausdrucksschwach, was der Produzent hätte sehen und hören müssen.

Manchmal wechselt der Tenor auch in Richtung Thrash, allerdings dominiert dann auch bisweilen etwas anstrengendes Riffgeschiebe. Die teutonische Abrissbirne funktioniert aber auch dann nicht mit dieser wenig abwechslungsreichen, heiseren Stimme, welche mit der Spielfreude der Band (Soli!) einfach nicht mitkommt und das Liedgut ein ums andere Mal ausbremst.

Das vorher ausgekoppelte 'Innovation' ist dafür ein treffliches Beispiel. Ich komme damit überhaupt nicht klar, die klare Linie fehlt, der explosive Kick, die parallele Linie von Vocals und Instrumentierung, das den Hörer wegblastende Element. Was ich auch anspiele, es gilt das oben Gesagte. Natürlich nur für mich, der ich nicht umsonst den Henkerberuf auswählte und daher außerhalb der Stadt residiere.

Note: 4,0/10
[Matthias Ehlert]




Immer wenn ein neues RAGE-Album erscheint, durchlaufe ich beim Erschließen eben jenes Werks einen ähnlichen Prozess. Zum ersten Durchlauf denke ich in der Regel: "Ach ja, RAGE, wie schön, dass es die auch noch gibt. Klingt wie immer, klingt gut, abgehakt." Wenn ich dann in den nächsten Tagen den Vorgang zwei, drei Mal wiederhole, manifestiert sich ein anderes Gefühl: "Irgendwie ist RAGE doch einmalig. Keiner singt wie Peavy, keiner komponiert wie Peavy, das ist schon verdammt geiles Zeug, was der Typ da macht."

Spätestens nach fünf oder sechs Spins habe ich mich dann wieder mit Haut und Haaren neu verliebt in diese Band, in dieses kantig-charmante charismatische Riff-Monster, diese waschechten Metal-Songs, die gleichzeitig hochmelodisch und doch bretthart aus den Boxen donnern und immer auch ein bisschen Rotz und Dreck unter den Fingernägeln haben neben all dem wasserdichten und modernen Sound-Make-Up. Hier geht es nicht um einzelne große Hits oder Weltrettungsversuche, sondern um ehrliche harte Arbeit, durchgängig hohe Qualitätsware und unverwüstlich positive Energie von einer deutschen Marke, die man unter tausenden Fußsoldaten immer sofort herauserkennt. Bitte einfach so weiter machen und am besten nie aufhören!

Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]

 

Ziemlich flink nach "Afterlifelines" wird uns "A New World Rising" um die Ohren gehauen, das 78. Studioalbum (oder so ähnlich) von RAGE. Mangelnde Aktivität kann man der Truppe in jedem Fall nicht vorwerfen. Das Album fällt in meinen Ohren ziemlich wuchtig, teils fast thrashig aus. Das gefällt mir. Zahnlosigkeit kann man der Band nicht vorwerfen! Trotzdem wird auch musikalisch genug Spannung und Abwechslung geboten, so dass einem nicht nur die Gehörgänge scheppern.

Klar, die ganz großen Innovationen sind bei RAGE nicht mehr zu erwarten. Der Drops war gelutscht, nachdem man um die Jahrtausendwende symphonische und progressive Elemente sowie etwas modernere Sounds ausgereizt hatte. Aber das ist auch voll ok. Wer will schon, dass RAGE plötzlich nach einer ganz anderen Band klingt? Seit der Trennung von Victor Smolski wird ein konsequenter Weg gegangen, der auch auf "A New World Rising" überzeugt  mich sogar mehr als auf dem Vorgänger, der doch etwas zu lang geraten war. Dieses Album ist kompakter und geht schneller ins Ohr. Die Note dürfte daher tendenziell eher noch ansteigen.

Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]

Vorsicht, Kalauer-Alarm: Kaum will man RAGE mangelnde Innovation vorwerfen, da serviert einem das Album schon im Opener die passende Antwort – 'Innovation' steht schließlich drauf. Doch legt man diesen Schenkelklopfer beiseite, zeigt sich schnell: Wirklich Neues gibt es bei Peavy & Co. nicht zu entdecken. Und schon gar nicht "A New World Rising".

Im Gegensatz zum guten "Afterlifelines" und dem sehr guten "Resurrection Day" konzentriert sich die Band diesmal vor allem auf thrashig angehauchten Power Metal. Die kraftvollen Orchesterausflüge, die zuletzt für große Momente gesorgt haben, bleiben hingegen in der Schublade. Auf Dauer wirkt das Album somit nicht nur deutlich weniger abwechslungsreich als seine Vorgänger, es nimmt RAGE auch die vielleicht größte Stärke, nämlich ihre hymnische Wucht. So bekommt etwa der Refrain von 'Against The Machine' kaum Luft zum Atmen und kann folglich nicht im Ansatz an einen Übersong wie 'Justice Will Be Mine' anknüpfen. Nur um einmal zwei Tracks ohne direkte Orchestrierung miteinander zu vergleichen.

Dieses Konzept wäre im Side-Projekt REFUGE vermutlich besser aufgehoben, auch wenn dort der Sound noch negativer ins Gewicht fallen würde. Umso ärgerlicher ist es, dass eigentlich alle Zutaten für ein starkes Ergebnis vorhanden sind und das Endprodukt dennoch hinter den Möglichkeiten zurückbleibt.

Immerhin: Soundcheck-Sieger bei POWERMETAL.de. Was will man mehr?

Note: 7,5/10
[Stefan Rosenthal]


Als bekennender RAGE-Fan, der bisher jeder Bandphase durchaus etwas abgewinnen konnte, habe ich bei jedem neuen Album der Herner, und davon gibt es bekanntlich sehr viele, immer die große Angst, dass Peavy und seine Hintermannschaft nur Stangenware und Aufgewärmtes abliefern könnten. Die Gefahr besteht. In der Vergangenheit ist das jedenfalls durchaus schon vorgekommen. Und wenn jetzt meine Kollegen schreiben, dass RAGE mit "A New World Rising" eben wie RAGE klingen und keine großen Innovationen bieten, dann muss ich sowohl zustimmen wie auch vehement widersprechen.

Klar ist, sobald Peavy seinen Mund aufmacht, kommt eben RAGE dabei raus. Da er zwar sehr markant singt, aber eben auch nicht den größten Stimmumfang besitzt, klingen seine Melodien und Phrasierungen halt immer irgendwie angenehm vertraut und ähnlich. Und ja, an der einen oder anderen Stelle verpassen sie es, den Refrains mehr Erhabenheit, mehr Hymnencharakter zu verpassen. Außerdem hätten ein paar Songs auch gerne noch eine Extrarunde im Proberaum drehen dürfen. Das gehört zur Wahrheit eben auch dazu.

Trotzdem: Ich muss echt mal eine Lanze für die Musiker brechen, denn was das Trio auf dem neuen Werk handwerklich abliefert ist allererste Sahne. Tolles Drumming, großartige Riffs und fantastische Soli. Alles wirkt sehr frisch und strotzt vor Energie. Was das Album aber für RAGE-Verhältnisse innovativ macht, ist die Produktion. Die Musik ist nicht nur topmodern in Szene gesetzt, Peavy growlt, Peavy schreit – und das durch die Effektschleife. Gerne wird auch mal das eine oder andere Pro-Tools-Plug-In ausprobiert. Die Klampfen krachen tief. Dies in Verbindung mit dem typischen Songwriting macht es für mich interessant und lässt das Werk ein wenig aus der jüngsten Diskografie hervorstechen. Einen Song wie 'Cross The Line' oder vor allem 'Fear Out Of Time' habe ich in dieser Form noch nicht von ihnen gehört.

Ich gehe mal sogar so weit zu sagen, dass "A New World Rising" von der Ausrichtung her das modernste Album der Band ist. Wenn das der Weg der Band in Zukunft sein sollte, mehr hin zum Modern Power Metal, dann stehe ich gerne am Rand und reiche Wasser und Energieriegel.

Note: 8,0/10
[Chris Staubach]

Fotocredits: Frank Jäger (erstes und zweites Livefoto) und André Schnittker (drittes und viertes Livefoto). Die Livefotos stammen von den Konzerten im Augsburger Spectrum und Nürnberger Hirsch (beide Mai 2024).

Redakteur:
Thomas Becker

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