Gruppentherapie: PRIMAL FEAR - "Domination"

27.09.2025 | 22:03

Muskelspiele oder Magerquark-Diät?

Der September-Soundcheck ist traditionell stark besetzt. Liegt es vielleicht daran, dass das neue PRIMAL FEAR-Album "Domination" nur auf Platz neun landet? Denn die letzten beiden Alben "Metal Commando" (2020) und "Code Red" (2023) waren beide auf dem Stockerl. Vielleicht gibt es aber auch einen Neubesetzungs-Effekt auf die Musik, denn drei Musiker sind neu bei PRIMAL FEAR, wie unsere Hanne in ihrer Hauptrezension erläutert. Ach ja, sie findet das Album super, ebenso wie Kollege Schnittker, der euch ja schon von der Listening-Session berichtet hat. Auch Häuptling Mat Sinner kam im Pommesgabel-Podcast schon zu Wort, doch nun ist die Zeit der Therapeuten. Hier erfahrt ihr wie immer die Wahrheit und nichts als die Wahrheit über die Mucke auf "Domination".



Ich war bisher kein riesiger PRIMAL FEAR-Fan, aber "Domination" macht Bock. Mir beim Zuhören und Ralf Scheepers beim Singen, so jedenfalls mein Eindruck. Die Platte ist für mich gut servierte, grundsolide Metal-Kost, die konsequent ihr Niveau hält. Was mir besonders gut gefällt, ist das Schnörkellose und Reduzierte. Es gibt erfrischend wenig genretypischen Pomp, keine Bridges mit lästiger Oktavenverschiebung nach Norden, keine Versuche epochaler Refrains. Hier wird einfach von Anfang bis Ende geradeaus durchgezogen.

Auch bei der Länge der Songs werden die goldenen drei Minuten dreißig der Hit-Geschichte einfach geflissentlich ignoriert. Warum einen guten Track auch unnötig früh beenden? Auf die obligatorische Ballade ('Eden') hätte ich verzichten können, aber das geht mir sowieso bei jedem Album so. 'The Hunter' und 'Destroyer' werden es aber sehr sicher in meine aktuellen Playlists schaffen.

Note: 8,0/10
[Nils Pfennig]


Ich dagegen war bis vor ein paar Jahren ein ziemlich großer Fan der Kapelle PRIMAL FEAR. Vor zwanzig Jahren haute den damals fünfzehnjährigen Marius im niedersächsischen Ödland "Seven Seals", dem ich immer noch Meistergüte bescheinigen würde, ziemlich von den Socken. Schnell wurde die Geschichte der Band aufgesogen und die anschließenden "experimentelleren" Alben genossen. Irgendwann besann sich die Band dann wieder auf ihre Wurzeln und veröffentlicht seitdem das immer gleiche Album im zweijährigen Rhythmus. Das muss nichts Schlechtes sein, aber ich für meinen Teil war dann doch irgendwann satt; den Vorgänger "Code Red" habe ich mir nicht mal mehr angehört. Doch obwohl die Skepsis aufgrund des Austauschs beinahe der kompletten Band ausreichend groß war, habe ich mir "Domination" nun trotzdem einverleibt.

Die neuen Musiker fallen nicht besonders ins Ohr, man könnte gar meinen, das Ganze hätte eher ästhetische Hintergründe. Auch 2025 liefert PRIMAL FEAR, wie Nils schon beschrieb, eher straighten Deutsch-Metal ab. Allerdings durchaus mit Pomp, wie sonst soll man die Nullnummer 'Heroes And Gods' beschreiben, wenn nicht als pompöse Trallala-Blutgrätsche. Andere Songs wie das spannendere, aggressive 'March Boy March' treffen eher meine Nerven.

Als Fazit bleibt mir nur festzuhalten, dass ich "Domination" nicht benötige, habe ich das Album doch bereits einige Male im CD-Regal stehen. Nur mit echtem Artwork und nicht diesem unansehnlichen, möglicherweise KI-generierten Quark, für den es extra Punktabzug gibt.

Note: 6,5/10
[Marius Lühring]

In Anbetracht der Strapazen und Vorgeschichten, die wir auch in der Podcast-Folge mit Sinners Mat ergründen, ist "Domination" schon ein voller Erfolg. Richtig, wirklich stark weicht das German Metal Commando vom eingeschlagenen Pfad nicht ab und auch wenn die letzten Alben die ganz großen Highlights vermissen ließen, ist das aktuelle Wieder-Aufsteh-Album ganz im Sinne des Erfinders.

Die Songs haben ebenso viel Kraft wie Ralf in der Stimme und anscheinend in seinen Muckis, die Neulinge fügen sich hervorragend ins Geschehen ein und generell ist es die Atmosphäre auf "Domination", die mir gefällt. Gepaart mit einem großen, aber nicht zu ausufernden Abwechslungspotential - mal hymnisch ('Crossfire'), mal balladesk ('Eden'), mal flott ('Far Away'), mal angenehm hart ('Scream') - kann man zwar von Business as usual sprechen, doch PRIMAL FEAR hält, was die Band mal wieder verspricht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]


Hier ergeht es mir ähnlich wie mit der neuen RAGE. Der Gesang kommt einfach nicht immer mit den Songs mit, hält nur in den recht hohen Tonlagen Schritt, was verwundert. Die Normalstimme wirkt breiig: Das Größengetaumel des Liedguts, das irgendwie an Fanfaren für Weltmeisterschaften, Wrestling oder nationale Feiern in Kleinstadtstadien erinnert, deckelt diese Schwäche mit ordentlich Pomp.

Der Beginn von 'I Am The Primal Fear' gefällt mir, echt Achtziger. Wenn dann der Gesang einsetzt, wird es melodisch-rockig, Mucke für Altmeister mit Lederjacke, Kippe, leichter Plauze, jene Generation, die vor den Sneaker-Enthusiasten da war und die NWoBHM miterlebte. An JUDAS PRIEST reicht man aber nie heran. Eher klont man fröhlich HELLOWEEN ('Far Away'), Laune und Bier stimmen, okay, der Gesang ist etwas quäkig, aber wen stört es, wenn eine Party-Hymne der anderen folgt und man inzwischen mitgrölt. Solide professionelle Soli werden dazwischen gestreut, woraufhin die alte Schule den Luftgitarristen hervorholt.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich mit der Band nie so wirklich etwas anfangen konnte. Ist das Deutsch-Metal, wie mein Kollege schrieb? Manchmal erinnert der Gesang an U.D.O., was dafür spricht. Das Walzende, Übermelodische und Stampfende der Songs bestätigt diese Zuschreibung, oder? Das Album tönt mir auch zu steril, nach Baukasten konzipiert. Die älteren Tracks, die ich mir als Vergleich gab, gehen in eine ähnlich fanfarenhafte Richtung. Eins weiß ich: RAGE und PRIMAL FEAR spielen, während ich auf dem Festivalgelände unterwegs bin - das stört weder die Bands noch mich.

Note: 4,0/10
[Matthias Ehlert]

PRIMAL FEAR liefert erneut das, was man von der deutschen Power-Metal-Institution erwartet. So simpel ist das. Stilistisch knüpft das neue Album fast nahtlos an den Vorgänger "Code Red" an und hat mit dem kraftvollen Opener 'The Hunter' (toller Chorus) sowie dem eingängigen 'Tears Of Fire' (noch tollerer Chorus) durchaus starkes Material im Gepäck. Für den Sprung in die oberste Liga des Genres reicht das jedoch erneut nicht, zumal die Texte stellenweise recht holprig und gebastelt wirken.

Innerhalb der eigenen Diskografie macht sich das Album dennoch solide. Allerdings schleichen sich mit dem schwachen 'Heroes And Gods' sowie dem übermäßig kitschigen 'Eden' zwei echte Tiefpunkte ein, und ein Übersong wie 'Their Gods Have Failed' fehlt diesmal gänzlich – was "Code Red" insgesamt zur besseren Wahl macht.

Für eingefleischte Fans gibt es immerhin ein paar Pluspunkte: das ungewöhnliche Experiment 'A Tune I Won't Forget', das erste Instrumental der Bandgeschichte 'Hallucinations' sowie die mögliche neue Band-Hymne 'I Am The Primal Fear'. Doch auch sie dürften erkennen: Die Band hat schon stärkere, aber eben auch schwächere Momente erlebt.

Note: 6,5/10
[Stefan Rosenthal]


Überraschungen gibt es bei PRIMAL FEAR nach fast 30 Jahren wirklich keine mehr. Ich glaube, damit rechnet auch keiner. Hier wird grundsolider Heavy Metal gezockt, der sicher etwas fetter produzierte Gitarren als 1998 hat, aber letztlich die gleichen Setzbausteine verwendet. Das führt hier zu manchen eher abwertenden Rezensionen, die ich durchaus nachvollziehen kann.

Natürlich braucht man, wenn man ehrlich ist, kein neues PRIMAL FEAR-Album. Realistisch wurde da spätestens mit der überragenden "Seven Seals" 2005 alles gesagt. Aber ich bin trotzdem ziemlich angetan von "Domination". Ralf Scheepers singt, als wäre er weiter in den Zwanzigern, die Songs machen brutal Spaß und reißen mit.

Ich stehe einfach auf diese Art Metal, und die ist hier sehr gut gemacht. "Domination" ist damit kein Meilenstein und kann sich auch nicht mit den größten Taten der Band von vor zwanzig Jahren oder früher messen. Aber es ist ein gutes Spätwerk, das mir Freude bereitet. Dass die Produktion sehr "druckvoll" ist, stört mich sogar gar nicht, da auf unnötige Keyboard-Teppiche und zu viele Klänge, die dann live vom Band kommen könnten, verzichtet wurde. Gut gemacht!

Note: 8,5/10
[Jonathan Walzer]


Die meisten der sehr vielen PRIMAL FEAR-Alben finde ich ja ziemlich gut, insbesondere "Nuclear Fire", "Black Sun" und "Seven Seals" aus der Anfangsphase in den Nullerjahren fallen mir da spontan ein. Die landen immer mal wieder in meinem Player beziehungsweise in meiner Playlist. Ein bisschen lustig ist es ja schon, dass es diese Band vermutlich nur gibt, weil der Scheepers Ralf Ende der 1990er das Rennen um die Halford-Nachfolge gegen Ripper Owens verlor. Heute ist er bestimmt dankbar dafür, dass er die Prügel für "Jugulator" nicht abbekommen hat. Unter dem Eindruck der Ereignisse schnappte er sich also damals den deutschen Glen Tipton, Matthias Lasch, besser bekannt als Mat Sinner, und gründete seine eigene, fett krachende PRIEST-Version, PRIMAL FEAR. Die Zusammenarbeit mit dem langjährigen Sinner-Kompagnon Alex Beyrodt hatte in den letzten Jahren noch einmal zu einmal kleinen kreativen Push geführt, aber schon "Code Red" schwächelte zuletzt. Auf das erste Album nach dem Bruch durfte man also gespannt sein, vor allem in Anbetracht der Nachricht, dass die zweite Axt eine Dame übernehmen würde, die man höchstens aus Youtube-Videos und als Sidekick eines Angus McSix kannte.

Und was soll ich sagen, liebe Leute? Die Befürchtungen sind berechtigt, denn das, was hier auf "Domination" zu hören ist, geht allenfalls noch als weichgespülte Magerquark-Version der guten alten PRIMAL FEAR durch. Da wimmelt es nur so von Schema F-Songwriting, Melodic-Metal-Stangenware und sonstiger gepflegter Langeweile. Während der Opener 'The Hunter' und das eine oder andere Riff noch vom alten Eisen sind, gipfelt die Bauchlandung in einer kreativitätsbefreiten Grütze wie 'Heroes And Gods' samt Kinderlied-Hookline. Aus meiner Sicht stellt "Domination" ganz klar einen Schritt in die falsche Richtung dar. Vielleicht versuchen die Veteranen auf ihre alten Tage noch ein wenig vom aktuellen Schlager-Metal-Boom zu profitieren, keine Ahnung. Für mich ist "Domination" jedenfalls das erste PRIMAL FEAR-Album, das ich mit dem Abschluss eines journalistischen Beitrags dazu sicher nicht wieder anhören werde.

Note: 6,0/10
[Martin van der Laan]

Also mir haben die letzten zwei, drei PRIMAL FEAR-Alben ganz gut gefallen, lieber Martin, eine Lieblingsband ist daraus aber trotzdem nicht geworden. "Domination" läuft mir jetzt allerdings auch wieder echt gut rein und so langsam bin ich am Überlegen, ob ich nicht doch eine längerfristige Freundschaft mit PRIMAL FEAR aufbauen könnte. Bislang hat sich zwar noch kein PRIMAL FEAR-Song längerfristig bei mir festgefressen, aber das Album wartet nach ein paar Spins schon mit ein paar Kandidaten auf, die das schaffen könnten.

Wenn es um deutschen Melodic Metal geht, fand ich den letzten Monat trotzdem stärker. Es gab das wunderbare HELLOWEEN-Album (zur Gruppentherapie), das im Vergleich einfach noch facettenreicher agiert, und auch der "Hammer-auf-den-Schädel"-Ansatz des HAMMER KING (zur Gruppentherapie), der mir die Melodien mit Gewalt ins Hirn geprügelt hat, bleibt bislang noch nachhaltiger hier hängen. Doch "Domination" robbt sich langsam ran.

Was mir bislang noch fehlt - meine Vorredner deuten es schon an - sind ein paar Aufreger ('Heroes And Gods' ist doch total harmlos, ein Snack für den Hammerking, würd ich sagen) sowie die Momente, für die man die Musik so richtig lieb gewinnen kann. Beim Festival würde ich aber definitiv zuhören, vielleicht wird mir dann auch klarer, wie man hier U.D.O. bei der Stimme heraushören kann.

Note: 8,0/10
[Thomas Becker]


Fotocredits: Michael Vogt (POWERMETAL.de) vom Konzert in Memmingen 09/25

Redakteur:
Thomas Becker

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