Gruppentherapie: NEFARIOUS - "Addicted To Power"
23.08.2025 | 20:39Auch bekannte Musiker können Underground sein!
Außer der Reihe darf ich einmal eine Gruppentherapie begleiten, denn ein paar von uns in der Redaktion fanden, dass man diese ungewöhnliche Scheibe genauer unter die Lupe nehmen sollte. Denn es handelt sich bei den Protagonisten um eine Riege bekannter Bay-Area-Thrasher, die bei einem solchen Namedropping wie HIRAX, EXODUS, HEATHEN, ANVIL CHORUS, BLIND ILLUSION, ANCIENT MARINER, ULYSSES SIREN und DEATH ANGEL eigentlich bei einem großen Label untergekommen sein sollten. Sind sie aber nicht. Ja, das sorgt auch in unserer Redaktion für eine gewisse Verwirrung, mich eingeschlossen, hatte ich doch auch mit einem fetten, weithin beworbenen Release gerechnet. "Addicted To Power" trifft nicht uneingeschränkt auf Applaus in unseren Reihen, da es nicht das Hochglanzprodukt ist, das man hätte erwarten können. Nur: Ist das gut oder ist das schlecht? Lest selbst.
Natürlich lässt es mich als Thrash-Metal-Maniac aufhorchen, wenn Mitglieder von HIRAX, EXODUS, HEATHEN, DEATH ANGEL und BLIND ILLUSION ihr eigenes Süppchen kochen. Es riecht nach Bay Area, es IST auch Bay Area, allerdings der etwas neueren Schule, also wenn die alte eine gewisse Renovierung erfährt. Mit dem famosen Titeltrack sowie 'Day After' gab es im Vorfeld sehr gute Appetizer, doch auf lange Sicht packt mich das Album nicht so wie erhofft, denn - wenn wir einmal ehrlich sind - waren die Erwartungen auch immens bei dieser sogenannten Supergroup, doch darf man der Platte auch einen gewissen Welpenschutz verpassen, ist sie doch angenehm aggressiv und rau, bringt ein schönes Proberaumfeeling, sowie coole Rhythmen und ordentlich Headbanger-Potential mit. Einzig das letzte Quäntchen lassen die Songs vermissen, doch was nicht ist, kann bei künftigen Veröffentlichungen aus dem Hause NEFARIOUS ja noch werden.
Note: 7,5-8/10
[Marcel Rapp]
Ja, genau, aufhorchen ist richtig. Aber dann kommt natürlich diese kleine, fiese Stimme, die warnt, dass Supergroups dann doch meistens aus 1+1 nur 1,5 zu machen imstande sind. Zugegeben, beim Intro war ich auch noch skeptisch, aber dann folgt ein messerscharfes EXODUS-Riff und zudem Kenas großartige Stimme mit genug Punk im Rachen, um den Thrash mit Dreck zu bewerfen! Nein, das ist weder ein "Bonded By Blood", "The Killing Sun" oder "The Sane Asylum", kein "Hate, Fear and Power", kein "Act III" und kein "Breaking The Silence", an diese Großtaten kommt "Addicted To Power" nicht heran, aber das beste Bay-Area-Thrash-Album der alten Schule seit langem ist es allemal. Es hat einfach nicht die rohe, junge, ungestüme Kraft, die die genannten Referenzwerke innehaben, aber das kann man von reifen Musikern nicht verlangen. Von denen möchte ich fettes Riffing und abgehangenes Songwriting und das bekomme ich durchgehend, auch wenn nicht jede Granate zündet wie der Überhit 'One Nation Enslaved'. Toller Anfang, bitte unbedingt zusammen weitermachen!
Note: 8,0/10
[Frank Jaeger]
Da hat mein lieber Kollege Frank eigentlich schon den richtigen Rechenweg vorgelegt, das Ergebnis genannt und kommt dann unter seinem Beitrag trotzdem zur falschen Note. Am Ende ist NEFARIOUS nämlich eine dieser Supergroups, die keiner so richtig gebraucht hat und die eben wirklich aus 1+1 nicht 2 oder gar mehr, sondern nur 1,5 machen. Zu erst einmal muss man aber natürlich das gewohnte Lob für die saubere Handwerksarbeit auf dem Weg bringen, die man bei so gestandenen Musikern der Bay-Area-Szene aber auch mit Sicherheit erwarten darf. Und klar, natürlich wird hier der Thrash Metal dieser geografischen Region wie anhand der Besetzungsliste zu erwarten ordentlich zelebriert, doch die Frage ist, wo da der Mehrwert bleibt. Nun muss eine Band aus Veteranen mit Sicherheit das musikalische Rad nicht neu erfinden, sondern darf wie der sprichwörtliche Schuster bei den eigenen Leisten bleiben, dann muss das Songmaterial aber eben auch sitzen und dem Zuhörenden tief in die Hirnwindungen dringen. Und genau hier scheitert "Addicted To Power", denn alles, was die Scheibe in meinen Ohren anzubieten hat, sind solide Songs, denen leider keine göttlichen Riffs, unfassbar tollen Drums oder gar prägnante Gesangshooks zuteil wurden. Dazu ist das Songwriting so vorhersehbar wie der Ausgang der nächsten deutschen Meisterschaft im Fußball. All diese Kritikpunkte sind im einzelnen mit Sicherheit kein Beinbruch, in Kombination und gepaart mit der Erwartungshaltung an eine Supergroup führt die Ansammlung aber bei mir zu Enttäuschung und der Empfehlung, doch eher die jungen und hungrigen Nachwuchs-Thrasher der Szene mit den eigenen Talern zu unterstützen.
Note: 6,5/10
[Tobias Dahs]
Die Thrash-Super-Group NEFARIOUS verdient diesen Namen wirklich - zumindest, was die Besetzung angeht. Aber wie steht es um die musikalische Qualität von "Addicted To Power"? Da gehen die Meinungen in unserer Redaktion auseinander. An der Produktion, dem Klangbild oder der instrumentalen Umsetzung kann es auf jeden Fall nicht liegen, das ist alles wirklich hochklassig, und es klingt eins zu eins wie eine Bay-Area-Scheibe, die aus dem Jahr 1987 wieder aufgetaucht ist. Das ist schon stark! Wenn die Songs jetzt noch ein klein wenig zwingender wären, dann hätten wir es sogar mit einem ziemlichen Hammer zu tun. So handelt es sich nur um eine gute Thrash-Scheibe. Aber das ist doch auch schon viel wert!
Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]
Hmm, also unser lieber Kollege Holger schreibt in seinem Review zu "Addicted To Power" etwas von einer ansteckenden Energie und dass er nicht wüsste, welcher Thrash-Release dieses Jahr hier am Thron von NEFARIOUS sägen könnte? Nun ja, welcher Thrash-Veröffentlichung ich dem hier Gehörten den Vorzug geben würde, dürfte fast jeder wissen. Und Energie? Ich höre hier leider keine Energie. Ehrlich gesagt wusste ich bis nach der Notenabgabe nicht mal, dass hier eine "Supergroup" am Werk sein soll. Herauszuhören ist das nämlich nicht. Hier gelangt 08/15-Bay-Area-Thrash an meine Ohren, den ich schon von vielen anderen Bands um einiges mitreißender erlebt habe. Mir fehlen die geilen Riffs und eine mitreißende Stimme. "Addicted To Power" beinhaltet nichts, was mich auch nur ansatzweise dazu verleitet, die Platte auch nur noch ein einziges Mal aufzulegen.
Note: 6,0/10
[Mario Dahl]
Supergroup? Was für eine Supergroup denn? Ich lese hier immer wieder von den nicht näher definierten Erwartungen, die mit diesem Begriff verbunden seien, und dass das Gebotene diesem ach so hohen Anspruch vermeintlich nicht gerecht werde. Leute, das ist gerade kein Hochglanzprodukt der Marketingabteilung, sondern eine verdammte Eigenpressung von fünf altgedienten Szeneveteranen der Bay Area, die nicht unbedingt immer auf der Sonnenseite des Business siedeln durften. Genau so klingt das auch, und das ist gut so, denn von Supergroups erwarte ich gemeinhin nichts, oder weniger. Meist komplett auf den Mainstream getrimmte Grütze selbstgefälliger Megastars, die entweder mit ihren Hauptacts nicht voll ausgelastet sind, oder mit selbigen nichts mehr auf die Kette bekommen, und sich dann von einem findigen Produzenten zum flotten Cash-in ins Studio karren lassen, um dort Songs einzudösen, die man ihnen und dem überregional arbeitenden Fahrstuhlproduzenten zugleich auf den Leib gezimmert hat. Kann lauschen wer will, ich dagegen bin sehr froh darüber zu hören, dass Mario und Tobi diesen sehr geschätzten alten Bay-Area-Recken einvernehmlich attestieren, gerade nicht die blasierten Erwartungen erfüllen, die man an eine solche Supergroup so hat.
Meine urwüchsigen Erwartungen indes erfüllt NEFARIOUS auf ganzer Linie und in epischer Breite. Das Quintett bannt ohne kommerzielle Anbiederung an moderne Zeiten und zeitgeistige Menschen genau das auf Langrille, worauf die Herren und ihre Fans Bock haben, wofür ihre Namen seit Jahrzehnten stehen, und was fuckin' Thrash Metal made in the S.F. Bay Area eben ausmacht: so vertrackte wie verspielte melodische Leads, knallharte Riffs ohne vermaledeites Modern-Metal-Abtörn-Tuning, natürlich produzierte, ballerfreie Drums, einen blubbernden und bollernden Bass mit scharfen Konturen, sowie eine bissige, verständliche und eigenständige Stimme mit erhöhter Street Credibility, wie sie Meister Katon eben hat. Hier ist schon mit dem wunderbaren Intro klar, und mit jedem Takt danach, dass diese Band weiß, was sie will, und mehr noch, was diese Musik - i.e. Bay Area Thrash Metal im ganz klassischen Sinne - braucht. Eine Überhymne wie 'One Nation Enslaved', samt ihren wunderbaren SATAN-Referenzen, habe ich jedenfalls im gesamten Thrash-Kosmos seit vielen Jahren nicht oft gehört, auch und gerade von den besonders prominenten Bands nicht. Supergroups, my ass... here's to the old school!
Note: 9,0/10
[Rüdiger Stehle]
- Redakteur:
- Frank Jaeger