Gruppentherapie: ALTER BRIDGE - "Pawns & Kings"

07.11.2022 | 22:06

Mit "Pawns & Kings" greifen die Jungs von ALTER BRIDGE wieder zu den Sternen. Und wenn sie uns ihr siebtes Album voller Ohrwürmer, Riffs und tollen Rhythmen auf dem Silbertablett servieren, kümmern wir uns doch direkt mit einer ausführlicheren Besprechung um die Bauern und Könige. Wie sich der "Walk The Sky"-Nachfolger geschlagen hat, erfahrt ihr in einem neuen Kapitel unserer Gruppentherapie-Reihe.

Doch zunächst möchten wir euch auch hier auf die Haupt-Rezension unseres Kollegen Mario aufmerksam machen. Und was sagt der Rest?

 

Ich muss zugeben, angesichts der Veröffentlichung des siebten ALTER BRIDGE-Langdrehers "Pawns & Kings" empfand ich nicht wirklich die größte Vorfreude. Primär liegt das daran, dass sich der Vierer, nachdem er einige meiner absoluten Lieblingsalben wie "Blackbird", "AB III" und "Fortress" veröffentlicht hatte, irgendwie ein wenig verzettelte. "The Last Hero" war gut, aber nicht überragend, "Walk The Sky" holte mich überhaupt nicht mehr ab und zuletzt habe ich wirklich lieber Marks Soloprojekt TREMONTI gelauscht. Wecken nun also die Bauern und Könige meine etwas eingerostete Liebe aus ihrem Dornröschenschlaf? Ich würde ja sagen, denn schon das eröffnende Doppel bestehend aus 'This Is War' und 'Dead Among The Living' holt mich mehr ab, als alles auf dem direkten Vorgänger. Die Hooklines sitzen, die Gitarrenriffs sind mehr als druckvoll und Brian Marshall und Scott Philips grooven höllisch tight. Doch nicht nur die heftig-deftige Seite der Band ist wieder auf Kurs, auch die diversen Nebenprojekte von Kennedy und Tremonti scheinen auf gute Art und Weise auf den Bandsound abgefärbt zu haben. So klingt das coole 'Holiday' sehr nach Myles Nebenbeschäftigung bei SLASH, während das primär von Mark gesungene 'Stay' mit seinen melancholischen Melodien ein bisschen TREMONTI-Luft atmet. Ganz großes Kino gibt es aber immer dann zu hören, wenn sich das Quartett in gewohnten Gefilden bewegt und mit 'Fable Of The Silent Son' etwa ein knüppelhartes und gleichzeitig eingängiges Epos mit stattlichen acht Minuten Spielzeit erschafft. Ja, so möchte ich ALTER BRIDGE hören: kompromisslos, manchmal melancholisch, vielseitig und vor allem mit Ohrwürmern ohne Ende! Warum der Sound auch weiterhin mit aller Macht maximal laut sein muss und fast am Limiter kratzt, verstehe ich zwar weiterhin nicht, aber dieses Meckern auf allerhöchstem Niveau betreibe ich schon seit "AB III". Ich würde daher behaupten, dass die Durststrecke bei Kennedy, Tremonti, Marshall und Philips nun nach zwei Langdrehern endlich beendet ist, denn "Pawns & Kings" knüpft nahtlos beim grandiosen "Fortress" an und wird erstmalig seit selbigem Silberling auch wieder direkt zum Release in meine Sammlung wandern. Herrlich!

Note: 9,5/10
[Tobias Dahs]

Tobias hat in seinem Beitrag schon auf einige wichtige Dinge hingewiesen. Hierzu gehört, dass die beiden ersten Stücke 'This Is War' und 'Dead Among The Living' zu den Highlights des Albums gehören. Die Gesangslinien sind in der Tat sehr gut ausgearbeitet, und auch der Aufbau der Songs ist absolut stimmig. So dürfen moderne Metal-Songs gerne klingen. Beim Klang sind wir dann beim nächsten wichtigen Punkt, der schon angesprochen wurde: Warum spielt bei vielen Veröffentlichungen dieser Horror vacui eine immer größere Rolle? Die Stücke werden am Atmen gehindert, wenn alle freien Stellen ausgestopft werden. Liest man sich die Kommentare zu den aktuellen Videos von ALTER BRIDGE auf YouTube durch, so scheinen die Reaktionen der Hörerschaft der Band recht zu geben. Dieses hypertrophierte Klangbild wird fast durchweg als das Nonplusultra empfunden und entsprechend gefeiert. Bei einem einzelnen Stück funktioniert es noch recht gut, aber wenn ich das Album im Kontext höre, empfinde ich den Sound als störend. Auch das sehr moderne Riffing zieht mich nicht in seinen Bann. Kompositionen und musikalische Darbietung haben zweifellos Qualität, dennoch lässt mich "Pawns & Kings" kalt.

Note: 7,5/10
[Jens Wilkens]

Während das Album meinen Kollegen Jens eher kalt lässt, erfüllt es mich mit einer ungeheuren Wärme und einem straffen Programm an Ohrwürmern. Komplett losgelöst von solchen Klassikern wie "Blackbird" und "Fortress" ist "Pawns & Kings" ein bockstarkes Album geworden, das sich irgendwo zwischen modernem Hardrock, stadiontauglichem Alternative Metal und klassischem Stahlgut bewegt und dort schon seit Tagen für Furore sorgt. Allein die Bandbreite, in der sich mit 'Season Of Promise' eher balladeske, mit 'Sin After Sin' enorm progressive und mit 'This Is War' und dem abrundenden Titeltrack richtig knackige, satte und zum Kopfnicken animierende Töne befinden, spricht eine eindeutige Sprache. Erneut wird die Abwechslung groß geschrieben, ohne dass auf die ureigenen Bandstärken auch nur annähernd verzichtet wird. Mit dem bis dato längsten Track der ALTER BRIDGE-Geschichte, 'Fable Of The Silent Son', schießen Tremonti und Co. allerdings den kompletten Vogel ab: Es wird gestampft, es wird ruhig und akustisch, es wird enorm episch und dann wieder druckvoll as fuck - eine Nummer, die nahezu sämtliche Facetten der Amis superb in achteinhalb Minuten abdeckt. Mit "The Last Hero" und "Walk The Sky" hatte ich zugegeben so meine Probleme, sodass ich auch mit etwas Vorsicht an die Bauern und Könige herangetreten bin. Umso überraschter bin ich jedoch, dass es nicht lange dauert, bis das Album beinahe in Gänze zündet. Leider sorgen 'Holiday' und 'Season Of Promise' für einen hauchzarten Abfall, der in Anbetracht der Hitdichte jedoch nicht allzu deutlich ins Gewicht fällt. Insofern wird "Pawns & Kings" auch noch einige Wochen meinen CD-Player schmücken.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

Redakteur:
Marcel Rapp

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