Gruppentherapie KRYPTOS - "The Coils Of Apollyon"

25.09.2012 | 22:16

Große Gruppentherapie zu unserem ersten Soundchecksieger aus Indien: KRYPTOS mit "The Coils Of Apollyon".

Unser Soundchecksieger vom September kommt aus Indien, nennt sich KRYPTOS und spielt Metal! Das ist cool, das ist erfrischend, das macht Laune und das weckt die Neugierde. So sehr, dass sich diesmal sogar sieben Gruppentherapeuten "The Coils Of Apollyon" annahmen. Dass die nicht alle gleich euphorisch reagieren, dürfte auch klar sein. Los gehts:

 

Ich hatte schon immer einen Faible für exotische Metal-Bands, und Indien trifft dies wohl ziemlich ins Herz. Deswegen hatte ich mich auch dem Vorgänger "Ark Of Gemini" angenommen, der gut war, abgesehen jedoch vom wirklich sehr schlechten Gesang. Nun kommen die Herren vom Subkontinent und merzen genau das aus - und legen folglich ein großes Brett vor, dass teilweise klingt, als hätten ältere IRON MIADEN sich einen (guten) Extrem-Shouter geangelt (hört mal 'Vision Of Dis' und ihr wisst, was ich meine). Die langen, oft epischen Songs treffen genau meinen Geschmack, und die Melodien in Gitarren und Gesang ergänzen sich ausgezeichnet. Der raue Shout-Stil sorgt auch dafür, das selbst die genannten Epik-Parts nie kitschig werden. Zwar gibt es noch ein paar Passagen, die nicht gerade vor Originalität strotzen ('Serpent Mage' besteht aus einer ziemlichen Aneinanderreihung ausgelutschter Riffs), so dass es noch nicht für die ganz große Jubelarie reicht, aber zumindest zu freudig hochgezogenen Augenbrauen. Fein gemacht!


Note: 8,0/10
[Frank Jaeger]

 

Cover

Beim Hören von KRYPTOS' "The Coils Of Apollyon" kommt mir immer ein anderes Album von diesem Jahr sofort in den Sinn: KREATORS "Phantom Antichrist". Sound und stilistische Ausrichtung ähneln den deutschen Thrash-Recken schon sehr und das bedeutet, dass KRYPTOS durchaus thrashigen Metal spielen, aber mit vielen Melodien und feinen Hinhörer-Parts. Sowas gefällt mir natürlich. Und auch wenn das jetzt vielleicht anklingen mag, KRYPTOS verstehe ich als mehr als einen KREATOR-Klon. Sie agieren noch etwas melodischer, auch sind die Songs im Schnitt etwas länger und epischer. Schade ist, dass man KRYPTOS ihre indische Herkunft überhaupt nicht anhören kann. Ein weiterer Minuspunkt ist, dass sie doch hin und wieder einige Metal-Standardriffs und -Melodien verbraten, bei denen man sich bildlich vorstellen kann, wie die Herren Murray, Gers und Smith über die Schulter schauen und gucken, ob die Inder alles richtig spielen. Der Gesang wiederrum verleiht der Band eine individuelle Note und wird - wie immer bei harscherem Gesang - Geschmacksache sein. Ich finde ihn weder besonders toll noch besonders störend, mitunter sogar cool. Passt schon alles bei KRYPTOS.

Note: 7,0/10
[Thomas Becker]


Im Gegensatz zu Thomas finde ich nicht, dass KRYPTOS ein KREATOR-Klon sind. Dazu spielen mir die Inder zu wenig Thrash und agieren insgesamt deutlich weniger aggressiv als die genannte Essener Combo. Klar hört man hier und da verschiedene Vorbilder raus, aber bei welcher Band im Jahr 2012 tut man das nicht? Gerade die melodische NWoBHM-Schlagseite passt für meinen Geschmack hervorragend in den Sound von KRYPTOS. Zustimmen muss ich wohl bei der Tatsache, dass man die Herkunft nicht hört. Aber auch das ist mittlerweile global schwierig geworden, sieht man mal von einigen Szene-Schmelztigeln ab. Ein weiterer sehr positiver Aspekt ist die von Frank erwähnte Arbeit am Mikro. Da geht man im Gegensatz zu den melodischen Leads in der Tat ziemlich rau zu Werke. Diese Mischung dann auch noch so gut rüberzubringen, ist jedenfalls nicht das leichteste Vorhaben, dem sich eine junge Band stellen kann. Schlussendlich zeichnet sich "The Coils Of Apollyon" auch dadurch aus, viele Hörer für sich gewinnen zu können, die normalerweise mit ihren Hörgewohnheiten nicht direkt nebeneinander liegen. So gewinnt man Fans und Soundchecks!

Note: 8,0/10

[Nils Macher]


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So komplex wie das gleichnamige Code-Kunstwerk des amerikanischen Künstlers James Sanbornim ist die Musik von KRYPTOS beileibe nicht. Was gut ist, denn so können die Heerscharen Thrash-Heads direkt in den Zitat-reichen Sound der Inder einsteigen. Allzu fern von der Kultur unserer Leser bewegt sich die Musik auch nicht. Sänger-Gitarrist Nolan Lewis mimt teils den frühen Alexi Laiho, teils wird es KREATOResk und die Gitarrenarbeit lehnt sich stark an jene legendenhafte Skulptur, die als Teutonen-Metal beschrieben wird. Ansonsten bleibt es unspektakulär: Bekanntes wird an Bekanntes gereiht, die Ordnung der Summe der einzelnen Teile muss auf dem indischen Metal-Reis(s)-Brett entstanden sein - das vielleicht kryptischste an KRYPTOS. Und spätestens, nachdem im dritten Song das zehnte Mal die RUNNING-WILD-Flagge gehisst wurde, muss man sich fragen, ob der Musik-Markt nicht Spannenderes zu bieten hat. Um die Frage gleich zu beantworten: Ja, hat er. Eines ist dabei sicher: Die tausend Verschwörungs-Begeisterten, die sich darum bemühen, den Code der oben angesprochenen Skulptur im CIA-HQ zu lösen, werden dazu eher zu VOIVOD oder VEKTOR als zu KRYTPOS greifen. Ich auch.

Note: 5,5/10
[Julian Rohrer]

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Wie man meiner Note unschwer entnehmen kann, hat mich das indische Quartett mit seinem dritten Album komplett begeistern können. Ein Umstand, der in diesem Fall nicht einmal etwas mit dem sogenannten Exoten-Bonus zu tun hat, denn KRYPTOS agieren auf "The Coils Of Apollyon" im internationalen Fahrwasser. Und zwar ganz vorne. Angefangen bei der herrlich drückenden Produktion, die saftig-abgehangene Gitarrenklänge aus den Boxen spritzen lässt, über den fauchend-aggressiven Gesang von Nolan Lewis, dem man seine Herkunft nicht anhört, bis zum exzellenten Songmaterial. Der anderswo angebrachte Vergleich zu aktuellen Ruhrpott-Kraftpaketen liegt nach meinem Befinden einzig im Gitarrensound begründet. Der indische Vierer scheint trotz aller Ausgereiftheit viel tiefer im Underground verwurzelt zu sein, als die Schöpfer aus deutschen Landen. Sicherlich eine Frage der bandinternen Entwicklungen, die ich nicht positiv oder negativ bewerten möchte. Allerdings klingen die teils recht langen Nummern dieses Albums unwahrscheinlich frisch und ehrlich, ohne dabei mit Klischees um den True-Metal-Pokal zu kämpfen. Die Bande hat einfach den richtigen Dreh heraus, sehr gefühlvolle und sicherlich der NWoBHM entliehene Harmonien in ihre ruppigen Riffgewitter einzuflechten. Simples Hauruck-Geballer sucht man auf diesem Album ebenso vergeblich, wie ein pfeilschnelles Thrashinferno. So marschiert 'Starfall' wütend durch die Hörmuscheln, während sich 'Serpent Mage' mit seinen doppelläufigen Gitarrenmelodien als Hitsingle ins Hirn tackert. Als krönenden Abschluss zieht die Band das acht Minuten lange 'Visions Of Dis' aus dem Köcher. Ein stampfender Brecher, der sich langsam steigert, um sich nach einigen Durchläufen als absolutes Highlight komplett zu entfalten. Fantastisch.

Note: 9,0/10
[Holger Andrae]


Ich habe ziemlich lange gebraucht, um mir eine Meinung über dieses Album zu bilden. Einerseits machen KRYPTOS grundsätzlich ganz vieles richtig im Sinne des metallischen Reinheitgebots, andrerseits hat mich "The Coils Of Apollyon" auch beim zehnten Durchlauf nicht so wirklich 100%ig angefixt. Natürlich haben die Kollegen allesamt Recht, wenn sie den Sound der Inder als traditionellen britisch-germanischen Stahl-Cocktail charakterisieren. Die MAIDEN-Referenzen stammen interessanterweise nicht wie sonst üblich aus der "Number Of The Beast"- sondern aus der "Fear Of The Dark"-Phase. Wenn das Pendel gen Thrash ausschlägt, orientiert sich das Axtgeschrubbe am ehrwürdigen deutschen Riffraff-Metal der Achtziger. Der präziseste Hinweis zum Klangbild, den ich zu bieten habe, wird wohl nur den Insidern und Alleskennern unter Euch etwas bringen: Songs wie das starke 'Serpent Mage' oder 'Nexus Legion' erinnern mich ganz massiv an das "God's Gift"-Album der englischen Combo TORANAGA aus dem Jahre 1990. Diese Assoziationen beziehen sich sowohl auf die Gitarrenarbeit als auch auf den nüchtern-schnörkellosen Kompositionsstil und die Phrasierung des ziemlich knarzigen Gesangs. In der ersten Halbzeit wuchtet "The Coils Of Apollyon" den Hörer mit gradliniger Power und erfrischender Unkompliziertheit ganz schön an die Wand. Affektierte Arrangements und tuntiges Geschwurbel sucht man hier vergebens, was der Band bei der Old School-Fraktion natürlich einen Sympathie-Bonus einbringt. In weiteren Verlauf geht der Platte dann allerdings ein bisschen die Luft aus, weil sich die Musizierenden doch allzu eifrig bei den Helden der Vergangenheit bedienen und keinen Bock auf raffinierte Überraschungseffekte oder sonstige ästhetische Schmankerl haben. Einfach ausgedrückt: Die Zutaten stimmen, die Umsetzung auch, aber das Songwriting ist mir über weite Strecken etwas zu fad und bieder. So oder ähnlich könnte auch mein Fazit hier lauten. Wer eine waschechte, bodenständige Metal-Scheibe ohne Firlefanz haben möchte, sollte hier unbedingt zugreifen. Solche Menschen, die gerne fasziniert, verführt, berauscht und durchgeschüttelt werden wollen von einzigartiger, zauberhafter, origineller Musik, investieren ihre Kohle besser woanders.

Note: 7,5/10
[Martin van der Laan]

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Ich muss gestehen, dass ich sowohl Holgers als auch Julians Meinung zu "The Coils Of Apollyon" gut nachvollziehen kann - und das sorgt am Ende dafür, dass ich auf einer Linie mit Martin bin. Auch wenn ich in dieser Gruppentherapie sicherlich der, was Metal der alten Schule betrifft, am wenigsten Bewanderte bin, habe auch ich beim Hören der Scheibe immer wieder den Eindruck, hier irgendwie nichts Neues zu hören - aber das muss bei diesem Stil ja auch gar nicht sein. Die Zielgruppe wird sich über Songs wie 'Serpent Mage' (geniales Solo!), 'Starfall' (schön stampfend) und 'Nexus Legion' (speedig-thrashig angehaucht) mit Sicherheit nicht zu knapp freuen. KRYPTOS liefen bei allen Songs mindestens solide Metal-Mucke ab - meistens sogar gute bis sehr gute Tracks. Stören könnte man sich da vielleicht eher am Gesang, der irgendwo zwischen Thrash-Shouting und melodischem Reibeisen anzusiedeln ist. Das ist grundsätzlich ein guter Mix, der mich hier aber nicht gänzlich überzeugen kann, dazu mangelt es dann doch  ein wenig an der Power in den Stimmbändern. Und auch wenn hier nichts Neues präsentiert wird und ich absolut nichts Exotisches an der Musik erkennen kann, so macht mir "The Coils Of Apollyon" durchaus Spaß, was mich bei aufgedrehter Lautstärke schon mal zum Auspacken der Luftaxt bringen kann. Fein.

Note: 7,5/10

[Oliver Paßgang]

Redakteur:
Thomas Becker

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