GRAVEWORM: Interview mit Stefan Fiori

01.01.1970 | 01:00

Das erste Album unter dem Banner von Nuclear Blast gleich ein Hammer: GRAVEWORM fahren auf ihrem neuen Longplayer "Engraved In Black" eine melodische Schwarzmetall-Orgie par excellence auf , drückender und härter als noch auf den Vorgängeralben "As The Angels Reach The Beauty" und "Scourge Of Malice". Sänger Stefan Fiori - zur detaillierten Besprechung der Platte herangezogen - erzählte neben viel Wissenswertem über Werdegang und Weiterentwicklung des aktuellen Grabwurm-Sounds über Tiroler Mythen, Lieblingsgetränke und den berühmten letzten Tag auf Erden... .


Kathy:
Stefan, das letzte Mal haben wir uns im April bei der "Engraved In Black"-Listening Session gesehen. Was ist seitdem Gravierendes bei euch passiert?

Stefan:
Gravierendes? Öhm, keine Ahnung, auf der Party danach sind wir ja komplett abgestürzt, alle zusammen (das kann ich nur bestätigen - d. Verf.). Ansonsten konzentrieren wir uns jetzt auf das Proben der neuen Songs, weil wir ja Konzerte vor uns haben wie z.B. in drei Wochen die Release-Party bei uns in Südtirol, da freuen wir uns schon sehr drauf. Ansonsten gibt's die Festivals im Sommer und danach werden wir anfangen, wieder neue Sachen zu schreiben.

Kathy:
Thema neues Album: Euer Gitarrist Steve meinte, dass ihr auf "Engraved In Black" hauptsächlich den Fokus darauf gelegt habt, live-orientierter zu werden. Stimmst du dieser Aussage zu?

Stefan:
Ja, da muss ich ihm schon recht geben. Für mich geschah das zwar eigentlich nicht so bewusst, aber wir versuchen schon beim Komponieren im Proberaum, die Songs so zu schreiben, dass wir sie auch live gut spielen können. Wir sind keine Band, die Sachen vom Band abspielt und solche Geschichten - das gefällt uns überhaupt nicht -, das, was wir im Studio aufnehmen, soll auch live problemlos und 100%ig umsetzbar sein.

Kathy:
Was ist dann aber mit den Dudelsack- und Streicherelementen, die ihr bei früheren Alben bzw. teils auch jetzt wieder eingesetzt habt?

Stefan:
Nun, die Streicherelemente sind dieses Mal ja komplett weggefallen, da wir Stress hatten, den Rest der Songs fertig zu bekommen. Wir sind etwas langsame Songwriter... . Ansonsten: Der Dudelsacksong ('Thorns Of Desolation' - d. Verf.), den werden wir sicher nie live spielen, weil er komplett auf Dudelsack und Flöte aufbaut, und eigentlich kann keiner von uns diese Instrumente spielen. OK, Martin, unser Schlagzeuger, hat jetzt angefangen, ein wenig Dudelsack zu spielen, aber ansonsten versuchen wir, vor allem die härteren Songs so zu kreieren, dass wir sie auch live so wie sie sind bringen können.

Kathy:
Ansonsten ist die neue Platte wieder sehr episch, pompös, dunkel-bombastisch ausgefallen. Siehst du diesen Black Metal-Pathos als ein wichtiges Stilmittel eurer Musik?

Stefan:
Sagen wir mal so, wir haben immer vor, dass die Songs generell schneller und aggressiver werden als die vorhergehenden. Einen großen Anteil daran wird diesmal sicherlich Andy Classen gehabt haben, der den Sound produziert hat. Aber ansonsten, nun, wenn ich den Begriff "Black Metal" höre, kommt's mir immer so vor, als müsse man wie z.B. MARDUK klingen, die mit Keyboards so ja gar nichts zu tun haben, ganz im Gegensatz zu uns. Aber bestimmt haben wir einige Einflüsse aus dem Black Metal, vor allem die Stimme, den Gesang betreffend.

Kathy:
Inwiefern hat euch Andy Classen - außer, dass er eurer Musik mehr Biss verliehen hat - zusätzlich beeinflusst?

Stefan:
Er hat viel mehr Druck reingebracht und eigentlich genau den Sound fabriziert, den wir immer wollten. Die Gitarren sind jetzt mehr im Vordergrund als das Keyboard, obwohl es immer sehr wichtig bleiben wird für die Musik, die wir machen. Außerdem hat Andy uns motiviert, wenn wir keine Lust mehr hatten, weil einfach nichts mehr ging. Und Sabine (Keyboarderin - d. Verf.) hat er z.B. geholfen, Sounds zu mischen, die sie vorher nicht gehabt hatte und lauter solche Kleinigkeiten. Das hat sich am Ende alles aufsummiert, so dass im Endeffekt alles besser geworden ist.

Kathy:
Die Texte, die du für "Engraved In Black" geschrieben hast, handeln erneut von der Tiroler Sagenwelt. Was genau fasziniert dich so an diesen Mythen und Legenden dass du immer wieder darauf zurückgreifst?

Stefan:
Nun, in der Schule bekam ich damals diesbzgl. immer nur die ganz harmlosen Sachen vorgesetzt, also Geschichten, die eigentlich nur kleinen Kindern Angst machen. Ein Freund von mir hat mir dann mal erzählt, dass es sehr viele Sagen gibt, die echt krass und heavy rüberkommen - da dachte ich erst, dass es das nicht geben kann, da ich ja noch nie was davon gehört hatte. Er drückte mir also ein paar Bücher darüber in die Hand, und die haben mich sofort fasziniert. Auf der CD habe ich Geschichten verarbeitet, die mir alte Leute erzählt haben, da kommen Dämonen und übernatürliche Wesen vor, alles sehr faszinierend und abgehoben. Mit den Büchern und Geschichten habe ich mir also quasi meine eigenen Geschichten zusammengestellt und daraus die Texte gemacht.

Kathy:
Bist du ein Mensch, der sich gern in Fantasiewelten zurückzieht?

Stefan:
Eher weniger. Ich lese zwar eine Menge, aber ansonsten bleibe ich lieber in der realen Welt.

Kathy:
Sowohl die Growls als auch Screams auf dem neuen Album stammen wieder komplett von dir und können sich erneut hören lassen. Geht der ständige Wechsel auf Dauer nicht ganz schön auf die Stimmbänder?

Stefan:
Bis jetzt eigentlich nicht, im Studio nehme ich auch keine Gesangseffekte oder so, die sechs neuen Songs habe ich komplett in sieben Stunden eingesungen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass meine Mutter, als sie mit mir schwanger war, den "Exorzist" gesehen hat und da ist was hängengeblieben (lacht). Nee, keine Ahnung, warum ich da keine Probleme habe.

Kathy:
Außerdem wird die Kehle ja immer gut mit Bier geschmiert, ne? (lacht)

Stefan:
Nein! (entsetzt) Bier mag ich überhaupt nicht! Wenn, dann Wodka gemischt mit irgendwelchen Kleinigkeiten, das ist besser. Vor Konzerten trinke ich aber eh meistens nichts. Ich finde es immer schade, wenn man irgendwo zu einem Gig geht und die Band total betrunken ist und scheiße spielt. Das will ich einfach nicht. Nach einem Konzert aber auf alle Fälle, da kann mir das Saufen keiner nehmen (lacht).

Kathy:
Ein wenig gewundert habe ich mich darüber, dass auf der "Engraved In Black"-Promo, die ich erhalten habe, 'Losing My Religion' (REM) als Coversong drauf ist und nicht wie erst angekündigt 'It's A Sin' (PET SHOP BOYS). Warum diese Änderung?

Stefan:
Es war ein ständiges Hin und Her. Anfangs wollten wir die PET SHOP BOYS, dann haben wir uns aber wieder gedacht, dass REM doch besser klingt. Und jetzt wird gar keine Coverversion auf dem Album drauf sein, weil wir Probleme mit 'Losing My Religion' bekommen haben, da ich darauf einige Textpassagen geändert habe. Anscheinend darf man das nicht und ich muss das jetzt noch mal einsingen. Aber auf dem Digi-Pack von "Engraved In Black" wird 'It's A Sin' als Bonus-Track drauf sein.

Kathy:
Nach welchen Kriterien habt ihr die beiden Coverstücke ausgewählt?

Stefan:
Auf Popmusik stehe ich eigentlich überhaupt nicht, aber 'Losing My Religion' gefällt mir als Song sehr gut, und da habe ich mir gedacht, dass er als Cover doch bestimmt geil klingen würde, was er dann auch tat. Das mit 'It's A Sin' war eher eine lustige Geschichte: Ich bin mit einigen Leuten zum Bowling gegangen und da lief das Stück gerade. Da die Kollegen von mir auch alle Musiker sind, haben wir uns vorgestellt, wie es wohl klingen würde, wenn eine Black Metal-Band 'It's A Sin' covern würde. Und da hab ich ihnen gesagt: OK, ich werd's euch zeigen - so ist die ganze Sache entstanden.

Kathy:
Wenn du das Endresultat eures neuen Albums betrachtest, glaubst du, dass ihr euch damit nun endgültig von den ewigen Vergleichen mit Bands wie DIMMU BORGIR und CRADLE OF FILTH befreit habt?

Stefan:
Nein, auf keinen Fall. Wir hören die genannten Bands auch privat sehr gerne und irgendwie werden wir da auch indirekt beeinflusst, auch wenn wir sicher nicht mit dem Vorsatz ans Werk gehen: Wir wollen klingen wie DIMMU BORGIR. Aber die Beeinflussung ist trotzdem immer da und wenn ich mir dann das Album anhöre, kommen oft Passagen zum Vorschein, die von HYPOCRISY oder DIMMU BORGIR inspiriert wurden. Das ist aber nicht schlecht, finde ich.

Kathy:
Was würdest du auf den Vorwurf, dass ein Großteil eurer Songs auf dem identischen Grundgerüst aufbaut, erwidern?

Stefan:
Nun, das ist gut möglich, wahrscheinlich ist das ein Trademark, den wir haben. Wir sind es eben gewohnt, so zu arbeiten und dann ergibt es sich im Unterbewusstsein, dass wir immer den gleichen Songaufbau haben. Wäre mir zwar bisher nicht aufgefallen - könnte aber wirklich sein. Ich sehe das weder positiv noch negativ, es gibt einen Haufen Bands, die stets einen ähnlichen Songaufbau verwenden, sowohl bei neueren als auch älteren Stücken.

Kathy:
Käme für euch in naher oder ferner Zukunft eine Experimentierphase mit kompletter Stilumkremplung in Frage?

Stefan:
Wenn wir so eine Phase haben sollten, dann nicht unter dem Namen GRAVEWORM. Wenn ich eine CD von einer Band kaufe, dann will ich davon auch wirklich genau das, was ich erwarte und nicht plötzlich komplett was anderes. OK, Bands wie AMORPHIS oder METALLICA haben schon Schritte in andere Stilbereiche vollzogen, aber da lagen immer eine ganze Menge Alben dazwischen - der Sprung kam also nicht von heute auf morgen, was ich als sehr wichtig empfinde.

Kathy:
Wenn du die Möglichkeit zur freien Wahl hättest, mit welcher Band würdest du dann gerne mal zusammenarbeiten und warum?

Stefan:
Da brauche ich nicht lange zu überlegen: HYPOCRISY! Peter ist einfach ein Gott in der Szene, was der alles drauf hat und die Ideen, die von ihm kommen, Wahnsinn. Es wäre bestimmt lustig, mal mit ihm was aufzunehmen - als Produzent gehört er meiner Ansicht nach zu den Besten der Welt. Leider gab es bisher noch keinen Kontakt zu ihm, aber da wir jetzt auch bei Nuclear Blast sind, ergibt sich ja vielleicht mal was.

Kathy:
Bezogen auf die Musik, was empfindest du als wichtiger: Kommerziellen Erfolg oder Spaß an der Sache (auch, wenn es finanziell nichts abwirft)?

Stefan:
Auf alle Fälle der Spaß, denn um kommerziellen Erfolg zu haben, haben wir uns einfach die falsche Musikrichtung ausgesucht. Klar gibt es Bands wie CRADLE OF FILTH oder DIMMU BORGIR, die davon leben können, aber das ist eine ganz andere Liga. Es steckt zwar eine Menge Arbeit dahinter, aber wenn man die Resultate sieht und auf dem Wacken oder dem Summer Breeze spielen kann, dann kompensiert das alles. Ich will auch gar nicht mehr als auf Tour gehen, Leute kennenlernen und Spaß haben.

Kathy:
Sieht du Kommerzialität - besonders im Black Metal-Bereich - als etwas negatives?

Stefan:
Nein, denn wenn man diesen Sprung schafft, ohne seine Wurzeln zu verraten, ist es doch eigentlich toll. Bei den meisten, die so was behaupten, wird wohl nur der reine Neid sprechen.

Kathy:
Was steht bei euch dieses Jahr neben Summer Breeze und Release-Party in Tirol livehaftig noch an?

Stefan:
Das Wacken Open Air, dann gibt's noch das Metal Fest in Wien und einige kleinere Konzerte und Ende des Jahres sind wir bei den X-Mess-Festivals mit von der Partie. Da spielen wir zusammen mit DESTRUCTION, AMON AMARTH und einigen mehr - es ist nur eine kleine Tour von zwei Wochen, aber das Package ist ganz lustig und ich denke, da werden eine Menge Leute kommen und wir bekommen eine gute Gelegenheit, unser neues Album vorzustellen.

Kathy:
Pläne, Träume, Zukunftsvisionen?

Stefan:
Pläne sind in erster Linie die Konzerte zu machen, auf Tor zu gehen und neue Songs zu schreiben. Ein Traum, den wir alle in der Band haben, wäre es, mal in Amerika oder Asien zu spielen. Vielleicht schaffen wir das ja irgendwann.

Kathy:
Wenn das heute dein letzter Tag auf dieser schönen Erde wäre, was würdest du dann nach diesem Interview anstellen?

Stefan:
Nach diesem Interview?! Puh, schwierig, da kann ich ja gar nicht mehr viel machen, es ist ja schon fast halb sechs! (lacht) Was stell ich an..., hm, eigentlich geht's mir ja gut hier, ich sitze im Büro vom Chef... . Ich würde wohl rüber in die Bar gehen, mir was Ordentliches zu trinken holen, die Musik voll aufdrehen und mich einfach betrinken.

Redakteur:
Kathy Schütte

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