FOR SELENA AND SIN: Interview mit Teemu Turkia

05.01.2008 | 11:15

Bereits ihr Demo "Draining" hat mich vor gut zwei Jahren aufhorchen lassen, und mit "Overdosed On You" legen FOR SELENA AND SIN endlich ihr Debüt vor. Die Band aus dem Land der Tausend Seen um die wohltönende Sängerin Annika weiß durch zeitlos schöne Musik zwischen Rock und Melancholie zu überzeugen und klingt trotz erkennbarer Einflüsse - THEATRE OF TRAGEDY, PARADISE LOST, KATATONIA und THE GATHERING nennt sie selbst als Hauptinspiration - bereits erfrischend eigenständig. Bassist Teemu Turkia stellt sich im nachfolgenden Interview meinen Fragen über das bisherige Geschehen im Leben der noch sehr jungen, aber vielversprechenden Formation.

Elke:
Euer mysteriös anmutender Bandname FOR SELENA AND SIN hat mich bereits angesprochen, bevor ich auch nur eine Note von euch gehört hatte. Wofür steht er eigentlich?

Teemu:
Selena ist eine Abwandlung des Namens Selene, welches die Göttin des Mondes ist. Und Sin ist der Gott des Mondes. Unsere erste Sängerin Sini hat diese beiden Worte zu FOR SELENA AND SIN zusammen gesetzt, und wir alle mochten den Bandnamen sofort, zumal er ziemlich ungewöhnlich ist.

Elke:
In eurer Biographie heißt es, dass Gitarrist Pasi und du die Band 2004 gegründet habt, um ruhigere, emotionalere, eher vom Pop/Rock beeinflusste Musik zu erschaffen, als ihr es jemals zuvor getan habt. In welchen Genres bzw. Bands wart ihr bisher aktiv?

Teemu:
Wir spielten in verschiedenen Underground Black-/Death-Metal-Bands. Ich selbst bediene immer noch die Gitarre in einer Death-Metal-Formation, aber eigentlich nur aus Spaß an der Freude. Wir haben noch nicht einmal ein Demo aufgenommen, obwohl wir schon seit vielen Jahren zusammen Musik machen.

Elke:
Das nenne ich echten Underground, haha. Was für Erfahrungen haben die anderen Mitglieder von FOR SELENA UND SIN vorzuweisen?

Teemu:
Unser Keyboarder Teme war mit Pasi zusammen in einigen Bands. Unser neuer Gitarrist Martti zockt parallel in einer Melodic-Death-Metal-Formation namens LUCIDITY. Doch was Kuha und Annika betrifft, so sind sie sozusagen völlig jungfräulich - FOR SELENA AND SIN ist meines Wissens ihre erste Band. Was nicht bedeutet, dass sie blutige Anfänger sind, ihr Handwerk haben sie schon gelernt.

Elke:
Eure erste Sängerin Sini, die noch auf dem Demo "Draining" zu hören war, wurde inzwischen durch Annika ersetzt, was allerdings kaum auffällt - meiner Meinung nach klingen ihre Stimmen recht ähnlich. Lag es in eurer Absicht, eine Sängerin zu suchen, die Sini gleicht, oder hättet ihr euch auch eine völlig andere Stimme vorstellen können?

Teemu:
Es gibt Menschen, die genau das Gegenteil behaupten, nämlich dass die beiden Stimmen sich sehr stark voneinander unterscheiden, auch wenn ich eher deine Auffassung unterschreiben würde. Wir haben jedenfalls nicht zwingend nach jemandem gesucht, der wie Sini klingt, sondern einfach nach einer talentierten Sängerin mit einer Stimme, die perfekt zu unseren Songs passt. Annika ist eine Bekannte von Pasi, und zum Glück hat sie gleich ja gesagt, als wir sie fragten.

Elke:
Ich habe bereits euer Demo "Draining" rezensiert und eure Musik damals als "zeitlos schön" beschrieben. Was sich bewahrheitet hat, da mich diese drei Songs auch zwei Jahre später auf eurem Debüt "Overdosed On You" noch zu begeistern wissen. Ich kann mir daher kaum vorstellen, dass "Draining" euer allererstes Demo gewesen sein soll. Also mal ehrlich: Wie viele andere Tracks sind vorher in der Mülltonne gelandet, bevor ihr diese drei für die Nachwelt festgehalten habt?

Teemu:
Haha, vielen Dank für das Kompliment, und ich will auch völlig ehrlich zu dir sein: Wir haben wirklich nur dieses eine Demo aufgenommen, und alles, was wir an Material dafür zur Verfügung hatten, waren diese drei Songs - nicht mehr und nicht weniger. Während der Demo-Aufnahmen landete also nichts im Papierkorb. Allerdings mussten wir bei der Arbeit an "Overdosed On You" einen oder zwei Songs weglassen, weil sie nicht wirklich zu den anderen Stücken gepasst haben.

Elke:
Ihr habt nach den positiven Reaktionen auf euer Demo inzwischen beim holländischen Label Mascot Records einen Plattenvertrag unterschrieben. Wie viele Angebote hattet ihr vorliegen, und warum habt ihr euch für dieses entschieden?

Teemu:
Ich kann mich nicht an die genaue Anzahl erinnern, aber wir hatten schon eine gewisse Auswahl. Einige Angebote waren gut und andere völlig indiskutabel. Wir sind schließlich bei Mascot gelandet, weil sie uns schlichtweg den besten Vertrag angeboten haben. Außerdem haben sie gute Verbindungen innerhalb Europas. Das macht es leichter, die Welt zu erobern, hehe.

Elke:
Während die drei Songs auf "Draining" eher melancholisch waren, findet man auf "Oderdosed On You" etwas mehr Abwechslung. Stilistisch bewegt ihr euch dort zwischen sanften Balladen und etwas härteren Rocksongs. Werdet ihr diese Mischung in Zukunft beibehalten?

Teemu:
Ehrlich gesagt denke ich, dass noch niemand von uns weiß, welche Art von Musik wir in der Zukunft machen werden. Möglicherweise behalten wir diese Mischung bei, möglicherweise durchlaufen wir aber auch irgendeine Wandlung und stricken unser nächstes Album aus einer ganz anderen Formel. Wir werden sehen.

Elke:
Ihr scheint überwiegend gute bis sehr gute Reviews für euer Debüt zu bekommen, inklusive Auszeichnungen wie "Album des Monats" im Inferno-Magazin und "Newcomer des Monats" im Rock Tribune. Habt ihr mit so viel Begeisterung gerechnet?

Teemu:
Wir hatten uns zwar grundsätzlich gute Reviews erhofft, aber niemals sooo viel positives Feedback erwartet. Besonders die von dir erwähnten Auszeichnungen lassen diese ganze Sache so unwirklich erscheinen. Natürlich gab es auch ein paar negative Stimmen, aber das liegt in der Natur der Sache - man kann es halt unmöglich allen Recht machen.

Elke:
Was mir an eurer Musik positiv auffällt, ist, dass jedes einzelne Instrument klar auszumachen ist. Sogar die Basslinien, denen viele andere Bands weniger Gewicht beimessen, stechen hervor. Gleichzeitig spielt sich jedoch niemand in den Vordergrund, selbst die Gitarrensoli sind eher zurückhaltend. Das sieht für mich insgesamt nach sehr guter Teamarbeit aus, richtig?

Teemu:
Könnte schon hinkommen. Und als Bassist freut es mich natürlich zu hören, dass jemand meinem Spiel Aufmerksamkeit schenkt. Allzu oft wird der Bass ja nur als eine Art Hintergrundgeräusch wahrgenommen. Wir versuchen stets jedes Instrument so einzusetzen, dass es zum Teil des Songs wird, gleichzeitig jedoch für sich selbst steht. Natürlich spielen der Mix und die Produktion ebenfalls eine große Rolle bei solchen Sachen, weshalb wir unserem Sound-Engineer Arttu Sarvanne gar nicht genug dafür danken können, dass er uns einen solch tollen Mix verpasst hat.

Elke:
Angeblich hab ihr fast ein halbes Jahr lang an den zehn Stücken eures Debüts gearbeitet, in dem es Höhen und Tiefen gegeben haben soll. Hört sich für mich entweder nach schlechter Vorbereitung oder tückischer Technik an. Was davon war's?

Teemu:
Der Hauptgrund für diese lange Aufnahmephase lag darin, dass unsere neue Sängerin erst unmittelbar vorher bei uns eingestiegen ist. Annika musste unsere Songs also zunächst lernen und wir gewährten ihr eine gewisse Zeit dafür. Dadurch konnten wir allerdings den bereits gebuchten Studio-Termin nicht einhalten. Viele freie Termine gab es anschließend nicht, so dass wir die Platte nur stückchenweise einspielen konnten, wann immer sich gerade eine Möglichkeit ins Studio zu gehen ergab. Ein weiterer Verzögerungsfaktor war sicher auch unser eigener Perfektionismus. Denn obwohl die Songs schon zu neunundneunzig Prozent standen, wollten wir trotzdem noch Kleinigkeiten ausprobieren, bevor wir wirklich überzeugt waren, dass die Stücke unseren eigenen Ansprüchen genügen. Das ganze zog sich dann über einen Zeitraum von sechs Monaten hin, von denen wir vielleicht zwei Monate mit den eigentlichen Aufnahmen verbrachten.

Elke:
Der letzte Track auf der Platte fällt ziemlich aus dem Rahmen, besonders da es sich um ein Instrumental-Stück handelt. Wurde 'Happy New Year' in einer wilden Silvesternacht geschrieben, oder welche Bedeutung hat der Titel?

Teemu:
Soweit ich mich erinnere, wurde er im Frühjahr, nicht allzu lange bevor wir mit den Aufnahmen begannen, geschrieben, hat also mit Silvester direkt nichts zu tun. Im Grunde symbolisiert das Stück unsere Auferweckung und ist unsere Art, dem ganzen Mist, der uns bereits in unserer jungen Karriere widerfahren ist, Lebewohl zu sagen. Ich persönlich liebe diesen Song und halte ihn für ein perfektes Outro. Und obwohl es sich um ein Instrumental handelt, habe ich schon oft gehört, dass er den Hörer emotional stark anspricht und jeder ihn auf eine andere Art interpretiert.

Elke:
Auf eurer MySpace-Seite nennt ihr THEATRE OF TRAGEDY, PARADISE LOST, KATATONIA und THE GATHERING als eure Haupt-Einflüsse. Die letzten drei Bands kann ich gut nachvollziehen, vor allem KATATONIA hört man aus eurer Musik leicht heraus. Doch wie viel THEATRE OF TRAGEDY findet sich in FOR SELENA AND SIN? Bezieht sich das vielleicht auf die kurzen Growl-Passagen in 'Lost Like Dreamers Are'?

Teemu:
Ich persönlich sehe große Ähnlichkeit zwischen den beiden Bands. Zum Beispiel machen wir beide atmosphärische Musik, die Song-Strukturen sind ähnlich, und natürlich habe wir beide eine Sängerin. Die Death-Grunts stammen übrigens von unseren Gitarristen Pasi und Mika.

Elke:
Ebenfalls auf der MySpace-Seite findet sich ein anrührendes Video zu 'Ghost In The Family', in dem eine Familie eines ihrer Mitglieder beim Sterben begleitet. Stammen die dazugehörigen Aufnahmen aus dem Privat-Archiv eines der Bandmitglieder?

Teemu:
Ja, der ältere Herr ist der Großvater eines Bandmitglieds, aber von wem genau sage ich besser nicht. Es ist ein sehr trauriges und bewegendes Video, besonders da man erkennen kann, dass die Aufnahmen real sind und nicht gestellt. Als wir sie sahen, dachten wir sofort, dass sie perfekt zu dem von uns geplanten Video zu 'Ghost In The Family' passen würden. Also holten wir uns dafür die Erlaubnis von den meisten Angehörigen des Sterbenden, die man in dem Video sehen kann, ein, und sie haben zugestimmt.

Elke:
Bisher haben sich eure Live-Aktivitäten fast ausschließlich auf euer Heimatland konzentriert, bis auf drei Gigs in Irland. Wie kam es zu dieser Mini-Tour auf der grünen Insel?

Teemu:
Das hat sich über MySpace ergeben. Wir haben dort ein wenig mit einer irischen Band namens PSYATICA gechattet. Keine Ahnung, wessen Idee es genau war, aber schließlich beschlossen wir, uns gegenseitig Auftritte im jeweils anderen Land zu organisieren. Daraus ist inzwischen eine richtig gute Freundschaft entstanden, und möglicherweise spielen wir demnächst mal wieder mit ihnen zusammen. Außer dass wir dieses Mal eine größere Tour in noch mehr Ländern anstreben. Bisher sind das zwar nur Hirngespinste, aber ich hoffe sehr, dass sie Wirklichkeit werden.

Elke:
Seht ihr euch grundsätzlich eher als Live- oder als Studio-Band?

Teemu:
Beides. Manchmal denke ich, in uns stecken zwei völlig verschiedene Bands. Die eine ist ruhig und emotional, so wie du es auf der Platte hörst, und die andere ist härter und fieser und lässt auf der Bühne auch mal die Sau raus. Es ist außerdem faszinierend, wie viele Abwechslung man in einen Song bringen kann, indem man einfach die Riffs ein wenig anders spielt.

Elke:
Gab es bereits besondere Höhe- und Tiefpunkte in eurer Karriere als Live-Band?

Teemu:
Meiner Meinung nach war der beste Gig bisher der in Jyväskylä im "Pub Katse": viele Zuschauer, eine tolle Atmosphäre, und das erste Mal, dass wir eine Zugabe spielen mussten. Die mieseste Show war vermutlich die im Rahmen der "Female Fronted Metaltour" in Nivala. Dort fanden sich genau zwei Leute vor der Bühne ein. Aber nicht nur das war ätzend, auch wir selbst waren an dem Tag nicht besonders gut in Form.

Elke:
Wo genau siehst du FOR SELENA AND SIN in fünf Jahren stehen?

Teemu:
Ich denke, zu dem Zeitpunkt bringen wir gerade unser drittes Album heraus. Natürlich haben wir uns in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt und unser Gig-Kalender ist ordentlich gefüllt.

Elke:
Teemu, vielen Dank für das nette Interview und viel Glück mit der wirklich tollen neuen Platte.

Teemu:
Ich danke dir! Und ich hoffe, dass wir eines Tages mal nach Deutschland kommen können. Bis dahin hört bitte in einige unserer Songs auf MySpace rein, und bei Gefallen kauft natürlich unsere CD.

Redakteur:
Elke Huber

Login

Neu registrieren