DETENTE: Interview mit Steve Hochheiser

15.05.2007 | 12:55

Das kalifornische Quintett DÉTENTE um die, am 15.12.1996 verstorbenen Frontfrau Dawn Crosby, veröffentlichte im Jahr 1986 ihren leider einzigen Tonträger namens "Recognize No Authority". Dieses einzigartige Geschoss, dass Bay-Area-Thrash mit Punk auf eine ganz eigene Weise kombinierte, durch intelligente Texte glänzen konnte, zählt für mich bis heute zu den Perlen meiner Sammlung. Vor einigen Monaten erschien eben jenes Werk, welches bislang nur in einer unsäglichen und längst vergriffenen "Price Killers"-Edition vorlag, als modernisierter Rundling. Keine Frage, ein Interview mit Basser Steve Hochheiser musste her.


Holger:
Steve, ich würde erst mal gern ein wenig über die Anfangstage von DÉTENTE reden. Wenn ich richtig informiert bin, hat Dawn schon vor DÉTENTE mit Dennis zusammen gespielt, und zwar bei ALLIES, die ein Demo veröffentlichten und später dann bei FIRST ATTACK. Was ich nicht herausfinden konnte, war, ob sonst noch ein späteres Mitglied von DÉTENTE bereits in einer dieser Bands war.

Steve:
Nein, kein Mitglied der "Recognize No Authority"-Besetzung war in einer der beiden Kapellen, außer Dawn und Dennis.

Holger:
Was ist aus Jim Tutone und Rob Farr geworden, die ganz zu Anfang bei DÉTENTE gespielt haben?

Steve:
Obwohl Jim 'Shattered Illusions' und 'Vultures In The Sky' mit den beiden zusammen geschrieben hat, war er, wie auch Rob, nicht lange genug Mitglied der Band, um mit ihnen aufzunehmen oder aufzutreten.

Holger:
Wie seid ihr überhaupt auf den Bandnamen gekommen?

Steve:
Dawn kam eines Tages damit an und es passte einfach mit ihren politischen Ansichten so gut zusammen.

Holger:
Wart ihr euch damals der Tatsache bewusst, dass ihr einen sehr eigenständigen Sound hattet?

Steve:
Ich denke nicht, dass uns das damals bewusst war. Nachdem wir zur Band gestoßen waren, blieb uns nur wenig Zeit, uns die Songs für die anstehenden Shows draufzupacken. Wir nahmen Ruckzuck ein Demo mit 'Losers', 'Widow's Walk' und ein paar anderen Songs, die schnell wieder aus dem Programm flogen, auf, um weitere Gigs zu bekommen. So bekamen wir sehr schnell sehr viele Gigs und schrieben in der kurzen Zeit dazwischen neue Songs. Ein sehr kreativer Prozess.

Holger:
Stimmt es, dass ein Typ namens Fred Rascon auf dem ersten Demo Gitarre spielt?

Steve:
Das stimmt. Das war ein guter Freund von Dawn und Dennis, der das Demo auch aufgenommen hat. Er hat uns anfänglich auch als zweiter Gitarrist bei Auftritten ausgeholfen.

Holger:
Wann kamen denn Caleb und Ross zur Band?

Steve:
Über eine Anzeige, die wir geschaltet hatten. Er hatte eine Woche Zeit, um sich auf die anstehenden Auftritte mit BLIND ILLUSION und CONTROL vorzubereiten.

Holger:
Dann habt ihr ein zweites Demo aufgenommen, welches in der weltweiten Metalpresse abgefeiert wurde. Wusstet ihr, im Gegensatz zu vielen anderen Bands aus den USA, vom europäischen Underground mit all seinen kleinen Fanzines und den Tapetradern?

Steve:
Ja, darüber wussten wir sehr gut Bescheid und wir haben das auch voll ausgenutzt. Außerdem hat Dawn eine Weile in Europa gelebt und dadurch den direkten Kontakt gehabt. Außerdem haben wir das Demo irgendwann zum Verkauf angeboten und danach verbreitete es sich wahnsinnig schnell. Don Kaye und Malcolm Dome vom Kerrang Magazin waren da sehr hilfreich.

Holger:
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich ein Demo bestellt hatte und ziemlich angepisst war, als dann – trotz Bezahlung – nichts bei mir ankam. Es dauerte mehrere Monate bis dann doch noch ein Päckchen in meinem Briefkasten lag. Was mich überraschte, war die Tatsache, dass es einen deutschen Absender gab. Habt ihr Adressen gesammelt und Dawn mit nach Europa gegeben, damit ihr Porto sparen konntet? Oder gab es Freunde, die euch dabei geholfen haben?

Steve:
Wir haben viele direkt von hier aus versendet, aber es gab diverse Bekannte in Europa, die uns unter die Arme gegriffen haben. Das war alles nicht einfach für uns, da wir natürlich alle normalen Jobs nachgingen. Abends wurde dann täglich geprobt und an den Wochenenden gab es regelmäßig Gigs. Da blieb für vieles andere leider manchmal wenig Zeit.

Holger:
Wie seid ihr dann zum Beitrag auf "Metal Massacre" gekommen und wie waren die Reaktionen auf den Song 'Widow's Walk'?

Steve:
Metal Blade wollten uns eh signen, aber da waren dann Roadrunner schneller. Metal Blade lizensierten dann unsere Scheibe in den USA, was uns natürlich sehr zu Gute kam. In Europa waren de Reaktionen überwältigend, hier bei uns eher gemischt. Das war die ganze Zeit unser Problem. Ich denke, da wir nicht den "typischen" Thrash gespielt haben, konnte das amerikanische Publikum mit uns nicht so viel anfangen. Die Europäer waren da immer schon offener.

Holger:
Ihr habt das Debüt dann mit Dana Strum als Produzenten aufgenommen. Warum ausgerechnet Dana, der ja eher aus der Hair-Metal-Ecke (SLAUGHTER, VINNIE VINCENT INVASION etc.) stammte?

Steve:
Ross kannte Dana und dachte, er wäre ein guter Produzent. Wir waren zuerst skeptisch, aber schlussendlich überzeugte Ross den Rest der Band.

Holger:
Wenn man den Sound des Demos mit dem des Albums vergleicht, habe ich den Eindruck, dass ihr einiges an Rohheit und Aggression verloren habt. Die knusprigen Gitarren von Demo waren auf der Scheibe nach meinem Empfinden viel zu weit im Hintergrund. Würdest du mir da zustimmen?

Steve:
Ja, ich denke auch, dass wir insgesamt etwas zahmer klangen. 'Holy Wars' kam aber auf dem Album zum Beispiel besser als auf dem Tape, während 'Widow's Walk' seelenlos klingt, wenn man die Versionen vergleicht. Insgesamt waren wir mit dem Ergebnis aber doch zufrieden.

Holger:
Welche Resonanzen gab es denn dann auf das Album?

Steve:
Ich kann mich an kein einziges schlechtes Review erinnern. Entweder wurden wir als "the next big thing" oder zumindest als extrem vielversprechend angesehen Ich denken, unser Stil war schon recht einzigartig, aber wir versäumten es, unsere Chancen richtig zu nutzen. Es war schwer, uns zu kategorisieren, daher fiel es den Leuten schwer, uns zu vergleichen.

Holger:
Was ja auch ein Kompliment ist. Habt ihr damals schon Reaktionen aus Deutschland bekommen?

Steve
Deutschland war unser größter Markt. Wir haben bei euch allein 6000 bis 7000 Einheiten verkauft.

Holger:
Direkt nach der Veröffentlichung begannen die Probleme mit Dawn. Darf ich fragen, was damals genau vorgefallen ist?

Steve:
Eigentlich begann alles schon während der Aufnahmen. Es gab ein sehr striktes Aufnahme-Schedule und wir kämpften mit Dana, dass die Songs nicht zu viel von ihrer Rohheit verlieren sollten. Dawn hatte die Angewohnheit das Studio zu verlassen, wenn eine Diskussion nicht zu ihrer Zufriedenheit gelöst wurde, was Ross und mich sehr wütend machte. Es kam zu einer Situation als wir noch zwei Nummern aufzunehmen hatten und uns die Zeit weglief. Dawn ging einfach weg und wir fanden sie zu Hause, wo es zu einem handfesten Streit kam. Das war der Anfang vom Ende.

Holger:
Es gab Gerüchte, dass Dana sich weigerte weiter mit Dawn zusammen zu arbeiten.

Steve:
Daher kommt auch das Gerücht, dass wir einen Song ohne Dawn für einen Soundtrack aufnehmen wollten. Wir testeten ein paar Sängerinnen, ließen die Idee dann aber doch fallen. Als Dawn das hinterher herausbekam, wurde sie sehr wütend.

Holger:
Nicht ganz unverständlich. Ich vermute mal, dass der Umstand, dass Dennis und Dawn verheiratet waren, die Sache nicht gerade vereinfacht hat, oder?

Steve
Zu dem Zeitpunkt waren sie nur ein Paar, aber noch nicht verheiratet. Trotzdem führte dies zu einigen schrägen Situationen.

Holger:
Was war denn nun der schlussendliche Grund für das Auseinanderbrechen der Band?

Steve:
Egos. Zwischen Dawn, Ross und mir herrschte ein immerwährender Kampf um alles Mögliche. Später hatten wir das gleiche Problem bei CATALEPSY. Die Wahrheit ist, dass Dawn der wichtigste Faktor für DÉTENTEs Eigenständigkeit war und es ihre Identität ist, an die sich die Leute zurück besinnen. Jungendliche Egos verhindern aber, dass man solche Dinge rechtzeitig erkennt.

Holger:
Gab es denn Pläne für ein zweites Album oder eine Tour durch Europa?

Steve:
Wir hatten bereits begonnen Material für einen Nachfolger zu schreiben, aber nach dem Vorfall mit Dana weigerte sich Ross mit Dawn zu arbeiten. Dawn rief mich und Caleb an, um uns von der anstehenden Europa-Tour zu informieren, meinte aber, dass Ross nicht dabei sein dürfte. Also lehnten wir auch ab.

Holger:
Eine Schande! Direkt im Anschluss hast du dann mit Ross und Caleb CATALEPSY gegrüdet und ein famoses Drei-Song-Demo veröffentlicht. Waren diese Songs ursprünglich für DÉTENTE geschrieben worden?

Steve:
Nein. Aber ist es nicht lustig, dass wir damals beschuldigt wurden, wie ein Ripp-Off von DÉTENTE zu klingen? Ross und ich hatten bis auf 'Vultures' und 'Shattered' alle Songs bei DÉTENTE geschrieben, also war es doch logisch, dass unsere neue Band dort ansetzen würde, wo wir aufgehört hatten, oder nicht? Das war halt unser Sound.

Holger:
Existieren noch mehr Aufnahmen von dieser Besetzung?

Steve:
Es gibt ein komplettes, unveröffentlichtes Album. Ich besitze vier dieser Songs, aber Ross hat das erste FEAR FACTORY-Demo über die Originalaufnahmen gespielt. Ich kann das immer noch nicht fassen...

Holger:
Sonst hat der Herr aber keine Probleme, oder? Bevor ich mich jetzt aufrege, zurück zum Thema. Ich habe nie so ganz verstanden, warum Dennis und Dawn den Namen DÉTENTE für die nächsten Demos weiter verwendet haben, bevor sie diese Songs dann auf dem ersten FEAR OF GOD-Album veröffentlichten.

Steve:
Es gab einen kurzen Kampf um die Namensrechte, bis Ross und ich uns sagten, dass es uns egal sei. Das Kapitel war für uns abgeschlossen.

Holger:
Wann hat denn Dennis FEAR OF GOD verlassen?

Steve:
Vor dem ersten Album. Er war es leid und zog für eine kurze Zeit an die Ostküste.

Holger:
Stimmt es, dass Wacko (RAVEN) für einen kurzen Zeitraum bei FEAR OF GOD gespielt hat?

Steve:
Ich glaube, er hat auf der Europa-Tour ausgeholfen.

Holger:
Wie lange habt ihr denn CATALEPSY fortgeführt?

Steve:
Drei Jahre lang. Ross und ich waren ja noch immer vertraglich an Roadrunner gebunden. Wir nahmen das Demo in dem Glauben auf, frei zu sein, aber als Roadrunner Wind von dem Material bekamen, verwiesen sie uns auf irgendeine klein gedruckte Klausel im Vertrag. Ross wollte unbedingt einen Major-Deal und so verplemperten wir zwei lange Jahre, um aus dem Vertrag heraus zu kommen. Im Hintergrund warteten CBS auf uns. Als wir endlich frei waren, war es zu spät. Ich wollte gern das Album bei Roadrunner veröffentlichen. Es wäre schon das zweite aus unserem Drei-Album-Deal gewesen, so dass wir nur noch ein weiteres für sie hätten einspielen müssen. Und jedes andere Label hätte uns aus diesem Rest-Deal heraus gekauft.

Holger:
Hast du denn die Karriere von FEAR OF GOD verfolgt?

Steve:
Ich habe mir das Album erst später angehört und war sehr angetan. Auch wenn das Riff aus 'Diseased' nach meinem 'Holy Wars'-Riff klingt, war es insgesamt ein starkes Werk.

Holger:
Wäre denn das auch die Richtung gewesen, in die Dawn mit DÉTENTE gehen wollte?

Steve:
Es gab für Dawn keine "Richtungen". Sie hat immer mit der Musik gearbeitet, die ihre Mitmusiker ihr angeboten haben und dann durch ihre intensive Art Texte zu schreiben und durch ihre faszinierende Stimme, diese Musik aufgewertet Das ist auch ein Grund, warum Mike FEAR OF GOD verlassen hat. Damit kam er nicht klar. Man kann das sehr gut an "Toxic Voodoo" nachhören. Das klingt komplett anders als "Within The Veil", weil Dawn eine komplett andere Band am Start hatte. Das war aber egal, denn mit Dawn in der Band klang es einfach immer toll.

Holger:
Wer war denn eigentlich verantwortlich für den punkigen Einschlag in der Musik von DÉTENTE?

Steve:
Das war einfach die Art, wie Ross, Dawn und ich Songs schrieben. Ihre Selbstfindung und ihre politischen Ansichten addierten sich hervorragend dazu.

Holger:
Hattest du Kontakt zu Dawn und/oder Dennis über die Jahre hinweg?

Steve:
Wir trafen uns hin und wieder auf Konzerten und hatten dann auch Spaß miteinander. Mehr aber auch nicht.

Holger:
Wie und wann hast du von ihrem Tod erfahren?

Steve:
Kurz nach ihrem Tod sagte es mir ein gemeinsamer Freund. Ich war schockiert.

Holger:
Warum hat es denn so lange gedauert bis "Recognize No Authority" endlich als reguläre CD erschienen ist?

Steve:
Die Price-Killers CD wurde irgendwann zu einer gesuchten Rarität. Ich hatte niemals darüber nachgedacht bis ich von einigen Labels angesprochen wurde. Dann entschied ich, alles selbst in die Hand zu nehmen, um sicherzustellen, dass das Ergebnis auch ordentlich ausfallen würde.

Holger:
Was für Resonanzen hast du denn bislang auf den Re-Release erhalten?

Steve:
Wie schon beim ersten Mal sind die Reaktionen sehr postiv. Die Verkäufe sind eher schleppend, aber kontinuierlich. Ich denke, ich werde ein paar Tausend Einheiten verkaufen und damit weiterhin als Underground-Kapelle gelten, was okay für mich ist. Die Leute, die diese Veröffentlichung respektieren, sind natürlich die intelligenteren Menschen. (lacht)

Holger:
Danke. ;-) Ich habe mich immer darüber gewundert, dass Ross seine Popularität niemals dazu benutzt hat, seine alten Bands zu promoten.

Steve:
Ross war niemals ein großer Fan seines eigenen Gitarrenspiels. Schräg, denn er ist ein sehr guter Spieler. Er hat im Gegenteil, sogar alles dafür getan, nicht mit diesen Bands in Verbindung gebracht zu werden.

Holger:
Schräg, indeed. Was sind denn deine besten und deine schlechtesten Erinnerungen an DÉTENTE ?

Steve:
Es gibt natürlich viele tolle Erinnerungen an die Band. Was mir besonders prägend im Gedächtnis hängen geblieben ist, ist die Hektik, mit der wir die ersten Gigs in San Francisco durchziehen mussten. Das waren tolle Tage. Schlechte Erinnerungen gibt es keine, obwohl wir schwere Zeiten durchlebt haben. So etwas verliert mit der Zeit aber an Bedeutung, da ich es geliebt habe, in der Band zu spielen.

Holger:
Was ist eigentlich an dem Gerücht dran, dass Dawn sich mit Megadave geprügelt haben soll?

Steve:
Das waren halt wilde Zeiten damals und Dawn war eine toughe Frau. Eine Schlägerei mit Dave Mustaine? Ich hätte auf Dawn gesetzt! Ehrlich, davon weiß ich zwar nichts, aber wir bewegten uns alle in einer Thrash/Punk-Szene. Da würde mich das jetzt auch nicht wundern.

Holger:
Okay. Belassen wir es dabei. Was für Pläne habt ihr denn jetzt? Eine Reunion mit Veronica Ross (CATALEPSY)?

Steve:
Während dieser Wanderung durch meine Erinnerungen bin ich doch sehr auf meine Karriere fokussiert worden. Ich habe mit Caleb und Dennis über eine mögliche Reunion gesprochen und es hätte beinahe schon mit zwei "prominenten" Ersatzleuten für Ross und Dawn geklappt. Momentan sieht es so aus, als ob es nächstes Jahr etwas werden könnte. Dann aber nur in Europa und nur für wenige Shows!

Holger:
Verfolgst du eigentlich die Metalszene von heute?

Steve:
Ich mag immer noch sehr unterschiedliche Musik, wie schon damals. Momentan stehe ich auf SYSTEM OF A DOWN. Die haben viel zu sagen, was mich sehr an DÉTENTE erinnert.

Holger:
Gibt es noch unveröffentlichte Songs oder vielleicht sogar Videomaterial, das ihr veröffentlichen wollt?

Steve:
Caleb hat eine Aufnahme von unserem allerletzten Auftritt, also vielleicht...

Holger:
Möchtest du am Ende noch irgendwas loswerden?

Steve:
Ich möchte jeden, der das hier liest, bitten, sich die Zeit zu nehmen und sowohl DÉTENTEs "Recognize No Authority" wie auch FEAR OF GOD "Within The Veil" anzuhören. Dawn hatte so viel zu sagen und beide Alben haben ihre Berechtigung in der Geschichte des Heavy Metal.

Redakteur:
Holger Andrae

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