CALLENISH CIRCLE: Interview mit Gavin Harte

12.11.2005 | 18:14

Eher zwiespältige Reaktionen löste das neue Album "[Pitch.Black.Effects]" der holländischen Death/Thrasher bei mir aus. Grund genug, bei Drummer Gavin Harte mal nachzuhaken, was denn der Auslöser für die ungewohnten Töne aus der Käserepublik war und warum ausgerechnet Jamaika der nächste Fußballweltmeister wird.

Kilian:
Hi Gavin, wie geht's? Gibt's schon Reaktionen auf euer neues Album und wenn ja, wie fallen diese aus?

Gavin Harte:
Danke, uns geht es gut. Wir haben gerade viel zu tun wegen des neuen Albums und müssen einige Interviews geben. Aber das soll keine Beschwerde sein! Die ersten Kritiken kommen und bis jetzt sind sie wirklich okay. Die Meisten sind recht positiv, auch wenn es immer Leute gibt, die nicht begeistert sind, dass sich eine Band weiterentwickelt, anstatt ihren alten Sound beizubehalten.

Kilian:
Ich muss sagen, mich habt ihr auch überrascht mit dem Album. Ich erwartete eigentlich, dass ihr den Stil des erfolgreichen Vorgängers "My Passion//Your Pain" fortführt, aber stattdessen habt ihr einige neue Komponenten eingeführt. Wolltet ihr bewusst moderner klingen durch die elektronischen Sounds und mehr Midtemposongs statt der alten Thrash-Kracher? Oder war das ein natürlicher Prozess beim Songwriting?

Gavin Harte:
Nun, ich denke es ist eine Kombination aus dem Willen, uns zu entwickeln und dem natürlichen Songwriting-Prozess. Wir sind keine Band, die sich wiederholen will und den selben Stiefel wieder und wieder abspult. Auf diesem Album haben wir uns mehr auf den Groove anstatt auf die Geschwindigkeit konzentriert. Also kann man denken, dass die Songs langsamer wären, obwohl die Beats per Minute immer noch ähnlich hoch sind wie auf "My Passion//Your Pain". Außerdem haben wir diesmal einige Elektronikelemente in die Musik integriert und nicht nur Syths in den Intros und Outros benutzt. Es war eine ziemliche Herausforderung für uns, einen Weg zu finden, diese neuen Elemente einzufügen, ohne den typischen CALLENISH CIRCLE-Sound zu verlieren.

Kilian:
Ihr habt auch mit anderen Bandtraditionen gebrochen. So habt ihr zum Beispiel euren Produzenten gewechselt und die Platte in Holland aufgenommen. Der Endmix aber wurde von Tue Madsen in Dänemark vorgenommen. Warum habt ihr euch gegen Andy Classen entschieden, der eure letzten beiden Scheiben produziert hat?

Gavin Harte:
Wir waren immer sehr glücklich, mit Andy zu arbeiten, aber da wir uns für mehr Elektronik-Sounds entschieden haben, die von unserem Soundingenieur Gail Liebling erstellt werden, wollten wir das Album mit ihm aufnehmen, um ihn einfach stärker in die Herstellung des Albums zu involvieren. Außerdem konnten wir so mehr experimentieren im Studio, was ebenfalls eine neue Erfahrung und Herausforderung war. Zudem wäre ein drittes Album mit Andy wie ein Routinejob erschienen und das wollten wir vermeiden.
Für Tue Madsen haben wir uns entschieden, weil wir glauben, dass er jeder Band ihren eigenen Sound geben kann. Meiner Meinung nach gibt es (noch) keinen typischen Tue Madsen-Sound.

Kilian:
Lass uns mal zum Textkonzept kommen. Was ist mit den "Pitch Black Effects" gemeint und worum drehen sich die Lyrics hauptsächlich?

Gavin Harte:
Vor einigen Jahren habe ich in Berlin das Jüdische Museum besucht. Neben der ganzen jüdischen Geschichte hat mich vor allem alles um das Thema Holocaust beeindruckt. In einem Raum des Museums wurde den Besuchern der Eindruck vermittelt, wie es gewesen sein muss, in einem Konzentrationslager eingesperrt zu sein. Man muss sich vorstellen, in einem massiven Gebäude zu sein: pechschwarz, kalt, feucht, allein. Man fühlt sich wirklich winzig und ist verzweifelt. Das einzige Licht ist zu weit weg und unerreichbar. Diese Vorstellung hat mich sehr beeindruckt und als ich vor einigen Monaten ein Gedicht las, hat es mich sofort an meinen Besuch im Museum erinnert. Das Gedicht handelte von jemandem in einer hoffnungslosen Situation, der seine Energie von simplen Dingen bezog, wie etwa dem Lichtstrahl, der jeden Morgen ins Zimmer fiel. Das Gedicht beschrieb diese Erfahrung, als käme man von einer pechschwarzen Umgebung in eine helle, symbolisch gesehen. Wenn man das wörtlich nimmt, bekommt man einen Überbelichtungseffekt in den Augen – einen "Pitch Black Effect". Außer dem Titel "Pitch.Black.Effects" widmet sich der Song 'Schwarzes Licht' dieser Geschichte und der Überbelichtungsaspekt wird auf dem Cover illustriert.

In den anderen Songs geht es um extreme menschliche Emotionen wie Hass, Trauer, Wut und Eifersucht. Einige Texte sind persönliche Erlebnisse, andere sind fiktional. Ron (Ronny Tyssen, Gitarrist - d. Verf.) versetzt sich häufig in bestimmte Gemütszustände und versucht auszudrücken, was Leute in solchen Situationen fühlen. Das schreibt er dann allerdings so auf, dass es mehrere Varianten gibt, die Texte zu interpretieren.

Kilian:
Ein Song hat einen deutschen Namen, nämlich 'Schwarzes Licht'. Warum habt ihr ausgerechnet die deutsche Sprache für den Titel benutzt?

Gavin Harte:
Auf Grund des Inhalts und des Hintergrundes der Lyrics dachten wir, es sei eine gute Methode, um die richtige Atmosphäre für den Song zu kreieren. Unserer Meinung nach passt Deutsch einfach perfekt zur Stimmung des Tracks.

Kilian:
Für das Cover zeichnet Mircea Gabriel Eftemie von MNEMIC verantwortlich. Wie seid ihr an ihn geraten und was kannst du über seine Illustration sagen?

Gavin Harte:
Nun, um ehrlich zu sein, wollten wir wieder mit Niklas Sundin zusammenarbeiten, aber er war zu beschäftigt mit DARK TRANQUILLITY und anderen Projekten. Er empfahl uns dann Mircea, da sie zu der Zeit gemeinsam in den USA tourten.
Nun zum Artwork, du musst dir vorstellen, du läufst von einem stockdunklen Raum in einen leuchtend hellen. Deine Augen können die Helligkeit nicht verkraften und es kommt zu dieser Überbelichtung. Das wollten wir visualisieren mit dem Cover in Verbindung mit einem dunklen Artwork. Diese Kombination gibt es aber nur mit der europäischen Special Edition inklusive DVD. Die Standardversion hat nur das überbelichtete Artwork.

Kilian:
Noch einmal zurück zur Musik. Auf Grund der elektronischen Einflüsse erinnert ihr mich mittlerweile ein wenig an SOILWORK ohne die klaren Gesangspassagen. Ist das der nächste Schritt, den ihr vorhabt oder kannst du solche Vergleiche überhaupt nicht nachvollziehen?

Gavin Harte:
Hm, ein Vergleich mit SOILWORK... Nun, zumindest haben SOILWORK einen sehr modernen Sound und wir auch, also alleine deshalb kann man solche Vergleiche natürlich schnell ziehen, obwohl sich beide Bands ansonsten doch sehr stark unterscheiden.
Ich denke nicht, dass wir jemals klaren Gesang verwenden werden. Wir haben in den Anfangstagen mit einer Kombination aus Grunts und klarem Gesang experimentiert, aber das funktionierte nicht und wir haben beschlossen, es dabei zu belassen. Ich weiß auch nicht, ob wir noch mehr elektronische Sounds in unsere Musik einfließen lassen werden, denn zur Zeit ist die Menge an Elektronik das Maximum, das unser Sound vertragen kann. Aber vielleicht ändere ich in Zukunft auch meine Meinung und wir werden der nächste große Trance-Act, haha!

Kilian:
Euer Bassist Rocco hat die Band gerade mal einen Monat vor den Aufnahmen verlassen. Kannst du etwas näher auf die Umstände seines Austritts eingehen und wer wird denn nun an seiner Stelle den Bass malträtieren?

Gavin Harte:
Ja, das war eine sehr unangenehme Überraschung. Er konnte schon in den letzten Monaten vor seinem Ausstieg nur noch schwer zu den Proben kommen, da er sehr viel zu tun hatte mit seiner Arbeit und seinem Rock Pub. Etwa vier Wochen vor den Aufnahmen sagte er uns dann, dass er auch keine Zeit für die restlichen Proben hatte. Aber wir haben es geschafft, das Problem zu lösen. Maurice Brouwers von ENGINE OF PAIN konnte sich einige Zeit nehmen und (sehr hart) mit uns arbeiten. Er hat einen exzellenten Job im Studio gemacht. Für zukünftige Liveauftritte haben wir einige Leute vorspielen lassen und Wim Vossen, der früher bei MANGLED war und immer noch bei STORMRIDER aktiv ist, wird unser neuer Bassist sein. Wir haben bereits vier Konzerte mit ihm gespielt und es fühlt sich wirklich großartig an, ihn an Bord zu haben.

Kilian:
Nachdem das Album nun fertig ist, wie sehen denn eure weiteren Pläne aus? Geht's direkt wieder ans Schreiben von neuen Songs oder wollt ihr jetzt erst mal live die Sau rauslassen?

Gavin Harte:
Wir haben fürs erste genug vom Songwriting. Jetzt stehen erst mal Konzerte an. Es stehen schon einige Shows auf der Warteliste, aber die meisten Gigs für 2006 müssen noch bestätigt werden. Wir können hoffentlich auf einigen coolen Sommerfestivals spielen und vorher einige Konzerte in Europa und vielleicht auch außerhalb Europas geben. Aber es ist recht schwer für uns, diese Sachen zu planen, da wir alle noch unsere Jobs haben und deshalb nicht eben drei Monate am Stück auf Tournee gehen können. Aber wir werden unser Bestes geben!

Kilian:
Nächstes Jahr findet ja die Fußball-WM in Deutschland statt. Interessierst du dich für Fußball und wirst dir ein paar Spiele ansehen? Und wer wird eigentlich den Pokal holen?

Gavin Harte:
Eigentlich interessiert mich Fußball gar nicht. Mich nervt dieser Hype, der um die Spiele der holländischen Nationalmannschaft gemacht wird. Wer Weltmeister wird? Das jamaikanische Bobteam!

Kilian:
So, wir sind durch. Irgendwelche "famous last words" für die Leser?

Gavin Harte:
Okay, danke für das Interview. Jeder, der sich für uns interessiert, kann ja mal bei http://www.callenish-circle.com oder http://www.myspace.com/callenishcircle vorbei schauen. Dort gibt's auch einige Audiosamples. Ich schätze, das wird euch mehr überzeugen als nur ein Interview zu lesen. Übrigens, vergesst nicht, das Album zu kaufen. Ich spiele nur in einer Metalband, um ein großes Auto zu fahren und ich habe immer noch keinen BMW!
Hehe, macht's gut!

Redakteur:
Kilian Fried

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