BENTHOS: Der Band-Blick auf das koordinierte Chaos
09.05.2025 | 00:03Dass Italien in Sachen Metal nicht nur symphonische, sondern auch progressive Töne sehr stilecht auf den Punkt bringen kann, beweisen uns seit 2018 die Mailänder von BENTHOS. Und ihr Zweitwerk "From Nothing" hat es faustdick hinter den Ohren und weiß auch mit heftig-deftigen Tönen durchaus zu begeistern. Etwas chaotisch, ein bisschen Avantgarde, recht extravagant, aber stets durchdacht – der Aha-Moment ist BENTHOS sicher. Wir fühlten den Italienern – Schlagzeuger Ale, Bassist Albi und Gabriele an der Gitarre, in Anbetracht dieses Achtungserfolgs auf den Zahn.
Ihr Lieben, wie geht es euch?
Ale: Hallo! Schön, dich kennenzulernen, und danke für das Interview! Im Moment sind wir sehr aufgeregt und immer noch ungläubig darüber, wie gut "From Nothing" aufgenommen wird. Wir sind auch ungeduldig, es endlich zum ersten Mal live zu präsentieren!
Seit eurem Debüt ist viel passiert - besonders das Signing bei InsideOutMusic ist ein Highlight. Wie kam es dazu und welche Möglichkeiten eröffnen sich dadurch für euch?
Ale: Wir denken oft daran, wie absurd es war, als Vorband von THE CONTORTIONIST zu debütieren und die Bühne mit MESHUGGAH zu teilen. Diese Möglichkeiten verdanken wir unserem alten Freund Mattia Brembati von Versus Music Project. Wir sind sehr dankbar für alles, was er für uns getan hat (und immer noch tut); unsere kommende Release-Party wird auch mit ihm organisiert.
Gabriele: Im Juni 2024 hatten wir endlich das Master des Albums, ein paar Videoclips gedreht und eine Reihe von Aufnahmen gemacht. Mit Hilfe unseres PR-Agenten Lorenzo Corno schickten wir ein EPK an das Label und schon nach ein paar Tagen meldete sich der Labelchef bei uns. Er war so begeistert von unserer Musik, dass er nach ein paar E-Mails beschloss, die Band unter Vertrag zu nehmen, und hier sind wir nun, Teil einer riesigen Familie namens InsideOutMusic. Natürlich ist ihr Vertrieb riesig und wir hätten nie erwartet, unsere Platten in Schaufenstern zu sehen! Teil dieses Labels zu sein, ist eine große Ehre für uns, weil sie so viele Anhänger haben, und es wird großartige Möglichkeiten geben, mit unglaublichen Bands aus der Prog-Szene zusammenzuarbeiten.Jetzt steht euer zweites Album "From Nothing" in den Startlöchern, das handwerklich sehr beeindruckend ist. Prog Metal, Mathcore, Jazzrock - wie würdet ihr euren eigenen Stil auf der Platte beschreiben? Ein bisschen von allem?
Ale: Ein bisschen von allem und ein bisschen von jedem! Das Coole an der Zusammenarbeit ist, dass wir nie planen, was wir machen, es ergibt sich einfach aus der Vielfalt und der Schnittmenge unserer Ideen. Wir haben sehr unterschiedliche musikalische Geschmäcker und Hintergründe, und ich denke, das ist der Schlüssel zu unserer Formel.
Ich mochte schon "II" sehr, aber das neue Album übertrifft meine Erwartungen. Was waren eure Ziele, als ihr mit der Arbeit an "From Nothing" begonnen habt?
Ale: Wir haben die meiste Zeit damit verbracht, einfach unserem Geschmack zu folgen, ohne ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Dann, als die meisten Songs vor uns lagen, begannen wir, das größere Bild zu sehen; wir ordneten neu, was wir hatten, und komponierten die restlichen Songs mit einer klareren Vision im Kopf. Der letzte Song, den wir komponiert haben, war 'To Everything', und es ist auch der einzige Song, den wir alle zusammen komponiert haben (zum größten Teil). Es ist unbeschreiblich, wie wir ihn das erste Mal gemeinsam angehört haben, als wir die endgültige Tracklist hatten.
Und wie würdest du den musikalischen Unterschied zwischen "II" und dem aktuellen Album sehen? Welchen Sprung habt ihr musikalisch gemacht?
Ale: Ich denke, es war eine natürliche Weiterentwicklung von etwas, das schon auf "II" vorhanden war. Wir haben es geschafft, uns von unseren Einflüssen zu lösen, und wir haben einen persönlicheren Sound und Stil entwickelt.
Das Artwork ist sehr zweideutig und passt gut zu der verworrenen Musik auf dem Album. Was genau besagt es und was ist das übergeordnete Thema des Albums?
Gabri: Das Cover von "From Nothing" zeigt einen Affenschädel, der in ein synthetisches Muster eingebettet ist und symbolisiert die Verschmelzung von organischen und elektronischen Elementen in der Musik von BENTHOS. Dieses Bild spiegelt die Verschmelzung von Vintage-Klängen mit modernen synthetischen Soundscapes wider. Der Affenschädel steht für die Urinstinkte der Menschheit, die mit dem rationalen Denken koexistieren, was sich mit der Erforschung der Entstehung von Ideen und ihrer transformativen Wirkung auf Individuen und die Gesellschaft deckt. Wir beschreiben das Album als "eine tiefgründige Reflexion über den Sinn des Lebens, während wir die positiven und negativen Spuren erforschen, die die Menschheit hinterlassen hat, und wie sie ganze Gesellschaften in verschiedenen Aspekten geformt haben: künstlerisch, kulturell und sozial."
Als erster Appetitanreger wurde 'Fossil' veröffentlicht - darin beschäftigt ihr euch mit der Idee, dass unser gegenwärtiges Leben von Fragmenten unserer Vergangenheit bestimmt wird. Habt ihr dafür ein konkretes Beispiel? Welche Ereignisse aus der Vergangenheit haben euch am meisten geprägt?
Ale: Das Konzept des Videos wurde von Luigi Pirandellos Idee der Maske inspiriert, daher ist es schwierig, ein "konkretes" Beispiel zu finden, da es sich auf etwas Ungreifbares bezieht. Das Fossil als Metapher steht eher für das Bild, das wir unwillkürlich in anderen Menschen (und auch in uns selbst) erzeugen, basierend auf einer begrenzten Wahrnehmung unserer Persönlichkeit. Diese Fossilien bleiben im Bewusstsein der Menschen, und jede Handlung, die wir tun, wird immer mit den Fossilien verglichen, die wir in der Vergangenheit produziert haben. Das ist jedoch nicht immer etwas Schlechtes; eine Idee, die wir in das Video einbrachten (und die auch mit den Texten verbunden ist), war die Konfrontation zwischen unserem neuen Image als Band und dem Fossil unserer früheren Arbeit "II".
Auch die Single 'Pure' hat mir sehr gut gefallen. Textlich geht es darum, den Materialismus loszulassen. Könntest du ein wenig näher erläutern, was du damit genau meinst?
Gabri: In einer Gesellschaft, die von ständigem Konsum getrieben und von Materialismus geprägt ist, lädt dieser Song den Hörer ein, einen Schritt zurückzutreten und darüber nachzudenken, wie das Leben wäre, wenn man all diese äußeren Reize loslassen würde. In gewisser Weise drückt er meine persönliche Unzufriedenheit mit dieser konsumorientierten Ära aus.
Mein kleiner heimlicher Favorit ist eigentlich 'The Giant Child' - werden Kinder zu oft klein gehalten, ohne dass man ihre wahre Größe sieht?
Gabri: 'The Giant Child' ist einer unserer Lieblingssongs. Er handelt von den unschuldigen Gedanken, die noch in uns leben. Diese Gefühle lassen uns offener, emotionaler und neugieriger auf das werden, was jenseits des Alltags liegt. Das Lied ist inspiriert von einem Essay namens "Il fanciullino" ("Das kleine Kind") von Giovanni Pascoli. Darin steht das Kind für eine Art, die Welt mit Staunen und ohne Urteil zu betrachten. Während Pascoli davon spricht, diese kindliche Sichtweise beizubehalten, haben wir unsere Version gestärkt und das Kind zu einem Riesen gemacht, voller Emotionen und Energie, der unsere Musik und Kreativität inspiriert.Zu guter Letzt möchte ich noch 'Let Me Plunge' hervorheben, zu dem ihr auch ein Video gedreht habt. Was hat es mit dem Thema der Selbstfindung und -verwirklichung zu tun?
Gabri: Dieser Song steht eigentlich für den Beginn des "Prozesses" oder vielmehr für den Moment, bevor eine Idee Gestalt annimmt. Es ist der Moment, in dem Emotionen etwas in uns entfachen, das uns zum Handeln drängt. Es brennt von innen heraus, angetrieben von Leidenschaft und oft begleitet von einem Gefühl der Angst.
Was wird der Sommer für euch bereithalten? Gibt es Pläne, "From Nothing" auf deutschen Bühnen aufzuführen?
Ale: Keine Spoiler für diesen Sommer, aber wir können mit Stolz sagen, dass wir im September in Deutschland beim "Euroblast"-Festival spielen werden!
Italien ist voll von Metal-Größen, wenn ich allein an RHAPSODY (OF FIRE), DEATH SS, ADRAMELCH, SECRET SPHERE oder LABYRINTH denke. Inwieweit wurdet ihr musikalisch von euren Landsleuten beeinflusst und wie würdet ihr die italienische Metalszene bewerten?
Gabri: Eine Band, die einen großen Einfluss auf meine Musik hatte, vor allem während meiner Teenagerzeit, war definitiv DESTRAGE. Sie kommt aus unserer Heimatstadt, und als ich jünger war, fühlte ich mich durch ihre Musik weniger allein. Ihr einzigartiger Mathcore-Prog-Sound war eine meiner größten Inspirationen, vor allem wenn es um hektisches Riffing geht. Leider haben sie sich vor kurzem aufgelöst, und in Italien gibt es keine andere Band wie sie mehr. Es ist schwer, die italienische Szene einzuschätzen, sie ist ziemlich klein, und es ist definitiv eine Herausforderung, sich hier als Band durchzusetzen.
Albi: In der High School hörte ich eine Prog/Death-Band aus Norditalien namens SADIST. Ich entdeckte sie zufällig auf einem Festival und sie beeindruckte mich mit ihrem nicht-stereotypischen Death Metal. Eine andere Band ist NOISE TRAIL IMMERSION mit ihrem Einsatz von Dissonanzen. Ich persönlich mochte auch das erste, selbstbetitelte Album von GLORY OF THE SUPERVENIENT mit ihrer Art zu experimentieren.
Leute, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. Was möchtet ihr unseren Lesern und euren Fans noch mitteilen?
BENTHOS: Vielen Dank für eure Zeit! Allen aufmerksamen und neugierigen Ohren empfehlen wir, in unsere neue Platte "From Nothing" reinzuhören! Wir sind neugierig auf eure Meinungen! Wir hoffen, euch bald zu sehen und können es kaum erwarten, euch unser Werk live zu präsentieren!
Fotos: Amalia Cicala
- Redakteur:
- Marcel Rapp