letzte Mohikaner, Der
- Regie:
- Harald Reinl
- Jahr:
- 1965
- Genre:
- Western
- Land:
- Deutschland/Spanien/Italien
1 Review(s)
18.02.2008 | 13:54Cooper adieu: Winnetou reloaded
Nachdem auch sein Vater von einer Gruppe Irokesen unter der Führung von Magua ermordet wurde, ist Unkas der letzte des Stammes der Mohikaner. Er schwört Rache. Wenig später helfen er und sein weißer Bruder Falkenauge Captain Hayward ( Joachim Fuchsberger), die beiden Töchter von General Munro vor einem Überfall durch Maguas Truppe zu retten. Doch Magua kann mit einer der Töchter, Cora, entkommen ...
Diese Adaption des Klassikers "Der letzte Mohikaner" von James Fenimore Cooper setzt nicht nur auf aufwändig gedrehte Actionszenen mit vielen Komparsen, sondern auch auf atemberaubende Landschaftsaufnahmen. (Verleihinfos)
Filminfos
O-Titel: Der letzte Mohikaner (Deutschland/Spanien/Italien 1965)
Dt. Vertrieb: Koch Media
DVD-Veröffentlichung: 14.12.2007
FSK: ab 12
Länge: ca. 90 Minuten
Regisseur: Harald Reinl
Drehbuch: Joachim Bartsch
Musik: Peter Thomas
Darsteller: Joachim Fuchsberger (Hayward), Karin Dor (Cora), Daniel Martin (Unkas), Anthony Steffen (Falkenauge), Carl Lange (Oberst Munroe), Kurt Grossknuth (Koch), Stelio Candelli (Roger, der Banditenführer) Ricardo Ridriguez (Magua) u. a.
Handlung
Zusammen mit weißen Banditen haben die Mingos das Dorf der Mohikaner überfallen und alle bis auf den Häuptling Chingachgook niedergemetzelt. Chingachgook entkommt schwer verletzt in den "Wald der steinernen Bäume", wo er seinen Sohn Unkas und dessen Freund Falkenauge trifft. Er macht Unkas vor seinem Tod zu seinem Nachfolger als Oberhaupt der Mohikaner. Unkas schwört, an den Schuldigen Rache für die Getöteten zu üben und sich eine Frau zu suchen, damit die Mohikaner nicht für immer vom Angesicht der Erde verschwinden. Von den zwei Mingos, die Chingachgook verfolgt haben, wird einer von Falkenauge getötet, der andere darf fliehen. Doch als er wieder zu Magua, dem Mingo-Häuptling, stößt, bekommt er von diesem als Lohn ein Messer in den Bauch.
Magua hilft dem Banditen, einen Militärtransport zu überfallen, der zur Ranch von Ex-Oberst Munroe Gold und Sprengstoff bringen soll. Die Banditen erbeuten nur den Sprengstoff, nicht aber das Gold. Die Soldaten finden Zuflucht auf der Ranch, doch dort bangt der Oberst um das Wohlergehen seiner zwei Töchter Alice und Cora, die auf dem Weg zur Ranch sein sollen. Magua erfährt davon und fasst einen kühnen Plan, die zwei Frauen in seine Hand zu bekommen. Unterdessen belagern die Banditen vergeblich die befestigte Ranch.
Cora (Karin Dor) und Alice (Marie France) befinden sich in dem Trupp, den Hauptmann Haywards (Fuchsberger) Leute bewachen. Sie haben eine Brücke repariert und wollen sich gerade an die Weiterreise machen, als Magua auftaucht. Er gibt vor, Natochi zu heißen und als Bote von Oberst Munroe gesandt worden zu sein, um Heyward und seinen Leuten den rechten Weg zu weisen. Natürlich will er sie in einen Hinterhalt der Mingos führen.
Doch Unkas hat die Spuren richtig gelesen. Etwas braut sich zusammen; und alles weist auf eine enge Schlucht hin. Hoffentlich kommt er mit Falkenauge noch rechtzeitig, um das Schlimmste zu verhüten ...
Mein Eindruck
Dieser Inhaltsabriss dürfte schon deutlich machen, dass diese Verfilmung lediglich einen Abklatsch des immens erfolgreichen "Der Schatz im Silbersee" darstellt. Drehbuchautor Jochen Joachim Bartsch, ein Freund Reinls, verlegte die Handlung in die 1860er Jahre und nach Arizona. Er erreichte damit Einsparungen bei den Kostümen und brauchte die politischen Hintergründe nicht mehr zu erklären. Außerdem konnte der Drehort ins kostengünstige Südspanien (Andalusien/La Mancha) verlegt werden, wo alle anderen europäischen Western auch entstanden.
Bartsch servierte Chingachgook schon ziemlich frühzeitig ab, so dass nicht wie im Buch der Häuptling Falkenauges / Lederstrumpfs Blutsbruder wird, sondern dessen Sohn Unkas, der letzte Mohikaner. Dadurch werden Falkenauge und Unkas zu einer billigen Kopie von Winnetou und Old Shatterhand. Sie geben auch die gleiche Friedensbotschaft von sich, die eh keiner glaubt. Das Duo, das im Buch so zentral ist, wird in der Folge zu Nebenfiguren degradiert.
Statt der Rotröcke aus England reiten stramme Blauröcke durch die Pampa, die von Superstar Joachim Fuchsberger angeführt werden. Der mittlerweile in die Jahre gekommene Star der Edgar-Wallace-Filme weist bereits weiße Schläfen auf und käme daher als Alices Ehemann nicht mehr in Frage. Es ist eine extrem peinliche Szene, als er ihr am Schluss anbietet, sich um sie zu kümmern, wenn alles vorbei ist. Fuchsberger wirkt hier eher wie ein dirty old man mit zwielichtigen Absichten.
Der zweite Superstar ist ohne Zweifel Karin Dor, und sie wusste das auch. Der Regisseur Reinl, ihr werter Göttergatte, offenbar ebenfalls, denn sie darf nicht nur das Harmonium quälen, sondern auch die Meisterschützin raushängen lassen (und dabei Hauptmann Hayward düpieren). Seltsamerweise wird auch der Bösewicht Magua, gespielt von Rodriguez, fortwährend in Szene gesetzt, sei es als Spion, als Duellant, als Krieger und noch vieles mehr. Trotz seines Kopfputzes erscheint er zu keinem Zeitpunkt als echter Angehöriger des Irokesenvolkes.
Aber auch Unkas sieht eher wie ein gewisser Apache aus als ein Bewohner von neuenglischen Urwäldern. Unkas alias Dan Martin ist auf den Filmplakaten die Nummer drei neben Fuchsberger & Dor, dem Krimi-Traumpaar. Die Indianer bei der Belagerung wurden von Roma und Sinti gespielt, die Reinl schon 1955 vor den Toren Granadas vorgefunden hatte.
Von der Riege deutscher Stars, welche die Constantin Film 1963 so vollmundig angekündigt hatte - darunter Götz George als Lederstrumpf sowie Harald Juhnke und Herbert Lom - blieb kaum noch einer übrig: nämlich nur noch Dan Martin, Fuchsberger und Dor. Diese erscheinen auf den Filmplakaten, sonst niemand. Immerhin tritt auch noch Carl lange als Oberst Munroe recht kraftvoll auf. Für die humorvollen Zwischentöne ist der Koch Kurt Großknuth zuständig. Mit seiner "indianischen Zauberwurzel" entlockte er mir jedoch nur ein müdes Lippenzucken. Er erinnert eher an den Alm-Öhi, dementsprechend erscheint die blonde Alice als seine Heidi.
Wie auch immer: Der Film wird an keiner Stelle langatmig, sondern weiß die Aufmerksamkeit des Zuschauers ebenso auf Trab zu halten wie seine Akteure. Nach zwei Dritteln sehnte ich mich nach einer Verschnaufpause - und bekam sie auch, bevor das doppelte Finale - für die Ranch und das spätere Duell Unkas gegen Magua - den Film abschloss. Es lässt sich leicht nachvollziehen, wo Reinls und Carcasonas Millionen geblieben sind: bei den 1500 Statisten, den zwei Superstars, den zahllosen Kameraeinstellungen, der Materialschlacht. Der Aufwand lohnte sich ertragsmäßig nicht für die Produzenten, und so blieb dies Reinls einziger Ausflug ins herbeifantasierte Lederstrumpfland.
Das ist ja alles gut und schön, aber wenn man mal über die Story nachdenkt, so scheint es nur darum zu gehen, die Weißen vor den bösen Roten zu beschützen - und zwar durch einen Roten und einen Weißen. Das ist das klassische Winnetou-Muster, und wenn man einen Winnetou-Streifen gesehen hat, dann weiß man auch schon über diese Cooper-Verfilmung Bescheid.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2.35:1 (16:9)
Tonformate: Dolby Digital 2.0
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras:
1. Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
2. Super 8-Filmfassung
3. Original-Kinotrailer
4. Interview mit dem Komponisten
5. Entfallene Szene
6. Booklet
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild wurde offensichtlich digital überarbeitet oder es wurde eine taufrische Kopie verwendet. Der Zuschauer kann sich jedenfalls nicht über Qualität beschweren. Der Ton in DD 2.0 enttäuscht ebenfalls nicht, entspricht aber lediglich gutem Fernsehniveau. Der Standard für moderne Kinofilme ist jedoch mindestens DD 5.1.
1. Bildergalerie mit seltenem Werbematerial
Die Bildergalerie ist mit 90 Motiven außergewöhnlich umfangreich und umfasst vierfarbige und schwarzweiße Filmplakate, Aushangfotos, Presse- und PR-Hefte, ein vierfarbiges Fanheft, die Hülle der extrem raren Filmmusikplatte, einen Indianerkalender von 1966 mit Szenenfotos, Musiknoten für die Titelmelodie, einen Kostümentwurf für Unkas, weitere Filmfotos, Fotos von den Dreharbeiten (u. a. mit Heinz Rühmann) sowie von den Drehorten.
2. Super-8-Filmfassung
Diese Filmfassung ist erstens von schlechter Bild- und Tonqualität sowie von ungewöhnlicher Länge: 31:40 Minuten. Sie bietet die Action-Höhepunkte des Streifens.
3. Original-Kinotrailer
Der Trailer der Constantin-Film ist 3:40 Minuten lang. Bild- und Tonqualität sind außer an Anfang und Ende (Lagerspuren) recht ordentlich.
4. Interview mit dem Komponisten (18:20 Min.)
Peter Thomas war nicht nur an Edgar-Wallace-Musiken beteiligt, sondern auch für die Musik zur französischen Winnetou-Serie "Mein Freund Winnetou" von 1979 zuständig. Arild Rafalzik interviewte ihn 2007 in einer Hotellobby. Der Sound ist ausgezeichnet.
Die Gesamtleitung des Filmprojekts "Der letzte Mohikaner" hatte ein Mann namens Alfons Carcasona inne, doch Thomas weiß nichts über ihn zu sagen, weil er keinen Kontakt hatte. Den hatte er mit dem Regisseur Harald Reinl, einem gemütlichen Wiener, den er von den Wallace-Filmen kannte. Thomas sollte die Musik schreiben, aber er wollte Martin Böttchers Winnetou-Musik nicht nachahmen. Es war sein erster Western, und er spielte die Musik live im Studio mit seinem Orchester ein. Diesem gehörten zeitweilig bis zu 45 Mitglieder an.
Telefunken produzierte von diesem Soundtrack zusammen mit dem von "Durchs wilde Kurdistan" (Raimund Rosenberger) eine Platte, die heute zu den größten Raritäten auf dem Audiomarkt gehört. Laut Rafalzik zahlten Sammler bis zu 1000 Mark dafür, also um die 520 Euro. Thomas hatte mit der Platte nichts zu tun, die besorgte der Verleger seiner Musik. Übrigens würde er diese heute nicht anders gestalten. Und er hat übrigens "Der letzte Mohikaner" bis heute nicht zur Gänze gesehen.
5. Entfallene Szene
Die entfallene Szene von einer halben Minute Länge ist zum Teil in der Endfassung wiederzufinden. Alice macht für ihren geliebten Captain Heyward Kaffee, spricht aber auch mit dem Koch (Kurt Grossknuth). Der Dialog ist in Spanisch und nicht untertitelt.
6. Booklet
Das 28 Seiten umfassende Booklet bietet auf vorbildliche Weise filmhistorisch relevante Informationen (Autor: Arild Rafalzik). Fans sollten sich die Details in den Filminfos genau ansehen. Auf den Internetseiten von Koch Media werden als Filmlänge 88 Minuten angegeben, im Booklet aber 90 Minuten, ebenso unterscheiden sich 1965 (Uraufführungsjahr) und 1966 (Angabe online) doch deutlich.
Ein ausführlicher Handlungsabriss hilft, ein paar Unklarheiten zu beseitigen. Ist Ex-Oberst Munroes Palisadengrundstück nun ein Fort, eine Farm oder eine Ranch? Eine Liste der Verfilmungen schließt sich an. Ein Highlight ist der Weihnachtsvierteiler von 1969, in dem Hellmut Lange zum Publikumsliebling avancierte. Mehrere Schwarzweißfotos lockern die Textstrecken auf.
Die Situation vor Drehbeginn (s. o.) wird in allen Einzelheiten geschildert, ohne jedoch jemals Kritik zu üben. Eine Würdigung des Drehbuchs geht der Schilderung der Drehorte voraus. Daran schließen sich die Filmvorbereitungen und die Dreharbeiten an. Die vier Hauptdarsteller Fuchsberger, Dor, Anthony Steffen und Dan Martin werden mit Bio- und Filmografien relativ ausführlich gewürdigt.
Eine Anmerkung zur Musik folgt, wobei deutlich wird, dass es nicht selbstverständlich war, dass Peter Thomas die Filmmusik lieferte. Vorgesehen war zunächst Martin Böttcher, Komponist für die Winnetou-Filme. Für die spanische und italienische Version engagierte Alfons Carcasona den Komponisten Francesco de Masi. Den Abschluss bildet eine Übersicht der Filmkritiken in Auszügen. Sie sind allesamt positiv bis lauwarm, liefern aber auch Auskunft, warum dies der einzige Lederstrumpf-Film Reinls blieb (es gibt ja fünf Bände).
Unterm Strich
Wer die Winnetou-Filme mag, der ist auch hier an der richtigen Adresse: die im Grunde gleiche Story, die gleichen Macher, ein wenig andere Stars. Was dies alles noch mit der Buchvorlage zu tun hat, ist eine gute Frage. Sie ist nur noch rudimentär vorhanden. Der Drehbuchautor vereinfachte, verlegte, lud mit viel Action auf und schuf völlig neue Figuren. Kurzum: Er nahm sich jede denkbare Freiheit heraus. Wer eine Cooper-Verfilmung sucht, wird wohl woanders besser fündig, vor allem bei Michael Manns Film.
Die Silberscheibe bietet gute Ton- und Bildqualität sowie umfangreiches Bonusmaterial, unter dem vor allem das dicke Booklet hervorragt.
- Redakteur:
- Michael Matzer