Mein Freund Winnetou
- Regie:
- Marcel Camus
- Jahr:
- 1979
- Genre:
- Western
- Land:
- Frankreich / Schweiz
- Originaltitel:
- Winnetou, le Mescaléro
1 Review(s)
30.01.2008 | 12:30Sammleredition für Winnetou-Freunde
Apachen-Häuptling Winnetou überwältigt einen jungen Komantschen bei dem Versuch, sein Pferd zu stehlen. Obwohl sie verfeindeten Stämmen angehören, freunden sich die beiden Indianer an und erleben spannende Abenteuer bei ihrem Kampf gegen die Unterdrückung durch die Weißen.
Filminfos
O-Titel: Winnetou, le Mescaléro (Frankreich / Schweiz 1979)
Dt. Vertrieb: Koch Media (27. Juli 2007)
FSK: ab 12
Länge: ca. 360 Minuten
Regisseur: Marcel Camus
Drehbuch: Jean Gérard, Jean-Claude Deret, nach Motiven von Karl May
Musik: Peter Thomas
Darsteller: Pierre Brice, Ralf Wolter, Siegfried Rauch, Arthur Brauss, Eric Do, Jean-Claude Deret, Jose Antonio Marros, Leopoldo Frances u. a.
Handlung der Episoden
Episode 1: Blutspuren
Zwischen 1865 und 1880. Winnetou trauert gerade am Grab seines Vaters Intschutschuna und seiner Halbschwester Nschotschi, als ihn ein Arapaho-Krieger darüber informiert, dass dessen Dorf von Sam Cookes Desperados angegriffen werde. Der Enkel von Häuptling Alter Bär, Kleiner Bär, sei entführt worden. Als Winnetou bei der Ruine eines Klosters eintrifft, sieht er Alter Bär und Kleiner Bär, wie sie den Banditen zu entfliehen versuchen. Der Junge wird erschossen, sein Großvater ebenso. Winnetou ist entsetzt, denn Alter Bär ist für ihn wie sein eigener Vater. Doch als er eingreift, wird auch er von den Banditen schwer verwundet, kann aber entfliehen.
Als er von seinem Pferd Iltschi stürzt, entdeckt ihn der Fotograf Napoleon Charbonneau, der den Westen im Auftrag der Armee durchstreift, um entflohene Indianer zu fotografieren, damit man sie wieder einfangen kann. Er macht ein Foto von Winnetou neben seinem Hengst. Dieses Foto wird später, im Prozess gegen Alter Bär, noch sehr wichtig werden. Charbonneau verbindet Winnetou und versteckt ihn vor den Banditen. Als Paiute-Indianer ihn stoppen und bedrohen, weil er einen sterbenden Indianer in seinem Wagen hat, hilft ihm Old Shatterhand aus der Patsche.
Zusammen bringen sie Winnetou zum Medizinmann der Paiute, doch sie müssen vor den Banditen fliehen. Aber sie werden erneut angegriffen, bis ihnen unverhofft Ambrose, der schwarze Einsiedler und Westmann, zu Hilfe kommt - mit dem Schrei der Dakota!
Episode 2: Ein junger Komantsche
Zu Ehren seines Lehrers Alter Bär, den er für tot hält, zieht Winnetou dessen Lederhemd an. Ein weißer Siedler bittet Winnetou und Old Shatterhand um Hilfe gegen weiße Banditen, die er allerdings für Indianer hält. Als diese Angelegenheit bereinigt ist, trennt sich Winnetou von seinem Freund, um in Ruhe meditieren zu können.
Doch dazu kommt er nicht, denn der junge Komantsche Tashunka beschießt ihn und versucht, sein Pferd zu stehlen. Auf diese Weise hofft er, bei seinem Stamm genug Ehre zu erlangen, um in die Gemeinschaft der Krieger aufgenommen zu werden. Winnetou kann das verstehen und ist ihm deswegen nicht böse. Als Tashunka Sapa - das heißt Schwarzes Pferd - ihm jedoch das Gewehr, die Silberbüchse, klaut, ist Schluss mit lustig. Er muss den jungen Mann vor einem Puma retten. Nach einer Einkehr bei Ambrose reitet Tashunka lieber mit Winnetou statt mit Old Shatterhand.
Nach dem die drei fort sind, trifft der Fotograf bei Ambrose ein. Er erzählt, Alter Bär lebe noch und werde vor Gericht gestellt, weil er seinen Enkel getötet haben soll ...
Episode 3: Der Mann für indianische Angelegenheiten
Winnetou und Tashunka stoßen auf einen überfallenen Siedlerwagen. Der Indianeragent Ronald Vincent hat sich das Bein gebrochen, seine indianische Kiowa-Frau und sein Halbblutsohn müssen Nahrung besorgen. Winnetou muss erst den Widerstand Vincents überwinden, bevor dieser ihm erlaubt, sein Bein zu verbinden. Und das, obwohl Leute wie Vincent für die Vernichtung ganzer Völker wie der Cree und der Choctaw verantwortlich waren, wie Winnetou ihm erklärt.
Da tauchen Apachen vom Stamm der Chiricahua auf, Cochises Volk. Die Regierung wolle sie ins Reservat von San Carlos stecken, berichten sie. Die Krieger werden vom stolzen Yaqui angeführt, der alle Weißen vertreiben und töten will - auch Ronald Vincent.
Episode 4: Der Zweikampf
Winnetou verteidigt Vincent gegen Yaquis Anspruch. Yaqui hat auch Charbonneau gefangen, wegen dessen Tätigkeit für die Armee und das Amt für indianische Angelegenheiten BIA (das es bis heute gibt). Winnetou befreit seinen Lebensretter selbstverständlich - das Foto ist ja der Beweis. Yaqui hält Kriegsrat und der Donnervogel antwortet auf Winnetous Plädoyer für Vincent und Charbonneau. Yaqui ordnet an, dass ein Gottesurteil über das Schicksal Vincents entscheiden soll.
Tashunka soll mit verbundenen Augen gegen einen ebenso jungen und verbundenen Krieger der Mimbreño-Apachen kämpfen, aber mit leichten Keulen aus einer Kaktusart. Der Kampf beginnt ...
Episode 5: Im Fort der Weißen
"Alarm! Indianer kommen!", erschallt es im Fort der Weißen, das unangreifbar auf einer Klippe steht. Lt. Merril (Artur Brauss) ist allerdings der Einzige hier, der Verständnis für die Indianer hat, sein Captain Stone und dessen Boss, Colonel Turner, halten die Roten nur für auszurottendes Gesindel. Merrils Patrouille trifft auf Winnetou und dessen kleinen Zug. Der Agent Ronald Vincent erklärt Merril, was Sache ist: Winnetou habe ihn und seine Familie zweimal gerettet. Merril entschuldigt sich sogar.
Die Schwarzfußindianer vor dem Fort sind ein erbärmlicher Haufen, der vom Alkohol hilflos gemacht wird. Winnetou weigert sich, das Fort zu betreten und reitet mit Tashunko von dannen. Dadurch verpasst er das Eintreffen des Gefangenentransports, der Alter Bär bringt. Merril soll den Indianer beim Mordprozess in der nächsten Stadt verteidigen.
Episode 6: Sam Hawkins City
Winnetou und Tashunka haben Sam Hawkins, den alten, skalpierten Westmann, getroffen. Sam (Ralf Wolters) wird von seinem zahmen Schwarzbären Diogenes gefolgt. Auch Sam kannte Alter Bär, von der letzten aller Bisonjagden, und liebte ihn. Auch er hält ihn für tot. Nachdem Winnetou ihn entsetzt dafür getadelt hat, dass Sam sein Geld jetzt mit Schnapsbrennen für Händler verdient, steckt Sam seine Destille in Brand.
In der Nacht werden die Pferde gestohlen, die Spuren stammen von Weißen. Die Verfolgung führt sie in eine Schlucht, wo vier weiße Männer zwei Squaws der Cheyenne gefangen halten und missbrauchen. Klarer Fall, worin die Mission Winnetous, Tashunkas und Sams besteht ... Es wird ein harter Kampf.
Episode 7: Das Feuerross
Winnetou und Tashunka haben nach dem Abschied von Sam und den Banditen die zwei Cheyenne-Frauen in deren Dorf zurückgebracht. Durch Winnetous Fürsprache haben die Männer die zwei nicht verstoßen, sondern wieder in den Stamm aufgenommen. Sie sind Gattin und Tochter von Häuptling Wolfszahn. Hier erblickt Tashunka die schöne andere Tochter des Häuptlings, Winona. Winnetou hilft seinem jungen "Bruder", ein Geschenk für Wolfszahn aufzubringen, um Winona sozusagen auszulösen. Danach beginnt Tashunka, Winona, die er seine Prärieblume nennt, mit einer Flöte zu bezirzen. Schon bald erhört sie seinen Lockruf.
Unterdessen sinnen die Cheyenne auf Krieg, denn sie sehen sich durch die Landvermesser der Eisenbahngesellschaft bedroht, die den Streckenbau durch ihr Land planen. Während die Beratungen sich hinziehen, weil sich der Älteste und Winnetou gegen Krieg aussprechen, trifft der Fotograf Charbonneau im Lager der Eisenbahner ein ...
Als der Eisenbahnagent Fowler und sein Gehilfe Sullivan im Dorf auftauchen, begrüßt Winnetou sie. Den Cheyenne wird ein Landvertrag angeboten, den sie nicht lesen können.
Episode 8: Die Flöte
Während der Beratung über den Vertrag verteilt Sullivan hinterlistig Alkohol. Gerade noch rechtzeitig vertreiben die Krieger die Weißen. Die Squaws werfen mit Steinen. Auf diese Squaws hat es der Armeeoberst Stevens abgesehen, denn er hat gehört, dass bei den Cheyenne die Frauen ebenso viele Rechte haben, über das Land zu entscheiden, wie die Männer.
Nachdem Winnetou und Tashunka weitergeritten und die Krieger zur Büffeljagd aufgebrochen sind, will Tashunka wieder zu Winona zurück. Doch im Dorf der Cheyenne hat inzwischen der Oberst seinen Plan in die Tat umgesetzt.
Episode 9: Der große Kriegsrat
Tashunka findet Winnetou bei Sam Hawkins und ruft die beiden zu Hilfe. Doch sie kommen zu spät, um das Dorf vor dem Untergang zu retten.
Tashunka sinnt ebenso auf Rache für die ermordete Winona wie Winnetou. Doch Tashunka trauert zunächst und wartet auf eine Vision vom Großen Geist, indem er in die Sonne starrt. Nun ruft Winnetou die großen Stämme zu einem großen Kriegsrat zusammen. Die Chiricahuas von Yaqui, die Dakota, die Mescaleros und die Schoschonen kommen, doch die Hopis bleiben dem Rat fern. Auch der einstige Gegner Tashunkas, der junge Mimbreño-Apache, trifft ein, doch er hat seine eigenen Pläne ...
Episode 10: Gequältes Volk
Um Geist und Körper zu reinigen, setzen sich die Chiefs in die Schwitzhütte, dann erst wird palavert. Beim Powow klagt Yaqui Winnetou der Doppelzüngigkeit an: Er predige Frieden mit den Weißen und bereite den Verrat an seinen roten Brüdern vor. Dann befürwortet Winnetou die Einigkeit der Indianer, um in einem gemeinsamen Aufstand die Weißen endgültig zu besiegen und zu vertreiben.
Yaqui spottet nur: Winnetou könne ja nicht mal seinen alten Freund Alter Bär vor dem Tod durch die Weißen bewahren. Da hört Winnetou erstmals, dass sein Lehrer nicht tot ist. Tashunka ist einer Vision gefolgt und in das Eisenbancamp eingedrungen, um die Flöte wiederzuerlangen, die Sullivan Winona, die er tötete, geraubt hat. Winnetou reitet sofort hinterher, um Tashunka vor einem Fehler zu bewahren, doch er kommt zu spät ...
Episode11: Die Rache der Cheyennes
Die Eisenbahner ahnen, dass ein Krieg bevorsteht. Fowler, der glücklose Eisenbahnagent, macht sich aus dem Staub, während der Oberst sein Camp zum Fort ausbauen lässt. In der Nacht gelingt es Winnetou, Tashunka zu befreien, doch kaum sind sie in Sicherheit, greifen bereits die überlebenden Cheyenne und ihre Verbündeten das Camp an. Das Sprengstoffdepot fliegt durch einen Selbstmordanschlag in die Luft ...
Episode12: Aufbruch
Die Indianer erwarten den Gegenschlag der Armee und verlassen ihr Land. Der Mimbreño-Krieger nimmt die Frauen der Cheyenne auf, doch der Älteste, Tunkashila, bleibt zum Sterben zurück. Er hat Winnetou den Auftrag gegeben, Alter Bärs Leben zu retten. Winnetou macht sich mit Tashunka auf den Weg in die Stadt, wo Alter Bär vor Gericht gestellt wird.
Sam Hawkins und Old Shatterhand merken, was vor sich geht. Die Kavallerie, von den Eisenbahnern gewarnt, wird ausrücken. Den Soldaten wollen sie ein Schnippchen schlagen. Kaum sind Winnetou und Tashunka in der Stadt und besuchen Alter Bär, will ein Mob sie lynchen ...
Episode 13: Der Prozess
Lt. Merril stellt sich als der Verteidiger von Alter Bär vor, was Winnetou einigermaßen erstaunt. Merril schlägt ihm vor, als Augenzeuge der Untaten der Cooke-Bande aufzutreten. Der Prozess unter dem Vorsitz der Armeegenerals Turner beginnt. Captain Stone spielt den Staatsanwalt. Die ersten "Zeugen" sind ausgerechnet Mitglieder der Cooke-Bande, doch Merril beweist, dass sie alle lügen. Winnetou und Merril besorgen von Charbonneau den Beweis, dass Winnetou in der Nähe des Massakers an den Arapaho war: sein Foto. Daraufhin klagt Stone Winnetou selbst der Mittäterschaft an.
Bürger der Stadt planen einen Anschlag auf Charbonneau und Tashunka ...
Episode 14: Alter Bär
Alter Bär bereitet sich auf den letzten Prozesstag vor. Dieser stellt sich als sehr turbulent heraus. Denn es treten auch Sam Hawkins, Old Shatterhand und der Indianeragent Ronald Vincent samt Familie auf. Schockiert bekommen die Geschworenen die Fotos zu sehen, die Charbonneau vom Sand Creek Massaker und vom Washita-Massaker aufgenommen hat. Das war im September 1864. Turner erkennt sie als echt an. Auch Agent Vincent hat Fotos dabei, und er bürgt für Winnetou.
Der Moment des Schuldspruchs der Geschworenen ist da. Da geschieht etwas völlig Unerwartetes mit dem Angeklagten Alter Bär. Er bricht zusammen ...
Mein Eindruck
Zum meinem Erstaunen führen am Schluss alle Handlungsfäden wieder zusammen. Und auch die hin und wieder auftauchenden Figuren führen kein unmotiviertes Eigenleben, sondern haben ihre Rolle im Prozess zu spielen. Somit fügt sich aus den 14 Episoden, die je sieben Doppelfolgen ergeben, eine durchgehende Grundstory, die sich um die Befreiung Alter Bärs dreht.
Diese aber hängt von der Enthüllung der Wahrheit über den Tod von Kleiner Bär ab, dem Enkel des Häuptlings, den er angeblich getötet haben soll. (Allein schon eine aberwitzige Anschuldigung, die nur von den Tätern selbst kommen kann.) Diese Ermittlung der Wahrheit macht die ganze Serie unterschwellig zu so etwas wie einer Kriminalgeschichte. Dadurch wird sie relativ spannend und kann durchaus den Vergleich mit der ZDF-Serie "Kara Ben Nemsi" aufnehmen, die ebenso verfährt.
Eingestreut ist der ganze Komplex um die Auseinandersetzung der Cheyennes mit der Eisenbahngesellschaft und der Kavallerie. Sie ist ein klassisches Beispiel für alle Konflikte, die in der überlieferten Historie auftraten. Dies macht deutlich, dass sich die Macher dieser Winnetou-Serie meilenweit von allen jenen Karl-May-Western-Epen entfernt haben, die irgendwelche Winnetou-Abenteuern zusammenfantasierten. Nein, die Franzosen um Marcel Camus sind um eine authentischere Darstellung sowohl von Indianern als auch Weißen bemüht.
So erfährt der Zuschauer beispielsweise von der Gleichstellung der Frauen bei den Cheyenne, wie sie bei anderen Nationen nicht zu finden war. Dass die Cheyenne, deren Name von "chien = Hund" abgeleitet ist, gerne auch Hunde kochten, führten zu einer komischen Szene, in der Tashunka die feine Küche seiner Cheyenne-Gastgeber leider nicht zu schätzen weiß. Und das, wo doch Winona, sein Schatz, selbst gekocht hat!
Auch die Erfindung der Schwitzhütte, eine Art improvisierte Sauna, dürfte nur wenigen Zuschauern bekannt sein, wenn auch das Prinzip vertraut ist. Die Tradition der Trauernden, in die Sonne zu starren, um vom Großen Geist (er wird nirgends im Film "Manitu" genannt) eine Eingebung zu erhalten, wird unvertraut. Tatsächlich gehörten aber solche Rituale gerade für junge Krieger, die sich ein Totemtier aussuchen sollten, zum festen Bestandteil der indianischen Kultur, besonders der Prärieindianer (man denke an Sitting Bull und Red Cloud sowie Crazy Horse).
~ Die Gretchenfrage ~
Eine zentrale Frage für die Bewertung dieser Darstellung ist natürlich die Haltung, die Winnetou selbst einnimmt. Welche Ansichten vertritt er und auf welcher Seite steht er? Hat dieser Winnetou überhaupt noch etwas mit Karl Mays Superman und Friedensengel zu tun? Letzteres kann man gleich verneinen. Dieser Winnetou erinnert viel mehr an die oben genannten Kriegshäuptlinge und ist auch viel mehr authentischer Bestandteil der indianischen Kultur als Mays Fantasiegestalt.
Yaqui, ein Chiricahua, bezichtigt Winnetou der Doppelzüngigkeit, und in der Tat gibt es einige Momente, in denen man dies nachvollziehen kann. Wenn der Mescalero-Häuptling beispielsweise dem Indianeragenten zu überleben hilft, so muss man berücksichtigen, dass solche Agenten ganze Indianernationen auf dem Gewissen haben. Wenn Winnetou den Cheyenne helfen will, aber sich gleichzeitig gegen den Krieg gegen die Weißen ausspricht, die ihnen ihr Land stehlen wollen, so sieht dies auch nicht so aufrichtig aus.
Winnetous Standpunkt muss man sich so vorstellen: Es bringt nichts, Krieg gegen eine Flut von Weißen zu führen, wenn man nur für einen Tag oder zwei gewinnt, danach aber überrollt wird. Frieden ist produktiver, selbst dann, wenn er das Aussterben der roten Brüder nur hinauszögert. Dies ist sowieso ein unaufhaltsamer Vorgang.
Am Schluss verkündet Winnetou eine schreckliche Prophezeiung: Eines Tages werden die leblosen Städte der Bleigesichter von den Geistern ihrer roten Brüder erfüllt sein, die sie auf dem Gewissen haben. Und dann werden diese Geister ihren Schlaf und ihre Träume heimsuchen, auf dass sie nicht vergessen werden. Denn vergessen zu werden, ist das Schlimmste, das einem indianischen - oder jedem anderen - Volk widerfahren kann. Schließlich bedeutet es, dass die Eltern völlig umsonst ihre Kinder in die Welt gesetzt und aufgezogen haben - und was wäre dann der Sinn jeglicher menschlichen Existenz?
~ Die Darsteller und Inszenierung ~
Die Hauptfigur wird von Pierre Brice gespielt, der ersten Inkarnation dieser Figur, seit 1962 "Der Schatz im Silbersee" in die Kinos kam und einen Boom auslöste, der elf weitere Winnetou-Filme hervorbrachte. Die meiste Zeit ist Brice ziemlich ernst, was durch die kriegerische Handlung erklärbar ist, aber in seiner Begegnung mit Tashunka und ähnlichen Szenen zeigt er auch mal seinen Humor. Was mich des Öfteren verwirrte, war das fortwährende Wechseln seines Lederhemdes. Zu Anfang trägt er die gewohnte Winnetou-Kluft, diese tauscht er gegen die von Alter Bär ein, doch er trägt auch das traditionelle Outfit der Mescaleros, das aus schwarzem Hemd und rotem Stirnband besteht. Dass bei all diesen Wechseln auch mal Anschlussfehler vorgekommen sind, erscheint daher nicht unwahrscheinlich, ist aber doch relativ störend. Brice wird von dem bekannten Sprecher Christian Brückner synchronisiert, der Stimmbandvertretung Robert de Niros.
Old Shatterhand tritt nicht als Fotomodel und Gutmensch auf, sondern, wie es ja viel wahrscheinlicher ist, mit Vollbart und allem Drum und Dran, das ein "Westmann und Buschläufer" benötigt. Seine Schmetterhand bringt er zweimal zum Einsatz. Ralf Wolter als Sam Hwakins kichert immer noch recht lustig unter seiner Perücke, nennt seinen Feuerstock aber nicht mehr liebevoll "Liddy" oder dergleichen. Interessant ist der Dritte im Bunde, nämlich der Schwarze Ambrose (Leopoldo Frances), der von Tommi Piper, der Stimme Alfs, synchronisiert wurde.
Der Komantsche Tashunko Sapa wurde von dem 22-jährigen Eric Dô Hieu gespielt, einem französischen Fitnesstrainer. Er macht seine Sache sehr gut, redet aber nicht sonderlich viel. Häufig ist er für romantische oder humoristische Einlagen zuständig. Der Darsteller des Chiricahua-Kriegers Yaqui, Miguel Angel Fuentes, synchronisiert von Bruce-Willis-Stimme Manfred Lehmann, ist da schon ernster zu nehmen. Er erscheint als wichtiger Gegenspieler Winnetous.
Immer wieder taucht der Fotograf Napoleon Charbonneau auf. Dabei handelt es sich um keinen anderen als den Drehbuchautor Jean-Claude Deret himself! Artur Brauss hingegen ist seit 1963 im Kino zu finden und spielte wegen seiner Englischkenntnisse ab 1964 mit John Frankenheimer und anderen Regiegrößen in Hollywood. Noch bekannter wurde er durch die zahllosen Krimiserien aus deutschen Landen, wo er meist auf Seiten der Bösen auftauchte, doch in "Großstadtrevier" durfte er endlich in der Heimmannschaft der Guten spielen. Da kam ihm die Rolle des rechtschaffenen Leutnants Merril - den Terrence Hill in den Winnetou-Filmen spielte - gerade recht.
Drehort war von Januar bis Ende April 1979 das Westernparadies Durango in Mexikos Norden. Hier griff der OSCAR-Preisträger Marcel Camus ("Orfeu Negro") auf zahlreiche Kulissen und Standardlandschaften zurück, die man schon aus viele Ami-Streifen kennt. Auch auf mexikanische Nebendarsteller und Statisten konnte man offenbar ohne Schwierigkeiten zurückgreifen. Weitere Details verrät das vorzügliche Booklet.
~ Die Filmmusik ~
... stammt von Peter Thomas. Sie ist völlig anders der Stil von Martin Böttcher. Wo dieser weite Harmoniebögen spannte, kommt uns hier ein recht deftig-dynamischer Intro- und Outro-Sound entgegen, der sich wirklich für fast jede Westernserie eignen würde. Von einem Wiedererkennungseffekt kann also keine Rede sein. (Siehe auch Brices Meinung dazu im Interview.) Während der Handlung ist selten Hintergrundmusik zu hören, aber häufig werden indianische Instrumente wie Trommeln eingesetzte. Das wirkt recht authentisch.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 1,33:1
Tonformate: Dolby Digital 2.0 (Mono) in Deutsch
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras:
- 24-seitiges Booklet
- Exklusiv produzierte Interviews mit Pierre Brice, Siegfried Rauch und weiteren Beteiligten (ca. 74 Min.)
Mein Eindruck: die DVD
1) Bild und Ton
Der Ton liegt im fernsehtypischen Standard DD 2.0 vor, so dass man hier nur bescheidenen Hörgenuss erwarten darf. Das Bildformat ist mit 4:3 ebenfalls TV-gerecht. Die Qualität des Bildes verrät, dass hier keine Digitalisierung vorgenommen wurde - möglicherweise angesichts von 360 Minuten eine Kostenfrage. Im Bild sind sehr selten Streifen zu sehen, und die Körnung ist nicht vom Feinsten, aber wenigsten muss man nicht von Griesel sprechen. Das ist ja schon mal was.
Die Menügestaltung hat mir gut gefallen. Sie ist stilgerecht, enthält ein Szenenfoto, ist animiert und mit der Filmmusik von Peter Thomas unterlegt. Die Navigation ist einfach. Wählt man eine Episode aus, öffnet sich das Auswahlmenü für die Kapitel der Episode. Klingt umständlich, man kann aber auch einfach den Befehl "Alle abspielen" anwählen und sich die Sucherei ersparen.
2) Das Booklet
Ursprünglich wurden sieben Folgen à 50 Minuten produziert, die ab 1979 in Frankreich ausgestrahlt wurden, doch die deutschen Sender machten 14 Doppelfolgen à 25 Minuten (plus Intros und Abspänne) daraus. Diese Aufteilung schlägt sich in der Inhaltsangabe des Booklets nieder, wo nur die Doppelfolgen beschrieben werden. Jede Folge weist eine Aufstellung der wichtigsten Darsteller und Synchronsprecher auf.
Außerdem beschreibt es die Entstehung der Serie und die Dreharbeiten sowie den legendären Drehort Durango (s. o.), stellt die wichtigsten Darsteller und Synchronsprecher mit Leben und Werk kurz vor und schließt mit einer Übersicht über fünf filmrelevante Bücher aus dem Karl-May-Verlag im bekannten dunkelgrünen Leinen-Look. Diesem ist optisch auch das Design des Booklets und der DVD-Box verpflichtet. Dies spricht eindeutig alle Karl-May-Sammler an. Schon die zwei Kara-Ben-Nemsi-DVD-Boxen waren diesem Look verpflichtet. Offensichtlich ist "Karl May" heute eine Marke, und diesem Markenzeichen darf man nicht durch abweichenden Look widersprechen, will man nicht die Kundschaft verprellen.
Das Booklet ist wie gesagt vorzüglich getextet und zusammengestellt. Nicht zu vergessen sind die einwandfrei reproduzierten Filmszenen in Vierfarbdruck.
3) Interview mit Pierre Brice (23:40 Minuten)
Pierre Louis Le Bris, geboren 1929 als Spross einer adligen Familie, ist ganz einfach die Verkörperung Winnetous, punktum. Noch 45 Jahre nach der Erstaufführung von "Schatz im Silbersee" ist er derart mit dieser Rolle verschmolzen, dass er noch weiterhin mit diesem Image auftreten kann. Und er hat dies auch für humanitäre Zwecke nutzen können. So erfuhr ich erstaunt, dass er persönlich einen Hilfskonvoi zusammenstellte und nach Bosnien begleitete, mitten in die von serbischen Truppen besetzte Kriegszone hinein. Das war ganz schön gefährlich, gibt er selbst zu.
Das Interview schafft es, den Schauspieler sowohl in seiner Winnetou-Inkarnation als auch als Menschen sichtbar zu machen. Die Fragen sind als Texttafeln leicht zu verstehen und zu sehen. Brices Deutsch ist leider immer noch nicht das allerbeste, was er selbst zutiefst bedauert. Besonders interessant ist die Informationen über seine Beteiligung an der Serie. Er selbst schrieb das Exposé, also die Konzeption der Handlung, und bestimmte mit, welche Schauspieler genommen wurden, so etwa Rauch und Wolter. Dass die Musik nicht von Böttcher geliefert wurde, hält er heute für einen großen Fehler.
4) Interview mit Siegfried Rauch (48:15 Minuten)
Siegfried Rauch hat eine internationale Filmkarriere hinter sich. Er war nie ein Opfer des Type-Castings, wie es Brice wurde, war nie auf nur eine Rolle festgelegt, nicht mal als Käptn auf dem "Traumschiff". Für die Rolle des Shatterhand bewarben sich 1980 auch Raimund Harmstorf und Kara-Darsteller Karl Michael Vogler. Brice wählte ihn, vielleicht wegen seiner physiognomischen Ähnlichkeit zu Lex Barker. Allerdings wollte die Regie nicht dessen Schönheit und Gutmenschentum übernehmen, er trug einen realistischer wirkenden Vollbart. (Trapper kamen selten in die Stadt zum Barbier.) Rauch bevorzugt aber den rasierten Lex-Barker-Look.
Brice habe seine Rolle sehr ernst genommen und sich später über Bullys Parodie "Der Schuh des Manitu" sehr geärgert - Winnetous warmer Bruder als Schwuler, aber ich bitte Sie! Rauch hingegen findet Bullys Film lustig. Ralf Wolter hatte einige Probleme mit dem Schwarzbären Diogenes, und Rauch konnte im Gegensatz zu Brice nur schlecht reiten.
Ebenfalls von Interesse sind Rauchs Beschreibungen von Filmgrößen wie Steve McQueen ("Le Mans"), mit dem er befreundet war, von Roger Moore und David Niven, den er als vollendeten Gentleman schildert. Heute lebt Rauch in einem oberbayerischen Bauernhaus und überlässt das Lesen der Karl-May-Romane seinem Sohn (der sie schon dreimal komplett gelesen haben soll).
Das Interview zeigt wenig vom Menschen Rauch, dafür aber viel von dessen Karriere, die quasi minutiös abgehakt wird. Dass sich Rauch am Schluss eine qualmende Pfeife ansteckt, könnte auf Widerspruch stoßen. Aber er hat es nicht mehr nötig, sich um solche Reaktionen zu kümmern.
Unterm Strich
Die Serie unterhielt mich auf interessante Weise, weil sie in einem völlig anderen Stil als die bekannten deutschen Produktionen gedreht ist. Das Indianerbild ist viel realistischer und durchaus anklagend. An keiner Stelle wurde es mir langweilig, denn spannende Szenen und Action wechseln sich mit humoristischen bzw. romantischen Einlagen ab. So haben sowohl erwachsene als auch jugendliche Zuschauer ab 12 Jahren etwas davon.
Die DVD bietet zwar kein überarbeitetes Bild, aber dafür fehlerlosen Sound in Fernsehqualität. Das Booklet liefert umfassende Informationen, und die zwei Interviews zeichnen ergänzende Bilder von den Dreharbeiten in Durango. Mir gefiel das Interview mit Brice wesentlich besser als das mit Rauch, aber das kann auch an dem sympathischen Erscheinungsbild des Franzosen liegen, der keinerlei Starallüren an den Tag legt.
Alles in allem ist die DVD-Box eine Angelegenheit für Sammler, wie sich schon an dem Design ablesen lässt, das den dunkelgrünen Bänden des Karl-May-Verlags nachempfunden ist. Für ihren stolzen Preis bietet die DVD einen reellen Gegenwert. Wer aber weder Winnetou noch Karl May noch Western überhaupt mag, der dürfte hier natürlich an der falschen Adresse sein.
- Redakteur:
- Michael Matzer