Tod sagt Amen, Der
- Regie:
- Sergio Martino
- Jahr:
- 1970
- Genre:
- Western
- Land:
- Italien / Spanien
- Originaltitel:
- Arizona si scateno ... e li fece fuori tutti
1 Review(s)
17.12.2007 | 09:24Showdown mit weiblichem Doppel(spiel)
Arizona Colt (Anthony Steffen) und Doppel-Whiskey (Roberto Camardiell) werden als Postkutschenräuber gesucht und von Kopfgeldjägern verfolgt. Nach einer Schlägerei im Saloon verhaftet sie der Marshall der Stadt - nur durch einen Trick können sie dem Strick entgehen. Und haben bald eine dritte Partei im Nacken: den brutalen Bandenführer Chico (Aldo Sambrell), den die beiden Halunken um sein Geld erleichtert haben ...
Filminfos
Originaltitel: Arizona si scateno ... e li fece fuori tutti (Italien / Spanien 1970)
Deutscher Vertrieb: Koch Media (Italo Western Collection Nr. 3; 19. Oktober 2007)
FSK: ab 16
Länge: ca. 87 Minuten
Regisseur: Sergio Martino
Drehbuch: Ernesto Gastaldi, Joaquin Romero Harnandez
Musik: Bruno Nicolai
Darsteller: Anthony Steffen, Roberto Camardiel, Rosalba Neri, Aldo Sambrell, Luis Barboo u. a.
Handlung
Als Arizona Colt und sein Kumpel Doppel-Whiskey von zwei Kopfgeldjägern angegriffen werden, merken sie, dass der Marshall in der Stadt 1.000 Dollar Belohnung auf Arizonas Kopf ausgesetzt hat. Zugleich wird ihnen die Bitte Don Morenos überbracht, ihm gegen den kürzlich freigelassenen Banditen Chico beizustehen, der sich garantiert an Moreno rächen will. Arizona lehnt diese Bitte ab, denn er sieht keinen Zusammenhang. Er wird schon bald eines Besseren belehrt.
Auf einem Weiler geraten sie in einen Hinterhalt, den Arizona sogleich bravourös in einen Sieg verkehrt. Der einzige Überlebende ist der geistig zurückgebliebene Cowboy namens "Bussard", der aber noch eine wichtige Rolle spielen wird. Arizona lässt ihn laufen, doch Bussard will sich eine Belohnung verdienen und verrät ihn nicht nur an den Marshall, sondern auch an Chico.
Da er zu Unrecht beschuldigt wird, eine Postkutsche überfallen zu haben, bietet Arizona dem Marshall gegen Aushändigung seines Colts an, den wahren Schuldigen zu finden und dem Gesetzeshüter zu bringen. Er bekommt 24 Stunden Zeit dafür. Im Saloon, der gewöhnlichen Tränke für Doppel-Whiskey, fordert Chico Arizona zu einem Pokerspiel heraus. Als klar wird, dass Chico betrügt, schnappt sich Arizona den Einsatz. In der folgenden Prügelei werden Arizona und Doppel-Whiskey festgenommen, denn die Barfrau Sheena, eine hübsche Blondine, bezichtigt Arizona, mit dem Streit angefangen zu haben. Er landet im Knast, wo er Bussard wiedersieht. In der Nacht greift Chico wie befürchtet die Hazienda von Don Moreno an, entführt dessen Tochter Paloma und raubt dessen Gold.
Am nächsten Tag wird er am Galgenbaum gehängt. Gleich nach vollbrachter Tat reitet der Marshall zu Don Morenos Hazienda los. Als Arizona da so in der Gegend herumhängt, kommt Sheena, um sich bei ihm zu entschuldigen, dass sie ihn fälschlicherweise beschuldigt hat. Durch einen Trick mit einem Drahthaken ist Arizona aber nicht vom Strick erdrosselt worden, sondern marschiert nun mit Doppel-Whiskey zurück in den Saloon. Dort fällt Sheena fast in Ohnmacht, als sie den Auferstandenen sieht. Er hat vor, mit ihr Zwillinge zu zeugen. Das Schicksal Don Morenos und Chicos ist ihm offenbar egal.
Doch Doppel-Whiskey bringt Don Moreno sein Geld zurück und wird dabei von Chicos Bande gefangen genommen. Als Arizona davon hört, begibt er sich zu Moreno, verlangt 50.000 Dollar, will aber eigentlich nur seinen Freund befreien. Dass er dafür auch Chico töten, Paloma befreien und das Gold rauben muss, hätte er jedoch nicht erwartet. Es warten noch eine Menge Überraschungen auf ihn. Die meisten sind negativer Natur. Aber er erhält auch einen unerwarteten Helfer.
Mein Eindruck
Dieser Western, der 1970 schon in der Spätphase entstand, sollte das Sequel zu "Arizona Colt" aus dem Jahr 1966 darstellen. Doch der Unterschied zwischen Anthony Steffen und Giuliano Gemma ist so beträchtlich, dass man die beiden Streifen eigentlich nicht vergleichen kann. Denn hier ist zwar eine Hälfte, für die Steffen steht, noch der harten Gewalt verpflichtet, aber Camardiels Figur Doppel-Whiskey erinnert stark an Bud Spencer und liefert so jede Menge humoristische Motive. Seine Geschwafel klingt in der deutschen Synchro noch wesentlich lustiger als im Original, wie sich an den abweichenden Untertiteln unschwer ablesen lässt.
Aldo Sambrell war schon bei Sergio Leone ein schier omnipräsenter Schurke, und hier macht er dieser Bezeichnung alle Ehre. Er ist selbstredend der Letzte der ganzen Bande, der draufgeht, aber erst, nachdem er zwei Frauen getötet und Arizona "gefoltert" hat. Luis Barboo (1927-2001) als "Bussard" spielte von 1964-1993 (also noch mit 66 Jahren!) in annähernd 130 Filmen mit. Er wandelt sich vom Schurken zum Helfer.
Rosalba Neri - eine Genre-Ikone - als Paloma und Marcella Michelangeli als Sheena bilden ein starkes weibliches Gegengewicht zu all den männlichen Darstellern, die sich der Gewalt verschrieben haben. Die zwei Figuren tragen aber einen nicht unerheblichen Teil zum Verlauf der Handlung bei, teils als verräterische Verführerin (Paloma), teils tragisch-heldenhaft (Sheena). So bilden sie ein interessantes Gegensatzpaar. Michelangeli war übrigens die Freundin von Lou Castel, dem "Bill Tate" in "Töte Amigo".
Sergio Martino, der Regisseur, ist mir bekannt aus dem stimmungsvollen und spannenden Erotik-Thriller "Der Killer von Wien" (1971) als ein Könner, der schon etliche Genreperlen hervorgebracht hat - siehe auch das Interview mit ihm. Jedenfalls hat er die finale Auseinandersetzung actionreich und mit einigem Feuerzauber inszeniert. Ein Western-Freund braucht sich über mangelnde Unterhaltungselemente nicht zu beklagen. Nicht einmal die Erotik kommt zu kurz (auch wenn Rosalba Neri stets züchtig bekleidet sein muss).
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (16:9)
Tonformate: D in DD 2.0, Italienisch in DD 2.0
Sprachen: D, Italienisch
Untertitel: D
Extras:
- Dt. Kino-Trailer
- Interview mit Sergio Martino (ca. 12 Minuten)
- Interview mit Darsteller Dan van Husen (ca. 26 Minuten)
- Filmessay in der Klappeninnenseite
Mein Eindruck: die DVD
Die Qualität des Bildes des digital überarbeiteten und um gekürzte Szenen ergänzten Films ist ausgezeichnet. Er sieht aus, als wäre er erst gestern hergestellt worden. Gleiches kann man vom Ton zwar nicht behaupten, aber auch die deutsche Synchronisation ist noch ganz erträglich in Tonqualität und Inhalt.
Extras:
1) Dt. Kino-Trailer
Der deutsche Kinotrailer ist mit knapp drei Minuten Länge ungewöhnlich lang. Natürlich wird hier vor allem auf die Actionszenen Wert gelegt.
2) Interview mit Sergio Martino (ca. 12 Minuten)
Martino, geboren 1938, war zur Zeit der Entstehung des Films erst etwa 28 oder 29 Jahre alt, und 38 Jahre später sieht er immer noch sehr gut erhalten aus. Er redet wie ein Wasserfall. Für diesen Film legte er sich das Pseudonym "Martin Dolman" zu, um den Film international vermarkten zu können.
Gedreht wurde zunächst in La Pedriz, einem Vorort von Madrid, denn es handelte sich um eine spanisch-italienische Koproduktion. Dort gab es eine Westernlandschaft, die viel genutzt wurde, nach diesen drei bis vier Wochen ging es nach Italien, wo es in den Abbruzzen ebenfalls für Filme genutzte Schluchten gibt.
Martino lässt sich über die Darsteller aus. Sambrell und Camardiell seien gute Darsteller gewesen. Anthony Steffen war ein Brasilianer, der mit seinen Filmen als Ersatz von Eastwood, Gemma und Nero gute Erfolg beim Publikum hatte. Martino traf ihn zuletzt Mitte der neunziger Jahre, u. a. in Steffens Haus an der brasilianischen Küste. Steffen sei immer ein fesselnder Erzähler gewesen.
Danach machte Martino Gialli (ital. Brutalthriller), Polizeifilme, Romanzen und TV-Filme, ja sogar Erotik. 1977 folgte der Western "Mannaja - Das Beil des Todes", später mit deutscher Beteiligung die Kriminalserie "Mord in der Toskana".
3) Interview mit Darsteller Dan van Husen (ca. 26 Minuten)
Gus van Husen spricht natürlich deutsch, hat er doch selbst mit Werner Herzog und Klaus Kinski "Nosferatu" gedreht. Er erzählt, wie er 1968 in Madrid zum Film kam und gleich mit Kinski drehen musste. Sein erster Western sei "Los Desperados" mit Roy Hilton und Ernest Borgnine gewesen. Er drehte damals etwa zwei Dutzend solcher Filme, der härteste war in Andorra bei Eiseskälte gewesen. Der Film "Der Todesmarsch der Bestien" sei aber so brutal gewesen, dass er noch heute auf dem deutschen Index stehe.
Wie auch immer: Gus van Husen drehte mit allen - mit Lee van Cleef, Yul Brynner, Faye Dunaway, Kinski, Stacy Keach, Sambrell, Robledo, Eli Wallach und wie sie alle hießen. Um die Zeit, als "Chatos Land" mit Bronson gedreht wurde, bekam er jedoch nach einer Schlägerei Hausverbot in den Stammkneipe aller Schauspieler in Almeriá und durfte erst drei Monate später reumütig zurückkehren. So streng waren die Sitten - und kaum eine Frau, die keine Nutte war, weit und breit. Und das nach einem ganzen Tag Knochenarbeit.
Gus van Husen hat die Schauspielerei nie gelernt, weder das Sprechen noch die Mimik etc. In diesem Punkt übt er gerechtfertigte Selbstkritik, sagt aber auch, dass die Haupt- wie die Nebendarsteller in diesen Western kaum etwas reden musste. Sie wussten nämlich, dass der Regisseure sie sowieso synchronisieren lassen würde, also konnten sie jeden Unsinn sagen, den der Regisseur wollte. Und Eastwood bekam von Leone nur deshalb einen Zigarillo in den Mundwinkel gesteckt, damit er nicht zu weit den Mund aufmachte - das hätte beim Dubbing gestört.
Kurzum: eines der faszinierendsten und humorvollsten Interviews zum Italowestern überhaupt. Da können Martino, Lou Castell und Damiani einpacken.
4) Filmessay in der Klappeninnenseite
Der Filmessay von Wolfgang Luley informiert in erster Linie statt zu kritisieren oder gar zu interpretieren. Wir erfahren Näheres über viele Darsteller und den Regisseur. Außerdem - ACHTUNG! - erzählt Luley die komplette Handlung.
Unterm Strich
Ob dies wirklich eine "gesuchte Genre-Perle" ist, möchte ich doch etwas bezweifeln. Doch vermutlich können sowieso nur Western-Experten etwas mit diesem Titel anfangen. Der auf Normal-Westernkost abonnierte Filmfreund dürfte angesichts des unglaublichen langen Shootouts und der üblen Folterszene sowie anderer Giallo-Elemente etwas ins Staunen oder Grübeln kommen, aber es sind ja genau diese Elemente, die den Film seinen eigentümlichen Reiz verleihen.
Das Bonusmaterial verrät, wie sehr sich der Produzent Ulrich Bruckner damit Mühe gegeben hat. Zwei Interviews, die sich sehen und hören lassen können, sowie ein Originaltrailer und ein Filmessay. Da kann man schon mal auf die sonst übliche Bildergalerie verzichten. Ein paar Worte zu den Diskrepanzen zwischen deutscher Synchronisation und Untertiteln hätten sicher nicht geschadet.
Für Western-Buffs ist diese "Genre-Perle" wohl ein Leckerbissen, zumal in der weltweit ersten restaurierten Fassung. Für Sammler empfiehlt sich die DVD, für Western-Normalverbraucher wohl weniger.
- Redakteur:
- Michael Matzer