Rock am Ring/Rock im Park - Nürburgring/Nürnberg

20.07.2009 | 11:46

05.06.2009, Nürburgring/Zeppelinfeld

Bei Rock am Ring und Rock im Park ging es dieses Jahr wieder amtlich zur Sache! Unsere Redakteure waren auf beiden Veranstaltungen am Start.

Rock am Ring 2009 - Die Musik am Sonntag


Meine Güte, die GUANO APES! Ich weiß nicht, wie Andre Lieberberg es geschafft hat, Sandra Nasic und Co. zurück auf die Bühne zu holen, aber die Frage "Wow, die gibt es noch?" war wohl die meist gestellte an dem Tag. Die Band, die sich vor drei Jahren wegen persönlicher und/oder finanzieller Probleme auflöste, hatte sich wohl aus persönlichen und/oder finanziellen Gründen wieder zusammengerauft und sich aufgemacht, dieses Jahr einige Festivalgigs zu spielen. Langjährige Abstinenz wird nur Bands von Weltrang verziehen. Da, wo RAGE AGAINST THE MACHINE im letzten Jahr den Platz vor der Bühne zum Bersten füllten, war vor der Show der APES mehr als genug freie Fläche. Ob die Plattenfirma nun dem ganzen Unternehmen skeptisch gegenüber stand oder die Band sich in demonstrativen Minimalismus übte, war in Anbetracht der sehr spartanischen Bühnendeko (Glitzerkram in der Luft, das war's) nicht herauszufinden. Eigentlich hätten die so genauso gut auf der Zeltbühne spielen können.

Sängerin Nasic wehrte sich mit überdimensionierter Pornosonnenbrille (die auf dem Festival so massiv von den Besuchern eingesetzt wird, dass einem bei jeder neuen Visage mit den Dingern schlecht wird) gegen die untergehende Eifelsonne, riss dann gleich auch einen Spruch über das gute Wetter und machte sich mit sehr geschlechtsspezifischen Ansagen bereit. Eine der Erkenntnisse der Show war nachher, dass männliche Stimmen entweder generell lauter sind oder die GUANO APES ein weniger weibliches Publikum hatten. Das Set, das durchaus sauber präsentiert wurde, war dennoch kaum in der Lage, die Menge zu irgendeiner Form von Bewegung zu motivieren. Die meisten standen einfach nur da und glotzten - oder zählten die Sekunden bis zu BILLY TALENT.

Sandra Nasic war sich allerdings nicht zu fein, die sonderbarsten Posen auf der Bühne aufzuführen, während Rümeapp und Mannschaft sich eher passiv zeigten. Das zog sich durch die ganze unspektakuläre Show, bis die Sängerin dem Gitarristen als Einleitung zu 'Underwear' vorwarf, einmal ihre Kleidung getragen zu haben, oder die Band mit den Wünschen des Publikums spielte, indem sie während der ersten Takte von 'Lords Of The Boards' abbrach und einfach noch 'Big In Japan' dazwischenschob, bevor sie den populärsten Track der Band raushaute.

Als Abschluss wurde dann noch das Drumkit in bester Rock-'n'-Roll-Manier zerstört, und nach gut dreizehn Tracks, die auch einen neuen ("Wir haben ja kein neues Album zu promoten, aber einen neuen Track haben wir trotzdem.") einschlossen, war man sich immer noch nicht so ganz sicher, warum die jetzt eigentlich da gewesen waren. Und vor allem: warum auf der Mainstage?
[Michael Kulüke]

Setlist:
1. You Can't Stop Me
2. Money & Milk
3. Quietly
4. Open Your Eyes
5. Pretty In Scarlet
6. Diokhan
7. Dick
8. Sugar Skin
9. Underwear
10. Break The Line
11. All I Wanna Do
12. Sing That Song
13. Big In Japan
14. Lords Of The Boards

Nachdem BILLY TALENT den eigentlichen Headliner des Sonntagabends gegeben hatten und die Meute in mehr als nur einer Art zu Action animiert hatten, durften die Mannen um Fred Durst also den Ausputzer spielen. Viel mehr hat man ihnen an dem Abend nicht zugetraut, wurden LIMP BIZKIT doch von vielen in diesselbe Kategorie geschoben wie die GUANO APES: "Haben die was Neues gemacht? Wusste gar nicht mehr, dass es die noch gibt." Verwunderlich war das nicht, immerhin stand die Band in den letzten Jahren vor allem durch die Querelen von Chefexot Wes Borland, der sich immer drastischer und energischer verwirklichen wollte, in den Medien. Und jetzt, da die von Durst forcierte Reunion tatsächlich zustandegekommen war, wollte man natürlich wieder zusammen auf die Bühne.

Die wurde dafür relativ schlicht hergerichtet: ein großes Banner mit comicartigen Bildnissen der Bandmitglieder, ein paar Scheinwerfer und Deutschlandflagge vor dem Mischpult DJ Lethals - das war's dann auch schon. Mehr braucht man auch nicht, wenn man jede Menge Ohrwürmer im Gepäck hat. Die wurden dann auch zuhauf serviert, nachdem eben genannter DJ die Band auf seine eigene Weise ankündigte. Der Virtuose Borland kam in einem nicht näher beschreibbaren Ganzkörperkostüm mit Federboa auf dem Kopf und glitzernder Maske auf die Bühne, und mit 'My Generation' bekam das Publikum den direkten Befehl zum Lostoben. Was auch ohne Ausnahme befolgt wurde. Von der Tribüne ließ sich eine Massenbewegung betrachten, wie sie in den letzten drei Tagen eigentlich viel zu selten zu beobachten war.

Der Blick auf die Bühne ließ einen die Stirn runzeln: Frontmann und Chefquäker Fred Durst sah in seiner typischen Kluft ziemlich hager und verdammt alt aus. Auch wenn sich die Band große Mühe gab und Durst mit Sicherheit mehr als ein Drittel der Zeit unten in den Wellenbrechern verbrachte, um mit den Fans die Texte zu singen, kam der Gig doch nur mäßig an, was vor allem an der sehr unvorteilhaften Lautstärkeeinstellung lag. So war der Gesang selbst in den vorderen Reihen oft beinahe nicht zu hören, und die hinteren Reihen skandierten immer wieder: lauter, lauter, lauter! Mitbekommen hat das allerdings niemand, der etwas zu sagen hatte, denn dieser (bei einem Livekonzert eklatanten) Missstand wurde das ganze Konzert hindurch nichts geändert, was bei gewissen Songs nichts ausmachte. So wurden 'Break Stuff', 'Faith', 'Nookie' und 'Rollin'' gefeiert und mitgesungen, als gäbe es kein Morgen. Die außerordentlich gute Stimmung während dieser Songs wurde durch die teilweise viel zu ruhige Setlist immer wieder auf harte Bewährungsproben gestellt, besonders wenn der Gesang des Frontmanns so leise war, dass kaum jemand ihn hören konnte.

Eigentlich hatte der Gig das Zeug zum würdigen Abschluss eines mit musikalischen Höhepunkten eher geizenden Festivals, durch die Soundprobleme wurde das aber gründlich versaut. Daran konnte auch die Fannähe des Fronters kaum etwas ändern. Selbst Wes Borland, mit seiner schillernden Art immer auf Draht, schien die eher gedämpfte Stimmung zwischen den Blockbustern zu riechen.

Pflichtbewusst kam man nach einem verfrühten Abgang wieder auf die Bühne, zockte noch vier besonders starke Songs durch und verabschiedete sich dann wortkarg und entließ die Massen in die letzten Züge des Festivals. Zu denken gab einem der Gig vor allem, weil offensichtliche Soundprobleme mehr als anderthalb Stunden lang nicht angegangen wurden und warum Fred Durst vor seinen Monitorboxen zwei Bildschirme stehen hatte, auf denen offenbar sein eigener Text lief. An Textunsicherheit kann es nicht gelegen haben, schließlich hampelte der Fronter eine gute Zeit lang in den Wellenbrechern rum und sang dort den Text. Oder führte das eine zum anderen? Das bleibt Spekulation. Alles in allem ein sehenswerter, aber nicht hörenwerter Gig und sicherlich kein würdiger Abschluss des größten Festivals Deutschlands.
[Michael Kulüke]

Setlist:
1. Space Odyssey
2. My Generation
3. Livin' It Up
4. Show Me What You've Got
5. Eat You Alive
6. DJ Lethal Theme
7. Hot Dog
8. Re-Arranged
9. Break Stuff
10. Boiler
11. Just Like This
12. Full Nelson
13. My Way
14. Faith
15. Behind Blue Eyes
16. Nookie
17. Take A Look Around
18. Rollin' (Air Raid Vehicle)

Während DIR EN GREY auf der Zeltbühne die letzten härter orientierten Geister beschallten, sammelte sich ein Großteil des Volks, das noch nicht zurück zu den Campingplätzen wollte, vor der Alternastage und wartete auf PETER FOX, der den krönenden Abschluss des Abends darstellen sollte. Von Lob und Preisen überhäuft liegt natürlich der Kommerzvorwurf nahe, und so kann man sich wohl auch nur offen darauf einlassen, wenn einem die Verkaufszahlen und die Medienresonanz egal sind, solange die Musik stimmt. Tat sie dann auch, obwohl auch medial alle Register gezogen wurden. Die Bühne wurde groß aufgemotzt, die Hintergrundprojektionen zeigten meist Affen-relevante Themen aus dem Album und der Popkultur, ein ganzes Heer an Backgroundsängern, -musikern und -trommlern (die furiosen Cold-Steel-Drumline-Trommler aus den Staaten) wurde aufgefahren, und so dick aufgetragen konnte die Begeisterung nicht größer sein, als Peter Fox die Bühne betrat.

Was folgte, waren anderthalb Stunden Festival im Festival. Perfekt inszeniert ist noch untertrieben wenn man versucht zu beschreiben, was einem da von der Bühne entgegenkam. Wirklich alles stimmte. Der Sound war glasklar, die Musik hundertprozentig aufeinander abgestimmt, die Tanzchoreographie beeindruckend und sowieso: mitreißend ohne Ausnahme. Sehr schnell hatte man mitten in der Nacht überall tanzende Leute. Während Peter Fox seine Show durchzog und mit seiner "Ich bin der einfache Typ von nebenan"-Art viele unbekannte Freunde gewann, war im Publikum nicht ein Mensch, der nicht mindestens mit dem Kopf wippte. Natürlich wurde das komplette Album durchgespielt, furios dargeboten und absolut beeindruckend. Hier wurden keine Kosten gescheut, mal wurde ein Remix mit eingebaut. Viel Beat, viel Percussion, viel Gesang, die Mischung aus Reggae und Dance traf den Nerv des Abends.

Fox präsentierte sich stimm- und bühnensicher, die effektvolle Lichtkomposition sorgte für besondere Stimmung während der Show, die Cold-Steel-Percussiontruppe begeisterte durch perfekt einstudierte Stickkunststücke, und auch die Tatsache, dass die "Stadtaffe"-Platte eben nur zwölf Tracks hat, störte nicht. Es wurde improvisiert. Die stimmgewaltige Backgroundsängerin Miss Platnum lieferte erst ein beeindruckendes Stück Soul, dann einen mitreißenden Beattrack, und schließlich kündigte Fox noch "ein Stück von einer anderen sehr guten Berliner Band an" und powerte mit Schmackes und unter großem Jubel auch noch 'Aufstehn' und 'Dickes B' von seiner Hauptband SEEED ins dankbare Publikum.

Es war fast schade, als der Gig, während dem sich Fox als sympathischer aber absolut professioneller Entertainer bewiesen hatte, vorbei war. Eine so reibungslose wie fulminante Darbietung hatte dem Festival bisher gefehlt. Fantastisches Ohren- und Augenkino.
[Michael Kulüke]

Redakteur:
Michael Kulueke

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