Rock am Ring/Rock im Park - Nürburgring/Nürnberg

20.07.2009 | 11:46

05.06.2009, Nürburgring/Zeppelinfeld

Bei Rock am Ring und Rock im Park ging es dieses Jahr wieder amtlich zur Sache! Unsere Redakteure waren auf beiden Veranstaltungen am Start.

Rock am Ring 2009 - Die Musik am Samstag


Nachdem ich mich während des unsäglichen Gequäkes des VOLBEAT-Frontmanns in andere Gefilde verzogen hatte, lockte mich die Aussicht auf MACHINE fuckin' HEAD selbstverfreilich wieder vor die Centerstage, vor der nicht mehr als sieben Grad Celsius herrschten. Warm und kuschelig ist anders. Das sahen wohl auch die Jungs um Robert Flynn so, denn man stieg sofort mit 'Imperium' ein und machte das Motto des Gigs klar: abreißen. Zerstören. Kleinhauen.

Flynn brüllte das Mikro mit Macht an, das sich jedoch seiner Dienstaufgabe entziehen wollte, und erst nachdem sich die Soundprobleme während 'Ten Ton Hammer' verflüchtigten, stellte sich der tonnenschwere Klang ein, der die Gigs der Band ausmacht. Das Volk griff natürlich jeden Ton dankbar auf, und schon während des zweiten Songs bildeten sich einige wenige Pits, wobei mich die Circle Pits nach wie vor an Metaller-Ringelreihen erinnern und jede ungezügelte Energieentladung im Publikum vermissen lassen, die sich noch vor wenigen Jahren großer Beliebtheit erfreute.

Generationenwechsel also in der bevorzugten Art, sich zu MACHINE HEAD kräftig die Hörner abzumoshen, was mit 'Beautiful Mourning' noch befeuert wurde. Eine richtige Massenbewegung konnte man dennoch nicht feststellen, es waren immer diesselben, die sich zu Bewegung animieren ließen, und selbst als der Killersong 'Old' angestimmt wurde, ließen sich größere Mengen erst nach dem x-ten Überredungsversuch von Flynn zu mehr Action animieren. Da half auch das Verabreichen von Alkohol nichts, und als der dritte Becher seinen Inhalt über dem Publikum entleerte, bezeichnete Flynn dieses als "unprofessional fucking drinkers". Na ja, er muss es wissen.

Mit 'Halo' wurde es dann quasi besinnlich, Flynn suchte engeren Kontakt zu den Fans, und trotz der eher unpassenden Melodie des Songs bildeten sich endlich (!) einige Circle Pits. Mitsingen konnte bei Aufforderung kaum jemand, was nicht für die Textsicherheit der Fans sprach. Aber wer braucht schon Texte, um sich den Nacken wundzubangen?

Mit 'Struck A Nerve' wurde dann vom ersten in den fünften Gang gewechselt, und dieses Mal hatte auch der letzte Verfrorene die Muße, sich am Moshen zu beteiligen: Das Volk tobte. Dass MACHINE HEAD auf dem Ring allerdings nur stumpf ihre Setlist runterzockten, die nicht einmal stimmig arrangiert war, merkte man vor allem daran, dass man die Gelegenheit nicht nutzte, um einen weiteren Knaller einzubauen. Stattdessen nahm man mit 'Descend The Shades Of Night' wieder die Handbremse und stoppte somit jegliche Fanaktivität vor der Bühne. Da konnten auch die Widmung an die verstorbene Mutter des SLIPKNOT-Percussionisten Shawn, die perfekte Inszenierung des monumentalen Songs und das hastig nachgeworfene 'Davidian' nichts mehr ändern. Die Stimmung war abgewürgt und die Fans, die sich schwer zu Bewegung hatten animieren lassen, zu erneuter Untätigkeit verdammt. Mit "Vielen fucking Dank" verabschiedete sich die Band nach diesem eher hausbackenen Gig, der zwar von der Setlist her durchaus zu gebrauchen war, allerdings in punkto Stimmung nicht so ankam, wie er es eigentlich bei MACHINE fuckin' HEAD gemusst hätte.
[Michael Kulüke]

Setlist:
1. Imperium
2. Ten Ton Hammer
3. Beautiful Mourning
4. Old
5. Halo
6. Struck A Nerve
7. Descend The Shades Of Night
8. Davidian

Nachdem mir die Elektrobriten um Liam Howlett vor vier Jahren definitiv zu spät am Abend aufgetreten waren, bekam ich dieses Jahr die Chance, die dreckige Seite der Tanzwelt gar auf der Mainstage zu betrachten. Die Präsenz von THE PRODIGY auf der Hauptbühne zwischen MACHINE HEAD und SLIPKNOT stärkte meine Theorie, dass die Macher um Andre Lieberberg enorme Probleme hatten, dieses Jahr ein stimmiges Line-up zusammen zu bekommen, auch wenn das später von eben jenen abgestritten wurde. Mir war das in dem Moment relativ egal, denn Howlett, Flint und Palmer stellten schon mit dem allersten Ton klar, wo es heute hingehen würde: ins Mark.

Der Sound war so düster, dass es keine Frage war, dass der Bassregler keinen Nanometer weiter aufgedreht werden konnte. Das schrille Setup der Bühne sprach auch eine deutliche Sprache: Hier bekam man keine lupenreine Tanzmusik, hier gab es die verschwitzte, dreckige und irre Lache eines wahnsinnigen Tänzers zu sehen, wobei man verschwitzt hier durchaus metaphorisch nehmen muss, denn die Temperaturen nicht weit über dem Gefrierpunkt hielten das Publikum immer noch in der eiskalten Zange. Nicht jedoch Keith Flint und Keith "Maxim Reality" Palmer, die über die Bühne tobten, als gäbe es kein Morgen, und Wort um Wort in die Menge spuckten, als könnten sie es kaum erwarten, die Stimmbänder der beiden Bühnenaffen zu verlassen.

Glasklarer Sound, tief dröhnender Bass, irre Show, und dazu eine Setlist, die alles richtig machte: Die Stimmung wurde immer angeheizter, bis es schließlich niemanden mehr im Publikum stillhielt. Anders als MACHINE HEAD verstanden THE PRODIGY es perfekt, die Menge zu lösen und zu immer mehr Action anzuheizen. Natürlich waren es die bekannteren Songs wie 'Firestarter' und 'Breathe', die die Massen in Bewegung setzten, aber gerade die sehr punklastigen Songs der neuen Platte "Invaders Must Die" schafften es mit ihrem Rhythmus und der sehr eindringlichen Produktion schnell, zigtausend zu ausgelassenem Tanz zu animieren. Songs wie 'Warrior's Dance' und 'Run With The Wolves' waren so mitreißend, dass selbst spätere Leistungen von SLIPKNOT dagegen verblassten. Die Menge, die sich headlinertreu vor der Centerstage versammelt hatte genoss den Auftritt sichtlich, bis weit nach hinten konnte man die Menschen tanzen sehen.

Kurios war bei dem Auftritt wieder, dass kein Song dem Original glich. Was ich schon bei 2RAUMWOHNUNG bemerkt hatte, zeigte sich auch bei THE PRODIGY: Elektronische Bands scheinen freier mit ihren Songs umzugehen, ändern sie für einen Gig oder mittendrin und schrauben so noch einmal kräftig an der Leistungsskala. Angekommen ist das auf jeden Fall. Das Einzige, was das Publikum daran hinderte, bei dieser enorm aufgeladenen Show total durchzudrehen, war das neue Crowdsurf-Verbot.

Nicht nur im Publikum war die Hölle los, die Bühnenperformance von Flint und Palmer tat ihr Möglichstes, um das Volk in Bewegung zu halten, und selbst Mastermind Howlett war alles andere als regungslos hinter seiner Burg aus Bildschirmen. Es wurde gebangt, getanzt, über die Bühne gewirbelt - eigentlich alles, was man mit Muskeln und dem passenden Beat so anstellen kann.

Bei 'Smack My Bitch Up' hielt es Flint nicht auf der Bühne, er eilte runter und ließ sich zum ersten Wellenbrecher führen, wo er die Menge weiter hinten zu noch mehr Action animierte. Nach einer furiosen Show, die die Kälte wohl aus jedem einzelnen Menschen getrieben hatte, verabschiedeten sich THE PRODIGY mit 'Take Me To The Hospital' nach einem absolut beeindruckenden Beatfeuerwerk zehn Minuten vor der Zeit von der Bühne. Bei anderen Bands fällt das weniger ins Gewicht, aber bei dieser Show wäre jede Minute länger ein Genuss gewesen. Ganz große Klasse.
[Michael Kulüke]

Setlist:
1. World's On Fire
2. Breathe
3. Their Law
4. Firestarter
5. Warrior's Dance
6. Invaders Must Die
7. Diesel Power
8. Omen
9. Run With the Wolves
10. Voodoo People
11. Comanche
12. Smack My Bitch Up
13. Take Me to the Hospital

Das erste Mal, als ich den Spielplan für den diesjährigen Ring gesehen habe, habe ich mir gedacht, dass dort wohl etwas nicht stimmen kann. Oder dass die Macher von MLK noch einen richtigen Headliner anstelle von SLIPKNOT für den Samstagabend auf der Centerstage nachschieben würden. Taten sie nicht. Stattdessen wurden einem SLIPKNOT als würdiger Headliner für den betreffenden Abend verkauft, und das Erste, was ich mir im Gegenzug dabei dachte, war: was zum Teufel? Für jemanden, der die Band begleitet, seitdem sie vor fast zehn Jahren zum ersten Mal europäischen Boden betrat, mutete das durchaus seltsam an.

Nicht eine einzige Sekunde hatte man den Eindruck, dass die Iowaner tatsächlich eine passende Besetzung für einen Slot sind, auf dem schon METALLICA, RED HOT CHILI PEPPERS und die SMASHING PUMPKINS das Volk beschallt hatten. Und jetzt SLIPKNOT, die Jahre zuvor noch die Alternastage bedienen durften. Genug Volk versammelten sie auf jeden Fall vor der Centerstage, was böse Geister natürlich auch auf das wenig starke Konkurrenzprogramm zur selben Zeit (JAN DELAY AND DISCO NO1 und BIFFY CLYRO) zurückführten.

Während man sich in Schreiberkreisen fleißig weiterhin mit Geläster und anderen Gedankenspielen warm hielt (es war wirklich arschkalt an diesem Tag), wurde auf der Bühne fleißig das Setting für den Gig vorbereitet, das unaufgeregt aus dem Aufbauten bestand, die man bei jedem SLIPKNOT-Gig zu sehen bekommt: Drummer und Elektronikfraktion werden nach hinten verfrachtet, vorne dürfen Percussion und Handinstrumente zusammen mit Sänger Cory den Platz unter sich aufteilen. Unaufgeregt deshalb, weil man auf großen Schnickschnack verzichtete und einfach das hinstellte, was die Band brauchte, ohne großes visuelles Brimborium.

Als die Band schließlich nach einem ausführlichen 'Iowa'-Intro die Bühne betrat, legte man großen Wert auf Schnelligkreit und eindrücklichen Krach: '[sic]' sollte die Bresche schlagen, in die die Band nach und nach weiter dringen wollte. Doch was zuerst auffiel, war die Band selbst: Joey poste ein wenig mit überlangen Fingernägeln rum, die er beim Drumspiel dann aber doch ablegte, Corey kam tatsächlich im Anzug auf die Bühne, während der Rest der Band brav im Unioverall auftrat, und Clown Shawn Crahan fiel durch seine seit der letzten Begegnung krass explodierten Kleidermaße auf.

Musikalisch war alles beim Alten: Erst war der Sound so richtig, richtig mies. Daran änderten auch die Pyros nichts. Warum eigentlich Pyroeffekte? SLIPKNOT hatten so was eigentlich noch nie nötig. Wahrscheinlich lag es an der immensen Eindruckskraft der Centerstage, die die Band quasi dazu zwang, die eigene Show etwas aufzumotzen. Mit 'Eyeless' ging es weiter, der Sound wurde kein Stück besser, der Gesang war teilweise einfach nur weg, und noch mehr Verwirrung stifteten die Sonnenblumen an Sids Drumkit. Erst mit 'Wait And Bleed' schien die Abteilung der Tontechnik von ihrem Trip runterzukommen, und letztendlich verstand man Corey wieder, während der Rest der Band kaum differenziert vor sich hin dröhnte. Der Song, immerhin einer der beliebtesten Tracks der Band, wollte auch nicht so recht zünden. Und sowieso: Irgendwie fiel das Publikum zurück in seine durch die Kälte bedingte Lethargie, denn so richtig abgehen wollten zwischen den Wellenbrechern die wenigsten. Das änderte 'Get This' auch nicht, und so langsam bestätigte sich die üble Vorahnung, dass viele im Publikum vor allem wegen dem Abend und der Centerstage hier standen und nicht wegen der Band. Coreys Liebesbekundungen für die Fans wollten da auch nicht so wirklich lösen, was hätte gelöst werden müssen. Der SLIPKNOT-Gig kam irgendwie nicht so richtig in Fahrt, was eigentlich wunderte, immerhin hatte die Band Material genug in petto, um einiges an Unheil zu stiften. Die Pits, die sich beim folgenden 'Before I Forget' von der Tribüne aus beobachten ließen, waren auch eher überschaubar, und das obwohl der Sound immer besser wurde und die Pyrus zumindest zwischendurch die üblichen Jubel- und Schreireflexe auslösten. Überhaupt schien sich das metallene Kasperletheater nicht entscheiden zu können, was jetzt eigentlich Sache war: Krach oder Show?

Nachdem 'Sulfur' die Leute eher zum Zuschauen zurück auf den Boden drückte, holte sie der Percussion-Kracher 'The Blister Exists' wieder in die Pits, die sich langsam aber sicher mehrten, und die kleine Szene mit leuchtenden Sticks war auch nett anzusehen, wobei der Clown wieder seiner Rolle gerecht wurde und mal mit einem Baseballschläger, mal mit seinem kompletten Equipment obszöne Gesten vollzog.

'Dead Memories' hört sich auf Platte zwar relativ gut an, live ist der Song aber nur dafür zu gebrauchen, wenn man die eh kaum ins Rollen kommende Stimmung sofort wieder runterbrechen will. Mit 'Left Behind' und 'Disasterpiece' kam dann endlich wieder richtig Bewegung ins Volk, und seltsamerweise nahm es dieses das Heft gerade bei 'Vermillion' selbst in die Hand, und erste Crowdsurferwellen bewegten sich über die Menge. Der Applaus wurde hier schon mehr, aber richtiger Samstagabend-Headliner-Jubel blieb immer noch aus. Auch die üblichen "We owe you everything"-Reden des Frontmanns wollten nicht wirklich fruchten.

Mit 'Everything Ends' wurde dann ein Track gespielt, der nicht allzu oft auf den Setlists der Band steht, und während die Band fleißig auf der Bühne ackerte, bewarfen sich Sid und Shawn gegenseitig mit Sticks. Sid selbst war es dann auch, der mehr Aktivität zeigte und sich an allen Ecken der Bühne zeigte, entweder um Kontakt mit den Fans zu pflegen oder die VIPs neben der Bühne zu verarschen.

Mit 'Psychosocial' wurde dann wieder ein Song der neuen Platte serviert, der ebenso schlecht ankam wie die davor, und von wirklicher Begeisterung kann man erst bei 'Duality' sprechen, die dann mit 'People=Shit' ausgebaut wurde. Kurz vor Schluss der Show, nach mehr als neunzig Minuten, gab es dann richtige Aktion. Nachdem die Band wieder auf die Bühne geholt wurde, mit 'Spit It Out' und der typischen "Get down and jump when I say"-Nummer weitermachte, die mit zigtausend Leuten vor der Bühne doch verdammt eindrucksvoll geriet und die so bekannt war, dass Corey nicht einmal mehr Kommandos geben musste, kam dann doch Leben in die Bude. Dummerweise eben kurz vor Schluss. Mit 'Til We Die' wurde die Band dann mit passablem Applaus in die Nacht verabschiedet.

Mit allen Vorbehalten, die man durchaus als bestätigt betrachten darf, kann man diesen Gig eher als Arbeitssieg einstufen, denn wirklich Spaß gemacht hat der Gig wohl keinem, weder Band noch der großen Masse der Fans.
[Michael Kulüke]

Setlist:
1. Iowa
2. (sic)
3. Eyeless
4. Wait and Bleed
5. Get This
6. Before I Forget
7. Sulfur
8. The Blister Exists
9. Dead Memories
10. Left Behind
11. Disasterpiece
12. Vermilion
13. Everything Ends
14. Psychosocial
15. Duality
16. People = Shit
17. Surfacing
18. Spit It Out
19. 'Til We Die

Redakteur:
Michael Kulueke

Login

Neu registrieren