Live aus Wacken - Wacken

02.08.2005 | 09:52

05.08.2005, Black Stage

Pilotprojekt aus Wacken: "Live"-Bericht von der Black Stage.

Freitag:

NAGLFAR
Los geht's mit dem Bericht direkt vom matschigen Acker im hohen Norden. Und wer könnte die Black Stage besser eröffnen als die Nordlichter von NAGLFAR? Vergangenen Sommer hatten die Schweden zwei geniale Festival-Gigs abgeliefert, ehe Sänger Jens ausstieg. Seitdem keift Basser Kristoffer ins Mikro, der bei der vergangenen Tour mit FINNTROLL nicht wirklich überzeugen konnte. Der behäbige Glatzkopf ist einfach kein Ersatz für den charismatischen Jens. Gestern auf der Hinfahrt im Taxi haben mir zwei Kumpels von NAGLFAR erzählt, Kristoffer stets nur bemühter eviler Stil sei von den norwegischen Fans ziemlich kritisiert worden: "It seems like he doesn't like us." Mit gemischten Gefühlen wanke ich also recht verkatert Richtung Düsterbühne – um festzustellen, dass sich Kristoffer die Kritik der Anhänger etwas zu Herzen genommen hat. Er wirkt etwas agiler, kommuniziert mehr mit dem Publikum und fordert es zum "Teufelshörnchen-in-die-Luft-strecken" auf. Die Zuschauer sind angesichts der Uhrzeit und dem nieseligen Wetter recht zahlreich anwesend. Ein illustrer Haufen von Black-Metallern, Kuttenträgern und Gothics schüttelt in den ersten Reihen die Birnen. Kristoffer röchelt 'A Swarm Of Plagues', der lichthaarige Gitarrist lässt die letzten Überbleibsel seiner Haare fliegen, während seine Saitenkollegen die vollen Matten kreisen lassen. "We continue this morning-session with the titletrack of our first album", verkündet Kristoffer mit einem Bein auf der Box. Angesichts des wie üblich überlauten Doublebass auf der Black Stage verwunderlich, dass er so gut zu verstehen ist. Nur die melodischen Gitarren gehen völlig unter, und so ist mein Favorit 'I Am Vengeance' kaum zu erkennen. Einziges wirkliches Manko eines ansonsten ganz guten Gigs, der hoffen lässt, dass NAGLFAR wieder zur alten Form zurückkehren. Vom aktuellen "Pariah" gibt's noch 'Revelations Carved In Flesh' und 'The Perpetual Horrors'. Dann verlassen die Schweden ruckzuck ohne große Verabschiedung die Bühne. Da fehlte dann doch noch etwas die Fannähe, und der gute Jens hätte die Bühnenweite sicher besser auszunutzen gewusst.
(Carsten)

ILLDISPOSED
ILLDISPOSED – das ist Death Metal gepaart mit Entertainment. Wenn die Dänen die Bühne betreten, dann ist Sänger Bo Summers immer für die eine oder andere launige Ansage gut. Und so auch in WACKEN. Die "eierlosen, schwulen Dänen" mit ihrer Vorliebe für Koks sind auch diesmal gut drauf und geben von der ersten Sekunde an Gas. Wuchtiger, stumpfer Death Metal punktgenau in die Magengegend gewuchtet. Egal ob 'Submit', 'Now We´re History' oder 'Kokaiinum' aus den Boxen dröhnen, das klingt alles geil! Auch das zahlreich anwesende Publikum hat seinen Spaß und lässt die Haare fliegen. Einziger Wermutstropfen: Aufgrund des verspäteten Anfangs ist nach gut einer halben Stunde Schluss! Trotzdem haben ILLDISPOSED mal wieder auf ganzer Linie überzeugt.
(Herbert)

BLOODBATH
Oink! Nachdem ich mir von MERCENARY (Oberhammer!), den wie immer grandiosen MORGANA LEFAY (Drummer Robin ließ später verlauten, dass er am 06.06.06 den Bund der Ehe schließen wird – Glückwunsch!) und den "swulen Dänen" vom posenden Iltis ordentlich hatte das Haupthaar fönen lassen, ward es Zeit für eine Weltpremiere: Der absolut erste Gig von BLOODBATH, dem schwedischen All-Star-Projekt rund um den Herrn der Augenringe und KATATONIA-Mucker – allerdings war Peterle terminlich verhindert (welch Wunder), weshalb niemand geringeres als Mikael Akerfeldt (OPETH), der BLOODBATH bereits auf der EP und dem Debüt die Stimme lieh, zusammen mit seinen infernalisch aussehenden Kollegen schick blutverschmiert die Bühne betritt. "We forgot to do our laundry this morning" scherzt der sonst eher so introvertierte Sänger und fordert im Verlauf des Gigs die enorm zahlreich Anwesenden auf, ihre positiven Bekundungen in einer "Death Metal voice" abzugeben, die er dann sogar in der Tonlage "Dani Filth!" fordert – da hat man doch gleich noch mehr Spaß! Aber auch musikalisch kann das Quintett voll und ganz überzeugen, rödelt eine Stunde lang ein Querschnitt aus allen bisherigen Schaffensphasen herunter, wobei besonders 'Bastard Son Of God', 'Brave New Hell' (mit "Stockholm-Beat") und das alles überragende und abschließende 'Eaten' alles wegblasen. Geile Sache, denn derart souverän, eingespielt und locker hätte man dieses Projekt vielleicht nicht livehaftig erwartet. Noch ein kleines "Ätsch" an alle Daheimgebliebenen: Das war der erste und auch einzige Gig mit Mikael am Mikro, der einen im Übrigen Tägtgren ganz und gar nicht vermissen ließ.
Tolle sechzig Minuten beste Alte-Schule-Dössmeddl-Unterhaltung und die beste Vorbereitung auf die Legenden von OBITUARY.
(Rouven)

OBITUARY
METAL CHURCH haben ordentlich vorgelegt, weshalb viele Zuschauer auf den Auftritt von OBITUARY gespannt sind. Trotz Regen hält das die nach Todesblei lechzende Menge nicht davon ab, trotzdem vor der Black Stage auszuharren. Mit dem instrumentalen Opener des aktuellen "Frozen In Time"-Albums 'Redneck Stomp' geht´s los. Donald Tardys punktgenaues Drumming, die Riffsalven des Gitarrenduos Peres/West und der zermalmende Bass von Frank Watkins, irgendwie hat man die Jungs schon vermisst. Im zweiten Drittel des Songs kommt John Tardy auf die Bühne gewackelt und wird natürlich warmherzig von den Fans empfangen. Mit 'Back Inside' geht´s dann auch richtig los. Überall wo man hinsieht, werden die Rüben geschüttelt, was im Laufe des Auftritts deutlich abnimmt. Die Jungs sind zwar gut in Form, doch bis auf 'Dying', 'Chopped In Half', 'Internal Bleeding' und 'Slowly We Rot' werden ausschließlich Songs des neuen Albums gespielt. Im Vergleich zum WFF-Auftritt ist die Klassikerquote deutlich geringer. Genauso ist auch das Wetter: Ein ewiges hin und her! Immer wieder hört es auf zu regnen, und just als man den Regenschirm wieder eingepackt hat, geht´s auch schon wieder los. Gegen Ende hin bildet sich bei 'Slowly We Rot' sogar ein kleiner, aber feiner Moshpit, doch ganz retten kann es die insgesamt eher verhaltene Stimmung nicht.
Ein souveräner Auftritt, ohne Frage, aber trotzdem hätte ich mir den einen oder anderen Klassiker mehr gewünscht. Bevor ich´s vergesse: Der Fan neben mir grölt so voller Inbrunst "OBITUARY", dass man, sofern John Tardy die Band mal verlassen sollte, in die engere Auswahl hinzuziehen kann. Und was den Auftritt angeht: "Frozen In WACKEN" trifft beide Lager punktgenau. Die Band, aber auch die Zuschauerreaktionen!
(Tolga)

WITHIN TEMPTATION
Ich kann mich noch daran erinnern WITHIN TEMPTATION Mitte der Neunziger auf dem Dynamo gesehen zu haben. Damals hatte die Band noch Eier und war live im Gothic Metal immer ein Erlebnis. Mittlerweile ist die Band, auch bedingt durch die Charterfolge, doch ein ganzes Stück Richtung Kitsch abgerutscht. Auch die diesjährige Bühnendeko kann wohl nur völlig Geschmacksverwirrten gefallen haben: Die beiden Engel waren jedenfalls eher mal grenzwertig. Musikalisch hingegen muss man selbst als WITHIN TEMPTATION-Nichtgutfinder der Truppe attestieren, eine ordentliche Leistung abgeliefert zu haben. Sharon zeigte ihre übliche Mischung aus Headbangen und Ausdruckstanz, und auch die Saitenfraktion war engagiert bei der Sache. Von alten Sachen wie 'The Other Half' über Songs wie 'Stand My Ground' und natürlich den Hits 'Mother Earth' und 'Ice Queen' war alles dabei, obwohl sie zu Beginn die ersten fünf Songs vom "The Silent Force"-Album spielen. Das ist zu viel des Guten, denn es klingt in meinen Ohren zu klinisch. Jegliche Live-Atmosphäre lässt zu wünschen übrig, denn dafür überwiegen die Samples vom Band zu sehr. Was mir immer noch nicht einleuchten will, ist die 1:1-Coverversion von 'Running Up That Hill'. Den Fans war's aber egal, sie hatten trotzdem ihren Spaß und gingen gut mit.
(Herbert & Tolga)

EISREGEN
Regen, Regen, Regen. EISREGEN? Wer braucht eigentlich WITHIN TEMPTATION auf der Black-Stage, wenn gleichzeitig die Thüringer die Party-Stage beackern? Ich zumindest ebenso wenig wie eine stattliche Menge vor der Partybühne. Und auch wenn ich eigentlich kein großer Fan von EISREGEN bin, muss ich der Truppe ein musikalisch wie stimmungsmäßig astreinen Gig attestieren. "Wacken, sind wir nicht alle ein bisschen 'Blutgeil'?" fragt Sänger Michael Roth. Das ganze Publikum geht mit, einige halten Thüringen-Flaggen hoch und die Fäuste recken sich bis zum Bierstand in die Luft. Unter den zahlreichen Crowdsurfern, die den Securities volle Hände bescheren, findet sich gar ein Nikolaus. "Krebskolonie! Krebskolonie!" schallen die Sprechchöre. "Ihr wisst doch, dass dieses Album in Deutschland nicht mehr erwünscht ist" ermahnt Michael. Und da die Splatter-Black-Metaller stets Probleme mit der Bundesprüfstelle haben, wollen sie es jetzt erst recht wissen: 'Tausend tote Nutten' heißt ein neuer Song, der sogleich dargeboten wird. Der Midtempo-Rocker 'Elektrohexe' ist ebenso neu, und nach den lautstarken Zugabe-Rufen gibt's noch eine entschärfte Fassung von 'Thüringen'. Während von der Black-Stage 'Mother Earth' herüber schallt, muss Michael hinter der Bühne zahlreiche Autogramme auf CD-Cover, VIP-Ausweise und Bierbecher geben. "Was habt ihr eigentlich noch für Mist" fragt der Sänger grinsend und nimmt einen Schluck aus seiner Bierdose. Fazit: Ihren Platz auf der Rückseite des Blackstage-Shirts haben sich EISREGEN mit diesem Gig redlich verdient - während WITHIN TEMPTATION dort bezeichnenderweise keine Erwähnung finden.
(Carsten)

APOCALYPTICA
Dann wird's auf der Black Stage melancholisch – melancholisch, nicht WITHIN TEMPTATION-schnulzig! Dementsprechend drängt sich auch mehr Publikum auf den Platz als beispielsweise bei NIGHTWISH auf der True Metal Stage abends zuvor . Das Trio plus Schlagzeuger nimmt mit seinen Celli Platz und knattert mit 'Path Vol. II' los. Der Schwerpunkt liegt eindeutig bei METALLICA-Covern. MACHINE HEAD haben eben schon mit einem 'Creeping Death'-Cover vorgelegt, APOCALYPTICA schlagen zurück: 'Master Of Puppets', 'Enter Sandman', 'Fight Fire With Fire', 'Seek & Destroy' – bis zum Bierstand grölen die beinharten Metalheads im Publikum mit und liegen sich bei 'Nothing Else Matters' in den Armen. Die größten Stimmungsmomente während Stücke vom aktuellen Album "Apocalyptica" die übrigen Fans befriedigen. Immer wieder wundere ich mich, wie die drei Cellisten es schaffen, mit ihren großen Instrumenten über die Bühne zu rennen und dabei auch noch zu bangen. Die Klassik-Metaller liefern einen gewohnt großen Gig, der kaum Wünsche offen lässt.
(Carsten)

Redakteur:
Rouven Dorn

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