Sleepy Hollow
- Regie:
- Tim Burton
- Jahr:
- 1999
- Genre:
- Fantasy
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Sleepy Hollow
1 Review(s)
04.09.2003 | 20:38Disneyfilme sind pädagogisch wertvoll.
Wirklich! Sie schaffen es, Kindern Geschichten zu erzählen, ohne dass sie darauf nachts ins Bett machen, wenn Shir Khan durch ihr Zimmer schleicht, oder der Sheriff von Nottingham das Sparschwein aufschlitzt.
Disneyfilme verharmlosen die grausame Realität der Kindergeschichten auf ein gewisses Maß, das Spaß und Geld garantiert, und keine Albträume und Endlosklagen.
So ist Shir Khan eben ein harmloser putziger Tiger, der nur so tut, als wäre es böse, und der Sheriff ist gar nicht mehr der Rede wert, wenn er doch eh nur von Robin verkloppt wird.
Wo die Gebrüder Grimm, Christian Andersen und Co. mit ihren Kindergeschichten noch in die Angstbresche schlugen, Hexen verbrannten, spitzfindige Ehefrauen malträtierten und alte Omas von Wölfen schlucken ließen, bemerkte Disney ziemlich schnell, dass lachende Kinder besser sind als weinende, und die uralten Lehrgeschichten eh nicht mehr von Nöten waren.
Es gibt eine ganze Palette von Disneyfilmen, die wir im Original kennen, und die mit Altersbeschränkung um einiges interessanter, weil authentischer, sind.
So werden heranwachsende irgendwann einmal bemerken, dass König Arthur von Merlin ziemlich derbe verarscht wurde, Aladin seine Gegner nicht aus dem Land werfen ließ, sondern sie an die Stadtmauer nagelte, und dass es plötzlich nicht mehr schwarz wurde, wenn der Sheriff von Nottingham zuschlug, sondern rot!
Weitere Aufklärungsarbeit leistet da Tim Burtons "Sleepy Hollow". Als amerikanisches Ammenmärchen (ja, ein paar eigene haben die da drüben auch) ist "Sleepy Hollow" bekannt, hier leider nur als ungewöhnlich böses Comicmärchen.
Mit einer exzellenten Auswahl an Schauspielern verpasste Burton dem Märchen eine Frischzellenkur, und präsentierte Anno 1999 einen der düstersten Filme der Geschichte des kommerziellen Horrorfilms.
Ichabod Crane ist Polizist im New York zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, und geht seinen Vorgesetzten mit seinen innovativen Erfindungen zur Spurensuche tierisch auf die Nerven. Ichabod steht den alten Erklärungen á la "das ist Teufelswerk" und "sie wurde von Gott bestraft" ziemlich kritisch gegenüber, seitdem seine Mutter von seinem fanatisch christlichen Vater mit einer Eisernen Jungfrau gepiekst wurde, und hält sich lieber an die irdischen Fakten der Polizeiarbeit.
Um ihren aufmüpfigen Kollegen zu läutern, schicken ihn seine Vorgesetzten in das Dörfchen Sleepy Hollow, in dem seit einigen Tagen ein Schlächter umgehen soll, der seine Opfer vorzugsweise enthauptet, und dann wieder im Wald verschwindet. Zeugen berichteten von einem kopflosen Reiter, der durch die Gegend flitzt und den Dorfbewohnern mit seiner Axt eine andere Weltsicht beschert.
Crane glaubt natürlich nicht an diesen Aberglauben, bis er nach kurzer Zeit selber vom Reiter ohne Kopf angegriffen wird.
Vorerst stellt sich dieser Angriff als Jungenstreich heraus, aber die nächste Leiche lässt nicht lange auf sich warten, und so macht Ichabod sich an die Arbeit, um die Morde aufzuklären. Dabei wandert er in immer okkultere Gefilde ab, bis er auf die Geschichte des "hessischen Reiters" stößt, den Königin Cathrine von England vom deutschen König als "Leihgabe" erhielt und nach Amerika schickte, um die aufsässigen Siedler zu stutzen. Das schaffte der Reiter auch sehr überzeugend, bis er schließlich bei einer Hetzjagd durch den Wald von Sleepy Hollow selber einen Kopf kürzer gemacht wurde, die Leiche wurde daraufhin verscharrt - und seitdem spukt der kopflose Reiter durch die Wälder.
Bei seiner weiteren Recherche kommen Crane die schöne Tochter des Bürgermeisters, und der Sohn eines der ersten Opfer zu Hilfe, wobei die schöne Frau noch einige Geheimnisse parat zu haben scheint. Bis sich die Ranken aus Dorfverschwörung und Zauberei lichten, fließt viel Blut, und es rollen Köpfe wie vom Band. Das Ende könnte aus einem klassischen Krimi stammen, nur dass hier nicht der Mörder von vorne herein feststeht. In einer spektakulären Zuspitzung der Ereignisse wird der Zuschauer mit Lösungshinweisen bombardiert bis die Augen weh tun, die Ohren bluten und die Finger sich metertief in die Stuhllehne gebohrt haben.
Durch seine düstere Bildgewalt fesselt der Film schon in den ersten fünfzehn Minuten an die Leinwand, und lässt einen danach nicht mehr los. Der rohe Umgang mit dem Märchenstoff lässt nichts zu wünschen übrig, Splatterfans dürften einigermaßen auf ihre Kosten kommen, aber der Film dürfte vor allem Fans von Johnny Depp begeistern, der hier in einer seiner Paraderollen den Ichabod Craine gibt, als hätte er nie was anderes gespielt. Christina Ricci brilliert als gute Naturhexe, und Christopher Walken scheint für die dreißig Sekunden als Kopfloser Reiter MIT Kopf geboren zu sein. Auch die restliche Schar der Schauspieler ist gut gewählt, und bringt die Atmosphäre des Films beispiellos authentisch rüber, eine so perfide Mischung aus Aberglauben und Geheimniskrämerei habe ich noch nie gesehen.
Auch ohne großartige Spezialeffekte - der Showdown für Actionfans dürfte im Niederbrennen der riesigen Windmühle bestehen - beinhaltet "Sleepy Hollow" eine Spur von Actionfilm, die sich in den Verfolgungsjagden und den schrecklichen Versteckspielen mit dem Kopflosen, der sich auch ohne Sehwerkzeug formidabel zurechtfindet, zeigt und für reichlich Schaden innerhalb von Dorf und Bevölkerung sorgt; eindrucksvoll wird demonstriert, wie man als Geschöpf der Hölle seine Zielperson aus einer Kirche rausbekommt, ohne sich die teuren Lederschuhe auf heiligem Boden zu versauen. Eigentlich feiert der Film ein Feuerwerk der kleineren Spezialeffekte ab, viel Kunstblut, Köpfe ohne dazugehörenden Körper, lebende Bäume, viele Schatten. Wer nicht so auf Farben steht, wird diesen Film lieben, ein düsteres Märchen, wie es im Buche steht, so würden die Gebrüder Grimm ihre Märchen auf jeden Fall NICHT verfilmen.
Trotz des facettenreichen Films, bei dem sehr aufs Detail geachtet wurde, dürfte dieser Film auch dem Mainstreamfilm-Fan gefallen, denn zu kompliziert wird es trotz der Fülle an Handlungslinien und Ereignissen nie, dafür sorgt die meisterliche Bewältigung des Mediums durch den Mann auf dem Regisseursessel.
Großes Kino für die Augen, Ohren und den Sinn fürs Fantastische. Ein Märchen mit viel düsterem Schnörkel, einer satten Portion schwarzen Humors und einer Schar an Schauspielern die nichts zu wünschen übrig lassen.
Kassenkino für Gruftis. ;)
Beeindruckend.
Anspieltipps: Johnny Depp, Christopher Walken, Christina Ricci, das verdammt coole Pferd des Reiters.
- Redakteur:
- Michael Kulueke