Samurai Fiction
- Regie:
- Hiroyuki Nakano
- Jahr:
- 1998
- Genre:
- Abenteuer
- Land:
- Japan
1 Review(s)
20.06.2004 | 21:41Kaum ein Land wurde vom sogenannten "amerikanischen Kulturimperialismus" dermaßen verwüstet wie Japan. Wo Europa durch die gemeinsame Kulturgeschichte noch genug Gemeinsamkeiten mit der hereinströmenden Flut an "coolen amerikanischen Filmen, Musik und Büchern" besaß um diese auch (halbwegs) kritisch auseinanderzupflücken, fand im besetzten Japan der Nachkriegsjahre quasi eine Assimilation der Kultur statt. Alles was traditionell japanisch war, war plötzlich uncool, alles was von Übersee hinüberschwappte, und seien es noch so peinliche Ergüsse amerikanischer Medienproduzenten, war cool. Innerhalb eines halben Jahrhunderts sieht diese Invasion folgende Bilanz: MTV ist der drittbeliebteste Sender Nippons, noch vor den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, Baseball ist der offizielle Nationalsport, Hamburger (obwohl deutsche Erfindung) sind beliebter als Sushi und Raisu, und selbst bei Godzilla erinnert sich jeder dritte nur noch an den Unfilm, den Roland Emmerich verbrach.
Wie fatal dieses Verhunzen klassischer Künste durch Coolness sein kann wurde mir per DVD in einem schönen Pappcase (siehe Filmcover) dargeboten. Der Film heisst "Samurai Fiction" und droht schon in der Kurzbeschreibung mit "einer Mischung aus Samuraifilm und Musikvideo", halt "Schwert und Blut und Rock'n'Roll".
Die Story?
Man schreibt das Jahr 1996. Die wiedergeborene Seele des Samurais Heishiro erzählt von seinen Erlebnissen als junger Samurai im Japan der Edo-Ära (1600-1853). Als Sohn des Regierungsrates Kanzen Nagashima bekommt Heishiro sofort mit, als das geliehene Schwert des Shoguns vom Samurai Kazamatsuri gestohlen wird. Graue Ironie: der Samurai sollte das Schwert eigentlich bewachen, wird von einem tolldreisten und nicht minder dämlichen Diener der Verschwörung bezichtigt, der dann auch noch aus Blödheit über die eigenen Füße in das Schwert des Gegners stolpert. Der zynische Samurai macht sich daraufhin mit dem Schwert davon, sicher um die Anschuldigung des Mordes wissend, und verzieht sich zu Fuß gen Osten, um den Schergen des Regierungsrates zu entkommen.
Heishiro will diese Schmach des Diebstahls nicht auf sich sitzen lassen, da das Schwert für seine Einschulung zum Staatsbeamten gebraucht wird und die Kopie, die sein Vater anfertigen lassen will, eher als eine Beleidigung anmutet.
Daher macht sich der Jüngling mit zwei Schulfreunden auf, den Ronin (Samurai ohne Ehre) zu stellen und das Schwert wiederzuholen. Bei der ersten Konfrontation werden alle drei übel zusammengestaucht (von einem Kazamatsuri, der kaum den Finger rührt). Einer der drei stirbt dann auch bei der erstbesten Gelegenheit.
Die anderen beiden überleben nur, weil der Schwertmeister Hanbei den ziemlich genervten Kazamatsuri ohne auch nur sein Schwert zu ziehen daran hindert, die beiden auch noch abzustechen. Heishiro wird schwer verletzt von seinem Lebensretter aufgenommen, während der andere unverletzte Kumpel mit der üblen Nachricht nach Hause geschicht wird.
Im Laufe der weiteren Geschichte erholt Heishiro sich wieder, will aber unbedingt für seinen toten Freund (der ebenso dämlich starb wie der Hofbedienstete am Anfang) Rache üben. Sein Vater indes schickt ein Duo auch nicht ganz heller Ninjas los, die das Schwert gegen das Duplikat austauschen sollen. Heishiro bandelt inzwischen mit der Tochter Hanbei's an, während der "Schurke" sich in einem Casino (ein Raum, in dem Würfel durch die Gegend geworfen werden) einnistet, bald die Kontrolle übernimmt, jedoch verraten wird und im Handstreich alle umlegt.
Heishiro will Rache, Kazamatsuri auch, und so trifft es sich, dass Hanbei's Tochter von ihm entführt wird, um ein Duell mit ihrem Vater zu provozieren. Heishiro treibt den Schurken durch gelernte Tricks zum Wahnsinn, dieser springt von einer Klippe und am Ende bekommt Heishiro das echte Schwert zurück.
Klingt verworren? Würde ich auch denken, wenn ich das nicht selber geschrieben hätte. Die Story ist eigentlich auch ein absoluter Pflegefall, obwohl sie super simpel zusammenzufassen ist: Schwert wird geklaut, Sohn will Rache, Freund wird getötet, Sohn will noch mehr Rache, trifft Meister, bandelt mit Tochter an, lernt Tricks während Feind sich ausruht, Feind wird verraten, tötet alle, provoziert Duell und verliert, super Happy-End.
Plumper geht es nicht. Normalerweise haben alte Samuraifilme es ja drauf, eine Handlung, die sich eigentlich nur um Ehre und Kampf dreht, in oppulente Bildgewalt zu verpacken und durch ewig lange Standaufnahmen eine zum zerreissen gespannte Atmosphäre aufzubauen (das haben sich übrigens einschlägige amerikanische Regisseure für ihre Western abgeschaut).
Mal von den dürftigen schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller abgesehen (ganze drei hatten schauspielerische Erfahrung im Film), hat der Regisseur Hiroyuki Nakano wirklich alles versucht, um den Film irgendwie "cool" zu machen. Was der verwirrte Japaner so alles unter Coolness versteht, wird einem hier schmerzhaft vorgeführt: wirre Kamerafahrten, Kameraeinstellungen, bei denen man sich vorstellen muss, was denn wirklich im Film abläuft, da man die Hälfte des Geschehens nicht mitbekommt, eine Handlung, die zwar irgendwie an die stoische Darstellungskraft des Theaters erinnert, aber nicht ansatzweise das rüberbringt, was sie eigentlich soll: die Story und die Gefühle der Charaktere. Dass der Regisseur vorher Musikvideos gedreht hat und auch noch frei zugibt, dass MTV für ihn die größte Inspirationsquelle für diesen Film war, erklärt natürlich sofort alles. So wird die dumpfe wortkarge und grobe Art des Bösewichts als "Coolness" dargestellt, die flippige und nervend-schrille Art des geschassten Sohnemanns als "hip", und die dümlichen Nebendarsteller als "funny". Schnelle Szenewechsel und irrsinnige Kamerawinkel sind ja eh "in".
Um den Streifen noch ein wenig "cooler" zu machen als er ohnehin schon ist, spielt der komplette Film in Schwarzweiss, nur blutige Szenen werden mit rot unterlegt. Am Anfang tut ein Erzähler auch noch so, als wäre er die wiedergeborene Seele von Heishiro. Also wenn das mal nicht cool ist.
Der MTV-gewohnte, und damit auch resistente, westliche Beobachter weiss es besser und sagt: alles Müll. Es gibt eine gewisse Anzahl von Regisseuren, die den Sprung von Musikvideos in "richtige" Filme geschafft haben und auch auf der anderen Seite des erzählerischen Könnens bestens zurecht kamen. Nakano gehört auf keinen Fall dazu. Von diesem desinspirierenden Virus namens "Coolness" infiziert, unternimmt der Mann wirklich alles, um aus einem fähigen Stoff 111 Minuten Schrott zu machen. Da wird unter dem Gewand einer Pseudo-Samuraigeschichte jeder erdenkliche Quark verbockt, den man normalerweise nur auf dem Musikkanal sieht. Dass das nicht in zwei Stunden Film passt, hätte eigentlich klar sein müssen. So fehlt wirklich jeder erzählerische Aufbau und die Spannung geht komplett flöten, da man es als wichtiger ansah, so schnell wie möglich mit der Kamera hin und her zu rudern, als dass man der Mimik der Darsteller genug Zeit gäbe, eine gewisse Atmosphäre aufzubauen.
Das beste am ganzen Film sind noch die Kostüme und die Kulisse, die Gott sei Dank nicht vercoolt wurden, sowie das eindrucksvolle Filmcover. Die ersten zwei Minuten des Films kann man sich anschauen, der Rest ist filmischer Müll und ein Indiz dafür, dass die Vermischung traditioneller und landestypischer Werte und Geschichten mit modernen Einflüssen kein Zuckerschlecken ist.
In Japan war der Film übrigens ein Hit, woran man merkt dass der medienkritische Umgang dort immer noch auf sich warten lässt.
Dieser Film hätte eher den Titel "Samurai Crap" verdient.
Die DVD ist in den gängigen Ton und Bildformaten gehalten, wird im stylischen Pappcover geliefert und enthält jede Menge Beweismaterial über die Verbrecher, die für diesen Film verantwortlich sind.
- Redakteur:
- Michael Kulueke