Razorback - Kampfkoloss der Hölle (2 DVD Special Edition)
- Regie:
- Russell Mulcahy
- Jahr:
- 1984
- Genre:
- Horror
- Land:
- Australien
1 Review(s)
05.04.2007 | 09:12Unter zwei Monden: das Schweinemonster des Outback
Ein gigantisches Wildschwein, so groß wie ein Nashorn, terrorisiert eine kleine Ortschaft in der endlosen Wüste Australiens. Das erste Opfer ist ein kleiner Junge. Er wird von dem Koloss nachts verschleppt. Einziger Zeuge des Wahnsinns ist der Großvater Jake, dem jedoch vor Gericht - er ist des Mordes angeklagt - niemand glaubt. Aus Mangel an Beweisen wird er freigesprochen, widmet aber sein Leben fortan der Jagd auf den Razorback.
Zwei Jahre später will eine amerikanische Reporterin, Beth Winters, über illegale Kängurujagd berichten. Sie stößt dabei nicht nur auf den Widerstand von Einheimischen, sondern auch auf die todbringende Bestie. Ihr Mann Carl und der alte Jäger Jake nehmen ihre Spur auf.
Filminfos
O-Titel: Razorback (AUS 1984)
Dt. Vertrieb: e-m-s (2-DVD: 15.02.2007)
FSK: ab 16
Länge: ca. 91 Min.
Regisseur: Russell Mulcahy ("Highlander 1+2")
Drehbuch: Everett de Roche nach dem gleichnamigen Roman von Peter Brennan (1981)
Musik: Iva Davies
Kamera: Dean Semler ("Waterworld")
Schnitt: William M. Anderson
Darsteller:
Carl Winters: Gregory Harrison "Trapper John M.D.")
Beth Winters: Judy Morris ("Bangkok Hilton")
Sarah Cameron: Arkie Whiteley (1965-2001; "Mad Max 2")
Jake Cullen: Bill Kerr ("Gallipoli")
Benny Baker:Chris Haywood ("Shine")
Dicko Baker: David Argue ("Flucht aus Absolom")
u. a.
Handlung
Jake Matthew Cullen (Bill Kerr) lebt abgeschieden im australischen Hinterland. Er betreut seinen kleinen Enkel Scotty, während seine Tochter in Brisbane ist. Eines Nachts hört er seltsame Geräusche, schnappt sich sein Gewehr - jeder hier hat eines - und tritt auf die Veranda. Als er sieht, was da auf ihn zukommt, ist er wie erstarrt und muss hilflos mit ansehen, wie ein Ungetüm von einem Wildschwein, ein so genannter Razorback, buchstäblich die Wände seines Hauses einreißt, es verwüstet und seinen Enkel in die Wüste verschleppt.
Verständlicherweise verdächtigen Polizei und Justiz ihn ob dieser unglaublichen Geschichte, den kleinen Jungen selbst getötet zu haben. Doch warum sollte er das tun? Aus Mangel an Beweisen freigesprochen, hat der von der Bevölkerung als armer Irrer gebrandmarkte Jake nur noch zwei Ziele im Leben: Rache für den Tod seines Enkels und den Kopf des Razorbacks als Trophäe.
Zwei Jahre später macht sich die schwangere Reporterin Beth Winters (Morris) von New York aus auf den Weg nach Australien, um über die illegale Kängurujagd im Hinterland zu berichten. Nur ihr Kameramann begleitet sie in den Outback, ihr Mann Carl bleibt daheim. Bei den Einheimischen erregt sie Anstoß, besonders bei den Känguruhjägern Dicko und Benny Baker (Haywood und Argue), die natürlich etwas dagegen haben, dass man ihr illegales Treiben im Fernsehen publik macht.
Bei der Recherche im Umfeld einer Hundefutterfabrik ("PetPak"), die den Baker-Brüdern gehört, stößt ihr Besuch samt Kamera nicht gerade auf Gegenliebe. Sie hat gerade ihre besten Aufnahmen gemacht, als sie auf der Rückfahrt von PetPak von den Baker Boys gestoppt wird. Als man ihren Wagen findet, klafft ein riesiges Loch in dessen Karosserie. Von ihr selbst fehlt jede Spur. Anhand ihrer Kameraaufnahmen lässt sich aber feststellen, dass sie zuletzt in der PetPak-Fabrik war ...
Das bringt ihren Mann Carl auf ihre Spur. Er will herausfinden, was tatsächlich mit seiner Frau geschehen ist. Alle behaupten, sie sei in den Schacht einer der zahllosen Opalminen der Gegend gefallen. Sein erster Anhaltspunkt ist der in den Filmaufnahmen auftauchende Razorback-Jäger Jake Cullen. Doch der äußert als Verdacht nicht etwa die Baker Boys, sondern einen riesigen Koloss von einem Razorback. Dennoch rät er Carl, zuerst in der Fabrik der Bakers vorbeizuschauen, um mehr herauszufinden.
Doch Carls Fragen nach der Amerikanerin machen den einäugigen Benny Baker stutzig, und er und Dicko nehmen Carl auf eine nächtliche Kängurusafari mit, bei der sie Carl in der Wildnis aussetzen. Der Razorback lässt sich nicht lange bitten, sein Territorium zu verteidigen ...
Mein Eindruck
Die ersten 20 Minuten erinnern ein wenig an Hitchcocks "Psycho" (1960), wenn Beth Winters im australischen Hinterland umkommt und sich ihr Mann auf eine Search-and-Resue-Mission begibt. Da kommt er allerdings ein wenig zu spät, und so wird es eine Search-and-Destroy-Mission. Der alte Mann und das Schwein - das ist Jake Cullen, den Bill Kerr ausgezeichnet und sehr glaubwürdig spielt.
Doch wer sich in Gefahr begibt, kommt bekanntlich darin um. Und so kann Carl von Glück sagen, wenn er es zur Farm von Sarah Cameron schafft, der hübschen blonden - und ledigen! - Schweineforscherin, die mit Jake zusammenarbeitet. Hier bahnt sich etwas an. Doch wird es Carl gelingen, Sarah, seine Hoffnung auf eine neue Zukunft, gegen das Monster zu verteidigen?
~ Etwas ist faul im Staate ... ~
Etwas ist mächtig aus dem Lot geraten im australischen Outback, und das liegt vor allem an den skrupellosen Kängurujägern. Benny und Dicko sind beleibe nicht die einzigen, aber die bei weitem durchgeknalltesten unter diesen Verbrechern. Mitunter erscheinen sie sogar furchteinflößender als das Monster selbst. Der wahre Grund, warum sie verhindern wollen, dass Carl bei ihnen herumschnüffelt, ist der, dass Dicko um ein Haar Beth Winters vergewaltigt hätte. Als Jake auch noch Beths Ehering findet, glauben sie, dass die Wahrheit doch noch ans Licht kommt und unternehmen alles, um auch dies zu verhindern.
~ Rache der Natur ~
Wie man sieht, hat der Outback einen Riesenhaufen an Altlasten zu verkraften und psychologisch zu verarbeiten. Das ist der ideale Nährboden für wahren Monsterhorror. So wie der "weiße Hai" in Spielbergs Monsterepos von 1975 die Rache der Natur für menschliche Vergehen verkörpert, so stellt auch der Razorback eine Verkörperung dar: nicht nur den Herrn der wild lebenden Schweine, die freie Natur, sondern auch die Rache der ausgebeuteten Natur an den Ausbeutern, insbesondere an den Kängurujägern.
Dass Benny und Dicko ebenso angegriffen werden wie ein anderer Jäger, folgt daher der symbolischen Logik des Films. Auch dass Jake Cullen sterben muss, ist deshalb von vornherein klar. Aber dass auch Beth Winters dran glauben muss, schockiert den Zuschauer, denn sie steht ja auf der Seite der "Guten". Das macht deutlich, dass die Natur nicht nach der moralisch gerade relevanten Seite des Opfers fragt, sondern jeden Eindringling verjagen will.
~ Festung des Bösen ~
Die Bastion der Ausbeuter ist gemäß der dargestellten Logik die Hundefutterfabrik PetPak. Hier werden die erlegten Kängurus gehäutet, zerlegt, ihre Kadaver hängen, umgeben von Ratten, an Fleischerhaken - kein schöner Anblick. Insbesondere ein Anblick, der den Tierfreund empören soll und Verständnis für den Angriff des Razorbacks auf diesen Inbegriff des Verbrechens an der Natur weckt.
Die Fabrik erinnert an manche Szenen aus James Camerons "Terminator": die Maschinenmetaphorik, der Einsatz von Dampf als Sichtbehinderung, das grelle mystische Licht, der infernalische Lärm. Nicht, wie von den Kritikern behauptet, der Outback ist die Hölle, sondern diese Maschinenhalle der Vernichtung von Leben. Hier wird Dantes "Inferno" Bild, Licht und Klang. Die Höhle der Baker Boys erinnert mit ihren ausgestopften Vögeln an die Hotelzimmer, die ein gewisser Norman Bates in "Psycho" zu vermieten hat.
~ Traumsprache ~
Der Outback ist sicherlich einer der Hauptcharaktere des Films, und der Kamera Dean Semlers ("Waterworld") gelingt es, ihn wie eine phantasmagorische Landschaft der Seele einzufangen. In den realistischen Aufnahmen herrschen Braun- und Rottöne vor, doch es gibt auch zwei eindrucksvolle Traumsequenzen, in denen ganz andere Farben dominieren. Beides sind Träume Carls.
Er kommt aus einer wohlgeordneten, kultivierten Umgebung und findet sich nun in der Inkarnation des menschenfeindlichen Fremden wieder. Im Traum stolpert er durch eine leere weiße Salzwüste, die unter einem nackten blauen Himmel brät. Schwarze Basaltsäulen ragen wie Grabsteine links und rechts empor, und ein riesiges Schweineskelett erwacht zu unheimlichem Leben, wenn es aus der Salzkruste hervorbricht, um ihn anzufallen. Hier findet der Videoclip-Pionier Mulcahy - er drehte den allerersten Musikclip für MTV in den achtziger Jahren - zu einer Bildsprache, die es mit den Einfällen Salvador Dalís in Hitchcocks "Spellbound" aufnehmen kann.
~ Showdowns ~
Das kuschelige Heim von Sarah Cameron liegt direkt am Rande dieser Wildnis des Herzens. Sie hat bereits ihre Eltern verloren, soll sie noch einen weiteren Menschen, den sie liebt, verlieren? Daher kommt es erst einmal nicht zu einem intimen Kontakt zwischen Carl und Sarah, entgegen allen Erwartungen und Informationen der Kritiker. Sie bringt ihn sogar zur Bushaltestelle.
Erst die entfernten Aktivitäten der Baker Boys führen zur entscheidenden Wende im Schicksal von Sarah und Carl. Dass er sie erst haben kann, wenn die Altlasten in Form von Baker Boys und Razorback beseitigt sind, ist eine Forderung der Dramaturgie des Genres. So wie Spielbergs Sheriff erst nach erfolgreicher Haijagd in den Kreis seiner Familie zurückkehren darf, so muss auch Carl erst die Zukunft sichern, indem er die Vergangenheit ausradiert, bevor er wieder Hoffnung schöpfen darf. Der Zuschauer atmet erleichtert auf.
~ Das Monster ... ~
... darf niemals aus nächster Nähe in Ganzkörperaufnahme gezeigt werden - ein ehernes Gesetz des Horrors, denn sonst könnte man ja gleich eine Doku darüber drehen. Beth Winters' Kamera erhascht nur einen kurzen Blick auf den Razorback, aus der Ferne, doch von nahem ist nur sein Kopf zu sehen. Natürlich ist der Kopf mit den vier riesigen Hauern eine animatronische Prothese, aber der Eindruck zählt und nicht die Fakten. Und wenn Kamera, Licht und Musik stimmen, dann verfehlt auch eine Prothese nicht ihre horrormäßige Wirkung.
~ Humor ~
Es gibt auch Humor in diesem Film, wenn auch solchen von der einfachsten und schrägsten Sorte. Hier laufen Emus über die Staubstraßen des Wüstenkaffs Gamulla. Der Name heißt übersetzt "Eingeweide" oder "Darm". An diesem Arsch der Welt dürfen auch Kamele als anspruchsloseste Fortbewegungsmittel auftauchen. Und eines der Kamele frisst mit Vorliebe Coladosen.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 2,35:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0 (mono) und Englisch in DD 2.0 (stereo)
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras:
- O-Trailer
- Trailershow auf Disc 1: Running Scared; The Big White; The Machinist; Brotherhood.
- Tierhorror-Trailershow auf Disc 2: Rottweiler; Arachnid; 12 Days of Terror; Pythons; Dragon Fighter; New Alcatraz.
- "Jaws on Trotters": Making-of "Razorback"
- Deleted Scenes: die Sterbeszenen von a) Beth, b) Jake, c) Dicko und d) Razorback himself.
- Bio- und Filmografie zu Russell Mulcahy
- Booklet mit Kapitelüberschriften und einem Filmessay von Frank Meyer in Deutsch
Mein Eindruck: die DVD
Das Bild wurde digital aufbereitet, so dass nur in einer Szene Falschfarben zu bemerken sind, so etwa rosa Wolken, die eigentlich weiß sein sollten. Und nirgendwo konnte ich Artefakte feststellen, was zu einem sehr ruhigen und ungestörten Genuss des Bildes beiträgt.
Der Sound ist im englischsprachigen Original immerhin in Stereo, in der deutschen Fassung liegt aber nur Mono-Klang vor, was die Freude trübt. Die Musik sollte man einfach in Sechskanalton anhören, denn dann erst entfaltet die grandiose Orchestrierung mit den zahlreichen Bässen ihre vollständige Wirkung. Doch mit Stereo kommt man in dieser Hinsicht nicht weit. Soundmäßig hätte eine künftige Edition noch einiges zu liefern.
An Untertiteln war in der englischen Fassung nichts festzustellen, auch nicht von deutschen Untertiteln. Wer also nicht besonders gute Englischkenntnisse sei Eigen nennt, der dürfte mit dem Original nur wenig anfangen können. Zumal noch der schreckliche Aussie-Dialekt der Baker Boys sein Übriges tut. In der deutschen Fassung gibt es nur an jenen Stellen Untertitel, die nachträglich aus der ungeschnittenen Fassung restauriert wurden. Dazu zählt in erster Linie die Vergewaltigungsszene mit Beth.
~ Die Extras ~
Der Originaltrailer liegt nur in englischer Sprache vor, aber in guter Tonqualität. "Jaws on Trotters" ("Jaws" ist eine Anspielung auf Spielbergs "Der weiße Hai" alias "Jaws") ist der Titel des Making-ofs, was so viel wie "Todeskiefer auf Schweinshaxen" bedeutet. Mit diesem Titel dürfte klar sein, dass der Macher des Making-ofs, der Regisseur, Cutter und Produzent Mark Hartley, die Sache nicht so bierernst verstanden wissen wollte.
Produzent Hal McElroy erzählt, wie es kam, dass er die Story, den Designer und den Regisseur auswählte. Designer Bob McCarron sitzt in seiner Werkstatt neben einem der riesigen Köpfe des Monsters, die für den Film verwendet wurden. Auch Russell Mulcahy und die Darstellerin der Beth Winters, Judy Morris, tragen ihr Scherflein bei. Die Darstellerin der Sarah Cameron, Arkie Whiteley, starb leider bereits 2001 an Krebs, und der Darsteller des Jake, Bill Kerr, war schon damals nicht mehr der Jüngste. Mögen sie in Frieden ruhen. Auch David Argue zeigt nicht sein Gesicht, doch sein damaliger Filmkumpel Chris Haywood weiß einige heiße Storys über diesen überkandidelten Typen zum Besten zu geben.
Wie auch immer: Das Ergebnis der disparaten Elemente in dem Film - die sagenhaften Landschaftsaufnahmen Dean Semlers, das Monster, der Razorbackjäger und schließlich noch die beiden durchgeknallten Baker Boys - war zwar gut, aber nicht gut genug, um es zum Hit zu bringen. Nur die Franzosen fanden's cool, und der Film avancierte zum Kultstreifen. Nun trösten sich alle damit, dass der Film seiner Zeit um fünf bis zehn Jahre voraus war und alle ihn nun nachahmen. Das wäre toll, aber da gibt es noch die kleine Frage von Steven Spielberg, der Mulcahy auf den Fidschi-Inseln anrief und wissen wollte, wie es kam, dass in einem Bild zwei Monde die Landschaft Australiens beleuchten. Hätten wir auch gern gewusst, Mister Mulcahy!
~ Die Deleted Scenes ... ~
... sind im Grunde die Urversionen der in der Endfassung zugelassenen Szenen. Generell lässt sich sagen, dass die Sterbeszenen von a) Beth, b) Jake, c) Dicko und d) Razorback hier einfach nur brutaler, blutiger und schleimiger sind als in der Endversion. Damit ist schon das hier zu Sehende charakterisiert. Beths Sterbeszene, die schon in der Endfassung total an die Nieren geht, ist noch viel exzessiver inszeniert, so dass die Darstellung fast ans Komische grenzt. Vor allem, wenn man weiß, dass es sich um eine Gummipuppe handelt, die da malträtiert wird.
~ Das Booklet ... ~
... bietet einen ausführlichen Filmessay von Frank Meyer ("Sense of View") über den Film. Sein Text ist mit Vierfarbfotos garniert und listet am Schluss die Kapitelüberschriften auf. Solide Arbeit, wenn auch ein wenig viel der Lobhudelei.
Unterm Strich
Der Horrorfilm weist zwei Höhepunkte auf. Die Todesszene von Beth Winters hat Qualitäten, die der Duschszene in Hitchcocks "Psycho" das Wasser reichen können. Und der Showdown zwischen Carl Winters und dem Razorback versucht es mit den Klassikern des Horrorgenres wie etwa Spielbergs "Der weiße Hai" aufzunehmen, aber da fehlte dann doch noch einiges: Raffinesse, Geld und vor allem Zeit. So wurde aus einem potenziellen Kandidaten für die A-Liga nur ein Kultfilm der B-Movie-Liga.
Die Ausstattung der Special Edition rechtfertigt diesen Ehrentitel: Booklet, Bonus-Disc und Schuber verleihen der DVD die Anmutung einer bibliophilen Sammlerausgabe.Weil aber das Making-of nicht deutsch untertitelt ist, sollte der Sammler gute Englischkenntnisse mitbringen. Wie auch immer: "Razorback" sorgt für einen unterhaltsamen DVD-Abend.
- Redakteur:
- Michael Matzer